13. Sonntag nach Trinitatis, 25. 8. 2024 Text: Leviticus 19, 1-4. 9-18. 33-34 (Gute Nachricht Bibel)
1 Der HERR sagte zu Mose:
2 »Richte der ganzen Gemeinde Israel aus, was ich ihr zu sagen habe: 'Ihr sollt heilig sein; denn ich, der HERR, euer Gott, bin heilig‘. 11,44-45; 20,25-26; Ex 22,30; Mt 5,48; 1Petr 1,15-16
3 Jeder soll seine Mutter und seinen Vater ehren und den wöchentlichen Ruhetag, meinen Sabbat, beachten. Ich bin der HERR, euer Gott! Ex 20,12S; 20,8-10S
4 Wendet euch nicht anderen Göttern zu und macht euch keine Götterbilder. Ich bin der HERR, euer Gott! Ex 20,2-3S; 20,4S
9 Wenn ihr erntet, sollt ihr euer Feld nicht bis an den Rand abernten und keine Nachlese halten. (19,9-10) 23,22; Dtn 24,19-21
10 Auch eure Weinberge sollt ihr nicht ganz ablesen und die heruntergefallenen Trauben nicht aufheben. Lasst etwas übrig für die Armen und für die Fremden bei euch. Ich bin der HERR, euer Gott!
11 Vergreift euch nicht an fremdem Eigentum. Belügt und betrügt einander nicht. Ex 20,15S; 20,16S
12 Missbraucht nicht meinen Namen, um etwas Unwahres zu beschwören; denn damit entweiht ihr ihn. Ich bin der HERR! Ex 20,7; 20,16S; Mt 5,33
13 Erpresst und beraubt nicht eure Mitmenschen. Wenn jemand um Tageslohn für euch arbeitet, dann zahlt ihm seinen Lohn noch am selben Tag aus. Dtn 24,14-15; Mal 3,5; Jak 5,4
14 Sagt nichts Böses über einen Tauben, der es nicht hören und sich nicht wehren kann, und legt einem Blinden keinen Knüppel in den Weg. Nehmt meine Weisungen ernst: Ich bin der HERR! Dtn 27,18
15 Wenn ihr einen Rechtsfall zu entscheiden habt, dann haltet euch streng an das Recht. Bevorzugt weder den Armen und Schutzlosen noch den Reichen und Mächtigen. Wenn ihr als Richter über einen Mitmenschen das Urteil sprecht, darf allein die Gerechtigkeit den Maßstab abgeben. (19,15-16) Ex 23,1-3S b) Dtn 1,17S
16 Verbreitet keine Verleumdungen über eure Mitmenschen. Sucht niemand dadurch aus dem Weg zu schaffen, dass ihr vor Gericht falsche Anschuldigungen gegen ihn vorbringt. Ich bin der HERR!
17 Wenn du etwas gegen deinen Bruder oder deine Schwester hast, dann trage deinen Groll nicht mit dir herum. Rede offen mit ihnen darüber, sonst machst du dich schuldig. Mt 18,15
18 Räche dich nicht an deinem Mitmenschen und trage niemand etwas nach. Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst. Ich bin der HERR!' 19,34; Mk 12,31S
33 Unterdrückt nicht die Fremden, die bei euch im Land leben,
34 sondern behandelt sie genau wie euresgleichen. Jeder von euch soll seinen fremden Mitbürger lieben wie sich selbst. Denkt daran, dass auch ihr in Ägypten Fremde gewesen seid. Ich bin der HERR, euer Gott! 19,18S; Ex 22,20S
Mit unserem Predigtwort tauchen wir in eine fremde Welt ein: 'Ihr sollt heilig sein; denn ich, der HERR, euer Gott, bin heilig‘. Geredet zur Gemeinde Israel; mit ihr verbindet uns Jesus. Aber sind wir hier wirklich angesprochen, gemeint? Ist das nicht fernes Altes Testament und ‚heilig sein‘ eine unerfüllbare Forderung? Muss das nicht zu Heuchelei und Doppelbödigkeit führen? Weil wir wohl heilig sein möchten, es aber nicht vermögen und dann uns mit einem Heiligenschein behelfen, während unser Herz von guten, aber auch sehr schlechten Regungen bewegt wird, und wir Unerfülltheit und Leere mit materiellen oder spirituellen Mitteln zu füllen versuchen.
'Ihr sollt heilig sein; denn ich, der HERR, euer Gott, bin heilig‘. Das ist doch nicht nur Forderung, sondern auch Zuspruch: ‚Ich bin der Herr, euer Gott!‘ Das heißt: Ich bin Gott für Euch! Und das – man verzeihe mir die Kühnheit – bedeutet für uns: In Jesus Christus ist Gott für uns, wir sind sein heiliges Volk; wir müssen uns nicht aufschwingen zu ihm, wir sind doch sein eigen! Er hat uns in Jesus erwählt und wir gehören zu ihm durch den Glauben. Wer zu Gott gehört, ist heilig. Denen, die heilig sind, gilt die Aufforderung: ‚Ihr sollt heilig sein!‘ D.h. geht den Weg der Heiligung.
Dazu gibt unser Wort Weisungen für verschiedene Lebensbereiche. Mutter und Vater ehren, den Ruhetag beachten, sich nicht an Götzen hängen; wir kennen das von den zehn Geboten. Nur einen Ausschnitt davon kann ich hier behandeln.
Mutter und Vater ehren, sie ernst nehmen, die Gemeinschaft mit ihnen bewahren, auch wenn sie manchmal schwierig sind, Zeit für sie haben, das ist Gott wichtig. Das steht in dieser priesterlichen Auslegung der zehn Gebote noch vor der Achtung des Ruhetages, anders als dort. Mutter und Vater ehren ist nicht nur deshalb schwierig, weil Eltern und Kinder jeweils ihren eigenen Lebensbereich haben, ihre eigene Welt, sondern manchmal eine völlig andere Vorstellung von dem haben, was man tut und was nicht. Es ist auch deshalb schwierig, weil Eltern manchmal Unterschiede machen bei ihren Kindern, ein Kind bevorzugen. Wieviel Streit entsteht beim Thema ‚Erbe‘! Aber vor dem Erben stellt sich die Frage nach der Fürsorge für die alten Eltern. Ich meine, wer sich um die Eltern kümmert, darf auch beim Erbe bevorzugt werden.
Manche Eltern- Kind- Beziehung ist vergiftet durch Vorwürfe; ihr habt als Eltern versagt, weil ihr das und jenes getan habt. Es braucht einen gesunden Abstand zu den Eltern. Es braucht Eigenständigkeit; ich bin nicht nur Kind, sondern stehe selbst im Leben meine Frau, meinen Mann. Es braucht die Bereitschaft, statt aufzurechnen zu lieben, weil ich geliebt bin – von Gott und Menschen. Eltern umerziehen zu wollen ist keine gute Sache. Wie möchte ich von meinen Kindern behandelt werden, wenn ich alt bin?
Warum ist der Sabbat, für uns der Sonntag, so wichtig? Durch den Sonntag bekommt unser Leben einen Rhythmus von Arbeit und Ruhe, das ist eines; das andere aber ist: Wer nicht zur Ruhe kommt, verliert sich selbst, seine Mitmenschen und den Bezug zu Gott. Herausfordernd sage ich: Was ist los mit uns, wenn wir immer beschäftigt sein müssen? Halten wir uns selbst nicht aus? Sind unsere Mitmenschen es nicht wert, dass wir uns Zeit für sie nehmen? Und Gott, dem wir uns verdanken, ist er uns gleichgültig?
Aber es geht noch um mehr: Es geht beim Ruhetag um die Gemeinschaft mit Gott und all denen, die zu ihm gehören; es geht um den Gottesdienst. Damit meine ich nicht nur die Stunde der Andacht am Sonntagmorgen, sondern das, was in der Apostelgeschichte beschrieben wird mit dem Satz: „Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.“ (Apg. 2, 42) Christsein ist lebendige, gemeinschaftliche Teilhabe am Evangelium von Jesus. Miteinander Lernen, einander beistehen, den kommenden Herrn feiern im Brotbrechen, betend mit seiner Nähe rechnen. Von wem sagt Lukas das? Von Menschen, die ihr Herz an Jesus gehängt haben.
Wir kommen zur nächsten Ermahnung: ‚Wendet euch nicht anderen Göttern zu und macht euch keine Götterbilder. Ich bin der HERR, euer Gott!‘ Wenn wir Gott nicht suchen, der uns durch Jesus hineinruft in die Gemeinschaft mit ihm, dann laufen wir anderen Göttern nach – das ist zwangläufig. „Woran du nun dein Herz hängst und worauf du dich verlässt, das ist eigentlich dein Gott!“ (Luther, Gr. Katechismus) In Jesus finden wir den lebendigen, rettenden Gott!
Um Gebote und Verbote – und ein MEHR geht es in unserem Predigtwort! Das bedeutet:
‚Versetz dich in die Situation deiner Mitmenschen, wenn du kannst, gleiche aus, was sie als Belastung zu tragen haben‘.
Also: „Wenn ihr erntet, sollt ihr euer Feld nicht bis an den Rand abernten und keine Nachlese halten. Lasst etwas übrig für die Armen und für die Fremden bei euch. Ich bin der HERR, euer Gott!“ Und: „Wenn jemand um Tageslohn für euch arbeitet, dann zahlt ihm seinen Lohn noch am selben Tag aus. – Sagt nichts Böses über einen Tauben, der es nicht hören und sich nicht wehren kann, und legt einem Blinden keinen Knüppel in den Weg. Nehmt meine Weisungen ernst: Ich bin der HERR!“ Und: „Wenn ihr einen Rechtsfall zu entscheiden habt, dann haltet euch streng an das Recht. Bevorzugt weder den Armen und Schutzlosen noch den Reichen und Mächtigen.“ Schließlich: „Unterdrückt nicht die Fremden, die bei euch im Land leben, sondern behandelt sie genau wie euresgleichen.“ All das wird zusammengefasst in dem Satz: „Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst. Ich bin der HERR!“ Diese letzte Mahnung ist das ‚Mehr‘!
Nächstenliebe als Auftrag!? Gewiss, Jesus lehrt sogar die Feindesliebe und behauptet, sie sei das Zeichen der Vollkommenheit, wirkliche Heiligung. Heilig lebt nicht. wer sich nichts vorzuwerfen hat, weil er/sie alle Regeln eingehalten hat, sondern heilig lebt, wer liebevoll Gott und den Mitmenschen zugewandt ist. So geschieht Gerechtigkeit. Recht geschieht durch genaues Aufrechnen, Gerechtigkeit schafft einen Ausgleich, kann Schulden erlassen und Schuld vergeben, um ein Miteinander zu ermöglichen. Gott will, dass sein Volk leben kann!
Eine kleine Geschichte erzählt: Ich hatte einen Traum: Ein Mensch erschien vor dem Gericht des Herrn und sprach: "Siehe, Herr, ich habe dein Gesetz beachtet, habe nichts Unrechtes, Böses oder Frevelhaftes getan. Herr, meine Hände sind rein." Gott antwortet: "Ohne Zweifel, doch sie sind leer." (Raoul Follereau - in Hoffsümmer, Kurzgeschichten 99/5, elektr. Ausgabe Nr. I 247)
Regeln für das Miteinander! Es geht um mehr als Recht und Ordnung, es geht um Gerechtigkeit; darum, im Geben und Nehmen miteinander zu leben. Dazu gehört auch die Mahnung, Fremde nicht zu unterdrücken. Wir diskutieren über die Integration von Ausländern. Gefordert wird die Anpassung an unsere Regeln, das Erlernen der deutschen Sprache, der Erwerb des eigenen Lebensunterhalts. Die Integrationsforderung unterscheidet sich je nach politischem Lager. Manche möchten alle Grenzen niederreißen, andere Grenzen undurchdringlich für Fremde machen. Es sind viele Fragen, die ich hier nicht im Einzelnen diskutieren kann. Ich beginne mit einer eher ungewöhnlichen: Wieweit sind wir im eigenen Leben beheimatet? Wieweit kommen wir zurecht mit unserer sozialen und wirtschaftlichen Situation? Leben wir in ständiger Unzufriedenheit? Sind wir selbst integriert? Was bedeutet die Mahnung, Fremde nicht zu unterdrücken? Soweit ich es verstehe, geht es um eine grundsätzliche Haltung. Fremde sind Menschen und als Menschen zu behandeln. Stellen wir uns vor, selbst Fremde in einem Land anderer Sprache und Kultur zu sein. Wie möchten wir behandelt werden? Die biblische Weisung verlangt nicht von uns, Fremden ein leichtes Leben zu ermöglichen. Sie fordert nicht von uns, Eigenarten und Verhaltensweisen kritiklos hinzunehmen, die uns widersprechen. Aber Fremde sind Mitmenschen!
Immer wieder heißt es am Ende einer Regel: „Ich bin der HERR, euer Gott!“ Wer sich an die Wegweisung hält, bewahrt nicht nur die Gemeinschaft mit seinen Nächsten, sondern auch mit Gott; der ist heilig! Die wiederholte Erinnerung „Ich bin der HERR, euer Gott!“ bedeutet auch, dass die Weisung nicht reduziert werden darf auf gesellschaftliches Wohlergehen. Es geht um einen größeren Horizont: Gott und seine Menschen! Durch Gottes Zuwendung zu uns in Jesus Christus sind wir von IHM angenommen; lasst uns das leben, was wir im Glauben ergriffen haben, leben als Kinder Gottes! Amen.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Vor Augen habe ich weniger unsere Bad Königer Gemeinde als die Lage unserer Landeskirchen, die durch Zusammenlegung und Kürzung den Rückbau der Institution Kirche betreiben, aber nach meinem Eindruck den Herrn der Kirche wohl nennen, aber nicht mutig bekennen. Wir verharren in den Denkschemata von Kirche als religiöser Versorgungsbetrieb. Nötig aber ist die Umkehr zu Kirche als Gemeinschaft derer, die durch Jesus Christus geheiligt sind.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Beflügelt!? Es war ein langer Weg zu dieser Predigt. Sie ist mir keineswegs in den Schoß gefallen.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Das weiß ich heute noch nicht!
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Ich habe die Predigt mehrfach überarbeitet, auch im Gottesdienst gehalten. Im Gottesdienst gewinnt sie eine eigene Gestalt, die ich schriftlich kaum wiedergeben kann. Die Rückmeldung meiner Predigtcoach war wichtig und richtig, aber ich musste meinen eigenen Weg finden und gehen.