Predigt zu Matthäus 5,13-16 von Dieter Koch
5,13-16

Predigt zu Matthäus 5,13-16 von Dieter Koch

In der Liebe erblühte Menschen, sie sieht Jesus als das Salz der Erde, das Licht der Welt 

Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt,

Liebe Gemeinde, einst war Salz so wertvoll und so unverzichtbar wie heute das Erdöl. Erdöl: Benzin, Diesel und Kerosin  werden daraus gewonnen. Sie sind die Antriebsmittel, ohne die unsere hochmotorisierte Welt nicht im Fließen wäre.  Nur dank dieser Treibstoffe können im weltumspannenden Handelsaustausch Güter hin und her, von Pol zu Pol transportiert werden, nur dank ihrer floriert unsere Wirtschaft und decken Brot und Butter, Wohlstand aller Art unseren Tisch.

Liebe Gemeinde, einst war Salz so wertvoll und so unverzichtbar wie heute das Erdöl. Es ist die Basis für viele Kunststoffe, Plastik aller Art und es ist auch eine der Basissubstanzen für Parfüms und Kosmetika, ohne die manches Gesicht nicht in Schönheit aufglühte. Öl ist so grundlegend und so wertvoll, dass nicht zuletzt Kriege um das Öl unseren Globus überziehen.

Einst war Salz so wertvoll und so unverzichtbar wie heute das Erdöl. Bedeutend die Salzstädte in Mitteleuropa, Hallstatt, Salzburg, Bad Reichenhall, Schwäbisch Hall und andere mehr. Orte der Salzgewinnung, Orte des Handelsumschlags von Salzgütern, Orte, die reich wurden, Orte, die es zu sichern galt. Kriege waren Kriege um Salz. Ohne Salz kein Leben. Salz macht Lebensmittel haltbar. Salz dient zum Pökeln, Salz wurde eine reinigende und konservierende Kraft zugesprochen und Salz macht Fades genießbar. Wir wissen um das Salz in der Suppe. Und wir wissen, wie sehr unsere Körper Salz und Mineralstoffe aller Art brauchen, um zu überleben. Salz ist unverzichtbar für den Fortbestand der Welt.

Salz war einst zu biblischer Zeit eine Gabe des Toten Meeres. Nicht nur hat dieser Wasserspeicher, Endpunkt des Jordanflusses, einen extrem hohen Salzgehalt. Man konnte im Salzwasser baden und von Hautkrankheiten genesen. Man konnte auch  Salz als Wirtschaftsgut daraus gewinnen. In großen Platten wurde es  den Verdunstungsflächen entnommen, in Platten gebrochen und in den Handel gebracht. In Platten wurde es gebraucht, um die Backöfen damals auszukleiden. Kein Brot, kein gutes Brot, kein haltbares, kein genießbares Brot ohne Salz des Toten Meeres. Wenn die Salzplatten dann im steten Feuer eines Backofens schließlich verbraucht waren, dann wurden sie entfernt, auf die Müllhalden geworfen. Nutzloses Gut. „Denn wenn das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen! Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten“(Mt5,13).  Wertlos, nutzlos, nichts als Abfall, Salz, das seine Funktion verloren hat.

Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt,

kann die Christengemeinde so wertvoll,  so unverzichtbar sein für das Fortbestehen der Welt? Jesus meint es, Jesus denkt so. Was nur bewegt ihn, dass er so die, die sein Wort hören und annehmen, bezeichnet: Ihr seid das Salz der Erde. Wertvoll und unverzichtbar, gleich dem Salz, mag man denken, wäre für einen Juden einst die Treue zur Thora gewesen. Und genau so dachte man in der Welt der Schriftgelehrten und Pharisäer. Das Überleben hängt an der Einhaltung der Weisungen Israels. Die Thora ist das Weltprinzip, Gehorsam die Überlebenskraft. Seine Satzungen zu verinnerlichen war die Devise Israels, Gerechtigkeit und Bundestreue, Gerechtigkeit und Bundestreue auch und gerade im Widerstand zur thorafernen, thoraarmen Welt der Heiden und  Zöllner, der gottlosen Haufen der Sünder, der Masse der Verlorenen, wie man all die sah, die sich nicht dem Gotteswort unterwarfen.

Doch in Jesu Sicht ist nicht die geschlossene Welt der Thora das Fundament des Kosmos, sondern der offene Kreis der zur Gottesliebe erweckten Menschen. In der Liebe erblühte Menschen, sie sieht Jesus als das Salz der Erde, das Licht der Welt. Es ist der offene Kreis derer, die am Berg der Seligpreisungen sein Wort vernehmen und es sich zu Herzen nehmen. Keine Thora, keine Unterwerfung, kein Gehorsam einem Gottesgesetz gegenüber. Keine Vision eines Gottesstaates, sondern der offene Kreis derer, deren Hoffnung aufgeht, die ihre Hoffnung auf ein Stück Sinn, ein Stück Anerkennung, ein Stück Wertschätzung, ein Stück Frieden wiedergefunden haben und im Geist der Hoffnung, Reich-Gottes-Hoffnung anders miteinander umzugehen beginnen.

Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt,

Menschen werden angesprochen, die gerade keinen geschlossenen Konventikel bilden, keine sektiererische Gruppe jedweder Flagge. Solche Gruppen meinen immer, sie hätten weil sie die Wahren, Erleuchteten, Reinen, Unbefleckten wären, ein Recht auf den Besitz der Welt. Man kann sich als Salz der Welt dünken, und dabei so engstirnig, so hohl, so fern der Wahrheit leben, solange man im überzogenen Selbstbild sich als Salz der Erde, Licht der Welt feiert. Keine Religion, keine Kirche dieser Welt, keine christliche Gruppe, welcher Couleur auch immer, ist per se das Salz der Erde, das Licht der Welt. Es ist im Wort Jesu allein der offene Kreis derer, die sich nicht aufgeben, der offene Kreis derer, die sich auf den Anbruch des Friedens einlassen, der offene Kreis derer, die annehmen, dass Menschen nur als Brüder und Schwester füreinander leben können, der offene Kreis derer, die aus den immer gleichen Legitimationszirkeln der Feindschaft austreten und die nichts, nichts als ihrer Menschlichkeit Raum lassen, weil sie erspüren, dass nur offene Herzen einander annehmen und füreinander einstehen können.

Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt,

Angesprochen ist nicht eine Institution, ein fester Verband, eine Gemeinde. Angesprochen ist nicht die Gruppe derer, die miteinander das Abendmahl feiern. Angesprochen ist nicht die Gemeinschaft der Getauften. Angesprochen ist nicht ein christliches Zentrum, angesprochen sind, die geistlich arm sind. Angesprochen sind, die da Leid tragen. Angesprochen sind die Sanftmütigen. Angesprochen sind, die da hungert und dürstet nach Gerechtigkeit. Angesprochen sind die Barmherzigen, die reinen Herzens sind, die Frieden stiften, Übles ertragen. Seid fröhlich und getrost. Gott ist euer (siehe Mt 5,3-12). Aber welcher Glanz, welche Zuversicht, welche Hoffnung liegt darin, dass genau wir, die geistlich Armen, wir, die Leid tragen, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit,  wir, die Barmherzigen, die Sanftmütigen, die für den Frieden Wirkenden, die Gemeinde Jesu bilden, die Schar derer, die seinem Wort trauen und in seine Nachfolge treten, miteinander das Brot brechen und aus seiner Hingabe leben, wir, die wir das Siegel des Glaubens empfangen haben und als Getaufte um einen guten Herrn wissen. „Menschen, die aus der Hoffnung leben, sehen weiter. Menschen, die aus der Liebe leben, sehen tiefer. Menschen, die aus dem Glauben leben, sehen alles in einem anderen Licht“(Lothar Zenetti, siehe EGWü, S.905)), sie sind das Salz der Erde, sie sind das Licht der Welt.

Braucht es Beispiele? Menschen wie Marianne Schwegler, eine Frau aus meiner Pfarrgemeinde. Barmherzigkeit hat ein Gesicht. Sie lebt ein bescheidenes Leben, sie hat früh ihren Mann verloren, allein 7 halbwüchsige Kinder ins Leben geleitet. Sie steht fest in den Losungen und im Gebet, ohne irgendein Aufhebens davon zu machen. Ihr Gesicht ist voller Wärme und Anteilnahme. Sie bäckt Kuchen für das Gemeindefest Jahr um Jahr. Wer ein Bett braucht, findet bei ihr eine offene Tür. Sie kann kein Englisch und doch sind über die Jahre so viele Gäste aus den Überseekirchen bei ihr gewesen. Es gibt eine Sprache der Liebe. Frieden entsteht, wo stille, einfache Menschlichkeit sich entfaltet.

Braucht es Beispiele? Menschen wie Gottlieb Duttweiler, ein Kaufmann von hohem sozialem Gewissen. Er baute die Migros in der Schweiz auf, heute eine der größten Handelsgesellschaften. Die Migros ist ein  Genossenschaftsverband, mit dem Ziel Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs bei höchstmöglicher Qualität zu ehrlichen und erschwinglichen Preisen für jedermann anzubieten. Gottlieb Duttweiler war zudem einer, der im Namen einer Menschen zugewandten Wirtschaft, sozial, frei und liberal zugleich, sich mit hohem  politischem Engagement und experimentellem Denken, nicht ohne Widerstand zu finden, für die Schweizer Bevölkerung einsetzte und immer auch einen festen Teil des Firmengewinns kulturellen Zwecken und der Volksbildung zueignete ,wie die Migros es bis heute tut.

Braucht es Beispiele? Menschen wie Roger Schutz, der einst an der Demarkationslinie zwischen dem Frankreich Petains und dem von Nazi-Deutschland besetzten Frankreich sein Versöhnungswerk begann, Durchgangsort für Flüchtlinge und Ort des Gebets - Taizé, heute weltbekannt. „Tief im Menschen liegt die Erwartung einer Gegenwart, das stille Verlangen nach Gemeinschaft. Vergessen wir nie: das schlichte Verlangen nach Gott ist schon der Anfang des Glaubens…das Vertrauen auf Gott ist etwas ganz Einfaches. .. Der Glaube ist wie ein Schritt, den wir tausendfach von neuem tun, ein Lang lang, bis zum letzten Atemzug“(siehe unter www.taize.fr/de_article 127 html. ), das trug ihn und der feste Wille, jungen Menschen aus aller Welt Türen zu öffnen in eine geschwisterliche, offenherzige Menschlichkeit, gelebte Liebe. Braucht es mehr zum Fortbestand der Welt als Menschen wie Marianne Schwegler, Gottlieb Duttweiler, Roger Schutz?  Braucht es mehr zum Fortbestand als sich wagende, freie, schöpferische Liebe?

Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt,

„Menschen, die aus der Hoffnung leben, sehen weiter. Menschen, die aus der Liebe leben, sehen tiefer. Menschen, die aus dem Glauben leben, sehen alles in einem anderen Licht“(Lothar Zenetti), sie sind das Salz der Erde, sie sind das Licht der Welt. Wir sind das Salz der Erde, das Licht der Welt, wir müssen keine Helden sein, nur Menschen.  In Jesu Sicht ist nicht die geschlossene Welt der Thora das Fundament des Kosmos, sondern der offene Kreis der zur Gottesliebe erweckten Menschen. In der Liebe erblühte Menschen, sie sieht Jesus als das Salz der Erde, das Licht der Welt. Es ist der offene Kreis derer, die am Berg der Seligpreisungen sein Wort vernehmen und es sich zu Herzen nehmen. Keine Thora, keine Unterwerfung, Kein Gehorsam einem Gottesgesetz gegenüber. Keine Vision eines Gottesstaates, sondern der offene Kreis derer, deren Hoffnung aufgeht, die ihre Hoffnung auf ein Stück Sinn, ein Stück Anerkennung, ein Stück Wertschätzung, ein Stück Frieden wiedergefunden haben und im Geist der Hoffnung, Reich-Gottes-Hoffnung anders miteinander umzugehen beginnen. So sind wir das Salz der Erde, das Licht der Welt.