Kaffeepause mit Gott - Predigt zu Johannes 14,15 von Berenike Brehm
14,15-19

Kaffeepause mit Gott - Predigt zu Johannes 14,15 von Berenike Brehm

I Seit Jörg sie vor drei Jahren verlassen hat, dreht sich in Ilses Leben unaufhörlich ein Karussell voller Probleme. Gerade hat es wieder richtig an Fahrt aufgenommen: Ilses Vater Werner hat vor zwei Wochen einen Herzinfarkt erlitten, kurz darauf hat ihr Jana, ihre Große den neuen Freund vorgestellt und gestern kam dann Clara auch noch mit der nächsten Fünf in Mathe heim. Ilse weiß nicht mehr, wo ihr der Kopf steht. Sie macht sich Sorgen. Claras Noten in der Schule werden immer schlechter. Wenn sie so weitermacht, muss sie von der Realschule runter. Wird Clara dann jemals einen guten Job finden? Es ist doch eh schon schwer genug auf dem Arbeitsmarkt…

Und was will Jana mit diesem Hassan? Einem Araber, der erst seit fünf Jahren hier in Deutschland wohnt! Kann das was überhaupt was werden? Hassan kann zwar gut deutsch und ist auch Christ, aber diese arabischen Männer haben doch so andere Vorstellungen von Familie. Hoffentlich unterdrückt er ihre Tochter dann nicht. Ilse hat schon so viel Schlimmes über solche Beziehungen gehört. Und übermorgen steht auch noch Werners Beipass-Operation an. Hoffentlich versauen es die Ärzte nicht, denkt Ilse. Sie hat Angst. Mit zittrigen Händen gießt sie sich einen Kaffee ein.

 

II Während sie ihren Kaffee trinkt, fällt Ilses Blick in Richtung Kühlschrank. „Suche Frieden und jage ihm nach“, steht da auf einer Karte zur Jahreslosung. Sie seufzt: „Ja, Frieden, das wär was!“. Hatte davon nicht auch neulich die Pfarrerin letztens beim Abendmahl gesprochen? Da gab es doch dieses Abschlusswort, dass Jesus einem Frieden gibt. Ilse nimmt ihr Smartphone und googelt mit den Wortfetzen, die sie noch weiß, nach der Bibelstelle. Und in der Tat wird sie fündig. In Johannes 14 steht, was sie gesucht hat. Ilse liest: »Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote befolgen. Dann werde ich den Vater um etwas bitten: Er wird euch an meiner Stelle einen anderen Beistand geben, einen, der für immer bei euch bleibt. Das ist der Geist der Wahrheit. Diese Welt kann ihn nicht empfangen, denn sie sieht ihn nicht und erkennt ihn nicht. Aber ihr erkennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch gegenwärtig sein.

Ich lasse euch nicht wie Waisenkinder allein. Ich komme wieder zu euch. Es dauert nur noch kurze Zeit, dann wird diese Welt mich nicht mehr sehen. Aber ihr werdet mich sehen, denn ich lebe. Und ihr werdet auch leben. Wer mich liebt, wird sich nach meinem Wort richten. Mein Vater wird ihn lieben. Und wir werden zu ihm kommen und immer in ihm gegenwärtig sein. Wer mich nicht liebt, wird sich nicht nach meinem Wort richten. Und dabei stammt das Wort, das ihr hört, nicht von mir selbst. Es stammt vom Vater, der mich beauftragt hat. Ich habe euch das gesagt, solange ich noch bei euch bin. Der Vater wird euch den Beistand schicken, der an meine Stelle tritt: den Heiligen Geist. Der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich selbst euch gesagt habe. Zum Abschied schenke ich euch Frieden: Ich gebe euch meinen Frieden. Ich gebe euch keinen Frieden, wie ihn diese Welt gibt. Lasst euch im Herzen keine Angst machen und fürchtet euch nicht.

III „Fürchtet auch nicht“, klingt es in Ilses Kopf nach. „Leichter gesagt als getan“, denkt sie. Doch spürt sie auch Kraft, die in diesen Worten liegt. Sich nicht fürchten. Frieden haben. Beistand erfahren. Ja, danach sehnt Ilse sich. Aber geht das überhaupt, sich keine Sorgen zu machen? Es ist ja wirklich alles so schwer und viel gerade. Die Sorgen kommen völlig ungefragt in ihrem Kopf. Ilse jedenfalls hat sie nicht um Besuch gebeten. Sie ist ja nicht freiwillig in dieses Karussell voller Probleme gestiegen. Da wurde sie einfach so hineingezogen. Aber wie kann sie nun wieder da rauskommen?
Ilse schaut nochmal auf die Worte. Sich nicht fürchten. Frieden haben. Beistand erfahren. Das bringt etwas in ihr zum Klingen. Auf einmal huscht ein ganz neuer Gedanke durch ihren Kopf: „Die Dinge ändern sich nicht, wenn ich mir Sorgen mache. Clara wird deswegen keine bessere Schülerin, Jana wird sich nicht von Hassan trennen, und die OP von Werner muss nun einmal sein. Er braucht sie ja. Und es liegt auch ganz viel Hoffnung in der OP.“ Ilse fasst einen Entschluss: „Ich sage meinem Vater einfach, dass ich Angst um ihn habe. Und dann bete ich mit ihm und gebe ihm meinen Glücksengel mit ins Krankenhaus.“
Kaum ist der Entschluss gefasst, ist Ilse als wäre ein großer Stein von ihrem Herzen gepurzelt. Als drehe sich das Karussell ihrer Probleme schon viel langsamer. Das gibt Ilse Kraft über Clara nachzudenken. „Ein gutes Gespräch anstatt sich immer nur anzubrüllen“ denkt Ilse, „sicherlich finden wir dann gemeinsam auch Stärken von Clara. Mit Tieren kann sie doch echt gut.“ Sofort fasst Ilse den nächsten Entschluss: „Wenn Clara heute Mittag von der Schule kommt, werde ich sie fragen, ob wir mal gemeinsam einen Hund im Tierheim ausführen wollen.“ Und während sie das noch denkt, wird ihr Problemkarussell noch ein gutes Stück langsamer. Ilse kann schon fast nebenherlaufen. Beflügelt denkt sie weiter nach. Auf ihrer inneren Liste fehlen nur noch Jana und Hassan. „Ich sollte Hassan mal richtig kennenlernen“, denkt Ilse. Und da kommt ihr auch schon eine Idee wie: „Ich werde Jana und Hassan Freitagabend zum Essen einladen. Wenn Hassan will, kann er seine Familie mitbringen. Ich war doch mal in diesem Kochkurs mit den Flüchtlingen, da wird ich sicher noch Rezepte finden.“

IV Ilse nimmt den letzten Schluck Kaffee und bemerkt, wie das Problemkarussell in ihrem Kopf auf einmal stehen geblieben ist. Dafür hängt an einer seiner Streben nun eine große, gut lesbare Liste: 1. Mit Papa beten und ihm meinen Engel mitgeben 2. Mit Clara nach Tieren im Tierheim sehen 3. Hassan mit seiner Familie zum Essen einladen. Ilse betrachtet die Liste. Sie gefällt ihr. Doch kommt ihr auch ein leiser Zweifel: Was, wenn der Sturm des Lebens die Liste vom Karussell abreißt und das Problemkarussell wieder in Gang bringt? „Ich brauche Hilfe“, denkt Ilse. „Damit ich bei meiner Liste bleibe, und nicht aufgebe“. Ilses blickt wieder zu dem Bibeltext auf ihrem Smartphone. Sich nicht fürchten. Frieden haben. Beistand erfahren. „Da bin ich doch schon weit gekommen“, denkt sie. „Die Furcht ist jedenfalls weg. Sogar Frieden spüre ich gerade in mir. Aber der Beistand fehlt mir noch.“ Es erleichtert Ilse zwar zu wissen, dass Gott ihr beisteht. Und doch hätte sie gerne auch einen menschlichen Beistand. Jemand, der nachfragt, ob denn ihre Liste noch am stehenden Karussell hängt, ob Ilse noch dabei ist, die Liste abzuarbeiten. Oder ob das Problemkarussell sie wieder mitgerissen hat.

Ilse drückt auf das Telefonsymbol ihres Handys und dann auf Cornelias Nummer. Allzu oft haben die beiden nicht Kontakt, aber sie stehen sich immer bei. Gerade in den schweren Zeiten. „Klar“, sagt Cornelia auch gleich, als Ilse ihr von dem Karussell und der Liste erzählt hat, „ich rufe dich einfach nächste Woche an und frage, wie viele Haken du schon an deine Liste gesetzt hast.“ „Danke“, sagt Ilse und verabschiedet sich. Dann steht sie auf. In der Diele nimmt sie den Glücksengel vom Regal und geht auf Vater Werners Zimmer zu. Ohne Furcht. Ganz im Frieden. Mit Beistand von Gott und von Cornelia. Das fühlt sich richtig gut an. So ganz anders wie noch vor der Kaffeepause in der Küche. Ilse ergänzt ihre Liste schnell um einen weiteren Punkt: 4. Mehr Kaffeepausen mit Gott. Dann klopft Ilse an Werners Zimmer. Amen.

Vier Fragen zur Predigtvorbereitung an Berenike Brehm: 

1.    Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Ich habe die Inselgemeinde auf Juist vor Augen, die in jedem Gottesdienst anders zu-sammengesetzt ist aus Gästen und Insulanerinnen und Insulanern. Die Gemeinde hat das Mosaik, das in der Predigt eine tragende Rolle spielt, an der Altarwand vor sich. Der Kunstlehrer, der  das Bild mit Schülerinnen und Schülern erarbeitet hat, wäre in diesem Jahr 111 Jahre alt geworden, und am 12. Juli 1964 wurde in der erst halbfertigen Kirche der erste Gottesdienst gefeiert.

2.    Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Mich hat besonders der Gedanke beschäftigt, dass die Distanz zwischen Boot und Festland nicht nur praktische sondern auch inhaltliche Gründe haben könnte und die daraus resultierende Freiheit in der Begegnung mit Christus.  

3.    Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Ich möchte weiter  über das Geheimnisvolle im Prozess der Entstehung oder Entde-ckung von Glauben nachdenken. Welche Möglichkeiten haben wir als Kirche /Gemeinde, in alles Freiheit Räume, Geschichten, Erfahrungen zur Verfügung zu stel-len, die hilfreich sein können?

4.    Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Neben den sehr hilfreichen Beobachtungen des Coaches  fand ich es hilfreich, den Text der Predigt wiederholt laut zu lesen. Ich habe dabei etliche sprachliche Dubletten ent-deckt und verändert, aber auch einzelne Worte und Formulierungen immer wieder ausgetauscht, um auszuprobieren, was im Moment für mich stimmiger erscheint.  

 

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