Kurz vor Jerusalem kamen Jesus und seine Jünger nach Betfage am Ölberg. Da schickte Jesus zwei seiner Jünger voraus und sagte zu ihnen: »Geht in das Dorf, das vor euch liegt. Dort findet ihr gleich eine Eselin angebunden, zusammen mit ihrem Jungen. Bindet sie los und bringt sie mir. Und wenn euch jemand fragt: ›Was soll das?‹, dann sagt: ›Der Herr braucht sie.‹ Dann wird er sie euch sofort geben.«
So ging in Erfüllung, was Gott durch den Propheten gesagt hat: »Sagt zu der Tochter Zion:
›Sieh doch: Dein König kommt zu dir! Er ist freundlich und reitet auf einem Esel, einem jungen Esel – geboren von einer Eselin.‹«
Die Jünger gingen los und machten alles genau so, wie Jesus es ihnen aufgetragen hatte.
Sie brachten die Eselin und ihr Junges herbei und legten ihre Mäntel über sie. Jesus setzte sich darauf. Die große Volksmenge breitete ihre Mäntel auf der Straße aus. Andere schnitten Palmzweige von den Bäumen ab und legten sie ebenfalls auf die Straße.
Die Volksmenge, die vor Jesus herging und ihm folgte, rief unablässig: »Hosianna dem Sohn Davids! Gesegnet sei, wer im Namen des Herrn kommt! Hosianna in himmlischer Höhe!«
So zog Jesus in Jerusalem ein. Die ganze Stadt geriet in Aufregung. Die Leute fragten sich: »Wer ist er nur?« Die Volksmenge sagte: »Das ist Jesus, der Prophet aus Nazareth in Galiläa.« (als Evangeliumstext lesen)
Vergangenheit – Gegenwart - Zukunft
Alles gleichzeitig
Ganz schwindelig konnte einem werden, dachte sie. Alles trifft in einem einzigen Moment aufeinander: Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft. Mit voller Wucht. Ob andere das auch so spürten wie sie? Unauffällig sah sie sich um. Um sich herum aufgerissene Münder. Gedränge. Hände, die hin und her schwangen. Manche rissen sich ihre Kleider vom Leib und warfen sie über die Menge hinweg. Solch eine Ekstase. Sie konnte gar nicht anders, sie musste einfach mitmachen.
Zurücklassen
Ruhig schaute er sich um. Sie standen am Kai. Viele hielten krampfhaft ihre Habseligkeiten fest. Schließlich waren sie eindringlich vor Halunken gewarnt worden. So behielt er fest im Blick, was ihm gehörte. Viel war es nicht. Neben seinen wenigen Kleidungsstücken hatte er nur ein, zwei andere Dinge eingepackt. Für andere sicherlich wertlos. Doch sein Herz hing daran. Sie sollten ihn daran erinnern, woher er kam. Was auf ihn wartete, davon hatte er nur ungenaue Vorstellungen. Ihn trieb die blanke Not von hier fort. Dort wollte er neu anfangen. Vielleicht schaffte er es sogar und konnte den Eltern Geld schicken. Sie vielleicht sogar nachholen. Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft, damals Anfang des 20. Jahrhunderts auf einem Kai in Bremerhaven, dem größten Auswanderungshafen Europas.
Erwartungen
Die anderen rissen sie mit. Trieben sie voran. Schließlich stimmte auch sie in den Ruf ein. Skandierte immer wieder dieselben Worte: »Hosianna dem Sohn Davids! Gesegnet sei, wer im Namen des Herrn kommt! Hosianna in himmlischer Höhe!«
Der, dem diese Worte galten, schien sie gar nicht zu hören. Worte, die ihm galten und einen weiten Bogen spannten. Zurück in die Vergangenheit. Glorreich. Selbstbestimmt. So war es einst in diesem Land. Sich weit nach vorn in die Zukunft streckend. So könnte es wieder werden – mit ihm. Hilf doch! Rette uns! Daneben andere Worte, nicht ganz so enthusiastisch: »Das ist Jesus, der Prophet aus Nazareth in Galiläa.« Fast nüchtern klingend. Auch sie knüpfen an alte Erfahrungen und Sehnsuchtsbilder an. Wünsche, Erwartungen, dass die Zukunft anders, besser werden würde – sind in diesem einen Moment hörbar, sichtbar, zum Greifen nah.
Zukunft?
Er, der mitten in dem Geschehen war, kennt sich aus. Mit den heiligen Schriften. Mit den Erwartungen, die er durch sein Tun, durch sein Reden, durch sein Leben, weckt. Vor allem aber mit Gottes Willen. Damit, dass Gottes Reich schon jetzt angefangen hat. Das es nicht erst Zukunft ist, sondern Gegenwart. Er weiß darum, dass das auf bestehende Sehnsucht trifft. Bei anderen Widerstand hervorruft. Zumindest ahnt er, dass seine Zukunft eine andere sein wird, als die, die die skandierende Menge erwartet. Er wird alles dafür geben, dass Gottes Wille geschehen wird. So nachher im Tempel, als er voller Zorn die Tische umreißt. So, als er sich festnehmen, foltern und töten lässt.
Ankunft
Als er nach mehrwöchiger Schifffahrt endlich in Ellis Island ankommt, ist er noch lange nicht am Ziel. Hier wartet niemand auf ihn. Im Gegenteil. Viele haben Angst, dass die Neuankömmlinge ihnen streitig machen, was sie sich selbst mühsam erwirtschaftet haben. Er schafft es. Richtet sich ein in das neue Leben. Die Erinnerungen an das alte sind stets präsent. Er verknüpft sie miteinander. Lässt daraus neue Zukunftsträume wachsen.
Advent heute
Wir feiern Advent. Jedes Jahr aufs Neue stimmen wir uns darauf ein, dass Gott für uns als Mensch greifbar wird. Wir erinnern uns an Erzählungen über diesen Gott, der da kommt. Wir erinnern uns an die Erfahrungen, die Menschen bereits mit ihm gemacht haben. An solche vor langer Zeit und an aktuelle. Jedes Jahr wieder räumen wir uns aufs Neue die Möglichkeit ein, dass Gott seine Geschichte in unser Herz schreibt. Wir freuen uns auf das, was da kommen wird. Wir hoffen darauf, dass es uns verändern wird. Wir träumen, dass die Zukunft mit seiner Hilfe licht wird.
Jeder Advent ist ein Aufbruch. Skeptisch begleitet von den einen. Sehnsüchtig erwartet von den anderen. Dabei nehmen wir mit, wovon wir gelesen, gehört und gebetet haben. Sehen die Welt, wie sie jetzt ist. Und hoffen, dass die Veränderung mit und in uns beginnt.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Ich denke an diejenigen, für die die Adventszeit mehr ist als Glühwein und Weihnachtsmärkte.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Ich glaube, Karl Rahner hat gesagt, dass Advent nicht nur Ankunft, sondern auch Zukunft ist. Ich habe versucht, dem nachzuspüren, was das bedeuten mag. Denn die Zukunft endet ja nicht an Heilig Abend.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Wie sich in diesem Predigttext drei Zeitebenen treffen, auf die jede:r im Leben stößt und vielleicht als unwichtig abtut.
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Die Unterstützung, die ich bei meiner Kollegin durch ihre positive Resonanz fand, hat es mir leicht gemacht, zu verstehen, wo eine Überarbeitung für mein Anliegen hilfreich ist. So konnte ich zu einem Schluss kommen und deutlich machen, worum es mir geht.
Dafür bin ich sehr dankbar.