Nicht aufhören zu hoffen - Predigt zu Röm 15,4-13 von Andreas Schwarz
15,4-13

4 Denn was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben. 5 Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, wie es Christus Jesus entspricht, 6 damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus. 7 Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Ehre. 8 Denn ich sage: Christus ist ein Diener der Beschneidung geworden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, um die Verheißungen zu bestätigen, die den Vätern gegeben sind; 9 die Heiden aber sollen Gott die Ehre geben um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht: »Darum will ich dich loben unter den Heiden und deinem Namen singen.« 10 Und wiederum heißt es: »Freut euch, ihr Heiden, mit seinem Volk!« 11 Und wiederum: »Lobet den Herrn, alle Heiden, und preisen sollen ihn alle Völker!« 12 Und wiederum spricht Jesaja: »Es wird kommen der Spross aus der Wurzel Isais, und der wird aufstehen, zu herrschen über die Völker; auf den werden die Völker hoffen.« 13 Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes. 

Herr, lass unsere Füße sichere Tritte tun,
dein Wort geleite uns auf allen unseren Wegen.
Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang
Sei gelobt der Name des Herrn. Amen.

Hoffentlich kommen viele Menschen zu den Weihnachtsgottesdiensten.
Hoffentlich erleben wir schöne Gottesdienste, die Freude machen und den Glauben stärken.
Hoffentlich vertragen wir uns gut mit all den Menschen, denen wir an Weihnachten begegnen.
Hoffentlich schaffe ich alles, was ich schaffen möchte – oder was von mir erwartet wird:
Geschenke zu besorgen, Essen zu planen und alles dafür zu besorgen, das Haus sauber und geschmückt zu haben.
Und hoffentlich funktioniere ich nicht nur, sondern habe auch Grund, mich zu freuen und gute Gemeinschaft zu genießen.

Advent ist eine besondere Zeit zu hoffen.
Es gibt genug zu hoffen, in jedem Leben.
Nichts ist perfekt oder vollkommen so, wie gewünscht.
Immer bleibt etwas offen, unerfüllt.
Wir werden enttäuscht.
Wir müssen verzichten, Abstriche machen.
Wir erleiden Abschied und Verlust.
Wir sind beteiligt an Missverständnis und Unverständnis, an Vorwürfen, Streit und Entzweiung.
Wir wünschen uns das Leben besser.
Ich denke dabei an das persönliche Leben, so wie es sich gestaltet: gesundheitlich und besonders auch, was unsere Beziehungen angeht.
Ich habe das gemeindliche Leben vor Augen und wünsche, dass mehr Menschen die Einladungen annehmen, dass mehr Menschen bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und diese auch zu tragen.
Ich denke an das kirchliche Leben in der Hoffnung, dass die Gemeinden spüren zusammenzugehören, dass sie bewusst ein kirchliches Profil zu haben, dass sie erleben, wie sie geführt und geleitet werden und sich auf einem gemeinsamen Weg wissen.
Weil so vieles anders ist, lückenhaft, fehlerhaft, unvollständig, darum gibt es auch so viel zu hoffen.
Hoffentlich wird es in der Zukunft besser, als es jetzt ist und zuletzt gewesen ist.

Was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben.

Wie gut, wenn wir im Advent hören, dass unser Gott ein Gott der Hoffnung ist.
Wie hilfreich, wenn uns heute am 3. Advent gesagt wird, der Sinn der Heiligen Schrift ist der, uns Hoffnung zu machen.
Gott redet mit uns, damit wir etwas erwarten.
Gott hat uns die Bibel gegeben, damit wir darin den Grund zur Freude finden. Zur Vorfreude auf das Bessere, das kommt.
Wir haben die Schrift, können auf sie hören und in ihr lesen, damit wir hoffen.
Damit wir nicht einer negativen Stimmung erliegen.
Wenn Erfahrungen unangenehm sind, steigt die Gefahr, alles im schlechten Licht zu sehen und darum zu resignieren:
Alles wird schlechter, es geht nur noch bergab, es hat alles keinen Sinn mehr.
Und dann kommt es auch so.
Selbsterfüllende Prophezeiung nennt man das.
Menschen hören etwas Unangenehmes, erleben es vielleicht auch so und glauben dann, dass es immer schlechter wird. Sie reden es sich ein und verhalten sich auch so. Und dann kommt es auch so und sie fühlen sich bestätigt.
Dabei haben wir es selbst herbeigeführt.
Weil wir keine Hoffnung haben.

Wir hören, was Gott sagt, damit wir hoffen – auf das, was kommt, und dass es besser ist als das, worunter wir womöglich leiden.
Das Anstrengende daran ist: Wir müssen dabei mitwirken. Das Schöne daran ist, wir dürfen daran mitwirken.
Nicht, dass wir die Zukunft gut machen.
Aber an der Hoffnung sind wir beteiligt.
Die kommt nicht einfach über uns, wir gestalten sie mit.

Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, wie es Christus Jesus entspricht, damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus. 
Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Ehre. 

Es passieren wundervolle und bewegende Dinge, wenn wir Gottesdienst feiern. Nicht nur, dass wir schöne Orgelmusik hören, wir werden auch angeleitet, gemeinsam zu singen. Zur gleichen Zeit singen wir die gleichen Worte; nicht irgendwelche. Wir loben und preisen Gott mit denselben Liedern.
Uns unterscheidet ganz viel.
Es gibt vermutlich auch keine andere Veranstaltung, die wir genau in dieser Zusammensetzung besuchen würden, als diesen Gottesdienst.
Wir haben so unterschiedliche Geschichten und Interessen, befinden uns an völlig verschiedenen Lebensstationen und kommen hierher, hören, beten und – vor allem – singen gemeinsam. Loben Gott einmütig.
Was wir hören und noch mehr, was wir selbst gemeinsam singen, befördert die Hoffnung.
Wer mit anderen zusammen Gott dankt und lobt, der tut mehr, als er selbst leisten und bewerkstelligen kann. Der drückt seine Einstellung hörbar und mit anderen verbunden aus: Leben ist nicht nur, was wir daraus machen. Leben ist, was Gott uns schenkt und für die Zukunft verspricht.
„Ich kann auch alleine und zuhause glauben, dazu brauche ich keine Kirche.“
Das höre ich immer wieder einmal von Menschen, die damit erklären, warum sie aus der Kirche austreten oder, wenn sie denn drinbleiben, warum sie nicht zum Gottesdienst kommen.
Mag sein, dass da etwas Wahres dran ist. Dass es Gründe gibt, so zu entscheiden und ich muss das nicht verstehen. Ich habe es auch nicht zu beurteilen.
Aber ohne das gemeinsame Singen, mit anderen Gott danken und loben, schneidet man sich selbst von einer Kraftquelle ab, die man alleine nicht haben kann.

Wobei die anderen ja schon auch ein Problem sein können. Manchmal sind ja gerade die anderen ein Grund, wegzubleiben. Weil die komisch sind oder anders, weil man keine Gemeinsamkeit spürt oder sich über sie geärgert hat.
Das war wohl auch schon in Rom so. Nicht ohne Grund ermahnt Paulus die Gemeindeglieder, einander anzunehmen. Das gehört offensichtlich dazu; wo Menschen miteinander zu tun haben, da gibt es auch Spannungen, Differenzen und womöglich Trennungen.

Hoffnung und Gemeinschaft. Das gehörte scheinbar schon immer zusammen. Heute erleben wir vielleicht mehr als jemals zuvor, wie wahr das ist. Gesellschaften driften mehr und mehr auseinander, nicht nur in den USA, auch bei uns. Menschen sind gedanklich und mit ihren Meinungen und Positionen so weit auseinander, dass es fast nicht mehr möglich ist, miteinander zu reden ohne zu streiten. Die Politiker geben dafür leider ein lebhaftes Beispiel vor. 
Und dann sind da die vielen Menschen, die die Hoffnung verlieren. Die Hoffnung, dass diese Welt noch zu retten ist, dass der Klimawandel abgeschwächt wird und Leben länger und erträglicher möglich bleibt auf dieser Erde. Die Hoffnung, dass Völker und Gruppierungen aufhören, Krieg gegen andere zu führen, als würde Gewalt irgendetwas zum Guten bewegen.

Was kann nötiger und hilfreicher sein als Hoffnung und Gemeinschaft?
Gerade für eine christliche Gemeinde. Die sich aus unterschiedlichsten Menschen zusammengefunden hat und auf einem gemeinsamen Weg ist. Jetzt in unsicherer Zeit. Wie geht es weiter? Wer kommt? Und vor allem: wann? Wenn überhaupt? Haben wir eine Zukunft und eine Chance darauf?
Paulus lädt uns ein, aus Gottes Geschichte mit seinem Volk und mit seinem Wort Hoffnung zu schöpfen.
Wir haben die Bibel, können darin lesen und darauf hören. Wir können entdecken, wie Gott zu seinem Wort steht, das er vor Jahrtausenden an seine Menschen gerichtet hat. Dass er treu ist und hält, was er verspricht.
Es braucht Kraft und Geduld in ungeklärten Zeiten.
Aber vor allem braucht es Hoffnung und Gemeinschaft.

Gott lässt seine Gemeinde nicht im Stich. Er wird sie auch in Zukunft leiten und führen, auf welchen Wegen auch immer. Für alle ist es gut, wenn sie immer wieder spüren, dass niemand mit seiner Sorge allein ist, wenn Gemeinde sich trifft, miteinander betet, feiert, singt, auf sein Wort hört und sich gegenseitig trägt und stützt.

Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.Amen.

Vier Fragen zur Predigtvorbereitung an Pfarrer Andreas Schwarz

1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Im Gottesdienst werden Menschen sein, die den Advent bewusst leben. Es ist noch nicht Weihnachten, es ist die liturgische Farbe violett, wir singen kein Gloria. Aber es ist alles nach vorn ausgerichtet. Schon Vorfreude auf Weihnachten und was das jeweils in den Familien bedeutet. Aber auch das Wissen um die Zerbrechlichkeit menschlichen Lebens. Eine bereitete Situation für die Botschaft der Hoffnung, die Menschen gerne hören und dankbar aufnehmen.

2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Meine auch persönliche Wahrnehmung ist, wie lebens- und überlebenswichtig es ist, eine Hoffnung zu haben, eine begründete, eine zugesagte. Ich glaube, dass eine solche Hoffnung die Kraft hat, über das hinauszuschauen, was das Leben im Moment belastet und einschränkt. Das Dunkle und Schwere ist nicht zu leugnen, es hat seinen Platz im Leben. Aber die Hoffnung hat eine hilfreiche Wirkung, die Kerzen im Advent lassen das aufleuchten. Das schenkt mir selbst Freude, mit der Gemeinde diesen Gottesdienst zu feiern in der ehrlichen Spannung zwischen Leid und Hoffnung auf Zukunft.

3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Gottesdienst zu feiern – sowohl als leitender Pfarrer, als auch inzwischen zunehmend als Mitfeiernder – verbindet Menschen miteinander, die Sehnsucht haben und Hoffnung brauchen. Dadurch, dass sie zum Gottesdienst kommen, geben sie zu erkennen, dass sie von dort Nahrung für ihre Hoffnung erwarten. Wir sind mit unseren völlig unterschiedlichen Lebensentwürfen so sehr auf einem gemeinsamen Weg, das nehme ich aus diesem Predigtwort für die Zukunft gerne mit.

4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Dass bleibend sprachliche Beobachtungen und Korrekturen auch zur inhaltlichen Klarheit geführt haben. Ich bin dankbar, dass auch diese Predigt durch wertschätzende Kritik ungewollte Floskeln verloren hat und von allgemeinen zu persönlichen Aussagen geführt wurde.

Perikope
15.12.2024
15,4-13