In mir spiegelt sich Gott - Predigt zu Lk 6,36-42 von Barbara Bockentin
6,36-42

Unterschiedliche Voraussetzungen

Das erste Mal allein: zum Bäcker gehen. Mit dem Fahrrad in die Schule fahren. Mit dem Zug verreisen. Welch ein Zutrauen, welch ein Vertrauen ist darin spürbar. Jedes Mal ist sie innerlich ein Stückchen größer geworden.
Du weißt, was du zu tun hast… Wie konntest du das vergessen… Das geht noch besser… Nur einige Erinnerungen daran, dass er nicht perfekt ist. Dabei weiß er nicht einmal genau, was denn das Ziel sein soll. So ist Scheitern vorprogrammiert. Kopf einziehen, unsichtbar werden, das ist irgendwann sein Ziel geworden.

 

Missverständnisse aus dem Weg räumen

In uns / in mir spiegelt sich Gott. In die Vorstellung, die sich hinter diesem Satz verbirgt, bin ich verliebt. Plötzlich ist der Satz dagewesen. Als ob sich ein Vorhang geöffnet hat. Welche wunderbare Entdeckung. Gott tut etwas, wieder und wieder. Ich muss mich nicht selbst betrachten und in mir entdecken, was Gottes Vorstellung von mir ist. Er sieht etwas in mir, dass ich nicht einmal von mir ahne. Darin kann ich mich einkuscheln. Warm und geborgen fühlt sich das an.
Dagegen stehen Aufforderungen, die mich begleiten: barmherzig sein, nicht verurteilen, nicht richten, Manchmal kommt es mir vor, als ob sie wie eine Mauer vor mir stehen. Unüberwindbar. Unverrückbar. Einzig zum Scheitern und Schrammen-holen geeignet.
Viel zu oft wurden die Worte von Jesus dazu benutzt, um Menschen klein zu halten. Um mit dem Finger schmerzhaft in zugefügten Wunden zu bohren. Um deutlich zu machen, wer es eh nicht schaffen würde. Wer versagt, nicht genügt.

Gerade deshalb: In mir spiegelt sich Gott. Dieses Bild macht mich wach. Es setzt Energie in mir frei. Ich ahne, dass Gottes Handeln an mir der Maßstab dafür ist, wie ich mich anderen gegenüber verhalte. Mich für etwas Besseres halten – das ist nicht drin. Aufrechnen auf den Cent, auf die Minute genau – das verbietet sich von selbst. Großzügig sein. Mit dem, was ich mitbekommen habe. An Geld. An Mitgefühl. An Liebe. An Hilfsbereitschaft. Und das alles nicht, weil ich ein „Danke“ erwarte, oder weil ich mir etwas beweisen will. Das alles, weil Gott mir so begegnet ist.
Wenn ich Jesu Worte so lese, dann merke ich, dass sie zu einer lebensfreundlichen Gemeinschaft beitragen. Niemand wird übersehen. Meine Aufmerksamkeit gilt allen. Vor allem denen, die am Rand unserer Gesellschaft leben.
Dabei erinnert Jesus mich daran, wie schnell es gehen kann, überheblich zu werden. Weil ich den richtigen Weg weiß. Weil ich weiß, was zu tun ist. Weil ich helfe. Mit dieser Haltung mache ich mein Gegenüber klein, damit ich groß bin.

 

Lebensräume gewinnen an Weite.

In mir spiegelt sich Gott. Deshalb gehen Gottes Menschen gehen einseitig in Vorleistung. Sind freigiebig und großzügig. Dann wird es passieren: Verschlossene öffnen sich. Raum für neues Leben tut sich auf. Wir stiften Frieden. Versöhnung wird möglich, wo andere hetzen.
Darauf zielen Jesu Worte: auf unser Zusammenleben. Kein fernes Idealbild. Sondern so, wie Gott es sieht.
Sie geht weiter, erlebt viele erste Male. Erfährt, wie weh Scheitern tun kann. Die Erinnerung an sich selbst als kleines Mädchen. An das Zutrauen, das ihre Eltern, das andere in sie gehabt haben, trägt sie ihr Leben lang. So sehr, dass sie es weitergeben kann. An die eigenen Kinder. An Menschen, die ihr nah sind. An die, denen sie nur flüchtig begegnet.
Er kämpft sich weiter durch sein Leben. Ihm fällt es schwer, sich selbst als wertvoll zu erkennen. Manchmal ertappt er sich dabei, dass er immer kleinkrämerischer wird. Und schämt sich dafür. Er wartet darauf, dass er daran glauben kann, was er gelesen hat: In mir spiegelt sich Gott. Das ist seine Hoffnung.

 

Aufgabe: Jeden Tag ein Stück innerlich größer werden. Mich daran erinnern, dass Gott sich in mir spiegelt.

Vier Fragen zur Predigtvorbereitung an Barbara Bockentin

1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Der Text wird vielen geläufig sein. Gerade für den 2. Teil trifft das zu. Eventuell rechnen sie dann mit Erwartbarem: einen Anforderungskatalog. Da möchte ich sie auf eine andere Fährte locken.

2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Das geflügelte Wort „Wenn du auf jemanden mit dem Finger zeigst, zeigen drei Finger auf dich.“ Ist vielen geläufig. Moralische Forderungen stehen schnell im Raum, damit Verurteilungen und Häme. Sich auf eine andere Sichtweise einlassen: Dass Gott, das Bessere in uns aus uns herausliebt, hat mich herausgefordert.

3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
In mir spiegelt sich Gott. Das klingt für mich ganz anders, als dass ich Spiegelbild Gottes bin. Das muss ich erst herausfinden. Das andere ist schon da, Gegenwart

4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Leider gab es diesmal keinen Coach/keine Coachin. So habe ich die Predigt einer Kollegin vorgelegt und mir Feedback eingeholt. Das hilft vor allem, um die Gedankengänge auf ihre Schlüssigkeit zu überprüfen.

Perikope
13.07.2025
6,36-42