Hiobs dritte Antwort an Elifas - Predigt zu Hiob 23 von Manfred Wussow
23

Hiobs dritte Antwort an Elifas

1 Hiob antwortete und sprach:

2 Auch heute lehnt sich meine Klage auf; seine Hand drückt schwer, dass ich seufzen muss. 

3 Ach dass ich wüsste, wie ich ihn finden und zu seiner Stätte kommen könnte! 

4 So würde ich ihm das Recht darlegen und meinen Mund mit Beweisen füllen 

5 und erfahren die Reden, die er mir antworten, und vernehmen, was er mir sagen würde. 

6 Würde er mit großer Macht mit mir rechten? Nein, er selbst würde achthaben auf mich. 

7 Dort würde ein Redlicher mit ihm rechten, und für immer würde ich entrinnen meinem Richter!

 8 Aber gehe ich nach Osten, so ist er nicht da; gehe ich nach Westen, so spüre ich ihn nicht. 

9 Wirkt er im Norden, so schaue ich ihn nicht; verbirgt er sich im Süden, so sehe ich ihn nicht. 

10 Er aber kennt meinen Weg gut. Er prüfe mich, so will ich befunden werden wie das Gold. 

11 Denn ich hielt meinen Fuß auf seiner Bahn und bewahrte seinen Weg und wich nicht ab 

12 und übertrat nicht das Gebot seiner Lippen und bewahrte die Reden seines Mundes bei mir. 

13 Doch er hat’s beschlossen, wer will ihm wehren? Und er macht’s, wie er will. 

14 Ja, er wird vollenden, was mir bestimmt ist, und hat noch mehr derart im Sinn. 

15 Darum erschrecke ich vor seinem Angesicht, und wenn ich darüber nachdenke, so fürchte ich mich vor ihm. 

16 Gott ist’s, der mein Herz mutlos gemacht, und der Allmächtige, der mich erschreckt hat; 

17 denn nicht der Finsternis wegen muss ich schweigen, und nicht, weil Dunkel mein Angesicht deckt.[1]

 

Predigt

 

Hiob liegt im Krankenhaus

 

Hiob liegt im Krankenhaus. 

Hiob liegt im Krankenhaus? Was hat er denn? 

Sein Herz will nicht mehr. 

Ach Gott.

 

Ein Gedicht von Robert Gernhardt trägt diese Überschrift:  Hiob im Diakonissenkrankenhaus.

Und Hiob heißt – Robert Gernhardt.

Er ist schwer krank.

Seine Diagnose verheißt nichts Gutes.

Sein Leben hängt an einem seidenen Faden.

Jetzt arbeitet sich Robert Gernhardt an Gott ab.

Als Dichter fehlen ihm auch nicht die Worte.

Vielleicht ist ein Diakonissenkrankenhaus – es hört sich sehr fromm an – dafür der richtige Ort.

 

Vorleser:

 

Ihr habt mir tags von Gott erzählt,

nachts hat mich euer Gott gequält.

 

Ihr habt laut eures Gotts gedacht,

mich hat er stumm zur Sau gemacht.

 

Ihr habt gesagt, daß Gott mich braucht –

braucht Gott wen, den er nächtens schlaucht?

 

Ihr habt erklärt, daß Gott mich liebt –

liebt Gott den, dem er Saures gibt?[2]

 

Vorwürfe sind es. Wie Hammerschläge. Eins bis vier: 

Ihr habt mir erzählt, tags …

ihr habt gedacht, laut …

ihr habt gesagt, 

ihr habt erklärt. 

Ihr! Die Diakonissen? Die Glaubenden? Wir?

 

Euer Gott hat mich gequält,  nachts …

er hat mich stumm zur Sau gemacht – 

braucht Gott wen, den er nächtens schlaucht? 

Liebt Gott den, dem er Saures gibt? 

Euer Gott! 

 

Robert Gernhardt hat viele Gedichte geschrieben. Viele von ihnen karikierten auch Kirchenlieder, sie irritierten, sie provozierten.  Aber sie boten dem Dichter sprachlich auch eine neue Heimat. 

Sein Gedicht „Hiob im Diakonissenkrankenhaus“ entstand 1996/97 nach einer Herzoperation des Autors. Geboren 1937, starb er nach einer schweren Krebserkrankung 2006. Seine letzten 10 Lebensjahre standen unter keinem guten Stern.

 

Wie heißt es auch noch einmal gleich in dem Gedicht? Ihr habt mir erzählt …

 

 

Hiob klagt - an

 

Die feinen Spitzen in diesem Gedicht von Robert Gernhardt sind nicht jedermanns Sache. Kritiker, fromme Kritiker, meinten, es sei gotteslästerlich, ein solches Gedicht zu schreiben. Ihr! Euer Gott! Lauter Vorwürfe, Anklagen. Gegen Gott. Aber ich kenne Menschen, die ihre Leidensgeschichte in diesem Gedicht gespiegelt sehen, ohne es zu kennen. Gequält, verstummt sind viele Menschen.

Hiob wird ihnen zum Gefährten in schweren Tagen und endlosen Nächten.

 

Hiob – hinter dem sich Robert Gernhardt versteckt - war ein Mensch, den wir aus dem Alten Testament, der hebräischen Bibel kennen. Er konnte erfolgreich auf sein Lebenswerk zurückschauen, bis ihm alles, aber auch wirklich alles genommen wurde: die wirtschaftliche Basis, die Kinder und ihre Familien, am Ende auch die Gesundheit. Hiob ist ein Häufchen Elend! Künstler haben ihn gemalt: er sitzt in der Asche, im Dreck. Tief gesunken, also. Nur etwas ist Hiob nicht genommen: der Glaube. Den lässt er sich auch nicht nehmen! Ob seine Frau schimpft oder nicht, ob seine Freunde zu großen Reden ausholen oder nicht: Der Herr hat‘s gegeben, der Herr hat‘s genommen – der Name des Herrn sei gelobt! 

 

Aber der Widerspruch, die Einrede lässt nicht auf sich warten. 

Hiobs Freund Elifas holt zu einer großen Rede aus – davon hat er noch mehr in petto: 

 

Vorleser:

 

Ist Gott nicht hoch wie der Himmel?

Sieh die Sterne an, wie hoch sie sind!

 

Du sprichst zwar:

 „Was weiß Gott? Sollte er durchs Gewölk hindurch richten können…“ (Hiob 22,12f.)

 

So vertrage dich nun mit Gott und mache Frieden;

daraus wird dir viel Gutes kommen.

Nimm doch Weisung an von seinem Munde und fasse seine Worte in dein Herz.“ (Hiob 22,21f.)

 

Auf gut deutsch: Frag nicht weiter. Gib auf, den Dingen auf den Grund zu gehen. Gib dich zufrieden. Hör auf zu fragen, hör auf, dich zu wehren.

Aber was sind das für Worte, Elifas, die in’s Herz gefasst werden könnten? Die Hiob in sein Herz nehmen könnte? Welche Weisung kommt denn aus dem Munde Gottes?

 

Lose Enden liegen herum.

 

Dass Elifas gut reden kann, merkt man. Dass Elifas aucht gut reden hat, ahnen wir. Dass Elifas sich auch gerne reden hört, entgeht uns auch nicht. Kunstvoll und klug sind seine Gedanken schon. Nur:

Elifas kann Hiob nicht trösten,  er kann ihn nicht einmal verstehen. Er kann ihn nur mit Worten zuschütten. 

 

Jetzt rückt Hiob Gott auf die Pelle.

Einen anderen Weg gibt es nicht, lieber Elifas!

 

Vorleser:

 

Auch heute lehnt sich meine Klage auf; seine Hand drückt schwer, dass ich seufzen muss. Ach dass ich wüsste, wie ich ihn finden und zu seiner Stätte kommen könnte! So würde ich ihm das Recht darlegen und meinen Mund mit Beweisen füllen und erfahren die Reden, die er mir antworten, und vernehmen, was er mir sagen würde. Würde er mit großer Macht mit mir rechten? Nein, er selbst würde achthaben auf mich.

 

 Aber gehe ich nach Osten, so ist er nicht da; gehe ich nach Westen, so spüre ich ihn nicht. Wirkt er im Norden, so schaue ich ihn nicht; verbirgt er sich im Süden, so sehe ich ihn nicht. Er aber kennt meinen Weg gut. Er prüfe mich, so will ich befunden werden wie das Gold.

 

Doch er hat’s beschlossen, wer will ihm wehren? Und er macht’s, wie er will. Ja, er wird vollenden, was mir bestimmt ist, und hat noch mehr derart im Sinn. Darum erschrecke ich vor seinem Angesicht, und wenn ich darüber nachdenke, so fürchte ich mich vor ihm. Gott ist’s, der mein Herz mutlos gemacht, und der Allmächtige, der mich erschreckt hat;  denn nicht der Finsternis wegen muss ich schweigen, und nicht, weil Dunkel mein Angesicht deckt. 

 

Hiob macht sich auf die Suche. Er muss Gott finden. Er muss ihm sein Anliegen vorbringen. Er muss ihn – zur Rechenschaft ziehen! Trifft er ihn, wird er Recht bekommen! Ganz sicher! Ich habe nicht verdient, was mit mir geschehen ist!  Gott wird mir das zugeben! Er ist gerecht!

 

In Hiob drehen sich die Gedanken. Es ist wie ein Selbstgespräch - das wir hören sollen. Wohin soll ich jetzt gehen? Nach Norden? Süden? Osten? Westen? Bis an das Ende der Erde? Bis an die Grenzen des Himmels?

Aber meine Füße tragen mich nicht. Sie tun weh, sie schmerzen, wenn ich sitze. Der Kopf - leer. Meine Seele - eingefroren. Es geht nicht mehr weiter. Mit mir. Jeden Tag – immer dasselbe. Ich sitze hier in meinem Elend.  Ich habe kein Zu-Hause mehr. Wie ein Fremder bin ich geworden. Ein Fremder im eigenen Leben.

 

Doch, doch: Er, Gott,  kennt mich. Er sieht mich.  Wie ein geputztes Goldstück bin ich in seinen Augen. Verbergen muss ich vor ihm nichts. ER, er kommt aus dem Norden. Aus dem Süden. Aus dem Osten. Aus dem Westen. Er wird mich finden.  Hier. Wo ich doch mit meinen Augen alle Himmelsrichtungen abtaste. Am Morgen und am Abend. Mit dem Aufgang der Sonne und dem Leuchten der Sterne.

 

Hiob soll aus Uz sein, einem längst untergegangenen Nest im Orient. Hier gab es viele Himmelskundige, die in den Sternen zu lesen verstanden. Für die die Nacht ein aufgeschlagenes Buch war. Aber Hiob flüchtet sich zu Gott. Die große Kulisse: der weite Himmel, die vier Himmelsrichtungen.  Irgendwo dazwischen:  Uz. Und Hiob. 

 

Vorleser: 

 

Hiob sagt:

Gott ließ mein Herz verzagen,

der Allmächtige hat mich in Schrecken versetzt.

Dennoch verstumme ich nicht vor der Finsternis,

vor seinem Angesicht, das Dunkelheit bedeckt.

 

Trotzig sprudelt es aus Hiob heraus: Ich verstumme nicht! Weder vor der Finsternis, noch vor Gottes Angesicht, das  mit Dunkelheit bedeckt ist. Ich lasse mir das Wort nicht nehmen!  Niemals.

Nicht zu verstummen, ist der Anfang einer neuen, großen Hoffnungsrede! Die Klage wird sich an neue Töne gewöhnen. Am Ende sehe ich im Dunkel Gottes Angesicht. Ich werde von ihm angesehen! Ich bin bei ihm angesehen! 

 

Finsternis ist mehr als die Nacht, die einen geruhsamen Schlaf verspricht. Wenn alles ruhig wird, sogar der Lärm des Tages verebbt. Finsternis ist ein Ungeheuer, das sich durch die Seele frisst, Träume okkupiert und jedem Tag Angst in die Wiege legt. Finsternis hat keine Ohren. Sie merkt nicht, wenn ein Mensch verstummt.

 

Ich verstumme nicht, sagt Hiob.

 

Strippenzieher

 

Hiob weiß aber nicht alles! Womöglich ist das auch ganz gut. Wenn wir alles wüssten – o Gott! Hiob weiß nicht, dass im Himmel über ihn geredet wird. Mehr oder weniger beiläufig, Zufällig? Vielleicht auch zufällig. In der Geschichte, die von Hiob erzählt wird, spielt eine geheimnisvolle Figur eine merkwürdige Rolle. Es ist der Satan, der Diabolos, auf Deutsch: Der Verwirrer, der alles durcheinander bringt. Scheinbar hat er freien Zugang bei Gott, spielt auch im Himmel gekonnt seine Rolle. Die Überraschung ist groß. DER hier?

 

Hören wir doch einmal in die Unterredung hinein:

 

„Ach Gott, du weißt doch, warum Hiob ein so frommer Mann ist? Nein? Du hast es immer gut mit ihm gemeint, ihm alles gelingen lassen, ihn reichlich gesegnet. Kein Wunder, dass der glaubt und es gut mit dir meint, Gott! Verlass dich nur nicht darauf! Ich kenne die Menschen. Ich kenne sie besser als du! Wenn Hiob alles verliert, was ihm lieb und wert ist – du wirst sehen: Er wird sich von dir abwenden. Seine Zuneigung wirst du verlieren. So sicher wie das Amen in der Kirche.“

 

Gott widerspricht ihm zwar, ein wenig halbherzig, wie ich finde, lässt es dann aber laufen. Dann mach mal! Eine große Probe wird jetzt über die Bühne gehen. Die Probe, ob – Glaube zerbrechlich ist. Ob Glaube gebrochen werden kann. Hauptdarsteller: Hiob. Auf ein Plakat verzichtet der Böse. Er ist sich sicher, dass diese Geschichte genug Zuschauer haben wird.

 

Es passiert, was alle – im Himmel und auf Erden – längst ahnen: Der Verwirrer aller Herzen, Entschuldigung, auch des Herzens Gottes, bekommt freie Hand: 

die reiche Ernte Hiobs wird vernichtet – alles auf natürlichem Weg. Überfälle. Gleich mehrere. – 

Die Kinder Hiobs kommen bei einer Naturkatastriphe um – alles auf natürlichem Weg.  Ein Unwetter richtet es. – 

Hiob wird krank – alles auf natürlichem Weg. Wer weiß, wo er sich angesteckt hat. ..

 

Also, alles erklärlich – und alles erzählbar. In der Zeitung reicht es allerdings nur für ein paar Zeilen. Mehr nicht. Am Ende geht die Nachricht unter. Es gibt zu viele Horrorgeschichten, zu viele! … Dass im Himmel die Strippen gezogen werden, wer kann sich das denken? Dass Hiobs Glaube auf die Probe gestellt wird – mit höchster Billigung – mag keiner glauben. Hiob auch nicht.  Eine Lebensprobe mit so viel Unheil! Mit so viel Leid! 

 

Diese kleine Szene, die im Himmel spielt (und die der orientalische Geschichtenerzähler kunstvoll auszuschmücken vermag), ist unheimlich. Was, wenn  hinter jeder Leidensgeschichte Strippen gezogen werden? Willkürlich, maßlos und eiskalt. Mir kommt das Wort „Schicksal“ in den Sinn. Etwas nicht mehr in der Hand zu haben – etwas Schlimmeres ist kaum vorstellbar. Solche Proben mögen zu dem Bösen passen, aber doch nicht zu Gott.  Ihn rufe ich doch an! Ihn bitte ich! Ihm möchte ich vertrauen – und alles Gute von ihm erwarten.

 

Gott, was ist bei dir los? 

 

Unerwartet

 

Wer jetzt glaubt, dass es keine weitere Steigerung geben könnte, wird enttäuscht. Die Geschichte nimmt eine unerwartete Wendung. 

 

Hiob aus dem sagenhaften Uz, von dem nicht ein Stein mehr zu finden ist, weiß nichts von der Heimtücke, die sich im Himmel abspielt – und er darf es nicht wissen. Sonst könnte die Geschichte nicht aufgehen.  Hiob widerlegt, was ihm unterstellt wurde: Nur aus Berechnung zu glauben.  Sein Glaube ist ungetrübt, unangefochten und rein. Wir spüren geradezu, was Glaube ist: Glaube ist ein trotziges Festhalten an Gott, ein mutiges Dennoch.

 

Dennoch verstumme ich nicht vor der Finsternis,

vor seinem Angesicht, das Dunkelheit bedeckt.

 

Hiob lässt sich nicht kleinmachen, nicht beirren. Nicht der leiseste Zweifel wird laut. Ein großes Staunen breitet sich aus. Wohl auch im Himmel. Einer hat verloren: Der „Verwirrer“ aller Herzen. Wir können ihn auch ruhig Satan nennen. An ihn glauben müssen wir nicht, doch die Kunst, Zweifel zu säen, beherrschen viele Gestalten.

 

Wer setzt ihn, sie ins Unrecht? Wer widerspricht ihnen? Interessanterweise nicht Gott – es ist Hiob, ein Mensch!

 

Eigentlich will Hiob Gott aufsuchen und ihn zur Rede stellen. Er will sein – Recht! Hiob breitet gar die  vier Himmelsrichtungen vor sich aus – und Gott war immer schon bei ihm. Hiob lässt Gott Gott sein. Für sich. Trotz Tod und Teufel. Gegen Tod und Teufel. 

 

Damit hat der Satan, der die Menschen angeblich so gut kennt (und das für sich zu nutzen weiß), nicht gerechnet. Seine Prognose, Hiob würde auch noch den letzten Rest seines Glaubens verlieren, verhallt im Himmel – und auf Erden. Dabei hat er alles aufgefahren, was er auffahren konnte – die volle Ladung Böses.

 

Die merkwürdige Geschichte, die sich im Himmel vor dem Thron Gottes abspielt, löst im Leben Hiobs keine Gotteskrise aus. Hiob weiß Gott sogar in seiner Nähe. Er, der den Himmel ausmisst, glaubt an -  Hiob. Es fällt mir wie Schuppen von den Augen: ER glaubt an mich. Die vier Himmelsrichtungen werden das bezeugen! Davon wird man erzählen, darüber staunen. Im Norden und Süden, Osten und Westen.

 

Der Satan, der in dieser Geschichte seine Rolle spielen will, verliert gerade alles: Seine Macht, Zweifel zu säen. Seine Menschenkenntnis, auf die er so stolz ist. Seine Sicht auf die Dinge, die er über Menschen ausschüttet. Schließlich: Gott kann er nicht weiter in Beschlag nehmen. Er entpuppt sich als das, was er ist - und immer schon war: ein Lügner. Das beste Beispiel, heute: Hiob. Er hält an seinem Vertrauen zu Gott einfach fest. Dabei ist Hiobs Leid nicht einmal vorbei, seine Fragen nicht geklärt, seine Freunde nicht zufrieden. Seine Frau auch nicht.

 

So ganz nebenbei merken wir, dass Gott – Hiob braucht. Und unseren Glauben braucht er auch. Um das zu sein, was er ist: unser Gott, treu in allem, was er sagt und tut. 

 

Vorleser:

 

Gott ließ mein Herz verzagen,

der Allmächtige hat mich in Schrecken versetzt.

Dennoch verstumme ich nicht vor der Finsternis,

vor seinem Angesicht, das Dunkelheit bedeckt.

 

Wer hätte das gedacht: Nicht Gott wird sich vor Hiob rechtfertigen – Hiob rechtfertigt Gott! Indem er an ihm hängt. 

Ob es Liebe ist? Es ist Liebe!

Das Schweigen hat ein Ende. 

 

Hiob und sein Freund Gernhardt

 

Robert Gernhardt, der Worte liebte, prägte und immer neu zusammensetze, fand im Krankenhaus einen Freund: Hiob. Die Geschichte eines Menschen, der auf die Probe gestellt, seine Stärke findet. Viele Menschen haben an dieser Geschichte mitgeschrieben und ihre Leiden, ihre Erfahrungen, ihre Zweifel eintragen können. Satz für Satz ein Abenteuer. 

 

Hiob hat die Fragen, die Robert Gernhardt stellte, gekannt:

Nachts hat er mich gequält,

mich hat er stumm zur Sau gemacht …

 

Robert Gernhardt bin ich dankbar, dass er, stellvertretend für so viele andere Menschen, ein Gespräch mit Hiob geführt hat -  und uns daran Anteil nehmen lässt. 

 

Wohl in so mancher Nacht, wenn der Tag nicht kommen will, kommt Hiob an das Bett.

Wie ein Freund, der die Lebensgeschichte versteht, der zwischen den Zeilen liest, der auch das Schweigen aushält.

Hiob hat viele Freunde gefunden. 

 

In Krankenhäusern und Altenheimen,

in Lebenskrisen und an Lebenswendepunkten,

in Bildern und Liedern.

 

„Gott braucht den, den er nächtens schlaucht,

Gott liebt den, dem er Saures gibt!“

 

In so mancher Enge, die den Himmel klein machte, haben Menschen ihren Glauben entdeckt,

nicht verloren.

„Er aber kennt meinen Weg gut…“ (V. 10)

Sagte Hiob.

 

Vorleser:

 

„Aus der Finsternis wird Tag.

Tau fällt, um das Land zu schmücken.

Sonne steigt und Lerchenschlag

meinen Morgen zu beglücken.

Lobgesang durchströmt die Welt.

Du hast mich ins Licht gestellt“[3]

 

Und der Friede Gottes,

der höher ist als unsere Vernunft,

bewahre unsere Herzen und Sinne

in Christus Jesus,

unserem Herrn.

 

Vier Fragen zur Predigtvorbereitung an Manfred Wussow

1.          Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?

Zur „gottesdienstlichen Gemeinde“ gehören viele ältere und kranke Menschen, und wenn es nicht die „gottesdienstliche“ ist, dann sind es Menschen in der Kurklinik, im Krankenhaus und im Altenheim. Aber auch in vielen Häusern, in denen Menschen ihr Leid klagen. An die Angehörigen, die „Warum“  fragen oder zu diesen Fragen nichts zu sagen wissen, denke ich auch.  Hiob gilt als Dulder … er ist alles andere als das! Mit ihm den eigenen Glauben wieder zu entdecken, gibt dem Predigttext noch einen zusätzlichen Reiz. 

2.          Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?

Der Text – und das Buch Hiob insgesamt – ist spannungsreich, sprachlich kunstvoll und theologisch ein „weisheitliches“ Wunderwerk. Ich wollte mich einfügen. Die Predigt gibt Auskunft darüber, welchen Weg ich versucht habe. Beflügelt? Das Wort ist mir zu groß. Aber ich kenne viele Menschen, die Ähnlichkeiten mit Hiob haben (oder gewinnen könnten). Dass hier auch die größten theol. Fragen aus allen Ecken lugen, fesselt mich weiter.

3.          Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten? 

Dass der Glaube den Teufel Lügen straft, ist eine Herausforderung, den Glauben biografisch zu verorten (hier: Hiob) und gleichzeitig ein Vertrauen zu denken (und auszuhalten),

das die dunklen Seiten Gottes annimmt. Hiob will von Gott eine Rechtfertigung, rechtfertigt ihn dann aber, bevor er seine Fragen überhaupt anbringen kann. Diese „Argumentationsstruktur“ möchte ich auch an anderen Stellen und Lebenswendepunkten sehen und sichtbar machen. Eine schöne Schnittstelle zwischen syst. und prakt. Theologie

4.          Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung? 

Da möchte ich nur „Danke“ sagen! So manche Anmerkung hat mir geholfen, meine Gedanken besser zu verstehen und auszurichten. Meine Erst-Leserin hat die Rückfragen der Gemeinde vorweggenommen und – nebenbei – meine Predigtpraxis beobachtet (was ich mit Schmunzeln registrierte). Schade, dass es solche Gespräche (und wenn nur in Umrissen) zu selten oder eigentlich gar nicht gibt.  Einen lieben Gruß an dieser Stelle an Frau A. Bräunlich-Comtesse! 

Perikope
31.08.2025
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