Gott ist hier. Dies ist das Tor zum Himmel.
1. Jakob.
Er hatte schwere Zeiten hinter sich. Streit mit seinem Bruder. Sein Vater war von ihm enttäuscht. Seine Mutter hatte ihm geholfen. Aber eigentlich hatte sie ihm geholfen, seinen Bruder und seinen Vater zu betrügen. Sein Vater hatte ihn nun losgeschickt. Er solle sich eine Frau suchen. Ein wenig fühlte es sich an, als sei er verstoßen worden. Dabei war er von seinem Vater gesegnet worden. Er war der Erbe. Erschöpft legte er sich hin, nahm einen Stein als Kopfkissen. Seine Gefühle fuhren Achterbahn.
„12 Da träumte er: Schau, ein Aufgang, gestellt auf die Erde, und seine Spitze rührt an den Himmel. Schau, die Boten Gottes steigen auf und kommen herab – auf ihm. 13 Schau, Adonaj steht darüber und spricht: »Ich bin Adonaj, Gott Abrahams, auch deiner Eltern, Isaaks Gott. Das Land, auf dem du liegst, dir gebe ich es und deinen Nachkommen. 14 Und deine Nachkommen werden sein wie der Staub der Erde. Du wirst dich ausbreiten nach Westen und nach Osten, nach Norden und nach Süden. In dir sollen sich segnen lassen alle °Völker der Erde – und in deinen Nachkommen. 15 Schau, ich bin bei dir und ich behüte dich überall, wohin du gehst, und ich bringe dich zurück auf diesen Boden. Ja, ich verlasse dich nicht, bis ich getan habe, was ich dir zusage.“
Diese Nacht veränderte alles für Jakob.
16 Da erwachte Jakob aus seinem Schlaf und sagte: »Ja wirklich, Adonaj ist an dieser Stätte und ich wusste es nicht.« 17 Er fürchtete sich und sprach: »Wie ist diese Stätte furchterregend! Nichts anderes ist dies als das Haus °Gottes, dies ist das Tor zum Himmel.« 18 Früh am Morgen stand Jakob auf, nahm den Stein, den er zu seiner Kopfstütze gemacht hatte, richtete ihn zu einer Kultstele auf und goss Öl auf seine Spitze. 19 Und er gab jener Stätte den Namen Bet-El, Haus Gottes, dagegen war der Name der Stadt vorher Lus gewesen.
Jakob fand einen heiligen Ort. An diesem Ort änderte sich sein Leben. Er begegnete Gott. Er bekam Zukunftshoffnung. Er hörte eine Verheißung, die ihm Zukunft schenkte.
„Gott ist hier. Dies ist das Tor zum Himmel.“
Diese eindrückliche Geschichte finden wir in jeder Kinderbibel. Künstlerinnen und Künstler sind von ihr inspiriert worden. Jakob und die Himmelsleiter. Manchmal wird diese Verbindung zwischen Himmel und Erde als Treppe dargestellt, wie bei dem Künstler William Blake. Ein goldener Himmel erstrahlt über den Sternen. Auf der Treppe flanieren leuchtende Männer und Frauen – Engel. Meistens sehen wir auf Bildern zu dieser Geschichte eine Leiter, die irgendwo im Himmel aufhört. Manchmal mit Engeln, manchmal ohne. Seit einiger Zeit leuchtet nachts am Turm der Lamberti-Kirche in Münster eine Leiter. Innen in der Kirche beginnt sie und setzt sich außen am Turm fort. Die österreichische Künstlerin Billie Thanner hat dieses Kunstwerk geschaffen. Für sie stehen die einzelnen Sprossen der Leiter für unterschiedliche Tugenden wie Liebe, Achtsamkeit oder Dankbarkeit und grundsätzliche dafür, niemals den Glauben an das Gute zu verlieren.
2. Orte der Gottesbegegnung.
Wer auch immer dieses Motiv benutzt, sieht die Nähe zwischen Gott und Jakob. Der Himmel ist offen für Jakob. Das beeindruckt ihn so sehr, dass er ein Heiligtum errichtet. Der Stein, auf dem er geschlafen hat, wird zur Kultstätte.
Ich habe mich gefragt: Habe ich selbst auch einen solchen Begegnungsort? Einen Ort, an dem ich Gott begegnet bin? Ja, ich selbst habe solch einen Ort. Dorthin zieht es mich immer wieder. Dort komme ich zur Ruhe. Dort kann ich loslassen, was mich belastet. Dort kann ich Kraft tanken und wieder neue Energie bekommen.
Haben Sie auch einen solchen Ort? Einen Begegnungsort, an dem Sie sich Gott besonders nahe fühlen? Nehmen Sie sich bei der kommenden Stille / Musik ein wenig Zeit für die Suche und die Erinnerung: Wo habe ich Gott ganz nah erlebt?
Musik oder Stille
Nicht nur Jakob kann spüren: „Gott ist hier. Dies ist das Tor zum Himmel.“ Für Jakob war es ein Moment, in dem er aus der Hoffnungslosigkeit zur Zuversicht wechselte. Er bekam Kraft und Hoffnung für das, was vor ihm lag. Es war noch ein langer Weg bis dahin, dass er glücklich, frei und unabhängig leben konnte. Mit diesem Traum in der Nacht war nicht alles von jetzt auf gleich anders. Aber in Jakob war alles anders.
Genau so etwas erleben Menschen heute auch. Da muss sich nicht das ganze Leben ändern. Wenn ich spüre, dass Gott nah ist, kann das sehr unspektakulär sein. Bei Jakob war es ein Traum. Vielleicht ist es das bei uns auch. Vielleicht ist es aber auch ein kurzer Moment, in dem plötzlich etwas klar wird. Ein kurzer Moment, in dem klar wird: „Gott ist hier. Dies ist das Tor zum Himmel.“
3. Kultorte.
Jakob markiert die Stelle. Er errichtet eine Kultstätte. Das bedeutet, er möchte, dass auch andere entdecken, dass hier ein Gottesort ist. Hier können Menschen gemeinsam Gott begegnen.
Unsere Kirchen können solche Orte sein. Hier ist auf jeden Fall Zeit und Gelegenheit. Unsere Kirche sieht man von weitem. Sie lädt ein für Gott offen zu sein. Kirchen können Tore zum Himmel sein. So begegnete ich in einer offenen Kirche einer Frau, die als Ehrenamtliche für Gäste ansprechbar ist. Sie erzählt: „Ich bin gerne hier. Manchmal komme ich extra eine halbe Stunde früher, damit ich hier ganz für mich sitzen kann. Hier komme ich zur Ruhe. Hier kann ich mich einreihen in die vielen Generationen von Menschen, die hier schon gebetet und gesungen haben. Der Raum hier ist durchbetet. Das spüre ich.“
Und es können ganz andere Orte sein.
Auf einem Friedhof begegne ich einem Mann, der an einem völlig anderen Ort wohnt. Ich begrüße ihn und wundere mich darüber, dass er da ist. „Ja, dies ist ein besonderer Ort für mich. Hier fühle ich eine besondere Kraft. Wenn es mir schlecht geht oder ich einfach Zeit für mich brauche, dann komme ich hierher. Meine Großeltern sind auch hier begraben. Die haben das auch so gespürt.“
Darin wird mir noch ein anderer Aspekt des Heiligen Raums deutlich: Es geht nicht nur um mein eigenes Erleben. Vielleicht habe ich für mich ganz persönlich einen solchen Ort. Aber es gibt darüber hinaus auch Räume und Orte, die für andere Menschen auch heilig waren oder sind. Da spürt nicht nur einer: „Gott ist hier. Dies ist das Tor zum Himmel.“ Kirchen sind oft an solchen besonderen Orten errichtet worden. Manchmal war der Ort vorher schon besonders. Manchmal ist er hinterher im gemeinsamen Erleben besonders geworden. Tore zum Himmel.
Amen.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Ich bin in vielen verschiedenen Kirchen unterwegs. Darum stelle ich mir selten konkrete Menschen vor. Ich erlebe vor allem hochverbundene Menschen in den Gottesdiensten. Viele von ihnen kennen aus eigenem Erleben besondere Momente der Gottesnähe. Andere sind vielleicht auf der Suche oder kommen mit der Frage, was denn besondere Momente sein können. Ich möchte Raum und Zeit öffnen, eigene besondere Momente und Orte zu entdecken.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Die Erinnerung an meinen ganz persönlichen besonderen Ort der Gottesnähe hat mich beflügelt und begleitet.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Ich freue mich, wenn mir andere Menschen von ihren Gottesorten erzählen. Ich denke, ich werde ab und zu danach fragen.
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Vielen Dank an Pfarrerin Dr. Henrike Frey-Anthes. Ihr Lektorat hat mir bei der Strukturierung geholfen.