(16) Macht’s wie Gott. Werdet endlich Mensch! Predigt für das Weihnachtsfest von Dr. Stephan Schaede
28,65-67

Dtn 28, 65-67. 

65 Dazu wirst du unter jenen Völkern keine Ruhe haben, und deine Füße werden keine Ruhestatt finden. Denn der HERR wird dir dort ein bebendes Herz geben und erlöschende Augen und eine verzagende Seele, 
66 und dein Leben wird immerdar in Gefahr schweben; Nacht und Tag wirst du dich fürchten und deines Lebens nicht sicher sein. 
67 Morgens wirst du sagen: Ach dass es Abend wäre!, und abends wirst du sagen: Ach dass es Morgen wäre!, vor Furcht deines Herzens, die dich schrecken wird, und vor dem, was du mit deinen Augen sehen wirst. 

 

Zum Weihnachtsfest die Ansage von Fluch aus dem 28. Kapitel des 5. Buches Mose. Mich verstört das.  Ist das ein Akt geistlicher Schocktherapie? Welcher protestantische Weihnachtsgrinch kam auf die Idee, ausgerechnet diesen Predigttext in den Raum einer Predigtreihe zu stellen? Das ist Festsabotage pur. Ich möchte mich uneingeschränkt an dem Weihnachtswunsch: „Frohe Weihnachten!“ freuen.  All die Freude, die Hoffnung, das Herz, die Leidenschaft, die ihn erfüllt. Dieser Wunsch zehrt von „Vom Himmel hoch, da komm ich her, ich bring Euch gute neue Mär“- Nachrichten. Aber nun kracht eine zerstörerische Ansage als Wort für das Fest in die Weihnachtsseligkeit hinein. 

Weihnachten 2025: Ist der geheime Lehrplan der?  Eine durchgeknallte Kirche stößt mit einer harten Weihnachtsbotschaft vor den Kopf: Verfluchte Weihnachten! Gott wünscht uns ein verfluchtes Weihnachtsfest! Wofür soll das gut sein?

Dabei gibt es doch in diesem 28. Kapitels im 5. Buch Mose, das mit „Segen und Fluch“ überschrieben ist, den ersten, den Segensteil.  So viel besser passt der zu Weihnachten. Wunderbar plastisch gewinnt da der Segen Lebenspulsschlag, fein entfaltet bis in den letzten Winkel des Lebens hinein: Da ist vom gesegneten Vieh auf der Weide die Rede. Das passt in eine Weihnachtslandschaft mit lauter prächtigen Weihnachtseseln und -Ochsen, und Schafen  zumal hinein. „Gesegnet wird sein Dein Korb und Dein Backtrog“ lässt sich da nachlesen. Das nenn ich Weihnachtsansagen. Zwischen diesen Zeilen steigt einem doch der Geruch von weihnachtlichen Obstschalen mit Feigen und Früchten und von Kekstellern in die Nase.  „Und Gott wird machen, dass Du Überfluss an Gutem haben wirst, an Frucht Deines Leibes“ steht da schließlich geschrieben. Gutes und Geburtsfreuden, Freude an der Geburt eines Kindes. Das sind Ansagen - wie für das Weihnachtsfest geschaffen. Ein segensreiches erfülltes Panorama des Lebens.  Gott ist angekommen in meinem, in unserem Leben, ist Mensch geworden. Auch Ihr seid geborgen in Gottes Menschlichkeit, in seinem Segen. Das ist die erste Ansage für den Weihnachtstag, aus der dann die zweite folgen kann: Macht’s wie Gott. Werdet endlich Mensch!

Die Fluchkonturen aber des zweiten Teils des 28. Kapitels im 5. Buch Mose buchstabieren brutal das glatte Gegenteil aus, die grausame Situation nicht mehr länger Mensch sein zu können. Krasse Bilder einer Menschlichkeitsferne im Exzess, keine Ruhe, keinen festen Boden mehr unter den Füßen, ein auf Dauer gestellter Herzinfarkt, Du schaust durch blindgewordenen Scheiben des Lebens in ein Nichts hinein, eine Seele, die aufgibt, nichts als Gefahren links und rechts, Tag und Nacht Unsicherheit, kein Gott da, der dafür Sorge trägt, dass ich sicher wohne. „Morgens wirst du sagen: Ach dass es Abend wäre! und abends wirst du sagen: Ach dass es Morgen wäre!“ Das heißt doch: Unerträglich, das Jetzt aushalten zu müssen. Du bist konfrontiert mit einer Zeit, die Du nicht totschlagen kannst, die aber Dich bei lebendigem Leibe totschlägt. Jeder Augenblick des Lebens prügelt Dich, schlägt und schlägt auf Dich ein, aber Dein Los ist weiter zu vegetieren. 

Was hat dieser Fluch mit Weihnachten 2025 zu tun? Mit Weihnachten als Gottes Kommen in die Welt schier gar nichts. Lebensqual als Quittung von Fluch kommt in den Weihnachtsdarstellungen, die mit Gott rechnen nicht vor. Denn Weihnachten feiert Gott als einen, der sich der Menschheit zuwendet, in sie hineinfährt, um sie menschlich werden zu lassen. Das 5. Buch Mose beschreibt in seinem zweiten Teil eben das glatte Gegenteil, den Fluch von Gott, der auf einem Leben liegt, das taub für Gott ist, von religiöser Taubheit geschlagen ist.

Was hat dieser Fluch also mit Weihnachten 2025 zu tun? Als menschengemachter Fluch, als ein zynisch von menschlicher Hand gemachter Fluch, erschreckend viel. Boot für Boot im Mittelmeer, überquillend überdrängt von Menschen, von Kindern, eng an eng gequetscht, zerquetscht. Jeder Tag die Hölle, der die Nacht als Abgrund folgt. Leben in einem nicht zu ertragenden Jetzt auf See. Und Küstenwachen als Versenkungskommandos unterwegs. Augenblick für Augenblick, der Menschen auf der Flucht bei lebendigem Leibe totschlägt, in ihren Hoffnungen, die sie aufbrechen ließen. Jeder Augenblick ein Augenblick, der sie prügelt, schlägt, auf sie einschlägt. Und es sind unsere Augen, die durch erblindete Scheiben von Europa her nicht sehen wollen, was da geschieht. Auf Europa liegt der Fluch versagter Gastlichkeit. Weit entfernt davon, dass ein Gott es wäre, der da flucht. Sogenannte politische Interessen wollen die, die nicht ertrunken sind, wieder zurückführen, die Geflüchteten ihren Feinden, der Lebensfeindlichkeit ausliefern. 

Fluch, Weihnachten 2025, menschengemacht, menschengewollt, von Menschen für Menschen im Namen von Menschen, an Weihnachten 2025 auch da ein gottferner Fluch unterwegs. Ein Fluch von der Hölle gemacht den anderen zur Hölle gemacht.

Und aus einem verborgenen Winkel unseres Herzens entspringt hoffentlich eine Stimme, die aufhorcht, ein Funken, der unsere blindgewordenen Scheiben der Menschlichkeit zerspringen lässt. Weihnachten 2025 – seht doch endlich, hört doch endlich. Der, den ihr mit Eurem Herzen ein rein sanft Bettelein machen wollt, kann da -  so ernst meint er’s schon mit seinem Segen - doch nur Quartier nehmen, ohne dass es ihm sein göttliches Herz zerbricht, wenn ihr das eine beherzigt -  macht’s endlich wie Gott, werdet Mensch.

Amen. 

 

Perikope
25.12.2025
28,65-67