"…Und es kommt nichts nachher!?", 1. Korinther 15, 50-58 von Claudia Krüger
15,50
…Und es kommt nichts nachher!?
  Die Kraft der Bilder und der Klang der Posaune.
Das sage ich aber, liebe Brüder, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können, auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit.
Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden; und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune erschallen und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden. Denn dies Verwesliche muss anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit.
Wenn aber dies Verwesliche anziehen wird die Unverweslichkeit und dies Sterbliche anziehen wird die Unsterblichkeit, dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht (Jesaja 25,8; Hosea 13,14): „der Tod ist verschlungen vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz. Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus! Darum, meine lieben Brüder, seid fest, unerschütterlich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn, weil ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.
Liebe Gemeinde!
Es gibt Fragen, an denen entscheidet sich alles.
Solch eine Frage ist für den Apostel Paulus die Frage nach der Auferstehung der Toten. An der Beantwortung dieser Frage entscheidet sich für ihn, ob irgendetwas im Leben überhaupt Sinn macht. Denn wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, dann ist unser menschliches Dasein nichtig und schutzlos allen finsteren Mächten und unberechenbarem Schicksal ausgeliefert.
Dann ist unser ganzer Glaube wertlos, und wir können die Kirchen schließen und den Mund halten ein- für allemal. Und so schreibt er einige Zeilen vorher:
„Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferstanden. Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich. …Denn wenn die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden…“.
Und dann versinkt alles am Ende in abgrundtiefer Sinnlosigkeit. Und „wir sind die elendesten unter allen Menschen.“
Deshalb lässt sich über die Auferstehung nicht diskutieren.  Untrennbar gehören für den Apostel Tod und Auferstehung Christi zusammen mit der Auferstehung aller Menschen. Er ist der erste Auferweckte, und wir alle werden ihm nachfolgen und haben deshalb allen Grund zur Hoffnung über den Tod hinaus. „Es ist schon ein Anfang gemacht, in dem unser eigenes gutes Ende eingewickelt ist. Vielleicht ist diese Osterwahrheit für das Herz der Einzelnen zu schwer. Aber wir haben ja Geschwister, die sie mit uns teilen.“ (Steffensky, Schatz im Acker. S.38)
Am Schicksal Christi entscheidet sich das Schicksal aller Toten und aller Lebenden. Und so bestimmt der Eine unser aller Zukunft. Am Ende aber wird er alles in allem sein, am Ende werden alle tödlichen Mächte entmachtet sein und Gottes Liebe als strahlende Siegerin hervorgehen – und triumphieren!
Liebe Gemeinde, die Gedanken des Apostels sind keine theologischen abstrakten Theorien, sondern Antworten auf Fragen,  die unsere Gegenwart heute noch genauso existenziell stellt. Und auch wir Heutigen brauchen in unserem Alltag auf die Frage nach der Auferstehung eine ganz konkrete Antwort.
Stellen Sie sich folgende Szene vor:
Berufsfachschülerinnen und Schüler für Altenpflege sitzen über der Klassenarbeit Religion. Eine bunt gemischte Gruppe: sie sind katholisch, evangelisch, orthodox, muslimisch, ausgetreten, unkirchlich geprägt aus den neuen Bundesländern, Ältere, die noch einmal umschulen und einen sozialen Beruf ergreifen möchten, oder Frauen nach der Erziehungsphase. Viele junge Leute unterschiedlicher Nationalität, die eine dreijährige Ausbildung in der Altenpflege absolvieren. Manche mit Piercing, andere mit blauen Haaren und Tattoos, alles engagierte interessierte Menschen, die liebevoll den alten Menschen begegnen, die aber auch täglich umgehen müssen mit Abschied und Vergänglichkeit.
Eine Frage in der Klassenarbeit lautet: „Wenn mich eine Bewohnerin /Bewohner im Altenheim fragen würde: „Wie wird es sein, wenn ich sterbe, was kommt danach? – Was könnten Sie antworten?“
Eine Schülerin winkt die Lehrerin herbei – „Was soll ich denn da antworten – es gibt nichts, Schluss, aus, vorbei, Ende!“ Die Lehrerin antwortet: „Wenn das für Sie so ist, dann dürfen Sie es ehrlich sagen. Sie müssen nichts antworten, was Sie nicht selbst glauben können – das würden Ihnen die Menschen nicht abnehmen.“
Aber wie können wir die Gegenwart des Todes aushalten Tag für Tag, wenn wir keinerlei Hoffnungsbilder haben, die wir dagegen setzen können? Wenn wir keinen Grund haben, der uns im Hier und Jetzt trägt und ermutigt, weil er einen Horizont eröffnet, der über die Gegenwart hinaus strahlt? Woher nehmen wir die Kraft, unseren Alltag zu bewältigen, zu vertrauen, zu lieben, zu hoffen?
Szenenwechsel:
Die Klasse ist beauftragt, verschiedene Bibelstellen nachzuschlagen im Alten und im Neuen Testament – Jenseitsvorstellungen: Texte aus dem Mosebuch, wo Menschen im hohen Alter sterben, „alt und Lebens satt“ und sich dann zu „ihren Vätern versammeln“. Texte aus den Psalmen – „lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ Wie könnte sich solche „Klugheit“ äußern?
Psalm 139 „Von allen Seiten umgibst Du mich“, Oster- und Auferstehungstexte, Offenbarung 21: „Und Gott wird bei ihnen wohnen..und er wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein;…“. Eine weitere Aufgabe: im Gesangbuch blättern im Kapitel „Ostern“. „Finden Sie etwas, das Sie anspricht, ermutigt, tröstet, provoziert, zum Nachdenken anregt?“
Die Lehrerin ist überrascht über die unerwartet intensive Stille. Das ernsthafte Blättern, Lesen, Besprechen zu Zweit. „Schöne Texte!“ „Warum die Menschen Jesus nach der Auferstehung nicht erkannt haben? Erst als er Maria beim Namen anspricht. Erst als er mit den Jüngern das Brot bricht.“ „Ein wunderbares Lied: „Wir wollen alle fröhlich sein.““ Sie schmunzeln, als die Lehrerin vom Osterlachen erzählt: „hallelujahaha!“
Eine meldet sich: „Ich habe weiter hinten etwas gefunden: Regionalteil Ostern: „Wo einer das Unbequeme wagt und offen seine Meinung sagt, um Schein und Lüge zu überwinden, da kannst du Osterspuren finden.“ Das gefällt mir: „Osterspuren“ – das hat etwas mit unserem Leben heute zu tun!“
Und schließlich meldet sich eine gewohnt kritische Stimme und bekennt: „Psalm 139: das steht: „führe ich gen Himmel, so bist du da, bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da. Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten.“ Er hält kurz inne. „Ich muss zugeben: da könnte ich – als eingefleischter Atheist – direkt neidisch werden!“
Noch ein Szenenwechsel:
Die Pfarrerin sitzt bei einem Ehepaar am Tisch. Sie besprechen die Urnenbeisetzung der 91-jährigen Mutter. „Unsere 5-jährige Enkelin wird nun doch nicht dabei sein, sondern in den Kindergarten gehen. Wir haben ihr gesagt: „die Uroma ist jetzt im Himmel, schaut herunter und winkt Dir zu!“ Wie sollte sie uns das noch glauben, wenn sie die Urne sieht? Und: Was meinen Sie, Frau Pfarrerin, schaut sie wirklich zu ihr herunter?“
„Ein schönes Bild! Eine von vielen wunderbaren Vorstellungen, wie „Auferstehung“ sich auswirken könnte. Ja, ich glaube an die Auferstehung der Toten, aber ich kann Ihnen nicht sagen, wann und wie diese sein wird. Aber Sie dürfen sich Gedanken und Vorstellungen machen – und gerade in den biblischen Texten finden wir wunderbare Bilder: die Wohnungen in unseres Vaters Haus. Das Sitzen an seinem Tisch. Das neue Jerusalem. Und: der Schall der letzten Posaune, plötzlich, in einem Augenblick, die Auferstehung der Toten – unverweslich, unsterblich, verwandelt. Der Sieg über den Tod. Gottseidank!“
Wir brauchen starke Bilder, starke Texte, starke Lieder, starke Klänge gegen den Zerfall, die Verwesung, die anonymen Gräber, die allgegenwärtige Sterblichkeit, den schleichenden Tod. Wir brauchen sie dringend,  die Auferstehungsbilder, die Auferstehungstexte, die Auferstehungsklänge, das Osterlachen, die Auferstehungssonne über den Gräbern, den Posaunenklang am Ostermorgen auf dem Friedhof, ganz in der Nähe der kleinen Gräber, auf denen sich die Windrädchen drehen und die Menschen am traurigsten sind.
Da spielt eine 11-Jährige Querflöte am Sarg ihrer Oma: Amazing graze, ein Lied, das die unendliche Gnade und Liebe Gottes besingt. Dann liest ihre kleinere Schwester den 23. Psalm, sie kann kaum über das Lesepult schauen, aber sie liest den Psalm mit einer Hingabe und Ernsthaftigkeit, die nur Kindern zueigen ist, denn ihnen gehört das Reich Gottes, und sie schließt mit dem Satz: „und ich werde bleiben im Hause der Herrn immerdar“.
Wir sollten immer wieder von unseren inneren Bildern und Klängen erzählen, von dem, was uns ermutigt angesichts der Wirklichkeit schwerkranker und sterbender Menschen, angesichts der Kindersärge und der schmerzlichen Abschiede auch im hohen Alter. Wie sollten wir es aushalten, wenn wir dieser Wirklichkeit nichts, gar nichts, entgegen setzen könnten? Warum so zaghaft? Warum kommen die dunklen Bilder uns so viel schneller vor Augen als das Licht der Auferstehung? Warum dürfen die schrillen Töne und das tödliche Schweigen sich verbreiten, ohne dass wir auch nur ein Wort, und sei es noch so leise und zaghaft, einen zarten Klang, einen einzigen tröstlichen Ton der Hoffnung dagegen setzen?!
Deshalb ist der Apostel hier so engagiert. Deshalb entscheidet sich für ihn an der Frage der Auferstehung alles. Weil wir Menschen die Auferstehungshoffnung brauchen mitten in unserem Alltag. Osterspuren. Bilder. Klänge. Trost. Unverweslichkeit. Verwandlung. Auferstehung. Und die Gewissheit darüber, wer am Ende, ganz am Ende, den Sieg behält. Ob es eine Liebe gibt, die stärker ist als der Tod. Aber davon ist der Apostel überzeugt.
Und so hören wir am Grab die Worte:
„Was ist der Mensch? Viel mehr als wir vor Augen haben und begreifen. Jesus war Mensch, darum hoffen wir auf Gott, auf Liebe, die das Sterben erträgt. Wir trauen seinem Wort: „Siehe, ich mache alles neu!““
Christus hat den Tod erlitten und zugleich überwunden. Er ist der Erstling aller, die entschlafen. Weil er auferstanden ist, werden wir alle auferstehen und verwandelt werden. Das Verwesliche muss anziehen die Unverweslichkeit, das Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit. Plötzlich, in einem Augenblick, beim Schall der letzten Posaune. Und dann ist der Tod verschlungen vom Sieg. Der Tod hat seinen Stachel, seine endgültige Macht, eingebüßt. Der Zusammenhang von Sünde, Gesetz und Tod ist durchbrochen durch Christi Sieg, durch die Liebe, mit der er uns gerecht macht. Am Ende ist der Tod ganz und gar besiegt. Nicht durch unsere Kraft oder unser Dazutun, denn wir selbst könnten das Reich Gottes nicht ererben, auch nicht als Verwesliche die Unverweslichkeit ererben. Das kann nur Gott an uns tun. Und das wird er tun. Er wird uns überkleiden mit dem Himmelsgewand der Auferstehung. Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus. „Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Armseligkeit und wird auferstehen in Kraft. Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib, in himmlischem Bild.“
Wie das genau aussehen wird, das dürfen wir getrost Gott überlassen.
Wir werden auferstehen mit aller Würde und allem Ansehen, das Gott seinen Geschöpfen von Anfang an verliehen hat. Wir werden leibhaftig als Menschen erkennbar sein in unserer Identität und unserer Beziehungsfähigkeit.
Und ganz am Ende wird Gott alles in allem sein in seinem ganzen Beziehungsreichtum – und nichts, aber auch gar nichts kann uns dann jemals mehr von ihm trennen.
Diese Hoffnung gibt unserer Gegenwart heute schon Sinn und Ziel. Jetzt schon ist unsere Gegenwart von diesem Glauben geprägt, von diesem Geist bestimmt. Jetzt schon ist die Liebe des auferstandenen Gottes in unser Herz gegossen. Jetzt schon hat die Liebe gewonnen.
Gott sei Dank, das das so ist. Und deshalb ist heute schon keine Liebesmühe vergeblich. „Darum, meine lieben Brüder – und Schwestern- seid fest, unerschütterlich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn, weil ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.“
Deshalb können wir heute schon „Osterspuren“ entdecken und selbst auch die Liebe dessen in die Welt tragen, der uns in Ewigkeit liebt. Deshalb können wir fest und unerschütterlich sein – wenigstens immer wieder - und uns gegenseitig ermutigen, wenn die Knie weich werden, können bestärken gegen die wieder kehrenden Zweifel und Fragen.
Die Auferweckung Christi bestimmt heute schon unsere Gegenwart – und deshalb ist unsere Gegenwart immer wieder von tiefem Dank erfüllt – und gleichzeitig sollen wir uns ermahnen zur Festigkeit und Unerschütterlichkeit – und einfach zur Alltagsarbeit nach seinem Willen, in seiner Liebe, deshalb sollten wir für den Nächsten alles geben und alles hoffen. Und manchmal kommt uns dabei ein Danklied über die Lippen, manchmal sogar ein Triumphlied gegen den Tod, ein Osterlachen: „Hallelujahaha…“. Johannes Brahms hat es wunderbar vertont in seinem Deutschen Requiem: „Der Tod ist verschlungen in den Sieg…“, schöner und jubelnder kann man den Sieg der Liebe über den Tod kaum ausdrücken.
Auch wenn wir noch in unserer Sterblichkeit leben, werden wir schon jetzt gestärkt durch die Wirklichkeit des neuen Lebens. Der allgegenwärtige Tod wird nicht das letzte Wort behalten. Seine Fratze wird nicht das letzte Bild sein. Der Schrei des Todes wird nicht der letzte Ton sein, bevor die Totenstille sich verbreitet.
Christus ist auferstanden, gegen alle Todesmächte, seine Liebe behält den Sieg. Seine Liebe wird das letzte und erste Bild sein, sein Engel steht schon am Grab und weist uns den Weg ins Licht. Ja, seine Ewigkeit wird in Schönheit, Geborgenheit und Liebe alles menschlich Vorstellbare übertreffen. Er wird das letzte Wort haben, den letzten Ton angeben, den göttlichen Klang in unsere Herzen spielen.
Amen.
 
Wenn es so etwas wie Zukunftsmusik gibt,
  dann war sie damals, dann ist sie am
  Ostermorgen an der Zeit: zur Begrüßung
  des neuen Menschen, über den der Tod
  nicht mehr herrscht. Das müsste freilich
  eine Musik sein – nicht nur für Flöten
  und Geigen, nicht für Trompeten, Orgel
  und Kontrabass, sondern für die ganze
  Schöpfung geschrieben, für jede seufzende
  Kreatur, so dass alle Welt einstimmen und
  groß und klein, und sei es unter Tränen,
  wirklich jauchzen kann, ja so, dass selbst
  die stummen Dinge und die groben Klötze
  mitsummen und mitbrummen müssen:
  Ein neuer Mensch ist da, geheimnisvoll uns
  allen weit voraus, aber doch eben da.
  (E. Jüngel; EG S.239)   
„Und es kommt nichts nachher“: B.Brecht, Hauspostille
Lied- und Musikvorschläge:
Brahms- Requiem,
EG 551 Wo einer dem andern neu vertraut
EG 100 Wir wollen alle fröhlich sein
EG 103 Gelobt sei Gott im höchsten Thron
Perikope