Wir werden verwandelt! - Predigt zu 1Kor 15,50-58 von Matthias Rein
„Er war ins Grab gesenket, der Feind trieb groß Geschrei;
eh er´s vermeint und denket, ist Christus wieder frei
und ruft Viktoria, schwingt fröhlich hier und da,
sein Fähnlein als ein Held, der Feld und Mut behält.“
(Paul Gerhardt 1647, EG 112,2)
Liebe Gemeinde,
Viktoria! – so können und wollen wir rufen an diesem Ostermorgen.
Viktoria! – Christus ist wieder frei,
Christus – gekreuzigt und begraben
Christus – als Lebendiger gesehen von den Frauen, von Petrus und Jakobus und vielen Menschen, gesehen von Paulus.
Christus – von Gott auferweckt.
Und damit befreit vom Tod, Sieger über den Tod.
Der Held schwenkt fröhlich die Siegesfahne!
Unsere Osterlieder sind voller Osterfreude, Osterlachen, ansteckender Fröhlichkeit:
Wir wollen alle fröhlich sein!
Auf, auf mein Herz mit Freuden!
Die ganze Welt Herr Jesu Christ, in deiner Urstand fröhlich ist!
Lasst uns lobsingen vor unserem Gott, der uns erlöst hat vom ewigen Tod.
Der uns erlöst hat vom ewigen Tod!?
Wir freuen uns über die Auferweckung Jesu.
Aber wir fragen: Was bedeutet dies für uns heute, für mich ganz persönlich. Christus ist gestorben und auch heute sterben Menschen. Ich selbst lebe in einem vergänglichen, sterblichen Leib. Was bedeutet Jesu Auferstehung für unser, für mein Leben und Sterben heute? So fragen Menschen, liebe Gemeinde, seitdem von Jesu Auferstehung erzählt wird.
Die Gemeindeglieder in Korinth diese Fragen in einem Brief aufgeschrieben und ihn an den Apostel Paulus gesendet.
„Paulus, erkläre uns das bitte: Wie geht es zu bei der Auferstehung der Toten? Wir wissen, wir leben in einem vergänglichen Leib und werden sterben. Wir hören von Christi Auferstehung. Werden wir auch auferstehen? Wann und wie?“ Paulus antwortet mit einem Vergleich, mit einem Bild. „Ich stelle mir das so vor: Wir leben jetzt in einem sterblichen Leib. Dieser Leib gleicht einem Samen. Wir sterben. Wie der Same stirbt. Und dann gibt Gott uns einen unsterblichen, himmlischen, geistlichen Leib. Dieser Leib gleicht dem Leib der Blume, die aus dem Samenkorn hervorgeht. Zwei Leiber. Äußerlich ganz verschieden. Und doch verbunden. Gott gab uns den sterblichen Leib und Gott gibt uns den neuen, den unsterblichen, den geistlichen Leib. Wir sehen dies an Christus. Er starb am Kreuz. Er lebt neu als Auferstandener. Gott verschafft ihm neues Leben. Aber er lebt auch anders als wir Sterblichen. Er lebt im Geist.“ Die Korinther fragen weiter: Wie wird denn aus einem sterblichen, vergänglichen Leib ein unsterblicher, unvergänglicher? Dazu schreibt Paulus in seinem Antwortbrief und das ist der Predigttext für den heutigen Ostermontag (1Kor 15,50-58):
„Dass sage ich aber, liebe Brüder und Schwestern, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können; auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit. 51Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden; 52und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune erschallen und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden. 53Denn dies Verwesliche muss anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit. 54Wenn aber dies Vergängliche anziehen wird das Unvergängliche und dies Sterbliche anziehen wird die Unsterblichkeit, dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht: »Der Tod ist verschlungen in den Sieg. 55Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?« 56Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz.“
Und Paulus schaut auf das ganze Ostergeschehen und dankt Gott.
„57Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus!“
Liebe Gemeinde, Paulus nennt zwei wichtige Schlüsselworte. Zwei wichtige Oster-Schlüsselworte. Das erste Schlüsselwort ist: Verwandlung. Wir werden alle verwandelt.
Und das zweite ist: Anziehen. Ein Gewand anziehen. Ein altes Gewand ablegen und ein neues Gewand anziehen. Anders: Uns wird ein neues Gewand umgelegt. Wir werden neu gekleidet.
Paulus stellt gegenüber:
Der sterbliche Leib und der unsterbliche Leib. Das Vergängliche und das Unvergängliche. Das Irdische und das Himmlische, Geistliche.
Und er verwendet ein Bild:
Wir tragen jetzt das Gewand der Sterblichkeit. Gott wird uns dieses Gewand von den Schultern nehmen und uns ein neues Gewand umlegen. Das schöne Gewand der Unsterblichkeit. Wir werden verwandelt.
Geht so etwas, liebe Gemeinde?
Verwandlung von einem zum anderen, ganz plötzlich?
Verwandlung vom Kranken zum Geheilten.
Vom Gefangenen zum Freien.
Vom Hoffnungslosen zum Hoffenden.
Vom Blinden zum Sehenden?
Von der Karfreitagstrauer zum Osterlachen?
Das geht nicht einfach so, so die Erfahrung.
Da muss etwas geschehen, etwas passieren.
Da muss eine Krankheit besiegt werden,
da muss eine Mauer durchbrochen werden,
da muss ein neuer Geist einziehen,
da muss Licht aufscheinen.
Was geschieht bei der Verwandlung des toten Jesus in den Lebendigen? Er hat nun einen neuen Leib, er ist bei Gott und zugleich überall im Geist.
Da geschieht: Gott, der Schöpfer, schafft neues Leben, da, wo alles am Nullpunkt ist, da, wo nur noch Tod herrscht. Verwandlung. Gott verwandelt uns. Er belässt uns nicht in der Sterblichkeit. Er durchdringt uns mit dem Unvergänglichen, Bleibenden. Gott legt uns den Mantel der Unsterblichkeit um. Er besiegt die Macht des Todes über uns.
Ich sinne über das Bild vom Leib des Samens und dem Leib der Blume, über das Bild vom Ablegen des Mantels der Sterblichkeit und dem Anziehen des Mantels der Unsterblichkeit nach. Ich habe weiter Fragen.
Stirbt mein äußerer Leib? Bleibe ich als Person erhalten und bekomme dann einen neuen Leib? Ziehe ich den einen Mantel aus und den anderen an? Ist mit meinem Tod alles aus? Was kommt dann?
Paulus würde antworten: Es ist alles aus. Gott aber macht einen neuen Anfang für mich. Er gibt den einen und den anderen Leib. Er bleibt und seine Liebe bleibt, trotz Nullpunkt Tod. Das sehen wir an Christus.
Was fangen wir an mit dieser Osterbotschaft, liebe Gemeinde? Wir stellen den Tod zur Rede: Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?
Wir nehmen das Osterlicht wahr, das in die Welt scheint. In diesem Licht können wir sehen: Die Weisheit der guten Schöpfung Gottes. Gottes Schöpfermacht, die neues Leben schafft. Die Liebe, die bleibt und stärker ist als Gewalt, Tod und Hass.
Wir danken Gott an diesem Osterfest: Dir, Gott sei Dank, der Du uns den Sieg über den Tod gibst durch unsern Herrn Jesus Christus! Und wir wollen fröhlich singen: Auf, auf mein Herz mit Freuden.
Amen.
„Mitten in der Welt beleuchtet das Osterlicht
die Weisheit der Schöpfung
trotz Torheit der Welt.
Mitten in der Zeit erneuert das Osterlicht
das Leben trotz Vergänglichkeit.
Mitten in der Zeit motiviert das Osterlicht
zur Nächstenliebe trotz Hass.“
(Theißen, Gerd: Glaubenssätze. Ein kritischer Katechismus, Gütersloh 2012,199.)
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Die Predigt entfaltet die Epistellesung für den Ostermontag. Ich werde die Predigt in der Dorfkirche von Erfurt-Marbach in einem Abendmahlsgottesdienst am Ostersonntag halten. Ich rechne mit 50 bis 60 Gottesdienstbesuchern. Dem Gottesdienst geht die liturgische Feier des Ostermorgens in der Kirche und ein Osterfrühstück der Gemeinde voraus. Ich erwarte engagierte Gemeindeglieder der Kerngemeinde und Bewohner des gutbürgerlichen Vorortes sowie Ostergäste. Der Gottesdienst wird musikalisch durch den Chor des örtlichen Musikvereins gestaltet.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Mich hat die Frage der Korinther an Paulus nach der Relevanz des Auferstehungsgeschehens für das persönliche Leben beschäftigt. Spannend finde ich den Gedanken der Verwandlung und die Bilder vom Leib des Samens und der Blume sowie des Anziehens. Paulus ringt mit dem Thema und versucht Worte zu finden. Diesem wollte ich nachspüren und Worte finden, die heutige Fragen aufgreifen. Ein wahrlich „schwerer“ Predigttext soll zu einer fröhlichen Oster-Predigt führen.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Auferstehung ist das Ergebnis von Gottes Schöpfungshandeln. Solches Schöpfungshandeln ist auch am Werk, wenn wir von der Gottesblindheit zur Wahrnehmung der Gegenwart der Liebe Gottes im eigenen Leben, im Nächsten und in der Welt geführt werden. Gott selbst öffnet uns für seine Gegenwart – da geschieht österliche Neuschöpfung im Geist (im Anschluß an Dalferth, I.: Auferweckung, Leipzig 2023, 126f).
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
In den Vorarbeiten habe ich einige lebensweltliche Beispiele für Verwandlung und das Anziehen des neuen Gewandes der Unvergänglichkeit erzählerisch entfaltet. Sie helfen zur Veranschaulichung, setzen aber auch neue Fragen frei. Ich habe sie weggelassen. Die Suche nach Worten zu diesem Paulustext ist eine echte Herausforderung. Vielleicht regt mein Versuch andere an!
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07.01.2024 - 1. Sonntag nach Epiphanias
Wir aber haben Christi Sinn - Predigt zu 1. Korinther 2,12-16 von Markus Nietzke
„Es ist kaum auszuhalten!“, erzählt die junge sozialpädagogische Kraft in einer vertraulichen Runde. Sie wirkt nervös. Ihr Gesichtsausdruck ist angespannt. Sie sitzt aufrecht. Mal zupft sie an ihrer Kleidung, mal spielt sie mit ihren Fingern. Ihr Atem geht schnell. „Wir reden bei der Arbeit kaum noch miteinander. Jede macht da ihr eigenes Ding. Am meisten leiden darunter die Kinder. Sie fühlen sich sichtlich unwohl, weinen viel öfter als vorher. Auch die Eltern merken schon, dass irgendetwas nicht stimmt. Ich habe den Eindruck, dass sich jede Mitarbeiterin auf Kosten der anderen mit den Erzieherinnen vergleicht.“ Während sie das sagt, klingt ihre Stimme leise und unsicher. „Die eine kommt gebürtig aus dem Ausland, die andere ist eine langjährige Mitarbeiterin aus dem Nachbardorf. Dauernd gibt es Kompetenzgerangel und Streit.“ Da bemerkt jemand aus der Runde: „Nichts ist wohl schlimmer als ein vergiftetes Klima in einer Gruppe!“. Die junge Frau antwortet spontan: „Da sagst Du was! Nur – wie kann das aufgelöst werden?“ Darauf antwortet ein junger Mann in der Runde: „Ihr seid eine Kita, die sich ganz bewusst christlich nennt. Woran erkennt man eigentlich, dass ihr Christen seid? Wäre das nicht ein Ansatz zur Lösung der Situation?“
Diese kleine Einstiegserzählung mag uns helfen, zu verstehen, was das Thema ist, von dem Paulus im ersten Brief an die Korinther schreibt:
12Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, damit wir wissen, was uns von Gott geschenkt ist. 13Und davon reden wir auch nicht mit Worten, welche menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen. 14Der natürliche Mensch aber nimmt nicht an, was vom Geist Gottes ist; es ist ihm eine Torheit und er kann es nicht erkennen; denn es muss geistlich beurteilt werden. 15Der geistliche Mensch aber beurteilt alles und wird doch selber von niemandem beurteilt. 16Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer will ihn unterweisen«? Wir aber haben Christi Sinn.
Worum geht es in diesen anspruchsvollen Worten und Gedanken? Ein gewisses Problem ist in der Gemeinde entstanden. Da gibt es Gemeindeglieder, die fühlen sich sichtlich unwohl. Der Eindruck ist entstanden, dass sich einzelne Gemeindeglieder auf Kosten anderer in der Gemeinde vergleichen. Konkret geht es darum, dass ein bestimmtes religiöses Wissen, gesellschaftlicher Einfluss und die Herkunft der Gemeindeglieder als Mittel zur eigenen Statussteigerung dienen. Dies vergiftet das Klima in der Gemeinde und spaltet sie. Paulus kritisiert ein solches Verhalten und hält es für nicht angebracht. Die Herkunft aus einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht, Bildung oder materielle Güter sind nicht die entscheidenden Kriterien für eine Gemeindezughörigkeit. Nein, der daraus entstehende Dünkel führt in kürzester Zeit zu Konkurrenz und Selbstbehauptung auf Kosten anderer in der Gemeinde. Am Ende führt das zu Zwist und Spaltung. Paulus verweist auf Jesus Christus. „Wir haben Christi Sinn“!, sagt er. Jesus hat gebildete, begüterte und angesehene Personen seiner Zeit nicht ausgeschlossen, abgewiesen oder abgelehnt. Aber gerade die, die wenig Einfluss haben, die ärmeren Menschen, und die, die wenig bis keine Bildung haben, werden von Gott als gleichwertig wahrgenommen. In Gottes Herrlichkeit sind Unterschiede, Herkunft oder der Bildungsgrad nicht relevant, sondern die Zusage, dass Jesus der Heiland, Retter und Erlöser aller Menschen ist. Um diese Einsicht wirbt der Apostel in Korinth.
Paulus greift dabei auf eine gemeinsame Erfahrung der angeschriebenen Gemeindeglieder zurück:
1Brüder und Schwestern, als ich zu euch kam und euch Gottes verborgenen Plan zur Rettung der Menschen verkündete, habe ich euch doch nicht mit tiefsinniger Weisheit und geschliffener Redekunst zu beeindrucken versucht. 2Ich hatte mir vorgenommen, unter euch nichts anderes zu kennen als Jesus Christus, und zwar Jesus Christus, den Gekreuzigten. 3Als schwacher Mensch trat ich vor euch und zitterte innerlich vor Angst. 4Mein Wort und meine Botschaft wirkten nicht durch Tiefsinn und Überredungskunst, sondern weil Gottes Geist sich darin mächtig erwies. 5Euer Glaube sollte sich nicht auf Menschenweisheit gründen, sondern auf die Kraft Gottes. (Textfassung: Gute Nachricht)
Worauf Paulus hinaus will: Der Heilige Geist offenbart den Unmündigen, was den Weisen und Klugen dieser Welt verborgen ist. Er nimmt damit eine Passage auf, von der uns im Evangelium nach Matthäus berichtet wird: „Zu der Zeit fing Jesus an und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies Weisen und Klugen verborgen hast und hast es Unmündigen offenbart. Ja, Vater; denn so hat es dir wohlgefallen.“ (Matthäus 11,25–26)
Die Weisheit Gottes, um die es Paulus geht, nennt der Apostel das „Wort vom Kreuz“. Dieses Wort steht im Kontrast zur Weisheit dieser Welt. Im Kreuz Jesu Christi hat Gott die weltliche Weisheit ad absurdum geführt. Gott erwählt das Törichte und Schwache, damit sich die Christen nur in Christus Jesus rühmen können. In ihm erlangen sie Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung.
Paulus macht in seinem Brief an die Christen in der Gemeinde in Korinth deutlich, dass zur Lösung der eingetreten Konfliktsituation Gott seinen Heiligen Geist immer wieder aufs Neue wirksam werden lässt. Voller Hoffnung und Zuversicht auf Gottes Wirken kann es gelingen, neu anzusetzen. Der Heilige Geist ist schon gegeben. Allen, die in der Gemeinde getauft sind. Ohne Unterschied. Ohne Ansehen der Person. Es gibt da nicht welche, die den Heiligen Geist haben und andere nicht. Es gilt auch nicht, als hätten einige mehr oder weniger geistliche Bildung und Wissen. Es dreht sich nicht so sehr um Einzelne in der Gemeinde und deren Ansichten, sondern darum, was die Gemeinde eint und was sie ausmacht. Sie leben ja nicht einfach nur vor sich hin. Solche Menschen halten Gottes Geist und die Botschaft vom Gekreuzigten oft für dumm oder überflüssig. Im Gegenteil: Weil sie Gottes Heiligen Geist empfangen haben, haben sie ein besonderes Urteilsvermögen geschenkt bekommen. Sie können geistesgegenwärtige Entscheidungen treffen.
Wie gehen wir mit einer verfahrenen, um nicht zu sagen, einer vergifteten Situation in einer Gemeinde um? Wir haben den Erfahrungsreichtum christlicher Gemeinden wie aus der Gemeinde in Korinth damals oder im Verlauf der Kirchengeschichte, aus dem wir Schätze heben können. Das Gebet füreinander und die Bitte um das Wirken des Heiligen Geistes sind dabei durchgängig ein erster Zugang. Die Besinnung auf das, was uns zugutekommend am Kreuz geschah, mag dann zu erneuter Buße führen. Paulus macht Mut dazu: Er regt an, geistliche Dinge als geistliche Menschen im Sinne von Jesus Christus zu deuten und zu beurteilen. Ein richtiggehender Mut-Macher-Satz lautet: „Wir haben Christi Sinn!“ (1. Kor. 2,16b). Wir sind von Gott beschenkt worden, mit Gaben, die der Heilige Geist in uns fruchtbar werden lässt. „Wir haben den Geist aus Gott empfangen“ (1. Kor 2,9.12). Nicht nur eine Elite, nicht nur einige Wenige haben den Heiligen Geist bekommen, sondern die ganze Gemeinde. Damit kann sich jede und jeder in der Gemeinde zutrauen, auch von geistlichen Dingen zu reden.
Die Eingangs geschilderte Situation aus der Kita geht auf echten Begebenheiten zurück. Wäre es nicht geradezu denkbar, einen Ansatz zur Lösung der Konfliktsituation zu suchen, weil man sich als Christen miteinander verständigen kann? Auf gemeinsamer Basis?
Pragmatisch gedacht gäbe es drei mögliche Wege aus einer verfahrenen Situation mit vergifteter Gesprächsatmosphäre herauszukommen:
a) Wenn alle Beteiligten offen und ehrlich miteinander sprechen und aufeinander hören könnten, könnte sich die eingetretene Situation entspannen. Die ehrliche Suche nach einer gemeinsamen Lösung könnte neue Vertrautheit schaffen;
b) Klar, manchmal geht es nicht ohne klare Regeln für den Umgang miteinander. Diese sollten für alle verbindlich sein und auch Konsequenzen bei Nichteinhaltung beinhalten;
c) Wenn es schwierig ist, ein Problem innerhalb einer Gruppe zu lösen, sucht man sich Unterstützung von außen. Das kann zum Beispiel ein Mediator oder eine Supervision sein.
„Wir haben Christi Sinn!“ Dieser Mut-Mach-Satz aus dem Abschnitt könnte als Basis für die Lösung interner Gemeindeangelegenheiten ein erster, befreiender Schritt sein. Im Rückblick könnte dann eine gefundene Lösung befriedigend wirken, verstanden als konkretes geistgewirktes Handeln.
Die junge Frau hatte in der Gesprächsrunde ihre Sorgen angesprochen. Dabei hat sie gemerkt, wie sehr das vergiftete Klima die Arbeit und das Wohlbefinden aller beeinträchtigt hat. Doch anstatt sich davon entmutigen zu lassen, beschließt sie, aktiv etwas zu verändern. Sie ergreift erneut das Wort, nun mit fester, klarer Stimme: "Ich glaube fest daran, dass wir dieses Problem gemeinsam lösen können. Wir konzentrieren uns neu darauf, eine positive und unterstützende Arbeitsatmosphäre zu schaffen, in der wir alle an einem Strang ziehen." Während sie spricht, spürt sie förmlich, wie sich die Stimmung verändert. Ein Hauch von Hoffnung liegt in der Luft. Die anderen Teilnehmer nicken zustimmend. Kommunikation ist der Schlüssel, um Vertrauen und die Zusammenarbeit wiederherzustellen. Der junge Mann bietet an: „Ich werde für euch beten!“ Die junge Frau hört es, lächelt und drückt ihm kurz an den Arm. „Danke!“ sagt sie, „Das wird mir helfen!“. Am nächsten Tag wird das Gesagte in die Tat umgesetzt.
Genutzt habe ich sowohl „Predigtmediationen im christlich-jüdischen Kontext“ Zur Perikopenreihe 5, Berlin, 2022, als auch Anregungen aus einem Online-Predigtimpuls am 23. Mai 2023 des Theologischen Studienseminars der VELKD, Pullach, und des Zentrum für evangelische Gottesdienst- und Predigtkultur, Wittenberg (Prof. Vogel / Pfarrerin Dr. Weber).
Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Ich predige in einer Gemeinde, in deren Gottesdienst sich gut 50 alt-eingesessene Gemeindeglieder aus unserem Ort und Nachbardörfern, eine Gruppe von etwa 20 Personen aus Südafrika und einige Menschen aus der Ukraine häufig treffen. Da fiel bei den Einheimischen schon mal das Wort von "so vielen Fremden" im Gottesdienst - und was das bei uns auslöst. Das wollte ich nicht direkt als Beispiel nutzen. Wohl aber wollte ich darauf hinaus: "Wir haben Christi Sinn!"
Was hat sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Ein Erlebnis, dass es tatsächlich möglich ist, einen eingetretenen Konflikt – sofern ich das beurteilen kann – in einer Kita, in der ich ein Jahr lang wöchentlich als Superintendent zu tun hatte, friedlich beizulegen. Es hat aber weitaus länger gedauert, mir den Predigttext selbst zu erschließen, als es zu anderen Sonntage der Fall ist. Ein Ansporn aus dem genannten Online-Impuls aus dem Studienseminar in Pullach ("Was macht euch zu Christ:innen?") löste das Nachdenken aus: Als diese Idee in mir heranwuchs, hatte ich den länger gesuchten Schlüssel zur jetzt 'fertigen' Predigt in der Hand.
Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Gemeinsam mit meinen Gemeinden, in denen ich arbeite, Themen in Gesprächskreisen oder im Kirchenvorstand aufzugreifen, die zu ähnlichen Spannungen führen könnten wie in Korinth. Konkret: Migranten in der Gemeinde, deutliche Bildungsunterschiede, Herkunft einiger Gemeindeglieder aus sehr unterschiedlichen Milieus
Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Ein ausgiebiges Predigtgespräch mit einem Kollegen aus Frankfurt half mir, mich auf eine (die in der Predigt genannte) Beispielgeschichte zu beschränken. Lernerfahrungen aus anderen Coachings sind sicher auch eingeflossen, wie z.B. die Nutzung der fünf Sinne in der Beispielgeschichte, und die anfangs erzählte Geschichte am Ende wieder aufzugreifen.
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Ich will euch von Ostern erzählen - Predigt zu 1 Kor 15,1-11 von Michael Greßler
I. Mein Ostern
Ich will Euch von Ostern erzählen.
Ich hab’s geliebt, dieses Fest, schon immer.
Klar, als ich klein war: Ostereier suchen.
Und der schöne Sonntagmorgen am weißgedeckten Kaffeetisch.
Aber dann eben auch: In die Kirche gehen.
Und die Orgel braust, und hundert Menschen singen:
»Christ ist erstanden«.
Und diese Worte:
»Dass Christus gestorben ist
für unsere Sünden nach der Schrift,
und dass er begraben wurde,
und dass er auferstanden ist
am dritten Tage nach der Schrift.«
Die kamen jedes Jahr.
Als Kind hab ich’s nur gefühlt.
Später dann meinte ich: Ich hätte es verstanden.
Inzwischen bin ich mir da nicht mehr so sicher.
Das Wunder ist ja so groß.
Ich will Euch von Ostern erzählen.
Von meinem Ostern.
Nicht nur, als ich klein war.
Auch von meinem Ostern jetzt.
Ich stehe auf den Friedhöfen
und muss welche von uns zu Grabe tragen.
Wir stehen ums Grab.
Gleich werden wir uns verabschieden:
»Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zum Staube«.
Und wenn ich da nicht die Worte hätte …
diese Worte – ich rufe sie laut übers Grab:
»Der Tod ist verschlungen in den Sieg …«
Wenn ich da nicht diese Worte hätte,
ich könnte es nicht ertragen:
Dieses Sterben. Das Trauern. Tod und Abschied.
Aber ich habe die Worte.
Darum geht es. Darum kann ich das.
Ich will Euch von Ostern erzählen.
Und da kann ich nur von mir erzählen.
II. Mal ganz von vorne
Paulus fängt auf der anderen Seite an;
in seinem ersten Korintherbrief im 15. Kapitel:
»Ich erinnere euch aber, liebe Geschwister,
an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe,
das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht,
durch das ihr auch selig werdet,
wenn ihr’s so festhaltet, wie ich es euch verkündigt habe;
es sei denn, dass ihr’s umsonst geglaubt hättet.«
Ich will Euch von Ostern erzählen.
Und Paulus auch.
Ich hab’ bei meinem Ostern angefangen,
bei meinen Herzenssachen.
Paulus fängt ganz vorne an.
Er hatte Jesus ja gesehen.
Also nicht vor Jesu Tod, zu seinen Lebzeiten auf Erden.
Er hatte Jesus nicht gekannt, nicht zu ihm gehört,
Paulus hat nicht an Jesus geglaubt.
Im Gegenteil: Er wurde ein eifriger Christenjäger.
Und er hat sich gefreut,
als sie den ersten, den Stefanus,
zu Tode gesteinigt haben.
Später zog er dann von Jerusalem gen Damaskus.
Da wollte er auch die Christinnen und Christen,
diese Anhängerinnen ‚des neuen Weges’, diese Ketzer –
da wollte er sie, wenn er sie fände,
gefesselt nach Jerusalem führen.
Und auf dem Weg dahin kam Jesus zu ihm.
Da hat er ihn gesehen. Auferstanden und lebendig.
Und da ist etwas mit ihm passiert.
Da hat er sich verwandelt.
Aus dem Christenverfolger wurde ein Apostel.
Und der richtig Böse ist richtig anders geworden.
Aber dann – dann hat Paulus erst einmal gelernt.
Er hat sich etwas sagen lassen;
hat sich im besten Sinne »informiert«.
Und sie sagten ihm, was man von Jesus wissen kann.
Wie er gelebt hat, gelitten, gestorben und auferstanden ist.
Ostern hat auch was mit den Grundlagen zu tun.
Mit dem Wissen um unseren Glauben.
»Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben,
was ich selbst auch empfangen habe, nämlich:
Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift;
und dass er begraben worden ist;
und dass er auferweckt worden ist am dritten Tage nach der Schrift.«
Ich will Euch von Ostern erzählen.
Ich hab’ bei meinem Herzen angefangen.
Paulus zeigt uns die Basics.
III. Vertrauen
Und er zeigt uns noch etwas:
»Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift;
und dass er begraben worden ist;
und dass er auferweckt worden ist am dritten Tage nach der Schrift;
und dass er gesehen worden ist von Kephas,
danach von den Zwölfen.
Danach ist er gesehen worden
von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal,
von denen die meisten noch heute leben,
etliche aber sind entschlafen.
Danach ist er gesehen worden von Jakobus,
danach von allen Aposteln.«
Man kann mir ja viel erzählen.
Und es wird viel erzählt, jeden Tag – viel zu viel.
Gute Sachen. Und Erkenntnisse. Und kluge Gedanken.
Und auch jede Menge Mist und Lügen.
Ich muss immer überlegen: Kann ich dem trauen?
Ist das glaubwürdig?
Und was ist mit denen, die mir das sagen?
Vertrauenswürdig oder nicht?
Ich muss überprüfen und überlegen.
Und irgendwann muss ich mich entscheiden:
Ich muss mich entscheiden, zu vertrauen.
Oder eben nicht.
Paulus hat das auch gemacht.
Er hat sich angehört, was ihm die anderen gesagt hatten.
Wie sie ihm erzählt haben: Wir haben Jesus gesehen.
Auferstanden und lebendig.
Vielleicht hat er Maria Magdalena besucht.
Die hat ihm von ihren Tränen erzählt, an jenem Morgen –
und von der Stimme: Von seiner Stimme: »Maria«.
Und auf jeden Fall hat er Petrus getroffen.
Der hat ihm von dem Wettlauf erzählt,
wie er ganz außer Atem war und zum leeren Grab kam.
Und wie er Jesus dann später wirklich sah.
Vielleicht ist er auch zu Kleopas und seinem Freund gegangen,
die haben erzählt,
wie Jesus ihnen das Brot brach an jenem Nachmittag
und wie ihr Herz brannte und ihre Augen aufgingen.
Und dann hat Paulus beschlossen:
Ich glaube das. Ich vertraue ihnen.
Das sind keine Lügner und Betrüger und Scharlatane.
Die haben Jesus erlebt – wie er lebt –
und sie leben davon.
Ich habe auch so Menschen, denen ich vertraut habe;
und ich tue es noch.
Meine Eltern zuerst.
Und viele, die mir von Jesus erzählt haben. Und dass er lebt.
Und meine theologischen Lehrer, die mir verstehen halfen.
Ihr habt bestimmt auch solche Menschen gehabt.
Menschen, die Euch Jesus gezeigt haben,
Leute, die euch geholfen haben, zu glauben.
Vielleicht die alte Katechetin, wie sie bei Wind und Wetter
durch einige unserer Gemeinden gewandert ist.
Und wie sie erzählt hat – und gebrannt für ihren Glauben.
Ostern kann man nicht beweisen.
Und Umfragen zeigen, dass auch viele Christinnen und Christen
sich schwer tun mit dem Glauben an die Auferstehung
und das ewige Leben.
Das verstehe ich ganz gut.
Ich kann es ja auch nicht beweisen.
Aber ich vertraue denen, die mir davon erzählt haben.
IV. … bin ich, was ich bin
Ich erzähle Euch heute von meinem Ostern.
Und Paulus erzählt uns von seinem.
Ich hab’ bei meinen Herzenssachen angefangen.
Und er ganz von vorn.
Aber am Ende treffen wir uns.
Er hat grade all die vielen genannt, die Jesus gesehen haben.
Jetzt kommt er zu sich selbst:
»Zuletzt von allen ist er
auch von mir als einer Missgeburt gesehen worden.
Denn ich bin der geringste unter den Aposteln,
und bin nicht wert, dass ich ein Apostel heiße,
weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe.
Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin.
Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen,
sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle;
nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist.
Es seien nun ich oder jene:
So predigen wir, und so habt ihr geglaubt.«
Paulus kennt sich.
Er weiß, was er alles falsch gemacht hat.
Er kennt sein Versagen.
Und ein bisschen staunt er:
Zu mir ist Jesus auch gekommen!
Ich hab’s bestimmt nicht verdient.
Aber das macht nichts.
Jesus ist ja für die Un-Perfekten auferstanden.
Für die ganz normalen.
Für Euch und für mich.
Wir sind alle, wie wir sind,
Die eine so, der andre so.
Am Ende geht es um uns.
Um uns, so, wie wir sind.
Perfekt und unperfekt.
Gläubig und zweifelnd.
Schwach und stark.
Ostern geht’s um uns.
Und es geht darum, was Gott aus uns macht.
Er hilft uns, daß wir an Gräbern stehen können.
Er freut sich, wenn wir Ostern feiern –
mit Ostereiersuchen und weißgedecktem Tisch,
womöglich Ostersonntag in der Kirche –
oder einfach fröhlich, weil es Frühling wird.
Oder eben auch ganz tief im Herzen.
Da, wo ich merke – und Ihr vielleicht auch –
»Jesus lebt, mit ihm auch ich.«
Wenn ich von Ostern erzähle,
dann komme ich irgendwann bei mir selbst an.
Ich bin, der ich bin.
Und Ihr seid, die Ihr seid.
Und Jesus, gestorben und auferstanden,
macht uns zu denen, die wir sind.
»Durch Gottes Gnade sind wir, die wir sind …«
und so sind wir gut und richtig.
Wenn’s Ostern wird, dann in uns.
Amen.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Ich werde am Ostersonntag sechs Gottesdienste in sehr verschiedenen Gemeinden meines Bereichs halten – vom Festgottesdient in der Stadtkirche mit Kantorei bis zum kleinen Gottesdienst in einer Gemeinde mit 25 »Seelen«. Und es wollen in den unterschiedlichen Settings jeweils Herzen erreicht werden.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Die Begeisterung für Paulus als Theologe und als Person. Paulinische Theologie ist immer persönlich.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
In meiner Dienstzeit habe ich schon fünf Mal über 1. Korinther 15 zu Ostern gepredigt. Faszinierend ist, wie sich »Runde um Runde« ganz neue Blickwinkel auf den Text ergeben. Zudem schreitet die exegetische Forschung fort, die Homiletik hat sich erstaunlich weiterentwickelt. Und die Welt ändert sich. In diesem Wechselspiel ergeben sich neue Einsichten wie von selbst. Und das macht Spaß.
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Leider keine direkten. Der angefragte Predigtcoach hat sich nicht zurückgemeldet. Ich habe dann eine befreundete Theologin, die auch die Wittenberger Predigtcoachingausbildung gemacht hat, sowie eine weitere Mit-Pfarrerin, um Lektorierung gebeten. Das war, wie immer hilfreich beim »Scharfstellen« und »Textfeilen«.
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Bunte Fetzen der Liebe - Predigt zu 1 .Kor 1-13 von Christiane Quincke
(Lesung des Predigttextes möglichst durch eine andere Person!)
1.
Stellt euch vor, zwei Menschen wollen heiraten. Sven und Lisa* sind seit 5 Jahren zusammen, haben eine nette Wohnung in Berlin, ja, und nun soll der nächste Schritt folgen. „Ja“ zueinander sagen und das Ganze mit Freundinnen und Verwandten feiern. Groß soll die Feier nicht sein. Der Termin ist bald gefunden 21. Mai. Und mit dem Standesamt und der Feier-Location klappt auch alles. Lisa hätte sich eine kirchliche Trauung gewünscht – seit ihrer Konfirmation mag sie es, gesegnet zu werden. Dass ihr jemand sagt, dass Gott bei ihr auch im neuen Lebensabschnitt ist. Aber Sven hat mit Kirche und Glauben und so nichts am Hut. Naja, da will Lisa ihm das nicht aufdrücken, was nicht zu ihm passt.
Eines Tages liest Sven in seiner Zeitungs-App von einem Hochzeitsfestival in Neukölln*. Ausgerechnet am Tag ihrer standesamtlichen Hochzeit! Man könne einfach so vorbei kommen. Ohne Anmeldung. Das perfekte Geschenk für Lisa, die perfekte Überraschung - denkt Sven. Die Kirche liegt quasi auf dem Weg zwischen Standesamt und Lokal. Da kann ich dann doch über meinen Schatten springen – ihr zuliebe.
Ja, und dann ist es so weit. 21. Mai 2022. Als sie „zufällig“ an der Genezarethkirche vorbeilaufen, fragt er sie: wollen wir kirchlich heiraten? Und dann geht die gesamte Hochzeitsgesellschaft hinein. Ein paar Gespräche, dann der kleine Gottesdienst und vor allem der Segen am Schluss. Und Sekt gibt es auch noch. Lisa ist vollkommen von den Socken. DAS hat Sven für sie getan! Aus Liebe.
2.
Stellt euch vor, da gibt es etwas, worüber man eigentlich weniger sprechen sollte als es einfach tun: lieben. Gott lieben, meine Nächste lieben, mich selber lieben, mein Kind lieben, meine Mutter, meinen Partner, meine Freundin. Einen Film lieben, Musik lieben, ein Buch oder den Garten lieben, eine Stadt lieben, das Meer oder das Schwimmen im Meer. Viele kleine bunte Fetzen der Liebe. Jede von uns weiß von der Liebe und jeder von uns kennt sie. Und jeder kennt und jede fürchtet die Sehnsucht nach ihr, vor allem, wenn die Liebe fehlt oder an ihre Grenzen kommt.
3.
1Stellt euch vor:
Ich kann die Sprachen der Menschen sprechen und sogar die Sprachen der Engel.
Wenn ich keine Liebe habe, bin ich wie ein dröhnender Gong
oder ein schepperndes Becken.
2Oder stellt euch vor: Ich kann reden wie ein Prophet,
kenne alle Geheimnisse und habe jede Erkenntnis.
Oder sogar: Ich besitze den stärksten Glauben – sodass ich Berge versetzen kann.
Wenn ich keine Liebe habe, bin ich nichts.
3Stellt euch vor: Ich verteile meinen gesamten Besitz.
Oder ich bin sogar bereit, mich bei lebendigem Leib verbrennen zu lassen.
Wenn ich keine Liebe habe, nützt mir das gar nichts.
4.
Stellt euch vor, diese Worte sind von Paulus. Ein Lied. DAS Lied der Liebe.
Gedichtet für Schwestern und Brüder in Korinth. Eine aktive, eine lebendige, eine starke Gemeinde. Sie können viel, sind begabte Redner und großzügige Spenderinnen. Sie können einander begeistern, erklären die Bibel, beten viel und wollen alles richtig machen.
Aber anstatt sich daran zu freuen, gibt es Streit.
Wer ist besser? Wer macht es richtig? Es entstehen Gruppen, die miteinander konkurrieren. Und man wirft sich gegenseitig vor, nicht christlich genug zu sein.
Ich bin der wahre Christ, weil ich in Zungen rede. Du nicht.
Ich bin die wirkliche Christin, weil ich mein letztes Hemd hergebe. Du nicht.
Ich bin wirklich christlich, weil ich mich an die Speisegebote halte. Du nicht.
Fetzen der Lieblosigkeit.
5.
Stellt euch vor, sagt Paulus, damit seid ihr falsch gewickelt. Denn egal wie konsequent, wie genial oder wie gläubig ihr seid – wenn die Liebe nicht dabei ist, nützt euch das alles nichts. Es zählt alles nichts.
Lieblosigkeit macht alles kaputt. Ihr seht das an eurem Abendmahl, liebe Geschwister in Korinth. Da fangen die einen schon an und lassen nichts mehr übrig. Die, die später kommen, weil sie als Sklaven so lange arbeiten müssen, sehen nur noch die letzten Krümel in leeren Körben. Ihr zeigt ausgerechnet mit dem Mahl der Liebe, dass die Not der Armen euch nicht interessiert. Da ist dann keine Liebe mehr.
Es ist lieblos, wenn ihr das Wort Gottes zu einer Zwangsjacke macht. Wenn ihr eure Art zu glauben zum Maßstab für alle erhebt, dann ist da keine Liebe mehr. Noch nicht mal ein Fetzen davon.
6.
Stellt euch vor, ihr liebt. Stellt euch vor, die Liebe wäre in allem, was ihr sagt und tut, dabei. Und wenn es nur kleine Fetzen wären.
Wie würden eure Leserbriefe aussehen? Wie würdet ihr über junge Menschen sprechen, die sich in ihrer Sorge um die Zukunft der Erde auf die Straße kleben? Könntet ihr dann noch denken, dass Männer andere Männer nicht lieben dürfen und Frauen keine anderen Frauen, nur weil ein paar Sätze in der Bibel das sagen? Würdet ihr hinnehmen, wenn Geflüchtete als Verbrecher abgestempelt werden?
Ich weiß, es ist kompliziert. Auch mit der Liebe. Oder doch nicht?
7.
4Die Liebe ist geduldig. Gütig ist sie, die Liebe. Die Liebe ereifert sich nicht.
Sie prahlt nicht und spielt sich nicht auf.
5Sie ist nicht unverschämt. Sie sucht nicht den eigenen Vorteil.
Sie ist nicht reizbar und trägt das Böse nicht nach.
6Sie freut sich nicht, wenn ein Unrecht geschieht.
Sie freut sich aber, wenn die Wahrheit siegt.
7Sie erträgt alles. Sie glaubt alles. Sie hofft alles. Sie hält allem stand.
8.
Stellt euch vor: Liebe ist kein Gefühl, keine momentane Glücksstimmung. Liebe tut etwas – sie freut sich, lächelt, weint, glaubt. Ja, sie macht, sie handelt, und zwar gegen den Strom, gegen den Augenschein, aber viel vernünftiger als du denkst. Liebe befreit euren Verstand von seinem Egoismus, euren Glauben von Herrschsucht, und sie macht eure Herzen weiter. Liebe ist radikal und lässt ganz neu auf die Welt schauen, widerspricht aber auch mal, wenn Leute Blödsinn erzählen. Vor allem aber macht die Liebe eins: Sie fragt nicht danach, ob es erlaubt ist zu lieben.
Das alles macht die Liebe verletzlich. Und jede, die liebt, auch.
Und ich schaue auf Jesus und sehe, wie er diesen Weg der Liebe geht. Wie er deshalb angegriffen wird. Und dafür ans Kreuz geht. Wie er sich verwundbar macht. Diese Liebe lässt ihn noch zuvor zum Blinden bei Jericho gehen. Jesus kann wegen dieser Liebe nicht einfach an ihm vorbei gehen, sondern gibt ihm das Augenlicht zurück. Eine Liebe, die heilt und versöhnt und neu anfangen lässt. Jesus ist diese Liebe, so vollkommen, so verwundbar, dass wir immer wieder an ihr scheitern.
9.
Stellt euch vor, aus diesem Grund schreibt Paulus:
8Die Liebe hört niemals auf.
Prophetische Eingebungen werden aufhören.
Das Reden in unbekannten Sprachen wird verstummen.
Die Erkenntnis wird an ihr Ende kommen.
9Denn was wir erkennen, sind nur Bruchstücke,
und was wir als Propheten sagen, sind nur Bruchstücke.
10Wenn aber das Vollkommene kommt, vergehen die Bruchstücke.
11Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind.
Ich urteilte wie ein Kind und dachte wie ein Kind.
Als ich ein Mann geworden war, legte ich alles Kindliche ab.
12Denn jetzt sehen wir nur ein rätselhaftes Spiegelbild.
Aber dann sehen wir von Angesicht zu Angesicht.
Jetzt erkenne ich nur Bruchstücke.
Aber dann werde ich vollständig erkennen,
so wie Gott mich schon jetzt vollständig kennt.
13Was bleibt, sind Glaube, Hoffnung, Liebe – diese drei.
Doch am größten von ihnen ist die Liebe.
10.
Stellt euch vor:
Alles, was ich mache und tu, was ich erkenne und weiß, alles das ist Stückwerk und ist begrenzt - und vor allem nur ein Ausschnitt dessen, was möglich ist. Ich kann nicht alles sehen. Noch nicht. Ich kann nicht alles wissen. Noch nicht. Und das ist gut so.
Ja, mein Leben bleibt Fragment und auch mein Glauben und Lieben und Hoffen bleiben Fragment. Stückchen und Fetzen.
Lieben – das klingt so einfach: Einfach tun. Gott lieben und die Nächste. Mich selbst sogar. Meinen Partner, mein Kind, die Vermieterin, gar den Politiker, der sich lieblos äußert. Diese alle lieben? Puh! Wie gut, dass auch Paulus sieht, dass ich gar nicht vollkommen sein kann. Meine Liebe bleibt Stückwerk. Der Moment, dass alles ganz und heil ist, kommt noch. Aber wann, weiß ich nicht. Und Paulus auch nicht.
11.
Aber vielleicht genügt das ja?
Gott sieht mich ganz und schaut mich mit liebevollen Augen an.
Sie ermuntert mich, mit den kleinen Fetzen der Liebe schon mal anzufangen.
Vielleicht springe ich auch so spontan über meinen Schatten wie Sven, der für seine Lisa eine kirchliche Hochzeit organisiert, obwohl er mit der Kirche nicht so viel anfangen kann.
Und ob ich in einem Streit Recht habe oder nicht, ist mir vielleicht völlig egal. Vielleicht setze ich mich doch mal hin und schreibe einen Leserbrief, der Fetzen der Liebe enthält – wenn sonst nur Gift und Galle gespuckt wird. Und die Bettlerin auf dem Leopoldsplatz frage ich vielleicht, ob ich ihr einen Tee bringen darf. Und wer weiß, vielleicht hole ich mir auch einen und wir trinken zusammen aus unseren dampfenden Bechern?
Ja, ich fange mit den kleinen Fetzen der Liebe an und füge sie mit euren zusammen.
Und wenn wir diese Fetzen der Liebe zusammenschlingen, dann öffnen sich Kirchen für alle Svens und Lisas und unser Stückwerk namens Liebe ist stärker als jeglicher Hass in den Leserseiten der Zeitungen.
Ich möchte mit euch eure und bunten und kleinen Fetzen der Liebe zusammenfügen. Ich will, dass wir uns ganz neu sehen wie der Blinde von Jericho – als Geliebte Gottes. Wir machen die Türen zur Liebe weit auf. Stellt euch vor, vielleicht verändern wir damit die Welt?
Mit einer Liebe, die jetzt ein Stückwerk ist und irgendwann vollkommen.
Amen.
* Die Namen sind frei erfunden. Informationen zum Hochzeitsfestival findet man u.a. unter https://www.mi-di.de/materialien/heiraten-einfach-anders-zwanglos-authentisch-und-segensreich
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Eine Gemeinde in der Großstadt in einem wohlhabenden Stadtteil.
Die Vesperkirche der Nachbarkirche ist gerade beendet worden.
Außerdem wird in unserem Kirchenbezirk bewundernd auf das Hochzeitsfestival in Berlin vom Mai 2022 geschaut und überlegt, ob wir sowas auch mal machen wollen. Und gerade die eher gut situierten und bildungskirchlichen Gemeinden sind eher skeptisch.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Der Predigttext steht am Ende des Korintherbriefs und natürlich geht es da nicht um die romantische Liebe, auch wenn 1. Kor 13 sehr oft bei Trauungen gelesen wird. Dennoch hat es mich gereizt, die Themen „Hochzeit“ und „Streit in Korinth“ miteinander zu verbinden. Deshalb wollte ich die verschiedenen „Arten“ und „Objekte“ der Liebe auch sichtbar machen.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Der „Stückwerk“-Gedanke ist sehr tröstlich und entlastend: Keine Liebe, weder die Nächstenliebe noch die Gottesliebe noch die romantische Liebe, muss vollkommen sein.
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Mein Predigtcoach hat mich ermutigt, ein ganzes Kapitel zu streichen und schon früher auf die „Fetzen der Liebe“ oder „Liebe als Stückwerk“ zuzusteuern. Außerdem wurde die erste Szene (Hochzeitsfestival) anschaulicher.
Link zur Online-Bibel
Erinnerungsorte - Predigt zu 1Kor 10,16-17 von Christian Boerger
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
I. STEINE MIT GESCHICHTE
Ungefähr 10 Meter lang und 15 Meter breit, hohe Decken. Weißlich-beiger Boden, wie überall in dieser Stadt – allerdings schon ziemlich durchgetreten. Mehrere Säulen tragen ein Gewölbe. Beides aber irgendwie aus der Zeit gefallen, zusammengewürfelt. Sowieso wirkt hier nichts wirklich passend. Da war kein Architekt mit einem ausgefeilten Plan am Werk. Das Ganze ist gewachsen, über Jahre, Jahrhunderte. Ich frage mich eigentlich jedes Mal aufs Neue, wozu dieser oder jener Stein, wozu diese oder jene Ecke des Raumes, in dem ich schon so oft stand, eigentlich gebaut wurde. Welchen Zweck er wohl schonmal erfüllt hat. Mit welchem Anliegen Menschen hier schon standen? Ja, welche Geschichten diese Steine wohl erzählen könnten.
Heute jedenfalls ist das Anliegen aller, die mit mir hier sind, klar. Ich lehne mich an eine der schweren Säulen und beobachte, wie sich der Raum immer weiter füllt. So viele sind gekommen. Denn heute ist der Raum unser Gebets-Raum, unsere Kirche.
Links von mir steht ein Mann mit langem Bart, noch längerem Gewand und großer Kapuze. Rechts von mir steht eine Frau im schwarzen Kleid, mit einem auffälligen, weißen Kragen.
Wir drei und die vielen anderen hier fangen an zu beten und singen gemeinsam: „Laudate omnes gentes, laudate dominum. Lobsingt ihr Völker alle, lobsingt und preist den Herrn.“
II. GEMEINSCHAFT
Szenenwechsel. Gründonnerstag 2022 – [Kirchengemeinde und Ort]. Auch wir sind zusammengekommen, um zu beten und zu singen. Tauchen gemeinsam ein in diese besondere Nacht, hören die bekannten Worte „Unser Herr Jesus Christus, in der Nacht da er verraten ward…“, schmecken und sehen, wie freundlich der Herr ist. Und tun damit etwas, das die christliche Versammlung schon immer ausgezeichnet hat: Das gemeinsame Essen.
Der Apostel Paulus schreibt dazu an die Gemeinde in Korinth:
Der Kelch des Segens, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Denn ein Brot ist’s. So sind wir, die vielen, ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.
Das Segnen des Kelches und das Brechen des Brotes.
Für Paulus ist klar, wer der Gastgeber dieser besonderen Mahlzeit ist und was sie bewirkt:
Gemeinschaft. Gemeinschaft der Gäste mit ihrem Gastgeber und Gemeinschaft der Gäste untereinander.
Der Kelch des Segens, […] ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Ist es nicht Jesus, der mit seinem ganzen Leben bei euch ist, der euch mitnimmt, durch Leiden und Sterben hindurch in sein neues Leben? Die Gemeinschaft des Blutes Christi?
Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Seid ihr nicht alle untrennbar? Wie eine Familie, wie ein Leib, bei dem es jedes Glied zum Leben braucht? Die Gemeinschaft des Leibes Christi?
Für Paulus ist klar, wer der Gastgeber dieser besonderen Mahlzeit ist und was sie bewirkt: Gemeinschaft der Gläubigen mit Jesus und Gemeinschaft der Gläubigen untereinander.
Sie sitzen gemeinsam an Jesu voll gedecktem Tisch.
Aber, wer genau sitzt da denn nun neben wem – und wer nicht?
III. ERINNERUNGSORTE
Der bärtige Mann mit dem langen Gewand ist Father James, ein armenischer Mönch, die Frau auf der anderen Seite ist Pastor Anne, eine lutherische Pfarrerin aus Amerika. Der Anlass für unser Treffen ist die sogenannte „Gebetswoche für die Einheit der Christen“. Und der Raum, in dem wir stehen, ist der Abendmahlssaal in Jerusalem.
Dieser Saal ist geschichtsträchtig. Er war schon einmal Teil einer Kirche, dann eine Moschee und heute ist er das Obergeschoss einer Synagoge. Unten jüdische Betende, oben christliche Pilgernde.
An einem Tag im Jahr findet hier das Gebet für die christliche Einheit statt, hier im Abendmahlssaal, in dem Raum, der alle, die da stehen, an den Gründonnerstag erinnert und an das Geschenk, das Jesus an jenem Abend den Seinen hinterlassen hat.
Der Abendmahlssaal ist ein Erinnerungsort für so viele, so unterschiedliche Menschen – und sie alle quetschen sich in den viel zu kleinen Raum mit der zusammengewürfelten Architektur der Jahrhunderte, dessen Boden schon unzählige Füße getragen hat. Und sie beten und singen gemeinsam: „Laudate omnes gentes, laudate dominum. Lobsingt ihr Völker alle, lobsingt und preist den Herrn.“
IV. DENN EIN BROT IST‘S
Der Kelch des Segens, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Denn ein Brot ist’s. So sind wir, die vielen, ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.
Danke, Paulus, für deine schönen Bilder, deine frommen Wünsche und die Utopie, die du beschreibst. Aber die Realität sieht doch anders aus: Getrennte Altäre, getrennte Tische – durch die große christliche Familie geht ein Riss, der sich durchzieht bis in unsere Freundschaften, Beziehungen, Ehen… „Gemeinsam am Tisch des Herrn? Aber doch bitte nur mit Menschen derselben Konfession!“
Ja, uns trennt vieles von den Geschwistern aus Rom und Byzanz. Und trotzdem glaube ich, wer so redet, denkt Paulus zu eng und Gott zu klein. „Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi?“, schreibt Paulus und sagt damit doch: Wer Abendmahl feiert, ist Teil einer Gemeinschaft, die viel größer ist als nur der Raum, der Saal, die Kirche, in der gerade ein paar Menschen versammelt sind. Weil der eine, wahre Gastgeber sie alle einlädt, Teil dieser Gemeinschaft zu sein, Teil der einen weltumspannenden Familie, die sich Christentum nennt.
Ist damit nicht jeder Abendmahlstisch und jeder Altar, auch unserer, ein Erinnerungsort? Ein Ort der Erinnerung an die Einladung Jesu – und ein Ort der Erinnerung an unsere vielen Geschwister im Glauben, die überall auf der Welt Abendmahl feiern, ganz besonders an diesem Abend? Ja, auch das Trennende wird uns heute wieder schmerzlich bewusst, und dennoch: Im Glauben feiern wir gemeinsam, trinken und essen von dem, was Christus schenkt – sich selbst, ganz und bedingungslos. Denn ein Brot ist’s. So sind wir, die vielen, ein Leib.
V. SO SIND WIR, DIE VIELEN, EIN LEIB
Am Ende unseres Gebets im Abendmahlssaal bleibe ich noch ein wenig stehen und schaue mich um. Ich denke an Paulus, der die Gemeinschaft der Christenmenschen mit Brot und Kelch vergleicht, die Jesus am Gründonnerstag geteilt hat, in einem Saal oder einem Raum, in irgendeinem Obergeschoss irgendwo in Jerusalem. Und ich denke an das Wunder, das die große christliche Familie seither feiert, wenn sie Brot und Kelch miteinander teilt in ihren vielen und vielfältigen Gebets-Räumen, in ihren Häusern und Kirchen.
Als ich gehen will, merke ich, dass Father James noch immer neben mir steht. Ich schließe die Jacke und verabschiede mich von ihm: „Good-bye, Father“. Er lächelt zurück und antwortet: „Go in peace, brother“ – „Geh in Frieden, Bruder.“
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Ein Abendgottesdienst am Gründonnerstag, mit Lesungen und Gesängen, eher meditativ (z.B. Taizé), im Zentrum steht die gemeinsame Mahlfeier.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Noch vor der exegetischen Erkundung musste ich an den Abendmahlssaal in Jerusalem denken, mit seinen vielfältigen Traditionen, als uralter Memorialort, der Menschen unterschiedlichster Prägung verbindet – in diesen Ort möchte ich die Gemeinde am Gründonnerstag gedanklich hineinholen.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
In nur zwei Versen bringt Paulus eine theologisch bedeutsame Aussage auf den Punkt: Die Gemeinschaft mit Christus und die Gemeinschaft der Gläubigen untereinander sind in der Feier des Abendmahls untrennbar miteinander verbunden. Ein heilsamer Ausgangspunkt für ökumenische Bemühungen!
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Den ausführlichen Hinweisen meines Coaches verdankt die Predigt ihre Präzision: Welche Nebenschauplätze braucht es, welche nicht? Wo nehme ich die Gemeinde mit, wo gibt es „Bildstörungen“? Damit konnte ich die eigene Predigt nochmal neu hören und abrunden.