Vom Hausbau
Jesus spricht: Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet. Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein und sein Fall war groß. (Matthäus 7, 24-27)
Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein:
Liebe Gemeinde,
was für ein dramatisches Bild, das Jesus da am Ende seiner Bergpredigt benutzt: das Haus, das auf festem Grund steht und deshalb Sturm, Wind und Regen trotzen kann. Und das andere Haus, das auf Sand gebaut ist und in sich zusammen stürzt, sobald die Kräfte der Natur an ihm rütteln.
Schon als Kind hat mich diese Geschichte beeindruckt. Ich war mir sicher, dass ich nicht so dumm sein würde, mein Haus auf Sand zu bauen. Nun bin ich schon lange kein Kind mehr und weiß: im Leben ist es nicht immer ganz so einfach. Fels und Sand, richtig und falsch, so deutlich identifizierbar ist das Material des Lebens meistens nicht Was trägt und was nicht, das merkt man manchmal erst viel später.
Und trotzdem fasziniert mich das Bild und wahr bleibt für mich: es braucht im Leben einen tragenden Grund. Gerade weil es ja die Stürme gibt, die uns durchschütteln. Und das Wasser, das über uns zusammenschlagen kann.
Und das gilt genauso für die Gesellschaft. Wenn man Nachrichten hört, kann man schon ab und zu den Eindruck haben: die Probleme, die da auf uns zukommen und vor denen unsere Politikerinnen und Politiker stehen, die gleichen manchmal einem Meer bei Windstärke sieben oder acht. Und die Weltprobleme erst recht. Und da ist es noch nicht ausgemacht, ob unser Haus auf Fels gebaut ist oder vielleicht doch auf Sand.
Worauf also bauen wir? Und was leitet unser tagtägliches Tun? Wie ist das bei Politikerinnen und Politkern? Wir haben unsere drei Gäste gebeten, uns zu sagen, was diese Jesus-Geschichte für sie und für ihr Leben und Arbeiten bedeutet. Kerstin Griese macht den Anfang:
Kerstin Griese (SPD):
Ich überlege, was mein Fels ist, auf den ich gebaut habe. Mein christlicher Glaube ist ein solcher Fels, ein Wertefundament. Mein Glaube wirkt wie ein Kompass, den ich selbst aktiv orten muss und der eine Grundlage für meine politische Arbeit bietet. Aber der Glaube ist nicht wie ein Navi, das wie die Stimme aus dem Auto genau ansagt, wo es lang geht. Das muss man selbstverantwortlich entscheiden.
Ich wünsche mir Politik, die auf Fels gebaut ist, die auf Werten und Grundsätzen beruht. Nachhaltige und gute Politik ist eine, die nicht auf Sand gebaut hat, sondern die stabil ist. Eine Politik, die auch die künftigen Generationen in den Blick nimmt und die über den Tag hinaus denkt. Für mich bedeutet das politische Engagement aus meinem Glauben heraus, mich für die Menschen einzusetzen, zu den Schwachen, den Armen, den Arbeitslosen gehören, damit alle in diesem Land eine gute Chance haben, damit sie Solidarität und Gerechtigkeit erfahren.
Dr. Franz Josef Jung (CDU):
Ich glaube, wir können Jesus bedingungslos vertrauen, indem wir uns an seine Worte halten - gerade auch dann, wenn wir durch eine schwierige Zeit gehen. Und uns Dinge das Leben erschweren, die wir nicht selbst beeinflussen können, wie Wind und Wasser. Wenn wir ihm und den Worten der Bergpredigt folgen und sie auch in unseren Taten zeigen, bauen wir auf festem Grund. Wer Gott vertraut und nach ihm handelt steht somit auf festem Grund, ist geerdet, findet Halt.
Für mich ist der Text daher ein Leitfaden für mein tägliches Leben – als Politiker aber selbstverständlich auch als Privatperson. Zum einen sind die Worte für mich in den schnellen Tagesabläufen und bei wichtigen Entscheidungen ein Kompass, der mir stets den Weg zeigt. Zum anderen waren und sind sie mir Trost und Kraftquelle auf schwierigen Wegstrecken des Lebens.
Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen):
Am Ende der Bergpredigt geht es Jesus um die Praxis: Hört nicht nur zu und nickt verständnisvoll, sondern handelt. Besonnen und klug zu handeln ist gerade in der Politik eine ständige Herausforderung. Manchmal geht es mehr um Machtstrategien, als um die Sache.
Als Politikerin oder Politiker ist man meistens davon überzeugt, dass das eigene Haus felsenfest steht. Und erst in der Diskussion und vor allem in der Praxis wird klar, ob man wirklich auf Fels gebaut hat, oder eben doch auf weichem Sand. Als klug erweist sich dann das, was nachhaltig den Menschen Nutzen bringt, was eben auch nach Sturm und Regen noch trägt.
Wie so oft finden wir bei Jesus keine detaillierten Handlungsanweisungen. Das bedeutet für mich, dass ich mich immer wieder neu fragen muss: Entspricht das, was ich hier tu, wirklich dem, wovon ich überzeugt bin, woran ich glaube? Klug sein heißt dann – nicht starren Regeln folgen, sondern immer neu das Gute suchen, das Alte hinterfragen, zweifeln, sich selber und den Grund, auf dem man steht, prüfen…
Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein:
Liebe Gemeinde,
"Bei Jesus finden wir keine detaillierten Handlungsanweisungen"- haben wir eben gehört. Stimmt. Er hat zum Beispiel nichts dazu gesagt, ob es richtig ist, dass langjährig Versicherte mit 63 abschlagsfrei in Rente gehen können. Und auch für die Frage, wie man nun im Konflikt mit der Politik Putins in der Ukraine umgeht, finden wir bei ihm keinen Hinweis. Hier muss man selbstverantwortlich entscheiden. Und es gibt keine Garantie dafür, mit der eigenen Entscheidung richtig zu liegen. Und doch ist es gut, wenn man für diesen schwierigen Weg so etwas wie ein Fundament, eine Orientierung am Glauben hat.
Ich bin froh, dass es in der Politik Männer und Frauen gibt, die sich bewusst zu ihrem Glauben bekennen und es sich damit nicht immer leicht machen. Gerade weil unser demokratischer Staat von sich aus weltanschaulich neutral ist, braucht er Menschen, die sich immer wieder bewusst an Werte binden.
Was sonst hilft uns denn, den Gedanken eines solidarischen Miteinanderlebens in der Gesellschaft zu verteidigen gegen das immer mehr um sich greifende "Jeder ist sich selbst der Nächste"? Und in dem Satz "Die Würde des Menschen ist unantastbar", dem wichtigsten Satz in unserer Verfassung, begegnen wir einem Menschenbild, das im Schöpfungsglauben vorgegeben ist, in der Gottebenbildlichkeit des Menschen. Wie wollen wir auf Dauer diese Menschenwürde verteidigen, wenn wir nichts mehr wissen wollen von dem Glauben, aus dem sich dieser Gedanke speist?
Mir würde es vor einer Gesellschaft grausen, in der es nur noch um Interessen und nicht mehr um Werte ginge. Wenn uns das Fundament des christlichen Menschenbildes abhandenkäme und wir uns nur noch von Ökonomie und den Gesetzen des Marktes regieren ließen. Das wäre für mich wie ein Haus, das auf Sand gebaut ist und von dem die lateinische Bibelübersetzung am Ende sagt: Et fuit magna ruina, am Ende steht also der große Ruin.
Politische Entscheidungen zu treffen ist ein schweres Geschäft. Das war mir lange nicht klar. Ich dachte: "Wunderbar, da hat man Macht und steht auch noch im Rampenlicht." Heute sehe ich viel stärker die Verantwortung: was ist, wenn die Entscheidung, an der ich mitwirke, die ich fälle, doch nicht die bestmögliche ist? Ich beneide Politiker und Politikerinnen nicht. Denn es wiegt schwer, gute verantwortbare Entscheidungen zu treffen. Dafür braucht es festen Boden unter den Füßen, einen tragfähigen Grund.
Der Untergrund, auf den mein Lebenshaus gebaut ist, besteht aus verschiedenen Schichten: Die tiefste Schicht ist das Vertrauen: Ich bin ein Kind Gottes.Das ist das Fundament meines Glaubens. Gott ist größer als alles, was wir erdenken können. Dieses Vertrauen schützt -hoffentlich!- vor jedem Größenwahn und jeder Selbstherrlichkeit.
Daraus erwächst eine weitere Schicht: eine gewisse Demut in Bezug auf meine Entscheidungen. Sie sind und bleiben menschlich und begrenzt, können falsch sein. Selbst bei bestem Wissen und Gewissen: solange die Welt so ist wie sie ist, solange muss ich damit leben, dass es Entscheidungen gibt, die nicht allen gerecht werden. Es ist Größenwahn zu glauben, wir könnten es immer richtig machen. Und deshalb ist es gut, wenn wir noch eine dritte Schicht im Fundament unseres Lebens kennen: Vergebung. Vergebung von Gott, Vergebung von unseren Mitmenschen und Vergebung für unsere Mitmenschen.
Wenn diese verschiedenen Schichten, dieses - ich nenn es mal - "Glaubensmaterial" sich gut vermischen und verdichten, dann steht mein Lebenshaus auf festem Grund. Und nicht nur meins, ich baue ja nicht alleine. Es gibt überall Verbündete. Leben und Politik ist eine gemeinsame Sache. Das griechische Wort politeuestai heißt übersetzt: "als Bürger leben". Und das bedeutet weder: ich akzeptiere die Welt wie sie ist und mein Glaube gehört ins private Kämmerchen! Noch heißt es: wir schaffen das Reich Gottes aus eigener Kraft. Im Koalitionsvertrag der CDU und SPD von Thüringen 2009 steht es sehr treffend: "In der Politik geht es nicht um letzte Fragen, sondern um richtige Lösungen".
Damit bleibt Politik auf dem Boden. Zu hohe Erwartungen an sie führen nämlich zu großen Enttäuschungen. Und dann gibt es einerseits heftige Politikerschelte, andererseits der Ruf nach einem starken Staat, der alles richten soll. Wir brauchen eine neue Kultur im Umgang miteinander. Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen müssen die Chance haben, sich selbst zu korrigieren, ohne gleich medial abgeschossen zu werden. Politiker, die auch mal sagen können: da habe ich etwas falsch gemacht! die beeindrucken mich. Und wir brauchen Bürger und Bürgerinnen, die Politiker kritisch, aber respektvoll begleiten und anerkennen, was sie tun. Wir brauchen ein Klima in dem das möglich ist, damit Menschen den Mut und die Lust haben, Verantwortung zu tragen und Entscheidungen zu fällen. Damit wir biblisch gesprochen: "Tun was uns vor die Hände kommt" (1. Sam. 10,7).
Amen.