26.10., Waiern: "Ins Wasser fällt ein Stein"
Wer heute in der Wirtschaft + im Geschäftsleben erfolgreich sein will, der muss sich, sagt man uns,
1. realistische Ziele setzen
2. ein professionelles "Chancemanagement" einführen (d.h. auf Veränderungen gefasst sein + schnell reagieren)
3. braucht’s ein konsequentes "Monitoring" (was so viel bedeutet wie: alles im Blick haben, Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser) - und
4. müssen erreichte Erfolge nachhaltig gesichert werden.
So steht’s im Rezeptbuch für eine erfolgreiche Unternehmensführung. Und weil jeder Mensch heute Unternehmer seiner eigenen Lebensführung sein soll, gilt das auch für das persönliche Leben: nichts dem Zufall überlassen, Zeit nutzen, so gut es geht, und möglichst alles steuern und kontrollieren.
Das ist das Erfolgsrezept unserer Zeit – persönlich oder wirtschaftlich.
Wie steht’s da eigentlich mit der "Reich Gottes A.G", kurz "Kirche" genannt, einem Unternehmen, das klein begonnen hat und seit 2000 Jahren weltweit unterwegs ist? Was gelten da für Prinzipien? Oder sollten gelten?
Im Evangelium haben wir’s vorhin gehört: die "Reich Gottes A.G." ist offenbar nach einem ganz anderen Muster gestrickt: "Jesus sagt: mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und aufsteht, Nacht und Tag, und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht wie … und die Frucht entsteht wie von selbst".
Da atmet ein anderer Geist, oder? "Wie von selbst" heißt es. Kein Prozessmanagement, kein Monitoring, keine Erfolgssicherung!
Es beginnt mit Schlafen, und mit geduldigem Warten über Nacht und Tag, und die Frucht wächst langsam aber stetig und sie wächst wie von selbst!
Da müssen die Superorganisatoren von damals und die Prozessmanager von heute wohl mitleidig den Kopf schütteln, wenn sie so was hören, oder? Und die Kirche ist dennoch gewachsen + es gibt sie heute noch.
Sicher, ganz ohne Tun geht’s auch im Reich Gottes nicht: immerhin - der Mensch streut Samen auf’s Feld, er tut schon was. Aber dann wächst es einfach so, "zuerst der Halm, danach die Ähre, danach der volle Weizen … bis hin zur Ernte".
Die still wachsende Saat, langsam aber stetig, wie das Geheimnis des Wachsens, wie ein Geschenk, wo Vertrauen das Wichtigste ist!
"Ins Wasser fällt ein Stein, und zieht doch weite Kreise …"
Wir feiern heute Reformation. Auch da geht es um ein Geschenk des Glaubens. Dass Gott uns Menschen nicht deshalb annimmt, weil wir erfolgreiche Leistungszertifikate des Glaubens vorzuweisen hätten, sondern seine Güte ist ein Geschenk. Sie ist einfach da. So wie die Sonne da ist über der still wachsenden Saat, und wie sich der warme Regen über das Feld ergießt und Gedeihen gibt.
Und das Faszinierende für mich:
diese befreiende Güte Gottes entfaltet sich grade in den kleinen, unscheinbaren Anfängen des Glaubens, die da und dort passieren und passiert sind - und das Reich Gottes haben wachsen lassen:
bei Anke oder bei Joseph, dem Maler, bei Martin, dem Reformator oder bei Sophie und ihrer kleinen Schwester.
In den kleinen Lebensgeschichten – da ereignet sich das Reich Gottes. Oft im Verborgenen, schlicht, unspektakulär.
Martin Luthers Anfang passiert in der Studierstube, nach langem innerem Ringen um den gnädigen Gott. Aber dieser kleine Funke der Erkenntnis im Lesen der Bibel, dieser Geistesblitz im wahrsten Sinn des Wortes ist ein Funke, der eine große Glaubensbewegung entzündet hat herauf bis in unsere Zeit.
Oder die Geschichte mit der Kuh: der Bauer setzt ein Zeichen der Hilfe, und es ist ein kleiner Anfang hin zu einem großen Werk der Nächstenliebe.
Und das Altarbild von Jesus als dem Guten Hirten, es ist seit Jahrzehnten deshalb in der Kirche und strahlt Trost und Geborgenheit aus, weil irgendwann einmal jemand den kleinen Joseph ermutigt hat, zum Pinsel zu greifen und seine Begabung zur Ehre Gottes einzusetzen. "Ins Wasser fällt ein Stein …"
Es ist befreiend zu wissen: wir müssen nicht alles organisieren + kontrollieren – und vielleicht würde auch unser Wirtschaftsleben heute ein klein wenig menschlicher, wenn Vertrauen und Gelassenheit auch als Erfolgsfaktoren anerkannt würden.
Was sind unsere kleinen Anfänge, die Gott schenkt?
Erinnern wir uns ihrer, oder übersehen wir sie, weil sie still und unspektakulär daher kommen?
Es lohnt die Mühe, sich auf die Suche zu machen nach den Spuren der Liebe und des Glaubens im eigenen Leben, nach den Anfängen, die Gott geschenkt hat und noch schenken wird!
(Einzelne stehen im Kirchenraum auf, sprechen und bleiben stehen)
Anke Witt:
Ich glaube, dass Gott immer wieder neu mit uns anfängt.
Matthias Melzer:
Ich glaube, dass Gott diese Welt nicht sich selber überlässt,
sie soll nicht kaputt gehen, sondern Lebensraum bleiben.
Jennifer Messner:
Ich glaube, dass keine Traurigkeit so groß sein kann,
dass Gott sie nicht in Hoffnung verwandeln könnte.
Heimo Lechner:
Ich glaube, dass Gott uns Vergebung schenkt,
auch nach Fehlern wieder neu anzufangen.
Sophie Domenig:
Ich glaube, dass auch kleine Schritte wichtig sind
(alle stehen auf)
Apostolisches Glaubensbekenntnis
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,
empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel;
er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den heiligen Geist, die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.