29Als nun Mose vom Berge Sinai herabstieg, hatte er die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner Hand und wusste nicht, dass die Haut seines Angesichts glänzte, weil er mit Gott geredet hatte. 30Als aber Aaron und alle Israeliten sahen, dass die Haut seines Angesichts glänzte, fürchteten sie sich, ihm zu nahen. 31Da rief sie Mose, und sie wandten sich wieder zu ihm, Aaron und alle Obersten der Gemeinde, und er redete mit ihnen. 32Danach nahten sich ihm auch alle Israeliten. Und er gebot ihnen alles, was der Herr mit ihm geredet hatte auf dem Berge Sinai. 33Und als er dies alles mit ihnen geredet hatte, legte er eine Decke auf sein Angesicht. 34 Und wenn er hineinging vor den Herrn, mit ihm zu reden, tat er die Decke ab, bis er wieder herausging. Und wenn er herauskam und zu den Israeliten redete, was ihm geboten war, 35sahen die Israeliten, wie die Haut seines Angesichts glänzte. Dann tat er die Decke auf sein Angesicht, bis er wieder hineinging, mit ihm zu reden.
Liebe Gemeinde,
mit Mose als hellster Kerze auf der Festtorte hat das Volk so seine Probleme. Er ist ein schlechter Redner und braucht einen anderen als Sprecher. Was dann sein Bruder Aaron wird. Und das Volk widersetzt sich gerne, wenn ihm zuwider ist, was der von Mose überbringt. Es ist so gut wie laufend am Murren. Schätzt offen oder verdeckt die Ansagen des Moses anders ein. Wie versprochen so gebrochen, heißt der stumme oder laute Vorwurf. Nichts ist so wie angesagt. Erst mit Pomp frei gelassen, dann doch von den Ägyptern gejagt. Und schon tauchen da Gedanken auf, sich zu ergeben. Danach von Durst und Hunger geplagt, und sofort riechen die Leute die Fleischtöpfe Ägyptens. Darauf von Krankheiten gepeinigt. Warum jetzt das? Dachte, so was wäre für die Ägypter reserviert! Außerdem fühlt das Volk sich von Mose immer wieder allein gelassen. Zuletzt verlängert er stillschweigend die Reisezeit, ohne das zu besprechen.
Um zu zeigen, dass er die Wahrheit sagt, bietet Mose eine Menge auf: die Ägypter besiegt, Durst und Hunger gestillt, Krankheiten geheilt. Und er sucht wie am Dornbusch ein Stelldichein mit Gott. Von Angesicht zu Angesicht, wie es gebührt. Um auf dem Berg endlich die Sache mit Gott und dem Volk geregelt zu kriegen. Mose sieht Gottes Angesicht natürlich wieder nur um die Ecke. Immerhin, als er zurückkehrt ins Lager, hat das Volk darauf verzichtet, aus Gold ein Kalb zu gießen. Ob seine Leute inzwischen ernsthaft glauben, obwohl sie nichts sehen? Ob sie annehmen, dass er, statt zu irren, die Wahrheit sagt? Das wäre ja mal was Neues! Aber warum gucken die mich denn so merkwürdig an? Was ist denn los mit denen? Nach einem Gespräch versteht Mose. Das Volk ist mit Recht verwirrt. Glauben, ohne zu sehen, ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. Das hat er durch die Wüste wieder und wieder von ihnen verlangt. Klar, dass die krass erstaunt sind, wenn er hier mit so einer Aura aufkreuzt. Von der er übrigens selbst nichts mitgekriegt hat. Gott bewahre, dass sie am Ende ihn anbeten statt den HErrn. Also Schleier vors Gesicht, und gut ist.
Was mochte Aaron und die Leute am Glanz des Moses gestört haben? Eine Möglichkeit: Vielleicht hatten die einfach ein schlechtes Gewissen. Sie hatten Mose offensichtlich falsch eingeschätzt. Von wegen nicht die hellste Kerze und so. Vermutlich hatten sie das mehr gedacht als gesagt. Und wenn so abfällig gesagt, dann nur hinten rum. Und jetzt kriegt der von Gott persönlich so ein Leuchten verliehen. Volltreffer in die Herzkammer, mit Gewissensblitz.
Eine andere Möglichkeit: Gott ist einfach zu grell. Sogar dann, wenn er sich nur indirekt zeigt, wie hier bei Mose. Schon das mag aufstoßen. Und wie reagiert einer, wenn er geblendet oder irritiert ist? Der wendet sich entweder ab, vielleicht eher impulsiv erschrocken, vielleicht auch reflektiert und gefasst. Oder er ist so verzaubert, dass er Glanz und Wort für seine Zwecke vereinnahmt. Am fremden Glanz mit aller Gewalt teilhaben will.
Um dem vorzubeugen, lässt sich Gott quasi nur per Filter wahrnehmen. Denn wichtig ist allein sein heiliges Wort. Sein Wort, das bewirkt, was es einem mitteilt: In welche Lage Du auch immer geraten bist oder Dich verfahren hast: Ich befreie Dich daraus. Und ich richte Dich auf Neues aus. Dass die heiligen Buchstaben diese Bedeutung in uns gewinnen, das schafft Gott auch ohne äußeren Glanz. So führt er einen zu seiner Wahrheit. Und dazu, dass wir aus dieser Wahrheit leben.
Mose geht hier mit gutem Beispiel voran. Er befreit die Leute von ihrem schlechten Gewissen ihm gegenüber. Denn er folgt ihrem Einwand, gibt ihnen Recht und verdeckt sein Glänzen. Denn Gottseidank haben die endlich kapiert: Was zählt, das sind die Worte, die Gott ausrichtet. Deren Buchstaben gewinnen für unser Leben Bedeutung. Nämlich, dass Gott von alten Fehlern befreit und zu Neuem ausrichtet. Das ist der Fokus. Was von dem ablenkt, das kann oder das muss sogar am besten ganz weg. Was im Falle der Aura von Mose mit dem Schleier noch einfach zu lösen war. Das kann auch viel schwieriger zu machen sein.
Was zählt, das sind die Worte, die Gott ausrichtet. Weniger die Menschen, die sie weitergeben. Also mal schön halblang machen mit der Heiligkeit bei Menschen. Das haben Mose und sein Volk schon damals kapiert. Alles andere lässt Menschen leicht irren über Gott und fehlgehen.
Nehmen wir mal Christen, deren Ansehen für viele glänzt wie bei Mose damals. Die als Vorbilder des Glaubens herhalten. Die Gottes Liebe in besonderer Weise verkörpern: weil sie diese sehr eindrucksvoll aussagen oder tätig und erfolgreich weitergeben. Mutter Theresa, Dietrich Bonhoeffer oder Christen, die, weshalb auch immer, ins Rampenlicht geraten sind. Einerseits wird da teilweise eine Menge Respekt gezollt, andererseits ist da noch was anderes zu sehen.
Es wird in ihrem Leben gegraben. Und man versucht dabei, ihr Leben bloßzustellen, ans Licht zu bringen, was ihre Christlichkeit verdunkelt, in Zweifel zieht. Kurz gesagt, wenn sich so jemandes Andenken besudeln lässt, dann geschieht das auch. Und, oh, welche Überraschung! Da findet sich auch immer was. Immer wieder neu für Beobachter, die sich über fremden Schaden freuen. Keinerlei Wunder für jeden, der an Gott glaubt. Und der weiß, dass er alles ihm verdankt und aus seiner Vergebung lebt. Der gerade darum weiß: Ich muss für mein Sagen und Tun vor einem irdischen Gericht Rede und Antwort stehen, wenn es das Recht will. Heiligenschein hin oder her. So jemand weiß sogar, dass die Medien gerade das gerne einfach rausschneiden und hinten runterfallen lassen: wenn er sagt, alles Gott zu verdanken, was seine guten Reden und Taten angeht. Oder seinen Anteil Schuld bekennt und hofft, dass Gott ihm seine Fehler vergibt. Das lässt man lieber weg, das verschandelt die Botschaft. Die Bibel aber kennt so einige zwielichtige Typen, die Gottes Tun bezeugen. Denken sie mal an David und was er in seinem Leben alles angestellt hat.
Die heilsame Bedeutung, die die Schrift Gottes in uns gewinnt, das allein zählt. Was so alles davon ablenken kann! Ich sprach von Freude am Schaden anderer. Auch von der Lust an Macht über andere. Und von der Freude, sich jemandem fraglos unterordnen zu können. Es gibt unzählige Motive allein in dem, was wir fühlen. Ansonsten kann nahezu alles in der Welt ablenken, besonders Unglücks- oder Glücksfälle, die einem widerfahren.
Nun zum Guten am Glanz, ganz ohne Vorbehalt: Gott bringt seine Zeugen zum Glänzen. Das geschieht verdeckt, innerlich. In Gottes Augen und Vorsehung gelangt ein Glanz nach außen. Der den Augen des Glänzenden entgeht. Erinnern wir uns an die Geschichte der Weih-Nacht. Von außen gesehen ein Ereignis, das sich völlig im Dunkeln abspielt. Nicht nur, weil es des Nachts vor sich geht. Irgendein Stall in irgendeinem Kaff in irgendeiner der letzten Ecken des Römischen Reiches. Irgendein von Staatswillkür verbrachtes, sozial schwaches No Name Paar, weit weg von seiner Heimat. Zu all dem kommt, dass die Geburt ihres Babys vor der Tür steht. Und so suchen sie einen Raum mit Tür, hinter der sie dafür Ruhe finden können. Bekommen aber nur eine zugige Bleibe. Ganz dunkle Aussichten für das Leben des Kleinen. Das ist die eine Seite, die Maria in ihrem Herzen bewegt. Endet schließlich auch als großer Verbrecher, der Kleine. Mit einer Sonnenfinsternis!
Sicher, es leuchten in dieser Weih-Nacht die Sterne am Himmel ohne Wolken. Die Milchstraße ist gut zu sehen. Übers tiefdunkle Blau schweift vielleicht auch das Licht eines Kometen. Eine Standardnacht eben. Dass diese dunkle Geburt in Licht und Glanz erstrahlt, das liegt an der Bedeutung, die sie unter Menschen gewinnt. Der Glaube bringt erst Licht in die dunkle Sache. Auch heute noch. Marias Herz wird neben dem Dunkel auch vom Licht darin bewegt. Die Sterndeuter, die eine Nacht wie unzählige andere zu der einen besonderen wahren Nacht machen. Die Engelsschar, die finsteren Gesellen ein Licht aufgehen lässt. Lämmern und Gebären, das ist für Hirten nur Routine. Und eine recht müh- und arbeitsame dazu, ach, hör´ mir bloß auf damit, jedes Mal dasselbe. Dieses Mal ist es anders. Einmal nur so bei der Geburt helfen, nur hingehen und anschauen. Die glänzenden Augen von Vater, Mutter, Kind. Da leuchten auch die finsteren Gesellen.
Die gute Botschaft unseres Bibeltexts heißt also: Wer sich für glanzlos hält, der kann glanzvoll ankommen bei seinen Mitmenschen - mit Gottes Augen gesehen und auch mit denen der Menschen. Und er bekommt es manchmal sogar gesagt. Auf dass er was zu strahlen hat und sich weniger matt und stumpf fühlt. Amen.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Der Text ist am grünen Tisch entstanden. Intuitiv habe ich wahrscheinlich meine Schülerschaft in Informationstechnik im Hinterkopf gehabt, meist männlich, eher wenige mit Realschulabschluss, viele mit Abitur, einige davon sogar mit Erfahrung im Studieren.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Es hat diesmal eine ganze Weile gedauert, bis ich mir den erzählten Vorgang mit Aufleuchten und Abschirmen und die Kommunikation darum auch auf theologischer Ebene plausibel machen konnte.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Dass auch Gottes abgeschirmter Glanz Welt und Menschen zu durchstrahlen vermag.
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Dank der Rückmeldung habe ich inhaltlich gestrafft und vieles aussortiert, was beim theologisch ungeschulten Hörer oder Leser im besten Fall ein Anspielungsfeuerwerk ausgelöst hätte.