In alle Welt
Haben Christen eine Mission? So wurde ich vor kurzem gefragt.
Und wenn ja, wie sieht sie aus? Und wie ist sie zu leben?
Die Antwort auf diese einfache Frage ist keine ganz leichte Aufgabe. Denn bei dem Wort „Mission“ bekommen die einen leuchtende Augen und die anderen Gänsehaut. Es gibt kaum ein Wort, das so geeignet ist, Menschen in Rage zu bringen - oder in Leidenschaft. Je nach dem.
Aber mein Gegenüber war hartnäckig, hat nicht losgelassen. Wie ist es nun: Haben Christen eine Mission?
Und: Ist Christentum ohne Mission überhaupt denkbar?
Liebe Gemeinde,
beim Nachdenken über diese Frage, die ich mir nicht selbst gesucht habe, wurde mir klar:
Evangelium heißt nicht umsonst gute Botschaft. Das heißt: Das Evangelium will verkündigt werden, will sich Gehör verschaffen, will Öffentlichkeit erreichen.
Das Evangelium ist „gute Mär“ ,vom Himmel hoch, und es kommt auf die Erde, um auf die Welt zu verändern und die Menschenherzen zu bewegen.
Und eine Kirche, die davon nichts mehr weiß und sich damit begnügt ganz auf sich bezogen zu bleiben, ist steril, ist tot.
Und eine Gemeinde, die nur sich selbst genügt, - wir wissen es alle - ist verhockt. Wenig anziehend. Wenig einladend.
Anders herum gesagt: Das Evangelium braucht Bewegung. Es ist ja eine Kraft Gottes, wie es der Apostel Paulus sagt.
Und deshalb braucht auch die Kirche Bewegung nach außen. Und lebt davon, dass sie über sich selbst hinausgeht.
Deshalb: Ja.
Ja. Christen haben eine Mission.
Denn Kirche hat eine Mission. Hat einen Auftrag. In der Welt und für die Welt. Nicht mit Feuer und Schwert. Nicht dränglerisch und im schlechten Sinn missionarisch.
Und der Predigttext für den 6. Sonntag nach Trinitatis, bestätigt und bekräftigt das. Denn Jesus selbst gibt uns den Auftrag an alle Welt.
Auch wenn dieser Auftrag oft missverstanden worden ist. Auch missbraucht wurde.
Es gibt ihn trotzdem, und wir haben uns mit ihm auseinanderzusetzen.
So hören wir, was uns der Herr zu sagen hat.
Ich lese aus Matthäus 28, die Verse 16-20:
…
Der Lebendige ist nicht mehr bei den Toten. Das, liebe Gemeinde, war die verstörende Botschaft des Ostermorgens. Das Grab war leer. Und die Botschaft der Frauen unglaublich und dennoch ganz klar: Die Jünger sollen nach Galiläa.
Dorthin, wo alles angefangen hat.
Die Jünger hält nichts mehr in Jerusalem. Sie gehen zurück an den Anfang, wie ihnen befohlen wurde. Dort zeigt sich ihnen der Auferstandene.
Auf dem Berg – und sendet sie in die Welt. Zu den Völkern.
Nicht zu den Juden. Nicht zu Israel. Das erscheint mir eine erste wichtige Botschaft. Zu den Völkern hin geht der Weg.
Und damit schließt sich der Kreis. Denn so hat es ja begonnen, dass die Völker nach Israel gekommen sind, um das Kind zu sehen. Den neugeborenen König. Sie erinnern sich: Die drei Magier aus dem Osten, Vertreter der Völkerwelt, sind für das Matthäusevangelium ganz wichtige Personen in der Geburts- und Weihnachtsgeschichte.
Und nun – am Ende des Evangeliums – die entgegengesetzte Bewegung: Von Israel zu den Völkern. In alle Welt werden die Jünger gesandt. „Gehet hin!“ Das ist der Auftrag, den sie erhalten.
Und dabei begleitet sie die Verheißung und das Versprechen Jesu: Ich bin bei euch. Ganz egal, wo ihr seid. Es gibt keinen Ort und keinen Augenblick ohne meine Gegenwart.
Liebe Gemeinde,
das meint Jesus, wenn er sagt: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden …
Das ist nicht gewalttätig gemeint. Sondern das heißt: Ich habe Vollmacht. Im Himmel und auf Erden. Raum und Zeit stellen keine Grenzen mehr für mich dar.
Denn ich stehe jetzt über Raum und Zeit, und bin deshalb zu allen Zeiten und an allen Orten derselbe.
Immer und überall bin ich der, den ihr kennengelernt habt, der mit euch umhergezogen ist, der euch gelehrt hat und der Menschen gesund gemacht hat.
„Mir ist gegeben alle Gewalt“, sagt Jesus – das heißt: Ich bin souverän – zu allen Zeiten und an allen Orten. Keine Macht der Welt hat Macht über mich. Ich habe Macht über alle Mächte und Gewalten. Selbst über den Tod.
Wer von dieser Macht etwas spürt, wer von dieser Kraft angerührt ist, der muss sich nicht verstecken. Der kann sich auf den Weg machen. Der kann von Jesus erzählen. Und vom Reich Gottes.
Und davon, wie dieses Reich manchmal schon hier Gestalt annimmt. In kleinen Gesten:
Im Feiern, im Grüßen, im Lachen und Tanzen und Singen, im gemeinsamen Essen und Trinken. Wenn wieder etwas heil geworden ist, ein Mensch wieder zu sich gefunden hat oder nach langem Streit Frieden geworden ist.
Machet zu Jüngern alle Völker – sagt Jesus.
Das heißt im Sprachgebrauch des Matthäus:
Erzählt von mir und schickt die Menschen bei mir in die Schule. Lehrt sie, was ich euch gelehrt habe:
Das Beten zum Vater, das Bitten, weil ihr doch bedürftige Menschenkinder seid und euch nichts vormachen müsst.
Lehrt sie, dass es nichts Wichtigeres gibt als Gott zu lieben mit seinem ganzen Herzen, seiner ganzen Seele, seiner ganzen Lebenskraft und mit seinem Vermögen. Das heißt auch: zu überlegen, wie gehe ich mit meinem Geld um? Wen kann ich mit meinen Mitteln unterstützen, und was brauchen andere zum Leben?
Lehrt sie – die Menschen aus den Völkern, dass es nichts Besonderes ist, nett zu seinen Freunden zu sein. Das kriegen alle hin. Aber dass es wichtig ist, auch seine Feinde zu segnen. Ihnen nicht mit Flüchen entgegenzutreten, sondern zu versuchen, aus ihrer Sicht die Welt zu sehen und sie zu verstehen suchen. Jesus sagt sogar: sie zu lieben, sie anzunehmen, wie sie sind.
Das meint „Lehrt sie!“ Und das ist gemeint, wenn wir bei Jesus in die Schule gehen.
Liebe Gemeinde,
das Lehren und das Lernen und das Taufen gehören zusammen.
Diese drei bilden eine untrennbare Einheit.
Die Taufe besiegelt die Lebens- und Lerngemeinschaft.
In der Taufe wird öffentlich gezeigt: Dieses Menschenkind gehört in die Geschichte des Lehrens und Lernens von Jesus hinein.
Getauft auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, zeigt an, wem unser Leben gehört.
Als Getaufte gehören wir zu Gott, den Jesus Vater genannt hat. Als Getaufte sind wir hineingenommen in die Kirche, in die Gemeinschaft der Glaubenden. Als Getaufte sind wir bei Jesus in der Lehre und mit ihm auf dem Weg, inspiriert vom heiligen Geist.
Die Taufe ist wie ein Siegel und zugleich wie ein Wink vom Himmel, der uns sagt:
Du bist gezeichnet mit dem Kreuz, und mit dem Namen des dreieinigen Gottes. Durch den Tod hindurch bist du mit dem Leben und mit Gott verbunden.
Dafür stehst du in der Welt ein. Das verkündigst du mit deinem Leben. Mit allem, was du sagst und tust.
Liebe Gemeinde,
Sie merken: das ist nicht unbedingt ein Weg, der mehrheitsfähig ist.
Und deshalb ist es meines Erachtens kein Zufall, dass Jesus der kleinen Schar die Verheißung gibt.
Den berühmten zwei oder drei …
Wir sollten uns also nicht grämen, wenn wir nicht viele sind. Aber wir sollten uns auch nicht selbstzufrieden zurücklehnen.
Denn die kleine Zahl ist kein Selbstzweck.
Wir haben ja einen Auftrag. Und wir sollen etwas sein.
Nämlich Salz und Licht.
Und das heißt: wir sollen Würze bringen und wir sollen leuchten.
Wir sollen wahrnehmbar sein, weil wir etwas zu sagen haben. Etwas, das die Menschen brauchen. Und zwar ganz notwendig brauchen.
Deshalb: Ja, Christen haben eine Mission.
Als Lernende sind wir in die Welt gesandt. Als Hörende. Als Empfangende.
So werden wir, was wir sein sollen: Salz der Erde und Licht der Welt.
Amen
In alle Welt - Predigt zu Matthäus 28,16-20 von Gabriele Wulz
28,16-20
Perikope