‚Alles auf eine Karte?!‘ - Predigt zur Konfirmation über Matthäus 13,44-46 von Jochen Riepe
13,44-46

‚Alles auf eine Karte?!‘ - Predigt zur Konfirmation über Matthäus 13,44-46 von Jochen Riepe

‚Alles auf eine Karte?!‘ 

‚ Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker. Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und als er eine kostbare fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte , und kaufte sie‘.

I

Himmelreich‘ – was ist das eigentlich? ‚Je ne sais pas ( quoi )‘, sagt man in Frankreich und ‚It’s difficult to explain‘ in England. Bei uns in Westfalen zuckt man cool mit den Schultern : ‚Schon `mal gehört‘. Nicht wahr : Es gibt Menschen , die wissen viel und haben doch keine Ahnung.

 II

Jesus war kein Historiker aus Alexandria. Er war kein Philosoph aus Athen und kein Jurist aus Rom. Jesus war ein Handwerkersohn vom Lande . Wahrscheinlich hatte er kein großes Wissen in unserem Sinne. Er las die Schriften und sang und betete die Lieder Israels. Er sah den Menschen zu , den Kindern , den Bauern , Fischern und Kaufleuten , und aus all dem formte sich und formte er die Sprache seiner ‚Ahnung‘, seiner Hoffnung. Das Himmelreich gleicht einem Schatz im Acker. Es gleicht einer Perle, für die man alles hingibt , nur um ihrer teilhaftig zu sein.

 III

Ihr , liebe Konfirmanden, fühltet euch von diesen Bildworten oder Gleichnissen angesprochen , und als ich fragte , was es denn sei, was euch da anspricht , da klangen eure Worte eher französisch : ‚Je ne sais pas quoi‘. Das kommt ja oft im Leben vor , daß einem etwas gefällt und man weiß nicht genau , warum . ‚Warum liebst du mich?‘ fragt sie und er antwortet : ‚Reicht es nicht , daß ich dich liebe? Mußt du auch noch wissen , warum?‘ Vieles im Leben ist Ahnung , Hoffnung , Schwingung , Klang . Man fühlt sich angezogen wie von einer unnennbaren Kraft und tut dann Dinge , ja, die auch etwas schräg sein können.

 IV

Denn besonders wahrscheinlich , geschweige denn vernünftig ist es ja nicht, wie der Kaufmann da agiert . Eine Perle für alles andere? Mag sie noch so kostbar sein … was werden seine Angestellten gedacht haben ! Was wird seine Familie geschimpft haben : ‚Du ruinierst uns!‘ Das ist ja wie eine

Sucht , wie ein Spleen – diese verrückte Versessenheit , diese Ergriffenheit von der einen Sache , die es sein muß. Man mag sich die Folgen gar nicht ausmalen. Im Alltag handeln wir anders , maßvoller : Wir streuen sozusagen unseren Einsatz , setzen darauf , darauf aber auch … Es ist schön , gut im Sport zu sein , aber Mathe und Deutsch sind auch wichtig … Alles auf eine Karte , alles auf ein Fach – eher unwahrscheinlich.

 V

‚und er verkaufte alles , was er hatte, und kaufte sie‘ – das ist wie Himmelreich , sagt der vielleicht nicht viel wissende, aber ahnungsstarke Jesus .Sie , liebe Eltern , fanden neulich anläßlich unseres Elternabends eine besonnene , soz. zivile Auslegung dieses etwas schrägen Verhaltens – etwa so : Dieser Kaufmann, der alles für eins gibt, ja, er gibt seinem Leben gewissermaßen einen Schwerpunkt , eine Haltung und Ausrichtung. Er vollzieht ein Ranking : Was steht oben an und was kommt danach an zweiter , dritter Stelle. Im Angesicht der vielen Möglichkeiten , die uns wie ein Mückenschwarm umschwirren ; in der ständigen Angst, das Falsche zu wählen , in dieser Lähmung , sich entscheiden zu müssen und dann doch wieder einmal das Wichtige im Leben zu verpassen , da hat er geistesgegenwärtig seinen Fund gewichtet, einen Schnitt gemacht und den Augenblick glücklich ergriffen … frei nach Udo Lindenberg : ‚Nimm dir das Leben / und laß es nicht mehr los.‘

 VI

Eure besonnenen Eltern sind sogar noch einen Schritt weitergegangen und danke , lieber Konfirmandenvater , daß Sie uns die Richtung gaben : Liebe. Das , was wir so schwer erklären können, wo uns die Sprache versagt , was wir aber erahnen und erhoffen unser ganzes Leben lang , das ist eben jene Macht der göttlichen und menschlichen Liebe. Wenn wir sie finden , oder besser : von ihr gefunden werden, dann bekommt alles andere erst seinen Platz und das rechte Gewicht. Solange ich ohne diesen Schatz bin – oder mich ohne ihn fühle - , kann vieles mich gefangen nehmen oder besetzen, mir Angst machen und mich in Schach halten. Mein Leben ist dann voll, aber ohne das ‚gewisse Etwas‘ ; und eben : ohne dieses ‚gewisse Etwas‘ , diesen Frühlingsblüten-Schimmer der Dinge, ohne dieses Geheimnis ist alles grau und gleichgültig. ‚Himmelreich‘, sagt Jesus, Gottes Reich , denn Gott und Liebe gehören zusammen ; sie halten sich gegenseitig.

 VII

Jetzt denkt mancher Patenonkel vielleicht :‘ Ich wußte es . In der Kirche endet alles wieder bei der Liebe‘. Darum muß ich jetzt am Ende meiner Rede aufpassen. Auf das Wort kommt es nicht unbedingt an . Sagt statt Liebe , Gott oder Himmelreich einfach eine Zeitlang : Mein X , meine Unbekannte , meine Ahnung , mein ‚Je ne sais pas quoi‘ *, mein Rosenschimmer, meine Wunde und Verletzbarkeit – jene Unbekannte , die mich sucht und der ich in allem auf der Spur bin. Zum Leben gehört Lernen und Arbeiten , es gibt Zeiten der Entbehrung , des Leidens und des Verzichts. Es gibt

Zeiten des Aufbaus und der Erfolge … möge in Eurem Leben , liebe Konfirmanden , dies alles ein Vorzeichen haben , ein X eben … it’s difficult to explain , aber es ist dir begegnet und es wird dir begegnen und dann greif zu und stelle anderes hintenan.

 VIII

Es gibt Menschen , die wissen viel und haben doch keine Ahnung. Jesus war kein Wissenschaftler oder Philosoph. Jesus lebte aus und erzählte von einer großen Hoffnung : die Liebe Gottes wird diese gewaltsame Welt gut machen und versöhnen. Himmelreich. Mit der Taufe haben wir uns in den Machtbereich dieser Hoffnung gestellt . Der Gott , den wir suchen , ER wird uns finden. ER hat uns gefunden . Ihn soll nun unser Bekenntnis loben.

*Markus 4,27