Auf einem Esel zu schwierigen Terminen reiten
Als sie nun in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Betfage an den Ölberg, sandte Jesus zwei Jünger voraus
2und sprach zu ihnen: Geht hin in das Dorf, das vor euch liegt, und gleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei ihr; bindet sie los und führt sie zu mir!
3Und wenn euch jemand etwas sagen wird, so sprecht: Der Herr bedarf ihrer. Sogleich wird er sie euch überlassen.
4Das geschah aber, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht: 5»Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers.«
6Die Jünger gingen hin und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte,
7und brachten die Eselin und das Füllen und legten ihre Kleider darauf und er setzte sich darauf.
8Aber eine sehr große Menge breitete ihre Kleider auf den Weg; andere hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg.
9Die Menge aber, die ihm voranging und nachfolgte, schrie: Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe! Mt 21,1-9
Jesus zieht in Jerusalem ein.
Und es ist nicht Advent und schon gar nicht Weihnachten.
Es ist Palmsonntag, so nennen wir diesen Tag am Beginn der Karwoche.
Die Geschichte von seinem triumphalen Einzug nach Jerusalem
ist auch das Evangelium für den Palmsonntag.
Was soll also diese Geschichte zu Beginn der Adventszeit?
Jesus reitet auf einem Esel.
Schon als Kind habe ich im Religionsunterricht dieses Szene gemalt.
Wie zeichnet man einen Esel?
Vier Beine, lange Ohren. Der Rest naja.
Jesus im weißen Gewand.
Friedlich, friedfertig. Niemandem etwas Böses wollend.
Allen mit Liebe und Güte begegnend.
So ungefähr habe ich das in Erinnerung.
Übrigens, und nur wegen der Genauigkeit:
Es handelt sich, so sagt Matthäus, um eine Eselin mit ihrem Füllen.
Heute interessiert mich an der Geschichte,
die Erwartung der Menschen.
Die Reaktion der Leute.
Sie leben unter der permanenten Bedrohung
durch das Terrorregime der römischen Besatzungsmacht.
Ihre Freiheit ist erheblich eingeschränkt.
Man darf sich nicht versammeln, keine Vereine gründen.
Willkürliche Übergriffe gehören zum Alltag.
Jeder römische Soldat kann jederzeit einen Mann zwingen,
ihm sein Gepäck ein Stück zu tragen.
Genau eine Meile muss der von seiner Arbeit, von seinem Garten weg rekrutierte
für den Römer den Lastenträger geben.
Dann darf er wieder heim gehen.
Die Bevölkerung ist gespalten.
Die einen kollaborieren mit der fremden Macht, ziehen daraus fette Gewinne.
Die anderen bekämpfen sie, gehen in die Berge, planen Attacken und Aktionen,
um die Besatzer zu schwächen.
Dieses Entweder – Oder ist ein Schema, das wir kennen:
Entweder du kuscht, hältst den Mund, versuchst irgendwie zu überleben.
Oder du stellst dich auf deine Füße und kämpfst den ausweglosen Kampf.
Jesus macht an diesem Tag weder das eine noch das andere.
Ich meine, das ist der Grund, warum die Leute so begeistert sind.
Denn die wenigsten von uns fühlen sich wohl,
wenn sie mit angemaßter und willkürlicher Macht kollabirieren.
Wer will schon den ekelhaften Chef hoffieren.
Wer will schon mitmachen, wenn eine Gruppe jemanden mobbt.
Aber dem Chef ins Gesicht sagen: Ihr Führungsstil ist unter aller Kritik.
Sich der mobbenden Gruppe entgegenstellen und sagen:
Was ihr hier macht, ist unerträglich, das lasse ich nicht zu,
ist halt auch nicht jedermanns Sache.
Wer einen dritten Weg aufzeigt, wer aus dieser Spannung des Entweder-Oder
einen Ausweg kennt, spricht mich spontan an.
Jesus auf dem Esel vermittelt mir und den anderen ganz ohne Worte:
Es gibt noch andere Möglichkeiten zwischen Unterwerfung und Kollaboration:
Es gibt die Möglichkeit, Gottes Verheißungen zu trauen,
mit Gottes Wirken zu rechnen.
Und jetzt schon im Vertrauen auf darauf,
friedlich und selbstbewusst nach Jerusalem zu gehen.
Nach Jerusalem, wo die Auseinandersetzungen zwischen den Kollaborateuren und den Widerständlern spannungsvoll kurz vor der Entladung stehen.
In Jerusalem wo die geballte Macht der römischen Okkupatoren sichtbar ist.
Dieses Jerusalem ist überall. Auch heute.
Eine Sitzung, in der die Meinungen aufeinanderprallen,
und man sich schon längst nicht mehr zu hört.
Während der eine noch spricht,
sammelt die andere im Geist bereits Argumente gegen ihn.
Famillientreffen, wo jeder seine Spannung und die ganzen alten Verletzungen mitbringt.
Damals, zu Weihnachten vor 10 Jahren, da hast du … da war doch …
und nie hast du dich dafür entschuldigt.
Gewappnet und dauf alles gefasst begegnen wir denen,
die wir nicht mögen.
Gewappnet und schon bevor etwas passiert,
schützen wir uns.
Das Bild eines erwachsenen Mannes, der auf einem Esel in die Stadt seiner Feinde einreitet
ist für mich ein Bild der totalen Entspannung.
Hier wird der Kampf nicht im Geist schon vorweg genommen.
Hier werden keine Argumente gegen böse Attacken im Kopf geschmiedet,
hier ist kein Dolch im Gewand versteckt.
Hier wird das Gegenüber nicht schon zum Angreifer gemacht,
bevor es überhaupt noch zu einer Begegnung kommt.
Der andere, die anderen haben die Chance, sich auch ganz anders zu verhalten.
Friedlich, freundlich, aufmerksam. Fair.
Was wäre wenn ich mich auf einen Esel reitend zum gefürchteten termin begebe?
Was wäre, wenn ich ohne jede Erwartung dorthin gehe,
wo ich üblicherweise Böses erwarte.
Was würde dann geschehen?
Ich meine, dass die Menschen so begeistert sind und Jesus zujubeln,
weil sie sehen, er gibt allen, auch seinen Gegnern eine Chance,
anders zu handeln, anders zu agieren.
Wir wissen, dass sie diese Chance nicht ergriffen haben.
Sie sind in ihren alten Mustern geblieben.
Sie haben nicht begriffen, was ihnen hier angeboten wurde.
Wer in der Nachfolge Jesu sich auf einen Esel setzt statt am hohen Ross daher zu kommen,
braucht viel Mut.
Denn dass dieses Angebot freudig angenommen wird, ist nicht garantiert.
Aber seit dem Einzug Jesu in Jerulasem,
kann niemand mehr sagen, nur mit Bomben und Granaten,
nur mit Härte und Präventionsschlägen,
kann man in schwierige Situationen hinein gehen.
Und dafür sei Gott Lob und Preis in Ewigkeit.
Auf einem Esel zu schwierigen Terminen reiten - Predigt zu Matthäus 21,1-9 von Christine Hubka
21,1-9
Perikope