Aus Jesu Kippbildern glauben lernen - Predigt zu Offenbarung 1, 9-18 von Markus Kreis
1, 9-18

Aus Jesu Kippbildern glauben lernen - Predigt zu Offenbarung 1, 9-18 von Markus Kreis

Ein Rätsel. Was sieht aus wie ein Saxophonspieler? Und gleichzeitig wie das Gesicht einer jungen Frau? (www.onlinewahn.de/kipp-r.htm)

Des Rätsels Lösung. Es geht um ein Kippbild. Um die eine Zeichnung, welche jedoch zwei Bilder zeigt. Je nach dem, wie das innere Auge darauf blickt: Mal sieht Mensch das eine, mal sieht Mensch das andere. Einmal einen Mann, ein Saxophon in Händen und an die Lippen haltend, stehend, im Profil von links umrissen. Ein anderes Mal frontal das Haupt einer jungen Frau, mit vollen Lippen und Mandelaugen, die rechte Hälfte des Gesichts und Haares in Schatten getaucht.   

Die Bibel zeigt uns ein Kippbild von Jesus. Sieh da! Gibt´s denn so was? Den Jesus von Markus, Matthäus, Lukas und Johannes, den haben viele vor Augen. Ein netter, junger Mann, der durch die Lande streift, dabei allerlei erlebt und laufend Gutes tut. Da eine Heilung, hier ein Wunder, dort lauter gute Worte, sei es im persönlichen Gespräch, sei es vor vielen Leuten. Schließlich das Ende als Schmerzensmann, der Tod am Kreuz.

Das ist sozusagen nur der eine Blick. Im heutigen Predigttext zeigt sich ein zweiter anderer Blick auf Jesus. Erhascht von Johannes. Dem, der die Offenbarung geschrieben hat. Und der schildert uns:  

Ich, Johannes, euer Bruder und Mitgenosse an der Bedrängnis und am Reich und an der Geduld in Jesus, war auf der Insel, die Patmos heißt, um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu willen. Ich wurde vom Geist ergriffen am Tag des Herrn und hörte hinter mir eine große Stimme wie von einer Posaune, die sprach: Was du siehst, das schreibe in ein Buch und sende es an die sieben Gemeinden: nach Ephesus und nach Smyrna und nach Pergamon und nach Thyatira und nach Sardes und nach Philadelphia und nach Laodizea. Und ich wandte mich um, zu sehen nach der Stimme, die mit mir redete. Und als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter und mitten unter den Leuchtern einen, der war einem Menschensohn gleich, der war angetan mit einem langen Gewand und gegürtet um die Brust mit einem goldenen Gürtel. Sein Haupt aber und sein Haar war weiß wie weiße Wolle, wie Schnee, und seine Augen wie eine Feuerflamme und seine Füße gleich Golderz, wie im Ofen durch Feuer gehärtet, und seine Stimme wie großes Wasserrauschen; und er hatte sieben Sterne in seiner rechten Hand, und aus seinem Munde ging ein scharfes, zweischneidiges Schwert, und sein Angesicht leuchtete, wie die Sonne scheint in ihrer Macht. Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen wie tot; und er legte seine rechte Hand auf mich und sprach: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.

 

Groß und mächtig, schicksalsträchtig. Ein ganz anderer Jesus, der da zu sehen ist. Doch der gehört auch dazu. Die Bibel zeigt uns eben ein Kippbild von Jesus. Da gehören die zwei zusammen. Zu ein- und demselben. Der irdische Blick aus den Evangelien und der himmlische aus der Offenbarung. Auf ins Detail. Was gibt es alles zu sehen?

Jesus ist einmal umgeben von sieben Tempelleuchten. Er steht im Innersten des Allerheiligsten. Genau da, wo Gott selbst wohnt. Ein anderes Mal hängt er inmitten von zwei Verbrechern, zwei kriminellen Leuchten, wenn man so will. Weiter weg von Gott geht kaum.

Jesu ist mit Gold gegürtet wie zu hören war. Ebenso gilt: Der Gürtel der Wahrheit ist eine Windel. Von Anfang an. Im Stall war es so. Nichts anderes hatte Jesus dort um die Hüften. In der Krippe eine Windel. Am Kreuz einen Lendenschurz.

Jesu Gewand. Kostbares Linnen, lang gewebt, einerseits. Andererseits: Jesu Gewand ist seine erste Haut. Sein zermarterter Körper. Voller Staub, voller Schweiß, dazu Speichel. Ein zerdrückter Brustkorb, an der Seite aufgestochen. Aus der Wunde kriecht Ausfluss auf Jesu zweite Haut.

 

Jesu Füße sind golden. Fest und feuerrot glühend. Doch ebenso wächsern, bleich und kalt. Das mit dem Metall passt allerdings zusammen. Jesu Stand- und Spielbein sind ans Kreuz genagelt. Keineswegs bereit zum Tanz. Auch nicht fähig zum Kampf. Auftritte, Antritte, sonstige Tritte, alles unmöglich.

 

Jesu weißes Haupt und Haar, mit feurigen Augen und überquellendem Mund. Dazu gehört auch sein von der Sonne verbranntes Haupt voll Blut und Wunden. Auf die Brust gesunken. Als Visier eine Totenmaske, aus der hohle Augen starren. Speichel rinnt dünn aus dem Mundwinkel.

 

Jesu Zunge als Richtschwert. Seine Worte verbinden und trennen. Unterscheiden und klären. Jesu Worte und Reden. Aus allem spricht ein Urteil. Das eine und einzig entscheidende Urteil. Und doch bleiben einem Hörer oder Leser Fragen. Kann das wahr sein? Dafür gibt’s Vergebung! Und dafür Freispruch! Das ist doch ein Wahn: in jedem steckt die Sünde und lauert aufs Rauskommen.

 

Bisher sind die Blicke auf Jesu Kippbild nur aufgezählt. Noch kein Wort zur Wirkung. Wovon zeugen denn diese Bilder? Einem fällt mit diesen Blicken das Leben leichter. Denn einer bekommt im Leben weniger mit der Angst zu tun. Und mehr mit dem Glauben.

 

Bilder wirken im Kopf. Und sie können dort ganz schön Unheil anrichten. Oder eben auch Gutes. Die beste Fitness reicht nicht, wenn es im Kopf nicht stimmt. Dank Fernsehen mit Fußball und Quiz weiß das fast jeder. Jesu Kippbilder wirken auf den Kopf. Kneten und formen Einstellungen, schaffen neue Überzeugungen. Und gelangen tief in Herz und Körper hinein. Verteidigen den Glauben eines Menschen gegen seinen Unglauben. Sein wahres Wesen gegen sein widergöttliches.

 

Jesu Kippbilder zeigen immer zweierlei. Etwas zu den Leiden und Nöten der Menschen. Und Etwas zu Gottes gutem Schaffen dazu. Darin aber sind sie eindeutig. So wie jedes Kippbild aus ein- und denselben Federstrichen besteht.

 

Jesus steht einmal umgeben von sieben siebenarmigen Tempelleuchten, ein anderes Mal hängt er inmitten von zwei Verbrechern, kriminellen Leuchten sozusagen.

 

Die eine eindeutige Wahrheit über menschliche Not lautet: Menschen hängen zwischen den Seilen. Erdrückt von Unrecht und Gewalt, die ihnen angetan werden. Offen oder verdeckt. Manchmal bewegen sich Unrecht und Gewalt in die Mitte von Menschen. Dann üben diese selbst Unrecht und Gewalt aus, offen oder verdeckt.     

 

Die andere eindeutige Wahrheit über Gottes gutem Schaffen dabei heißt: Gerade in dieser Not, in diesem Leid, ist Gott in Jesus mitten drin. Gottlos scheint das nur nach außen. Gottlos ist manches Tun und Treiben der Menschen. Dank Gott bleibt die Lage ist nicht gottlos. Sondern Gott geht da rein. Bewegt sich da mitten drin, nimmt keinen Schaden, hilft da raus. Spricht Recht, schafft Vergebung.

 

Jesu Goldgurt ist eine Windel. In diesem Kippbild ist einerseits zu sehen: Der Mensch ist nackt vor Gott. Und andererseits: Gott wirkt verhüllt beim Menschen.

 

Die eine eindeutige Wahrheit lautet: Jeder Mensch steht nackt und wehrlos vor Gott. Der Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an. Das gilt nicht nur für die Armen und Schwachen. Auch für jeden, der für die Augen wie ein Kaiser wirkt. Das kennt man aus Andersens Märchen von den neuen Kleidern.

 

Die andere eindeutige Wahrheit heißt: Gott ist in Jesus verhüllt bei den Menschen. Eigentlich logisch nach dem Gesagten. Denn sein Prachtgürtel hat sich als Windel entpuppt. Sieht aus wie ´ne Windel, ist aber ein Zaubergürtel. Spätestens Weihnachten bezaubert er wieder.

 

Das gilt auch für Jesu Prachtgewand. Das verhüllt sich ja als zermarterter Brustkorb. Hier ist zu sehen, wie im Körper Schmerzen toben, sich abarbeiten. Wenn Menschen ausgelacht, nicht ernst genommen werden. Womöglich sogar beschimpft oder gemobbt, herum geschubst. Krank, verachtet, verloren, aussichtslos abgeurteilt. Vom Arzt, vom Lehrer, von der Justiz, vom Kollegen.

 

Die andere eindeutige Wahrheit im Kippbild heißt: Jedes Prachtgewand, jede neue Mode sieht sich schneller satt als Jesu zermarterter Körper. Ist weniger attraktiv, läuft sich schneller tot. Die Welt vergeht, Gott in Jesu Kreuz bleibt. Gläubige aller Zeiten sagen zu sich: Gott ist im Gekreuzigten lebendig. Jesu Kippbild ist Gottes Kreditzeichnung. Egal, wer einen mit Schuld überzieht! Hier gibt es garantiert einen Neustart. So unendlich groß ist Gottes Schaffen, so stark sein Mitleid für uns.

 

Jesu goldene Füße verhüllen sich als festgenagelt. Das soll motivieren, aktivieren. Sprich: Du liegst am Boden – weil etwas dich nieder gestreckt hat- von woher auch immer -. Du stehst wieder auf, trotz deiner Verwundung. Manchmal halt in Zeitlupe. Du machst weiter. Hältst dagegen. Wider deine Angst, wider deine Einfallslosigkeit, wider deine Scham- und Schuldgefühle. Jesu festgenagelter Fuß, ja, der kann einen unvermutet und sanft in den Hintern treten.

 

Jesu genagelte Goldfüße zeigen über Gottes Schaffen: Er hat in seinem Sohn nicht nur einen Standpunkt, sondern auch ein Spielbein. Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken. Und meine Wege sind nicht eure Wege. So spricht Gott, der Herr. Und stimmt ein neues Spiel an. Gott aktiviert sich selbst, um den Seinen neue Wege zu eröffnen. Gott passt sich uns an. Er verfährt nicht stur nach Schema F.  

 

Gott bestimmt auch der Menschen Sinne. Jesu schneeweißes Haupt und Angesicht ist zugleich das Haupt voll Blut und Wunden. Wer Jesu Antlitz am Kreuz vor Augen hat - dem bietet sich die beste Aussicht angesichts von Not und Unglück. Tote Augen, aus denen alsbald die lebendige Liebe Gottes blickt. Unheil bekommt keine Dauer, Unheil kippt in Wirklichkeit ins Heil.

 

Der verhüllte Gott macht sich in Jesus für die Sinne bemerkbar. Geht durch Mark und Bein. Verschwindend klein wirkt Gott in unserem großen Gehirn. Dabei überblickt nur er komplett die Lage. Und nicht wir selbst. Die Lage in mir. Die Lage in dir. Und auch die drum herum. Und macht das Beste draus.

 

Eine weitere Wahrheit, die einleuchtet: Manchmal bleiben Jesu Worte den Menschen verhüllt. Weißes Rauschen. Plätschern an ihnen vorüber. Wem beim Hören und Lesen das Verstehen eine Mühe ist, der winkt ab. Verbraucht seine Frustrationstoleranz lieber anders. Andere machen sich darüber lustig. Oder manche sind verstört. Und werden zu erbitterten Gegnern von Gott und den Gläubigen. Und wer weiß, wie es Ihnen heute mit dieser Predigt ergangen ist.

 

Wie dem auch sei: In Jesu Kippbildern ist zu sehen, was Sache ist. Leid und Not der Menschen und Gottes gutes Wirken darin. Sie bestimmen damit unser Leben und Lernen. Und so bekommt einer weniger mit der Angst zu tun. Und mehr mit dem Glauben. Amen.

 

Vier Fragen zur Predigtvorbereitung an OStR Markus Kreis: 

1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?

Mein innerer Hörer und meine Berufsschüler, von denen sehr viele Mangas als Comic oder Film angucken. Und die im Unterricht oft Bilder bezüglich ihrer Ein- oder Mehrdeutigkeit falsch einschätzen.

 

2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?

Der himmlische Jesus wird von Johannes beschrieben wie eine Superheldenfigur aus einem Comic oder Manga.


3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?

Die plastische Beschreibung des himmlischen, weil dorthin aufgefahrenen Jesus als unaufgebbares Komplement zum irdischen guten Menschen Jesus.


4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?

Elimination bzw Umarbeitung  von biografisch erworbenen Denk- und Ausdrucksmanierismen – u.a. Doppelungen, Auslassungen -, die das Verständnis auf Seiten der Hörer oder Leser hemmen.

 

 

Perikope
Datum 02.02.2020
Bibelbuch: Offenbarung
Kapitel / Verse: 1, 9-18