Fragen stellen sie, die Kinder, das haben wir erlebt, das erleben wir. Unerwartet fragt der 8jährige Sohn auf der Schiffspassage von Dänemark nach Kristiansund in Norwegen: “Was war eigentlich vor dem ´big bang´?, “Evolution - und was ist der Unterschied zwischen Tier und Mensch?”. Und der Enkel am Grab: “Wo ist die Oma jetzt?” Und der Vater und Opa - ihm wurde erzählt von den Komplikationen während der Schwangerschaft der Mutter mit ihm - er fragt sich: “Warum bin ich? Welcher Sinn?, Welche Bestimmung?“
Grundlegende Fragen sind es. Der Philosoph versucht zu klären: “Was kann ich wissen?, Was soll ich tun? Was darf ist hoffen?”. Es sind aber gerade existentielle Frage. In Jostein Gaarders “Sophies Welt” (1991) findet das Mädchen auf einem Zettel in ihrem Briefkasten die Frage: “Wer bin ich?”
Fragen erwarten Antworten. Ausweichen gilt nicht. Meist sind sie im Gespräch zu entwickeln. Auch vermögen sie bisweilen nur anzudeuten; sie kennen sogar - wie es heute heißt - eine Ambiguitätstoleranz, eben mehrere Möglichkeiten. Immer aber sollte der Gesprächspartner authentisch einbringen, was ihm wichtig ist, was ihm gilt. Die Patentsprüche “Gesundheit - höchstes Gut“, “Gut leben und schnell und leicht sterben“ oder die Totalantworten, naturalistischer, fundamentalistischer, relativistischer Couleur, trifft der Ideologieverdacht Von Menschen erdacht und gemacht schwimmen sie in den jeweiligen Trends oder repräsentieren verabsolutierte Geltungsansprüche.
Anders der Bibelabschnitt, der der Predigt am heutigen Sonntag “Trinitatis” zugrunde gelegt ist. Es geht um Sinn des Ganzen mit uns Menschen, um Anfang, Ende, Mitte. Dabei nimmt der Schüler des Apostel Paulus im Brief an die Gemeinde in Ephesus einen anderen Zugang als die erwähnten Antwortbemühungen, die Menschen zu machen und zu geben versuchen. Über menschliche Erklärungsanstrengungen hinaus geht es hier um eine andere Weise des Antwortens; sie zeugt von einem Verstehen aus der Tiefe des Einverständnisses “vor Gott“. Sie kennzeichnet ein Sprechen, weil angesprochen, ein Erkennen, weil erkannt u. zw. von Gott. Hier geht es um den persönlich bekannten Glauben im Erkennen, Anerkennen und Bekennen hier und heute.
Wir hören und lassen zu uns sprechen Eph 1, 3 - 14:
“Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus. Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten in der Liebe, er hat uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten. In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade, die er uns reichlich hat widerfahren lassen in aller Weisheit und Klugheit. Gott hat uns wissen lassen die Geheimnisse seines Willens nach seinem Ratschluss, den er zuvor in Christus gefasst hatte, um die Fülle der Zeiten herauszuführen, auf dass alles zusammengefasst würde in Christus, was im Himmel und auf Erden ist, durch ihn. In ihm sind wir auch zu Erben eingesetzt worden, die wir dazu vorherbestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt, nach dem Ratschluss seines Willens, damit wir zum Lob seiner Herrlichkeit leben, die wir zuvor auf Christus gehofft haben.”
1. Liebe Gemeinde, in diesem Bibelabschnitt zur Verkündigung des Evangeliums am Sonntag “Trinitatis” geht es um Sinn des Ganzen von Anfang, Ende und Mitte: die Liebe Gottes des Vaters, Sohnes und heiligen Geistes als leidenschaftliche Liebe zu uns und zu unserer Welt. Gottes Liebesgeschichte, verdichtet im Oster- und Passions-, im Pfingst- und Weihnachtsgeschehen erfährt an diesem Sonntag “Trinitatis” preisende, doxologische Antwort. Denn Gottes große Geschichte in Schöpfung, Erlösung und Neuschöpfung hat die persönlichen Geschichten von uns - wir berühren da Grenzaussagen - schon mitgenommen in seinen erwählenden Liebesratschluss. Hineingenommen sind wir und unsere Welt in das Geheimnis seines göttlichen Wollens und Handelns in Gottes Selbstoffenbarung “in Jesus Christus” als die “Fülle” alles umfassenden Heils. Nicht Schicksal, nicht Kismet. Bei dem notwendigen friedvollen Zusammenleben mit unseren muslimischen Mitbürgern zeigt sich hier die Differenz gelebten und bedachten Glaubens; bei der Taufe auf den Namen des dreieinen Gottes wird der Unterschied erfahren.
In preisender Rede ist auch unser Bibelabschnitt, die Ouvertüre des Epheserbriefes, gehalten. Der Schreiber rühmt den dreieinen Gott und die großen Taten Gottes im persönlichen und kosmischen Leben. Preisende Rede ist volltönend. Manchem klingt sie abgehoben von den bedrängenden Erfahrungen und den Problemen des Alltags: das tragische Leid, das schreiende Unrecht, das Seufzen in der Natur, die Macht der Sünde, des Bösen und des Todes mit ihren großen und kleinen Geschwistern, aus dem finsteren Herzen der Menschen geboren, mit dem Jammern und Klagen über Sorgen und Bedrängnis. Aber selbst da bricht Sehnsucht nach Sinn des Ganzen auf wie Frühjahrsblüten; Ahnung befreiender “Fülle” deutet sich an, den Vögeln gleich, die im Dunkel dem neuen Tag entgegenzwitschern; Hoffnung entbirgt sich im Durcheinander mit der Frage “Was ist die Bestimmung meines Lebens?”
Die preisende Rede unseres Bibelabschnitts wendet sich ganz Gott zu. Es ist der Lobpreis des dreieinen Gottes, der den Beter - wider alle Skepsis - hineinnimmt in Gottes Wirken als Schöpfer, Erlöser und Neuschöpfer. Wie Jesus Gott “Abba”, Vater, preist, so dürfen und sollen wir durch den heiligen Geist Gott “Vater” anrufen und preisen. In seinem eingeborenen Sohn, unserem erstgeborenem Bruder, hat Gott seine Liebe als Erlösung von der Macht der Sünde und des Todes “uns zugut” erschlossen und durch den heiligen Geist wird sie uns persönlich zugeeignet.
2. Hineingenommen, liebe Gemeinde, sind wir von Anfang an in den Liebesratschluss des dreieinen Gottes: ewig Geliebte und von Gott Erwählte, von Gott immer schon gekannt und anerkannt, Töchter und Söhne, Erben und Ebenbilder Gottes mit Freiheit begabt. Ihr seid, ihr seid nicht aus euch selbst, Gottes Gnade ist es. Hymnisch preist der Epheserbrief diese Verheißung. Und der Psalmist singt: “Deine Augen sahen mich, als ich noch nicht bereitet war. Und alle Tage waren in dein Buch geschrieben, die noch werden sollten und von denen keiner da war” Ps 139, 16).
Der dreieine Gott erschließt das Geheimnis seines Liebesratschlusses “in Jesus Christus“, u. zw. in der “am Kreuz geborenen Liebe des Kreuzes”, wie M. Luther in der “Heidelberger Disputation” sagt, an die vor genau 500 Jahren wir in diesen Tagen erinnert werden (1518). Hier zeigt Gott sein Ich hinter seinem Du; hier öffnet Gott sein “Herz” als der Liebende zur erneuten Gemeinschaft mit uns. Das bedeutet neues Leben im Sog des ewigen Lebens. Wir - wie die ganze Schöpfung - sind in dieses Heils- und Heilungsgeschehen hineingenommen. Antwort gebend darf gesungen werden: “Eh ich durch deine Hand gemacht, da hast Du schon bei Dir gedacht, wie Du mein solltest werden” (EG 37, 2).
Auch die Seufzer der gequälten Schöpfung werden da übertönt vom “Lobgesang des Alls”, der widerhallt im Vogelgezwitscher und sich widerspiegelt in der vom Segen durchfluteten Blüte und Frucht in der Pflanzen- und Tierwelt. Segnend schenkt der dreieine Gott seinen Segen, Heil und Wohl, tagtäglich neu “in Jesus Christus”.
“Gelobt sei Gott” (Eph 1, 3), “soli Deo gloria”:
“Alles”, Gemächte und Gewalten, Ideologien und Geltungsansprüche sind Jesus Christus unterstellt, die Fruchtbarkeitsgöttin Diana in Ephesus wie die modernen Idole “Gesundheit - höchstes Gut”, “Wellness - Höchstgenuss”. “Alles” ist in die Heilsgeschichte des dreieinen Gottes mit Anfang und Ende hineingenommen. Nicht unwirklich und abgehoben redet der Schreiber zu den Ephesern, sondern realistisch in Treue zur Erde mit ihren Diskrepanzen und dennoch schon erlöst und befreit, weil es keine Bereiche gibt “in denen wir nicht Jesus Christus, sondern anderen Herren zu eigen wären” (Barmer Theologischer Erklärung, These 2).
In Jesus Christus offenbart sich urbildlich Gottes Bestimmung der Menschen als Ebenbild Gottes. Immer schon erkannt und anerkannt sind sie, die “in Jesus Christus” ewig Geliebten, belobigt unser Bibelabschnitt. Vergewissert durch die Verheißung Gottes im heiligen Geist, dem Angeld der Hoffnung (2. Kor 1, 22), hoffen sie schon voraus den Sinn ihrer Bestimmung: die Erfüllung des Liebesratschlusses Gottes in einem Leben, das dem Willen Gottes entspricht, auf dass sie etwas seien zum Lob der Gnade Gottes, wie es da heißt.
3. Dieser Lobpreis des dreieinen Gottes und seiner Segnungen erklingt, liebe Gemeinde, am heutigen Sonntag “Trinitatis” wie an jedem Sonntag, der an den Tag der Auferstehung Jesu Christi erinnert, wie an jedem neuen Tag, den Gott uns gibt. Er erschallt im Händelchen “Halleluja” wie im sonntäglichen “Gloria“. Meditierendes Staunen in Natur und Kultur, wie vorreligiöses Ahnen von Gott öffnet sich für sein schaffendes, erlösendes und neuschaffendes Wirken hier und heute. Und auch tiefes Schweigen, Zagen und aufschreiendes Klagen ist auf ihn gerichtet.
Dass wir etwas seien zum Lob der Gnade und Herrlichkeit Gottes, erweist sich zudem im alltägliches Tun. Denn “es ist dir gesagt; Mensch, was gut ist und was Gottes Wille ist“ (Mi 6, 8): “Gottes Wort halten, Liebe üben und demütig sein vor Gott“, eben Gott über alle Dinge fürchten und lieben und deinem Nächsten Achtung und Liebe zeigen. In Gottes Liebesratschluss hineingenommen, wird empfangene Liebe weitergegeben: immer schon wertvoll durch den Mehrwert der Gnade Gottes, sind uns die nahen und fernen Nächsten der Liebe wert. Und als die, die den Sinn und das Ziel ihres Lebens voraushoffen, geben wir Rechenschaft von der Hoffnung, die uns verheißen ist: auf dass wir etwas seien zum Lob der Gnade und Herrlichkeit Gottes.
Liebe Gemeinde, macht die Botschaft des Epheserbriefes Sinn für unsere Fragen, die Fragen unserer Kinder und Enkel? Antwort möchte der Schreiber des Epheserbriefes geben zumindest als Angebot. Vielleicht aber geht uns auch auf, dass der Glaube etwas eröffnet, was wert ist, genauer wahrgenommen zu werden, sich darauf einzulassen, rückwärts zu verstehen und vorwärts zu leben.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne und euer Tun im Glauben an den dreieinen Gott. Amen.