Beten bei geöffneter Tür - Predigt zu Kolosser 4,2-4 von Katharina Wiefel-Jenner
4,2-4

Beten bei geöffneter Tür - Predigt zu Kolosser 4,2-4 von Katharina Wiefel-Jenner

Hört nicht auf zu beten. Bleibt dabei stets wachsam und voller Dankbarkeit! Betet gleichzeitig auch für uns, dass Gott uns eine Tür für das Wort öffnet. Dann können wir das Christusgeheimnis verkünden, für das ich in Haft bin! Betet auch, dass ich es anderen so enthüllen kann, wie mein Verkündigungsauftrag es erfordert.

 

Ihr Lieben,

Die Tür ist aufgeschlossen. Die Gesangbücher liegen bereit. Die Kerzen sind angezündet.

„Kommet zuhauf. Psalter und Harfe wach auf.“

Die Glocken läuten. Die Tür steht offen.

„Lobe den Herren.“

Wer wird heute Morgen durch die offene Tür hineinkommen? Wer wird heute Morgen singen?

Die Tür ist aufgeschlossen. Die Bibel ist aufgeschlagen. Christus wartet.

„Er ist erstanden. Halleluja!“

Auf uns muss Christus nicht mehr warten. Wir sind da. Wir sind durch die offene Tür hineingekommen. Wir haben uns einen Platz gesucht. Wir sind still stehen geblieben. Wir haben gebetet und uns hingesetzt. „Herr öffne mir die Herzenstür“.

Die Tür ist aufgeschlossen. Wir sind da. Christus ist da. „Zieh mein Herz durch dein Wort zu dir.“

Wir hören. Wir singen. Wir beten – und Christus hört. Wir singen. Wir beten. Wir hören – und Christus spricht zu uns. Er erinnert uns daran, wie es war und wie es ist. Er war tot und ist lebendig. Er hat gelitten. Er wurde gequält, hatte Schmerzen – und er hat den Tod überwunden. Er hat geweint, war durstig. Er wurde verleumdet, bespuckt und gefoltert. Er ist am Kreuz gestorben – und er hat den Tod besiegt.

„Auf, auf mein Herz mit Freuden.“

Christus spricht zu uns. „Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig“. Heute wiederholt Christus für uns, was die Generationen zuvor schon von ihm hörten. Wort für Wort wiederholt er, was unsere Mütter und unsere Väter schon von ihm gehört haben. Heute spricht er zu uns: Der Tod wird nicht mehr sein. Leid und Geschrei und Schmerz werden nicht mehr sein. Die Lügner werden erschrecken. Die elenden Kriegstreiber werden verstummen. Die Warlords werden keine Waffen mehr kaufen. Die Sklavenhalter werden ihre Macht verlieren. Die Kinder werden nicht mehr gekrümmt. Die Frauen nicht mehr vergewaltigt. Die Gefangenen werden befreit. Die Schöpfung wird aufatmen. Endlich! Kein Tier wird mehr für uns geopfert, kein Baum für uns gefällt. Kein Sturm wird wüten. Keine Flut wird den Tod bringen. Christus war tot, und siehe, er ist lebendig.

Die Tür ist aufgeschlossen und Christus spricht. Er erinnert uns daran, wie es war und wie es ist. Er war tot, und siehe, er ist lebendig. Er sieht uns ins Herz. Er trifft uns, wo wir schuldig werden. Er vergibt, wo wir uns verfehlen. Er geht mit uns in die Dunkelheit, fühlt die Angst, die uns den Atem abschnürt. Er erträgt uns in unserer Not. Er trägt uns.

„Ich hang und bleib auch hangen, an Christus als ein Glied; wo mein Haupt durch ist gangen, da nimmt er mich auch mit.“

Die Tür ist aufgeschlossen. Die Kerzen brennen. Die Bibel ist aufgeschlagen. Wir sitzen hier. Wir singen und beten. Wir hören Christus, wie er spricht: „Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.“

„Jesus lebt, mit ihm auch ich.“

Mein Gott, wie wunderbar! Wir sitzen hier. Christus spricht und die Fragen verstummen. Das Wunder des Glaubens ist fraglos. Das Geheimnis des Glaubens ist groß. Das Christusgeheimnis ist wunderbar. Wir könnten ewig zuhören. Ewig sitzenbleiben. Ewig singen.

Doch wir werden wohl nicht ewig zuhören, obwohl das Christusgeheimnis wunderbar ist. Wir werden wohl nicht ewig hier sitzen, obwohl das Evangelium den Nerv trifft. Wir werden wohl nicht ewig weitersingen, obwohl die Melodie das Herz hüpfen lässt.

Wir werden nur noch eine oder zwei Strophen singen. Wir werden nur noch kurz beten, aufstehen und wieder unserer Wege gehen. Die Kerzen werden gelöscht. Die Bibel zugeschlagen. Die Tür geschlossen. Die Worte (und das Mahl) werden als Wegzehrung noch ein Weilchen vorhalten. Das war es dann für diesen Sonntag?

„Lass mich dein Wort bewahren rein.“

War es das wirklich? Wenn die Kirchentür fest verriegelt wird und niemand vor dem nächsten Sonntag beim Evangelium vorbeischaut, was es das. Wenn die Herzenstür zugesperrt wird, und erst am nächsten oder übernächsten Sonntag aufgeschlossen wird, war es das. Wenn der Gesang verstummt und niemand sich vor dem nächsten Sonntag an die Melodie erinnert, dann war es das.

Aber, nein! Das wird nicht passieren. Das Christusgeheimnis ist zu kostbar. Das Geheimnis des Glaubens ist zu groß. Es wird nicht nur am Sonntag bei uns ein Zuhause haben. Es wird nicht im Sonntag eingesperrt werden und nur für die eine Stunde am Morgen herausgeholt, ein bisschen entstaubt und neben die angezündeten Kerzen gestellt werden. Es ist zu schön, um nur am Sonntag besungen zu werden. Es ist zu groß, um nur hier neben der aufgeschlagenen Bibel abzuwarten, bis wir am nächsten Sonntag wieder vorbeikommen.

Es ist zu wichtig, um zwischen den Sonntagen vergessen zu werden.

„Dein Wort, o Herr, lass allweg sein die Leuchte unsern Füßen.“

Aber was werden wir machen, wenn doch die Kerzen gelöscht, die Bibel zugeschlagen, die Orgel ausgeschaltet und die Tür abgeschlossen wird? Das Christusgeheimnis braucht doch in der Woche auch einen Platz!

„Singen wir heut mit einem Mund.“

Wir nehmen das Christusgeheimnis mit durch die offene Tür. Wir tragen das Geheimnis des Glaubens in die Woche hinein. Wir singen, wir beten, wir bleiben wachsam. Wenn die Kirchentür abgeschlossen ist, beten wir zuhause weiter. Immer und immer wieder. Wenn die Kerzen gelöscht sind, kommt das Christusgeheimnis mit und wir beten. Wenn die Nachrichten von der Gewalt der Warlords berichten, bitten wir, dass uns der Friede Christi durchdringt und verwandelt. Wenn die Gesangbücher in der Kirche geblieben sind, kommt das Christusgeheimnis mit und wir singen auf der Straße vom Frieden in den Hütten. Wenn die Bibel auf dem Lesepult geblieben ist, kommt das Christusgeheimnis mit auf den Weg und wir beten um den Geist der Wahrheit. Wenn der Kelch abgeräumt ist, nehmen wir das Glück mit in unser Haus und beten, dass Gerechtigkeit in unser Haus, ins Nachbarhaus und bei allen Völkern einzieht. Wenn Unruhe und Streit die Erde erschüttern, erinnern wir uns an das Geheimnis des Glaubens: Christus war tot, und siehe er ist lebendig. Wir bleiben wachsam. Wir beten: „Beweis dein Macht, Herr Jesu Christ.“ Wir beten und erleben die großen Wunder Gottes.

Was werden wir machen, wenn doch die Kerzen gelöscht, die Bibel zugeklappt, die Orgel ausgeschaltet und die Tür abgeschlossen wird? Wir nehmen das Christusgeheimnis mit durch die offene Tür – wir beten solange bis alle Türen für Christus geöffnet sind und sich niemals wieder schließen.

„Auf und macht die Herzen weit!“

Amen.