Beten verändert den Menschen, Lukas 11, 5-13, Thomas Volk
11,5
Beten verändert den Menschen
Liebe Gemeinde,
was ändert schon mein Gebet?
Viele fragen sich so. Diejenigen, die lange etwas erhoffen, und immer noch warten. Und die, bei denen von heute auf morgen etwas ganz anders gekommen ist und sich so sehr wünschen, dass man wieder auf die richtige Spur kommt.
Das heutige Bibelwort aus dem Lukasevangelium geht diesen Fragen nach. Wie ist das mit dem Beten? Vor allem dann, wenn ich das Gefühl habe, dass meine Rufe ins Leere gehen. Oder wenn ich in die Nacht hinausschreie und nicht einmal ein Hall zu mir zurückkommt.
Hören Sie aus dem 11. Kapitel, die Verse 5-13:
Und er sprach zu ihnen: Wenn jemand unter euch einen Freund hat und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leih mir drei Brote;
denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann,
und der drinnen würde antworten und sprechen: Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben.
Ich sage euch: Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, dann wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, soviel er bedarf.
Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.
Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.
Wo ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn, wenn der ihn um einen Fisch bittet, eine Schlange für den Fisch biete?
Oder der ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion dafür biete?
Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben geben könnt, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!
Dieser Abschnitt enthält ein geläufiges Missverständnis.
Aber er zeigt auch einen Weg, wie man aus aller falschen Deutung wieder herauskommt.
Das Missverständnis lautet: „Wenn ich nur lange genug bete, dann muss doch irgendwann einmal eintreffen, worum ich gebeten habe.“
Wenn ich nur lange genug aushalte, dann muss ich doch einmal wieder gesund werden. Oder den einen Menschen treffen, der zu mir passt. Oder das Licht am Ende des Tunnels sehen endlich können und spüren dürfen, wie es immer heller und klarer wird.
Aber wenn dann doch alles so bleibt, wie es ist?
„Ich habe so lange gebetet“, sagte jemand, dessen Frau vor einem Jahr aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen ist. „Ich habe so sehr gehofft und gewünscht, dass sie wieder zurück kommt und alles gut wird. Jetzt habe ich den Glauben aufgegeben, dass meine Gebete zu irgendetwas gut gewesen sein sollen.“
Allzu verständlich, dass die Unzufriedenheit enorm ist, wenn alle Bitten unerfüllt bleiben. Wenn man sich so sehr eine Änderung der momentanen Lage gewünscht hat, aber alles beim Altenbleibt. Wenn aller Stillstand anhält und man sich dabei doch so sehr gesehnt hat, dass wieder Bewegung und neuert Schwung in das Leben kommt und alles Grau verschwindet.
Die einen wenden sich mutlos ab und sagen: „Ich habe es doch gleich gewusst, dass das Beten nur ein frommes Gerede ist.“
Und die anderen, die immer noch festhalten und harren, sich zergrübeln, suchen die Ursache bei sich selbst: „Warum löst sich diese eine Sache nicht auf?“ Habe ich was falsch gemacht? Will Gott mir nicht helfen, weil da immer noch diese eine Sache im Raum steht?“
Die Enttäuschung wird wohl immer bleiben, wenn man das Bitten wie bei kleinen Kindern als eine Wunscherfüllung versteht.
Auch manche Art von „Gebetsgottesdiensten“ oder „Gebetsnächten“ haben zu sehr den Eindruck aufrechtgehalten, als würde es sich beim Beten doch irgendwie um einen automatischen Mechanismus handeln, der irgendwann, wenn ich nur ausdauernd und ehrlich genug daran festgehalten habe, doch in Gang kommen müsste.
Und wenn jemand dann doch vergeblich gehofft hat und dann doch nicht gesund geworden ist, dann ist die Ratlosigkeit groß. Und Gott immer in Erklärungsnot.
Man kann allemal einwenden und sagen: Der heutige Bibelabschnitt aus dem Lukasevangelium hält doch gerade die Vorstellung aufrecht, dass beharrliches Bitten und anhaltendes Drängens doch irgendwann zum Ziel kommen. So wie bei dem einen, der nachts an die Türe klopft und dringend drei Brote braucht, weil er selbst Besuch bekommen hat und seinem Gast unbedingt etwas anbieten möchte. Und ihm ist es auch egal, wenn durch sein Hämmern die Kinder aufwachen, die vielleicht gerade eben erst eingeschlafen sind und wenn auch noch die Hunde anfangen zu bellen und die ganze Nachbarschaft aufschrecken.
Es stimmt wirklich, dass dieser Abschnitt alle Erwartungen aufrecht halten möchte. Es ist auch richtig, dass Gott das Gebet der Bittenden erhört (vgl. V.8) und dass das Beten wirklich etwas ändert. Aber nicht unbedingt eine Sache, die sich so und nicht anders sich einstellen müsste. Sondern mich. Das Beten will mich verändern. Meine Einstellung. Mein Denken. Meine Blickrichtung.
Lukas sagt das am Ende seines Abschnitts so. Kein aufrichtiger Vater würde seinem Sohn, wenn der ihn um einen Fisch bittet, eine Schlange bieten? Oder einen Skorpion für ein Ei? Wenn ihr „euren Kindern gute Gaben geben könnt, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!“ (V.13).
Das ist der eigentliche Ertrag des Betens. Die Gabe von Gottes Geist. Der kann bewirken, dass wir zu einer neuen Sichtweise gelangen und umfassender sehen können. Nicht immer nur in die eine Blickrichtung schielen. Krampfhaft an der einen Möglichkeit festhalten.
Gott weiß, wie schnell große Träume zerplatzen können. Wie leicht Wichtiges, was wir uns so fest vorgenommen haben, zerbrechen kann. Und wie rasch Sicheres uns aus den Händen entgleiten kann, was wir schon ganz sicher gemeint haben, dass es uns gehört. Aber es ist Gottes großes Anliegen, dass wir nicht in eine endlose Krise verfallen, wenn etwas in unserem Leben geschieht, was sich niemand ausgedacht und keiner auf der Rechnung hatte.
Und weil es beim Beten nicht um ein Wegzaubern von Krankheiten oder Zuständen geht, die für uns schwer erträglich sind, deshalb soll unsere Sicht viel weiter, viel tiefer gehen.
Eine solche Sicht kann uns „Gottes Geist“ schenken, damit wir uns unter veränderten Vorzeichen neu einfinden können. Und wenn sich etwas nicht so einstellt, wie wir uns das sehnlich erhoffen, wir nicht an einen Punkt zu kommen, an dem wir enttäuscht feststellen müssen: „Jetzt ist alles aus und vorbei.“
Unter diesem Hintergrund darf man die Verheißung: „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan“ (V.9) ganz neu hören.
„Bittet, so wird euch gegeben!“
Du darfst mit dem Mut rechnen, der wichtig und nötig ist, ganz neue und andere Schritte zu wagen. Oder mit der Zuversicht rechnen, mit der man nicht einfach aufgibt und alles hinwirft, sondern weiter gegen diesen einen unerträglichen Zustand angehen kann.
„Suchet, so werdet ihr finden!“
Vielleicht muss man woanders suchen. Nicht mehr auf die eine Sache, auf die eine Person, auf die so liebgewonnene Gewohnheit fixiert sein Man kann auch unter geänderten Vorzeichen neue Wege entdecken.
„Klopfet an, so wird euch aufgetan!“
Vielleicht wird diese eine Türe für immer geschlossen bleiben. Vielleicht bekommt man gerade diese Chance nie mehr. Und vielleicht lässt die Gesundheit diese eine liebgewonnene Gewohnheit nicht mehr zu. Aber es gibt auch andere Türen, die sich auftun und neue Aussichten, die sich eröffnen.
Die Bitte um den Heiligen Geist und damit die Bitte um das Wahrnehmen von neuen und ganz anderen Möglichkeiten ist die eigentliche Mitte des Gebets.
Eine Hilfe, neue Wege zu entdecken, sind für mich die „Perlen des Glaubens“ des schwedischen Bischofs Martin Lönnebo. Im Spätsommer 1995 war er im Urlaub in Griechenland. Ein plötzlich einsetzender Sturm zwang ihn und andere Passagiere auf einem Fischerboot den Hafen einer kleinen Insel anzusteuern. Dort verbrachte er gezwungener Maßen einige Tage. Beim Beobachten der griechischen Fischer mit ihren Perlenketten ist er auf die Idee gekommen .Er zeichnete einen „Rettungsring“ aus Perlen auf das Papier und gab jeder Perle eine besondere Bedeutung. Zu Hause, in Schweden, stellte er ein solches Perlenband her und nahm dieses als Hilfe zum Beten.
18 Perlen reihen sich an einem Band aneinander. Jede Perle hat ihren Namen und ihren bestimmten Platz. Da gibt es die Tauf- und die Ich-Perle, die zwei roten Perlen der Liebe, drei Geheimnisperlen, eine Wüstenperle, die schwarze Perle der Nacht oder die blaue Perle der Gelassenheit.
Dieses Perlenband ist eine Hilfe zum Beten. Sie helfen, sich nicht nur auf diese eine Sichtweise festzulegen, sondern damit zu rechnen, dass Gottes Möglichkeiten immer umfassender sind, als ich sie gerade für mich ausmache. Mal brauche ich die „Perle der Gelassenheit“, wenn ich mir zu viele Sorgen mache und meine, alles so und nicht anders machen zu müssen. Oder ein anderes Mal die „Perle der Auferstehung“, die nach der Perle der Nacht“ kommt und mir anzeigt, dass dieses eine Ende auch ein neuer Anfang sein kann. Man darf gespannt sein, zu welcher Perle man durch Gottes Geist hingeführt wird und welche Aussichten sich gerade damit auftun.
Ob Perlenarmband oder Gebete aus dem Schatz der Christentumsgeschichte, ob selbst formulierte Bitten oder Liedverse aus dem Gesangbuch, wichtig ist alleine, dass das Beten etwas mit mir tut und dass etwas in mir in Bewegung kommt, meine Blickrichtung ändert oder mir zu einer neuen Sicht der Dinge verhilft.
Der heutige Sonntag Rogate ermuntert uns mit allem, was uns bewegt, zu Gott kommen. Ihm erzählen, wie es uns geht. Ihm anvertrauen, was uns umtreibt. Aber auch mit seinem Geist und damit mit seinen Möglichkeiten in unserem Leben rechnen, die uns helfen, dass wir uns ändern können und unter veränderten Vorzeichen immer wieder neue Wege ausloten können.
Und die Weite Gottes, die umfassender und höher und tiefer ist als alles menschliche Verstehen, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Liebe Gemeinde,
was ändert schon mein Gebet?
Viele fragen sich so. Diejenigen, die lange etwas erhoffen, und immer noch warten. Und die, bei denen von heute auf morgen etwas ganz anders gekommen ist und sich so sehr wünschen, dass man wieder auf die richtige Spur kommt.
Das heutige Bibelwort aus dem Lukasevangelium geht diesen Fragen nach. Wie ist das mit dem Beten? Vor allem dann, wenn ich das Gefühl habe, dass meine Rufe ins Leere gehen. Oder wenn ich in die Nacht hinausschreie und nicht einmal ein Hall zu mir zurückkommt.
Hören Sie aus dem 11. Kapitel, die Verse 5-13:
Und er sprach zu ihnen: Wenn jemand unter euch einen Freund hat und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leih mir drei Brote;
denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann,
und der drinnen würde antworten und sprechen: Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben.
Ich sage euch: Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, dann wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, soviel er bedarf.
Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.
Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.
Wo ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn, wenn der ihn um einen Fisch bittet, eine Schlange für den Fisch biete?
Oder der ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion dafür biete?
Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben geben könnt, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!
Dieser Abschnitt enthält ein geläufiges Missverständnis.
Aber er zeigt auch einen Weg, wie man aus aller falschen Deutung wieder herauskommt.
Das Missverständnis lautet: „Wenn ich nur lange genug bete, dann muss doch irgendwann einmal eintreffen, worum ich gebeten habe.“
Wenn ich nur lange genug aushalte, dann muss ich doch einmal wieder gesund werden. Oder den einen Menschen treffen, der zu mir passt. Oder das Licht am Ende des Tunnels sehen endlich können und spüren dürfen, wie es immer heller und klarer wird.
Aber wenn dann doch alles so bleibt, wie es ist?
„Ich habe so lange gebetet“, sagte jemand, dessen Frau vor einem Jahr aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen ist. „Ich habe so sehr gehofft und gewünscht, dass sie wieder zurück kommt und alles gut wird. Jetzt habe ich den Glauben aufgegeben, dass meine Gebete zu irgendetwas gut gewesen sein sollen.“
Allzu verständlich, dass die Unzufriedenheit enorm ist, wenn alle Bitten unerfüllt bleiben. Wenn man sich so sehr eine Änderung der momentanen Lage gewünscht hat, aber alles beim Altenbleibt. Wenn aller Stillstand anhält und man sich dabei doch so sehr gesehnt hat, dass wieder Bewegung und neuert Schwung in das Leben kommt und alles Grau verschwindet.
Die einen wenden sich mutlos ab und sagen: „Ich habe es doch gleich gewusst, dass das Beten nur ein frommes Gerede ist.“
Und die anderen, die immer noch festhalten und harren, sich zergrübeln, suchen die Ursache bei sich selbst: „Warum löst sich diese eine Sache nicht auf?“ Habe ich was falsch gemacht? Will Gott mir nicht helfen, weil da immer noch diese eine Sache im Raum steht?“
Die Enttäuschung wird wohl immer bleiben, wenn man das Bitten wie bei kleinen Kindern als eine Wunscherfüllung versteht.
Auch manche Art von „Gebetsgottesdiensten“ oder „Gebetsnächten“ haben zu sehr den Eindruck aufrechtgehalten, als würde es sich beim Beten doch irgendwie um einen automatischen Mechanismus handeln, der irgendwann, wenn ich nur ausdauernd und ehrlich genug daran festgehalten habe, doch in Gang kommen müsste.
Und wenn jemand dann doch vergeblich gehofft hat und dann doch nicht gesund geworden ist, dann ist die Ratlosigkeit groß. Und Gott immer in Erklärungsnot.
Man kann allemal einwenden und sagen: Der heutige Bibelabschnitt aus dem Lukasevangelium hält doch gerade die Vorstellung aufrecht, dass beharrliches Bitten und anhaltendes Drängens doch irgendwann zum Ziel kommen. So wie bei dem einen, der nachts an die Türe klopft und dringend drei Brote braucht, weil er selbst Besuch bekommen hat und seinem Gast unbedingt etwas anbieten möchte. Und ihm ist es auch egal, wenn durch sein Hämmern die Kinder aufwachen, die vielleicht gerade eben erst eingeschlafen sind und wenn auch noch die Hunde anfangen zu bellen und die ganze Nachbarschaft aufschrecken.
Es stimmt wirklich, dass dieser Abschnitt alle Erwartungen aufrecht halten möchte. Es ist auch richtig, dass Gott das Gebet der Bittenden erhört (vgl. V.8) und dass das Beten wirklich etwas ändert. Aber nicht unbedingt eine Sache, die sich so und nicht anders sich einstellen müsste. Sondern mich. Das Beten will mich verändern. Meine Einstellung. Mein Denken. Meine Blickrichtung.
Lukas sagt das am Ende seines Abschnitts so. Kein aufrichtiger Vater würde seinem Sohn, wenn der ihn um einen Fisch bittet, eine Schlange bieten? Oder einen Skorpion für ein Ei? Wenn ihr „euren Kindern gute Gaben geben könnt, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!“ (V.13).
Das ist der eigentliche Ertrag des Betens. Die Gabe von Gottes Geist. Der kann bewirken, dass wir zu einer neuen Sichtweise gelangen und umfassender sehen können. Nicht immer nur in die eine Blickrichtung schielen. Krampfhaft an der einen Möglichkeit festhalten.
Gott weiß, wie schnell große Träume zerplatzen können. Wie leicht Wichtiges, was wir uns so fest vorgenommen haben, zerbrechen kann. Und wie rasch Sicheres uns aus den Händen entgleiten kann, was wir schon ganz sicher gemeint haben, dass es uns gehört. Aber es ist Gottes großes Anliegen, dass wir nicht in eine endlose Krise verfallen, wenn etwas in unserem Leben geschieht, was sich niemand ausgedacht und keiner auf der Rechnung hatte.
Und weil es beim Beten nicht um ein Wegzaubern von Krankheiten oder Zuständen geht, die für uns schwer erträglich sind, deshalb soll unsere Sicht viel weiter, viel tiefer gehen.
Eine solche Sicht kann uns „Gottes Geist“ schenken, damit wir uns unter veränderten Vorzeichen neu einfinden können. Und wenn sich etwas nicht so einstellt, wie wir uns das sehnlich erhoffen, wir nicht an einen Punkt zu kommen, an dem wir enttäuscht feststellen müssen: „Jetzt ist alles aus und vorbei.“
Unter diesem Hintergrund darf man die Verheißung: „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan“ (V.9) ganz neu hören.
„Bittet, so wird euch gegeben!“
Du darfst mit dem Mut rechnen, der wichtig und nötig ist, ganz neue und andere Schritte zu wagen. Oder mit der Zuversicht rechnen, mit der man nicht einfach aufgibt und alles hinwirft, sondern weiter gegen diesen einen unerträglichen Zustand angehen kann.
„Suchet, so werdet ihr finden!“
Vielleicht muss man woanders suchen. Nicht mehr auf die eine Sache, auf die eine Person, auf die so liebgewonnene Gewohnheit fixiert sein Man kann auch unter geänderten Vorzeichen neue Wege entdecken.
„Klopfet an, so wird euch aufgetan!“
Vielleicht wird diese eine Türe für immer geschlossen bleiben. Vielleicht bekommt man gerade diese Chance nie mehr. Und vielleicht lässt die Gesundheit diese eine liebgewonnene Gewohnheit nicht mehr zu. Aber es gibt auch andere Türen, die sich auftun und neue Aussichten, die sich eröffnen.
Die Bitte um den Heiligen Geist und damit die Bitte um das Wahrnehmen von neuen und ganz anderen Möglichkeiten ist die eigentliche Mitte des Gebets.
Eine Hilfe, neue Wege zu entdecken, sind für mich die „Perlen des Glaubens“ des schwedischen Bischofs Martin Lönnebo. Im Spätsommer 1995 war er im Urlaub in Griechenland. Ein plötzlich einsetzender Sturm zwang ihn und andere Passagiere auf einem Fischerboot den Hafen einer kleinen Insel anzusteuern. Dort verbrachte er gezwungener Maßen einige Tage. Beim Beobachten der griechischen Fischer mit ihren Perlenketten ist er auf die Idee gekommen .Er zeichnete einen „Rettungsring“ aus Perlen auf das Papier und gab jeder Perle eine besondere Bedeutung. Zu Hause, in Schweden, stellte er ein solches Perlenband her und nahm dieses als Hilfe zum Beten.
18 Perlen reihen sich an einem Band aneinander. Jede Perle hat ihren Namen und ihren bestimmten Platz. Da gibt es die Tauf- und die Ich-Perle, die zwei roten Perlen der Liebe, drei Geheimnisperlen, eine Wüstenperle, die schwarze Perle der Nacht oder die blaue Perle der Gelassenheit.
Dieses Perlenband ist eine Hilfe zum Beten. Sie helfen, sich nicht nur auf diese eine Sichtweise festzulegen, sondern damit zu rechnen, dass Gottes Möglichkeiten immer umfassender sind, als ich sie gerade für mich ausmache. Mal brauche ich die „Perle der Gelassenheit“, wenn ich mir zu viele Sorgen mache und meine, alles so und nicht anders machen zu müssen. Oder ein anderes Mal die „Perle der Auferstehung“, die nach der Perle der Nacht“ kommt und mir anzeigt, dass dieses eine Ende auch ein neuer Anfang sein kann. Man darf gespannt sein, zu welcher Perle man durch Gottes Geist hingeführt wird und welche Aussichten sich gerade damit auftun.
Ob Perlenarmband oder Gebete aus dem Schatz der Christentumsgeschichte, ob selbst formulierte Bitten oder Liedverse aus dem Gesangbuch, wichtig ist alleine, dass das Beten etwas mit mir tut und dass etwas in mir in Bewegung kommt, meine Blickrichtung ändert oder mir zu einer neuen Sicht der Dinge verhilft.
Der heutige Sonntag Rogate ermuntert uns mit allem, was uns bewegt, zu Gott kommen. Ihm erzählen, wie es uns geht. Ihm anvertrauen, was uns umtreibt. Aber auch mit seinem Geist und damit mit seinen Möglichkeiten in unserem Leben rechnen, die uns helfen, dass wir uns ändern können und unter veränderten Vorzeichen immer wieder neue Wege ausloten können.
Und die Weite Gottes, die umfassender und höher und tiefer ist als alles menschliche Verstehen, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Perikope