Betet für uns - Predigt zu 2. Thessalonicher 3,1-5 von Kathrin Nothacker
3,1-5

Betet für uns - Predigt zu 2. Thessalonicher 3,1-5 von Kathrin Nothacker

Betet für uns

2. Thess 3, 1-5    
Weiter, liebe Brüder, betet für uns, dass das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde wie bei
euch und dass wir erlöst werden von den falschen und bösen Menschen; denn der Glaube ist nicht jedermanns Ding.
Aber der Herr ist treu; der wird euch stärken und bewahren vor dem Bösen. Wir haben aber das Vertrauen zu euch in dem Herrn, dass ihr tut und tun werdet, was wir gebieten.
Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf die Geduld Christi.

Liebe Gemeinde,

das Gebet ist seit der Fußballweltmeisterschaft wieder ins Bewusstsein von Millionen gerückt. Es war frappierend zu beobachten, wie viele Fußballspieler, vor allem die südamerikanischen, mit Gebetsgesten und –haltungen einer breiten und weiten Weltöffentlichkeit gezeigt haben, wie sehr Ihnen die Verbindung zu Gott im Gebet vor und nach dem Spiel oder auch während des Spiels wichtig und substantiell ist. Wir wissen nicht, was die Spieler gebetet haben, wofür sie ihre Stoßgebete zum Himmel gerichtet haben, ob für sich selbst, für andere, für den eigenen Sieg im Spiel oder wofür auch immer.  Wesentlich erscheint mir an dieser Beobachtung, dass das Gebet eine große Bedeutung im Leben vieler
Spieler hat.

„Betet für uns“, damit beginnt auch der Apostel Paulus seinen Briefabschnitt an die junge Gemeinde in Thessalonich, die er zusammen mit Silvanus und Timotheus gegründet hat. Die Apostel selbst leben schon nicht mehr in der Gemeinde, sondern mussten weiterziehen, weil man sie als Unruhestifter angesehen und wohl auch zum Weiterziehen gezwungen hat.
Aber das Füreinander-Beten ist die Brücke zwischen den abwesenden Aposteln und der Gemeinde und scheint also etwas zu sein, was die christliche Gemeinde schon in ihren Anfängen auszeichnete und ganz existentiell war.

Wir nehmen anderes wahr: Aus unseren Familien und häuslichen Kontexten ist das Gebet schon fast verschwunden. Am Tisch wird kaum noch gebetet und das Gute-Nacht-Gebet mit den Kindern ist vielen Eltern nicht mehr vertraut.
Umso mehr erstaunt es, dass in vielen unserer Kirchen Gebetswände stehen, an die Menschen, die die Kirchen besuchen, ihre persönlichen Gebete heften können. Diese Wände sind immer voller Zettel beschrieben mit den unterschiedlichsten Bitten und Fürbitten, formuliert von Kindern und Erwachsenen, von Kirchennahen und Fernstehenden. Vielerorts stehen inzwischen auch Kerzenleuchter, die dazu einladen, eine Kerze zu entzünden und dabei in der Fürbitte an einen Menschen zu denken.
Offensichtlich ist dabei, dass das Gebet zu Gott in Bitte und Fürbitte doch nur scheinbar aus unserem Alltag verschwunden ist. Tief in den Menschen drin lebt es und kommt immer wieder einmal spontan zum Ausdruck, ob an einer Gebetswand oder im Fußballstadion.

„Betet für uns“, so beginnt die Bitte des Apostels an die christlichen Brüder und Schwestern in Thessalonich. Diese Bitte bleibt nicht allgemein, sondern wird sehr konkret, wenn sie weitergeführt wird:
„Betet für uns, dass das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde und dass wir erlöst werden von den verkehrten und argen Menschen.“
Mir sind vor allem bei diesen letzten Worten spontan die Christen im Irak eingefallen, über deren Schicksal wir immer wieder erfahren, wenn auch nur punktuell und wie zufällig aufblitzend im Getümmel des Weltgeschehens. Wie wohl in keinem anderen Land in der Welt sind die Christen im Irak in einer ganz besonders bedrängten Situation, vor allem seit die Isis-Terroristen den kompletten Norden des Landes erobert und mit Terror überzogen haben. Menschen, vor allem solche anderen Glaubens werden gnadenlos verfolgt und ermordet. Die Christen fliehen in Scharen, weil sie ihres Lebens nicht mehr sicher sind und schon so viele dem Terror zum Opfer fielen. Es gibt nur noch ganz wenige Orte, an denen sie sich versammeln können. Und dort bleibt ihnen in der Tat nur das Gebet. Ihr Gebet wird nicht zuerst um die Ausbreitung des Evangeliums kreisen, sondern vor allem anderen die Erlösung von dem Bösen herbeiflehen.  Das Gebet ist ein letzter Hoffnungsort für die geschundenen und verfolgten christlichen Brüder und Schwestern im Irak.

Das Thema des heutigen Sonntags ist die Nachfolge. Wie schwer das ist, dem Glauben treu zu bleiben und trotz großer Bedrängnis an Christus festzuhalten, wird uns am Beispiel der Christen im Irak ungeheuer drastisch vor Augen geführt. Sie brauchen unsere Fürbitte, sie brauchen unser Gebet, sie brauchen unsere Gemeinschaft, damit in allem Elend und aller Not nicht auch ihre Hoffnung stirbt.
Menschen in der Nachfolge Christi, so verstehe ich die Worte des Apostels, sollen eine Gebetsgemeinschaft sein, in der miteinander und füreinander gebetet wird über alle Grenzen hinweg. Und in dieser Gebetsgemeinschaft, unter Menschen, die dem Gebet eine Kraft und Macht zutrauen, kann der Glaube – vielleicht nicht Berge – aber doch in einen Raum der Hoffnung versetzen.

Von der Situation der Christen im Irak herkommend ist es schwer, die Situation und Realität von uns Christen hier zu bedenken. Und doch hilft uns das Predigtwort dazu. Der Apostel bittet nicht nur darum, vor dem Bösen oder den bösen Menschen bewahrt und erlöst zu werden. Sondern er bittet auch um die Ausbreitung des Evangeliums: „dass das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde.“
Dieses ist nun wirklich etwas, was uns auch in unseren (württembergischen) Gemeinden beschäftigt. Wie schaffen wir das, dass das Evangelium wieder und neu unter die Menschen gebracht wird und wie stemmen wir uns einem scheinbar übermächtigen Trend der Entkirchlichung und der Glaubensindifferenz entgegen? Das beschäftigt uns und macht uns nicht selten ratlos.
Die jüngste Untersuchung zur Kirchenmitgliedschaft bringt dies auch zum Ausdruck, dass es immer mehr Menschen gibt, die zwar noch zu unserer Kirche gehören, aber nicht mehr wissen warum; und die das, was uns Christenmenschen prägt und trägt, nicht mehr kennen und verstehen. Es ist ein schwacher Trost, dass der Apostel auch schon den Thessalonichern fast schon ein wenig resignativ mitteilt, „dass der Glaube nicht jedermanns Ding ist“.
Wir wollen doch anderes, dass das Evangelium läuft und es Menschen als Kraftquelle entdecken und mit diesem Evangelium von der Liebe Gottes im Leben und Sterben getröstet sind. Aber begegnen doch immer wieder dem anderen: dass sich Menschen abwenden, die Schultern zucken und noch nicht einmal bösartig, aber gleichgültig diesem Evangelium gegenüber stehen.

Auch für diese Situation braucht es die große Gebetsgemeinschaft der Christen auf der ganzen Welt. Das Gebet hat Kraft und Macht, die Herzen von Menschen zu bewegen und die Angefochtenen zu stärken.
Es ist, so meine ich, wesentlich für den Lauf des Evangeliums wie auch für die Bewahrung vor dem Bösen, dass wir diesem Gebet, und vor allem dem gemeinschaftlichen Gebet, etwas zutrauen. Und dann liegt es nicht an uns, was wir tun und lassen, sondern an Gott, dem wir zuerst und vielleicht auch allein den Bestand und die Erbauung und das Wachsen unserer christlichen Gemeinde zutrauen.
Es ist ein tröstlicher Gedanke, dass betende Menschen ob allein oder in der Gemeinschaft, ob in den alten Worten der Tradition, im freien Gebet oder einfach nur in einem Stoßseufzer zum Himmel einen Raum der Hoffnung schaffen und eben auch zum Wachstum der Gemeinde beitragen.

Ich erinnere mich an eine Begegnung mit einer sehr betagten und hinfälligen Frau in der Gemeinde, in der ich meine ersten Schritte im Pfarrdienst tat. Sie sagte mir: Frau Pfarrer, ich bete jeden Tag für Sie und Ihren Dienst bei uns!
Diese Worte berühren mich bis heute, weil sie für mich einen großen Raum öffneten, den ich bis dahin nicht wahrgenommen hatte. Ich fühlte mich in einer großen Gemeinschaft aufgehoben und getragen und merkte, dass es nicht an meinem Tun und Lassen liegt, ob das Evangelium läuft und gepriesen wird, sondern an Gott und seiner Gnade. Und ich realisierte, dass die Kraft der Gebete anderer uns in diesem Glauben trägt und erhält.

Und nicht zuletzt ist von der Treue Gottes zu uns zu reden. „Aber der Herr ist treu; er wird euch stärken und bewahren vor dem Argen.“ Das ist an einem Sonntag, an dem es um die Nachfolge geht, wesentlich. Dass es Gott ist, der durch alle Zeiten uns treu ist, ob wir nun schwach und angefochten oder stark und mutig sind.
Die Treue Gottes zu uns ist der Grund unserer Hoffnung, der Grund unserer Gemeinschaft, der Grund unseres Lebens.
Die Treue Gottes zu uns, seinen Menschen, ist auch der Zielpunkt unserer Gebete.

Und ich bin überzeugt, dass all die Menschen, die ihre Gebete an die Gebetswände heften oder spontan auf dem Fußballfeld auf die Knie fallen, dass all diese Menschen in der Tiefe ihres Herzens sich an die Treue Gottes klammern und erinnern. Weil er uns Menschen treu ist und bleibt, dürfen wir uns mit allem, was uns bewegt, immer wieder vertrauensvoll an ihn wenden. Und dürfen ihn immer wieder auch um die Kraft bitten, dass wir ihm treu bleiben.

Darum:
Gelobt drum deine Treu,
die jeden Morgen neu
uns deine abgrundtiefe Liebe zeigt!
Wir preisen dich und bringen
dir unser Lob mit Singen,
bis unser Mund im Tode schweigt.

Amen.