Der Predigttext ist im Laufe des Gottesdienst bereits verlesen worden.
1.
(Anm.: Krone aufsetzen)
Gestatten? Saul.
König Saul.
Stark sein muss ich. Und bin es auch – oft.
Ich muss den Überblick haben.
Führen und leiten, den Weg vorgeben, andere mitnehmen.
Alles kein Problem.
Oh ja, ich spüre den König in mir, diese vielen Möglichkeiten, was zu bewegen.
Gestaltungsmacht.
Großartig.
(Anm.: Krone abnehmen)
Ich kenne aber auch das andere.
Richtige Abstürze sind das.
Dann bin ich ungeduldig, unfair, ungerecht,
ich brülle rum wie ein Wilder,
schmeiße die Stühle um,
raste aus.
„Ihr Schwachköpfe! Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“
Ich bin dann im Grunde arbeitsunfähig.
Oder werde ganz traurig, und kleinlaut, und mutlos.
„Ich, ein König? Der Aufgabe bin ich nicht gewachsen, ich pack das nicht.
Das können andere vielleicht besser.“
Tja, wer bin ich eigentlich? König oder Nicht-König?
Bin ich heute dieser und morgen ein anderer?
Vor Menschen ein Heuchler
und vor mir selbst ein wehleidiger Schwächling?
Wie hört das auf?
Ich höre auf…
Seit ein paar Wochen höre ich auf einen jungen Mann, David heißt er,
ich höre auf seine Musik.
Er ist mir empfohlen worden.
Man sagte, er sei ein Naturtalent,
schreibt sogar Psalmen, gesungene Gebete,
mit viel „Halleluja“ und so.
Ich war erst skeptisch:
Na hör mal, ich ein König, und er so ein Schafhirte aus diesem Nest Bethlehem.
Aber ich muss sagen: es wirkt.
Er kommt immer zu mir, mit seiner kleinen Harfe,
mal spielt er nur, mal singt er dazu.
Mal ist es wie ein festlich-heiliges Halleluja,
mal wie ein nachdenkliches, gebrochenes Halleluja.
Mir tut die Musik gut.
Ich komme wieder zu mir.
Schöpfe neuen Lebensatem.
Seine fröhlichen Lieder bringen mir Energie zurück,
seine traurigen Lieder geben mir zu denken, trösten mich.
Es wirkt nicht immer,
manchmal klappt es einfach nicht.
Bleibt unverfügbar.
Aber oftmals geht es mir danach besser.
Echt: Den schickt der Himmel.
Danke, David. Danke für die Musik.
Also: Krönchen wieder gerade rücken.
(Anm.: Krone zeigen, dann weg.)
2.
Soweit, liebe Gemeinde, der erste König Israels überhaupt: Saul.
Nach biblischer Überlieferung gab es also sofort Musik am Königshof, genauer gesagt Musiktherapie.
Durch den jungen David.
David, der von Saul eine Festanstellung bekommt, lange bevor er später mal Sauls Nachfolger auf dem Königsthron sein wird.
Irgendwie sind da Resonanzen zwischen den beiden. „Er gewann ihn lieb.“ Heißt es da. Obwohl zwischen den beiden dann mehr und mehr auch eine Konkurrenz-Situation besteht. Aber wer ist „Er?“ Gewann Saul den David lieb, weil der so gesund und tatkräftig und musikalisch war? Oder gewann David den Saul lieb, weil er einen König erlebt, der auch Mensch war und der Schwächen zeigte?
Resonanzen löst auch die Musik selbst aus. Als ob durch die Musik etwas aufblüht, was wie abgestorben schien. Neuer Atemhauch, neue Zuversicht ins Leben, Trost und neuer Mut. Die Welt ist kein stummes, namenloses Nichts, sondern da ist eine Kraft, die mich meint und mich erreicht und mich beim Namen ruft. Mich fröhlich macht oder stärkt oder tröstet. Danke, Gott! Halleluja.
Das Gotteslob, das Singen, das Musizieren im Judentum und im Christentum gründet sich im Wesentlichen auf David. Er ist so was wie der Urvater der Musik. Und er ist sehr populär. So dass es später eine Ehre war zu sagen, man stamme aus der David-Linie, aus dem Hause und Geschlechte Davids.
Dabei ist David eine genauso zweischneidige Figur wie Saul. Auch er hat seine inneren Abgründe. Manchmal stürzt er andere ins Unglück, um sich selbst einen Vorteil zu sichern. Einmal sieht er eine schöne Frau nackt baden, er will sie haben. Und dass sie bereits verheiratet ist, Schwamm drüber, der Ehemann wird von David in ein Himmelfahrtskommando beordert – und kommt um, wie geplant. David nimmt sich die Frau, als wäre er im Selbstbedienungsladen.
Schonungslos ehrlich wird das in der Bibel berichtet. Der Urvater der Musik ist kein glänzender Superstar, sondern jemand mit Widersprüchen und Schattenseiten.
3.
Das gibt die Richtung vor bis heute: Widersprüche und Schattenseiten gehören dazu. Auch in der Musik. Egal ob in der Kirchenmusik oder der Klassik, im Jazz oder in guten Pop-Songs: Musik, die einen wirklich erreicht und anspricht, ist meistens vielschichtig, meistens mehr als „einfach nur schön“.
Wie ist das für Sie? Welche Musik beflügelt Sie? Welche Musik zeigt Ihnen etwas vom Geheimnis des Lebens? Welche Musik schenkt Ihnen Hoffnung? Welche Musik tröstet Sie? Gibt es Musik, wo all diese Aspekte zusammenkommen?
4.
Für mich zeigt sich das ganz besonders im „Halleluja“. Mal ein Jubelruf, mal ein trotziger Protest. Auch Leonard Cohen, der kanadische Liedermacher und Sänger (2016 verstorben) hat einen Song namens „Hallelujah“ geschrieben. Der wird gern genommen für Freudenfeste, auf You Tube finden sich zahlreiche Vertonungen für Trauungen. Dabei ist der Song selbst eigentlich gar nicht so fröhlich. Es ist ein Song voller Brüche - so wie Saul voller Brüche war, und genauso David, der vielleicht erstmals Hallelujah (für Saul) gesungen hat.
So wie wir Menschen voller Brüche sind - weil wir hinter Erwartungen zurückbleiben, oder weil uns manchmal die Hoffnung abhandenkommt.
Und: So wie eben auch Leonard Cohen voller Brüche war, mit vielen Erfolgen und vielem Scheitern, mit Suchbewegungen, jüdisch, christlich, buddhistisch – und mit einer Gabe, all das durch Musik auszudrücken.
Wer genau hinhört, hört es der Musik an. Hinter dem Hallelujah steckt mehr. Lachen und Tränen, Jubel und Schmerz. „The holy or the broken Hallelujah“ (Anm.: ggf. kurz ansingen), das heilige Halleluja, andererseits aber auch das gebrochene Halleluja.
All das steckt drin im Lob Gottes: Lobt Jahwe. Lobt den Herrn. Mit allem. Trotz allem. Saul und David haben das getan. Wir tun es heute. Alle gemeinsam.
Amen.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Mir steht die wunderschöne Loccumer Klosterkirche vor Augen. Und die Menschen, die hier gern Musik hören und machen, u.a. die Kantorei und der vielseitig versierte Kantor/Organist. Erinnerung an viele Konzerte dort.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Musik war und ist immer da. Hinzu kam die Lust, ein klein wenig in die biblische „Szene“ einzusteigen und auf die Emotionen (hier also: die von Saul) zu achten.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Wenn Musik wie auch Glaube das ganze Leben umfasst, kann es nicht nur etwas Garnitur für schöne Tage sein.
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Sehr hilfreiches und zielführendes Coaching! Danke dafür! Tipps waren u.a. (in meinen Worten): Weniger verschiedene Fässer aufmachen, schon gar nicht im Schluss-Satz. Gedanklich weniger herum hüpfen. Mitgebsel (Bild aus der Kunstgeschichte) überprüfen, ob es wirklich etwas bringt.