Brotsonntag - Predigt zu Johannes 6, 48-51 von Eberhard Busch
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Brotsonntag - Predigt zu Johannes 6, 48-51 von Eberhard Busch

In manchen Gegenden gibt es noch den alten Brauch, den heutigen Tag als Brotsonntag zu begehen. Dabei werden verschiedenerlei Brote gebacken und sie werden dann zusammen mit Bedürftigen verzehrt. Der Brauch geht zurück auf den Text, der im Johannesevangelium aufgezeichnet ist und der eben verlesen wurde. Da spricht Jesus: „Ich bin das Brot.“

„Ich.…", beginnt er. Ein weiser Mann sagte einst: „Ein Satz, der mit ‚Ich' anfängt, ist selten gut." Hat er nicht recht? Aber hier ist eine Ausnahme von der Regel. Dieser Satz, der mit 'Ich' anfängt, ist rundum gut. So gut, dass man den heutigen Sonntag lateinisch „Lätare“ zu nennen pflegt, auf Deutsch: Freue dich! Nach Jesaja 66 Vers 10f.: „Freut euch mit Jerusalem .“ Und darum ist ein Satz, der sonst mit “ich" anfängt selten gut, weil er den Blick dafür trüben kann: An uns kann man nicht immer unbedingt Freude haben. Bei uns gibt es ja auch manches Mal sogar Grund zu klagen und anzuklagen. Dieser Eine, der das sagt „Ich bin ...", ist der gute Grund dafür, dass wir fröhlich sein dürfen. Er macht uns Freude. Er, der uns so anspricht „Ich bin das Brot des Lebens.“

Brot, das heißt: Was Jesus ist und was er uns gibt, das ist keine nutzlose Schleckerei, mit der man sich womöglich den Magen verdirbt, und das ist keine überflüssige Zutat, die man meiden kann. Was Jesus ist und uns gibt, das ist das Nötigste, was wir brauchen. Er nährt uns. Nicht mit so einem dünnen, labbrigen Süpplein. „Ich bin das Brot“!, sagt Jesus Es ist ungesund, darauf zu verzichten und statt dessen nach einem Ersatz zu greifen. Keine Sorge, dass das wie eine der Moden überholt werden könnte. Wohl hat dieses Nötigste zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Ausdrucks-Formen gehabt. Aber wie es früher schon da war, so ist es auch heute da und so wird es auch morgen da sein. Stets nötig.

Und Brot, das heißt: Gott ist nicht an ein fernes Jenseits gebunden, und wir müssten es dann besorgen, durch allerlei Bemühungen mit ihm in Kontakt zu kommen. Sondern Gott sorgt für uns. Er kommt von sich aus zu uns in Jesus als Geber und als Gabe. So dass wir schön  zu Tisch geladen werden: „Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist“ (Ps 34,8).  Ohne ihn müssten wir darben und gar verhungern. Das weiß er gut, und Er gibt uns, was wir benötigen, gibt sich selbst. Seine Gabe kommt zu uns durch seine Hingabe. „Sehet, was hat Gott gegeben, seinen Sohn zum ewgen Leben“ heißt es in einem Lied von Paul Gerhardt. Und Gerhard Tersteegen singt: „Sehet doch da, Gott will so freundlich und nah zu den Verlornen sich kehren.“ Er lässt uns nicht verloren gehen. Er lässt uns nicht umkommen. Er kommt zu uns. Und wenn es mit uns zu Ende ist, dann ist immer noch seine Hand da, die uns festhält.

Wir verstehen in diesem Zusammenhang, wie wichtig die Bitte ist in dem Unser-Vater-Gebet: „Gib uns unser tägliches Brot.“ Diese Bitte ist das Gebet eben zu dem, dessen Sohn uns sagt: „Ich bin das Brot.“ Was tun Menschen, die zu den Mahlzeiten das Gebet sprechen „Komm, Herr Jesu, und sei du unser Gast, und segne, was du uns bereitet hast“? Sie bringen damit zum Ausdruck, dass wir bei jedem Bissen abhängig sind. Wir sind es gewiss auch von den Landwirten und sind es auch vom Bäcker – danke für ihre Arbeit! Aber wir sind alle miteinander abhängig von dem, an den sich dieses Tischgebet richtet. Wir sind auf vieles nicht letztlich angewiesen. Aber wir sind erstlich und letztlich angewiesen auf ihn, zu dem wir beten: „Gib uns unser tägliches Brot.“

Nun heißt es im Johannesevangelium zwar: „Eure Vorfahren haben Manna gegessen in der Wüste und sind gestorben“ (V49). Dieses Manna war eine Frucht, die man täglich genießen konnte, die aber am Abend des selben Tags ungenießbar wurde. Will Jesus etwa sagen: Man möge halt lieber doch nicht um die Gabe des täglichen Brots bitten? Weil es rasch verdirbt! Bewahre, ich denke, wir sollten den Vers vielmehr so auffassen: Nicht unser Brot ist das Problem. Wir sind das Problem. Das Manna in der Wüste ist für uns heute nicht  jene Frucht, die von sich aus verfault. Sondern wir lassen das uns Gegebene schnöde verfaulen. Bei uns wandert unheimlich viel Brot in den Müll – zum Beispiel in der Stadt Wien soviel, wie in der Stadt Linz an Brot genossen wird. In Deutschland wandert ein Drittel der produzierten Lebensmittel im Abfall. Wir leben nicht recht, wenn solche Unmengen von Nahrungsmitteln weggeworfen werden und verderben, während Mitmenschen von uns vor Hunger sterben und verderben oder denn ein Leben vom Müll der Andern fristen.

In der Herrnhuter Losung steht für den heutigen Tag ein Wort aus dem Alten Testament: „Wer Geld liebt, wird vom Geld niemals satt“ (Pred 5,9). Das ist eine treffliche Erklärung zu dem Satz, jenes einstige Manna mache nicht satt. Und das weist uns nun geradezu darauf hin, dass wir unseren Überfluss nicht beseitigen sollen, sondern dass wir das uns Gegebene mit Anderen teilen müssen. Teilen! – nicht bloß für die Bedürftigen einige „Brotkrümmel, die von des Reichen Tisch fallen“ (Lk 16,21).  Schon der heilige Basilius mahnt im 5. Jahrhundert: "Das Brot, das ihr verderben lasst, ist das Brot der Hungernden." Und hören wir dazu, was der Reformator Johannes Calvin in einer Predigt sagt: „Wer sich davon ausnehmen wollte, für seine Nächsten zu sorgen, der erklärt, dass er kein Mensch mehr sein will. Sei es, dass irgendein Schwarzer oder irgendein Fremder komme: wenn er ein Mensch ist, bringt er einen deutlichen Spiegel mit sich, in dem wir sehen können, dass er unser Bruder, unsre Schwester ist.“

Ein Pfarrer erzählte von einer ihm bekannten einfachen, armen Frau. Sie war zudem noch nahezu taub – das war wohl auch der Grund für ihre Armut. Sie besuchte den Gottesdienst nur, wenn das Abendmahl gefeiert wurde, oder wie sie das nannte: wenn „das Brot des Herrn“ ausgeteilt wurde. Die Gemeindeschwester Frieda holte sie jeweils von weiter her dazu ab. Die Frau war ziemlich wortkarg, aber sie redete viel mit ihrem Gott. Als jene Frieda unversehens starb, war sie richtig böse auf ihren himmlischen Gesprächspartner und verweigerte einen weiteren Empfang vom „Brot des Herrn“, ließ sich auch von Anderen nicht mehr zur Kirche fahren. Doch dann kam sie auf die Idee, das Spärliche, was sie hatte, mit Hungrigen zu teilen. Irgendwie empfand sie aufgrund des Verlusts der Frieda Gemeinschaft mit den Unbefriedeten. Eines Tages brachte der Postbote dem Pfarrer Geld von jener armen Frau, und auf ihrer Überweisung hatte der Bote die Zweckbestimmung geschrieben: „Brot für die Hungernden, von E.L.“ Und dann saß sie lächelnd auch wieder in der Kirchenbank, um das „Brot des Herrn“ zu empfangen.

Sie mag so schlicht gewesen sein, wie man meinte, aber sie hat besser verstanden als so mancher Andere, scheinbar Klügere: Wir leben in der Tat von der Gabe Gottes, vom „Brot des Herrn“, von ihm, der uns zusagt: „Ich bin mit dir; ich stärke dich, ich helfe dir auch“ (Jes 41,10). Das nährt uns und das stärkt uns, jeden Tag aufs Neue. Und wir nehmen das recht entgegen, wenn wir nun unser Brot mit anderen Bedürftigen teilen. Er gebe uns gute Einfälle an diesem „Brotsonntag“.