"Christen sind ein offenes Geheimnis Gottes", Predigt zu Kolosser 1,24-27 von Frank Hiddemann
1,24
Christen sind ein offenes Geheimnis Gottes.
Liebe Gemeinde,
das ist ein offenes Geheimnis. Jeder weiß Bescheid, aber man ist dezent, man spricht es nicht aus.
Das ist ein offenes Geheimnis. Man verschweigt, was jeder weiß; diskret und barmherzig.
Für die Renovierung des Hauses fehlt nicht allein die Zeit, sondern vor allem auch das Geld.
Die Abendschule, von der der junge Mann spricht, wird er nie machen. Die Party, auf die das dicke Mädchen angeblich geht, ist in Wirklichkeit ein Fernsehapparat. Die Hoffnung auf baldigen Wohlstand kann nur noch auf den Lottogewinn bauen.
Wir durchschauen die Lebenslügen der anderen leichter als unsere eigenen. Oft sind wir selbst die letzten, die erfahren, was alle schon wissen. Was wir vor uns selbst verbergen, ist längst ein offenes Geheimnis.
Heute feiern wir die Ankunft eines Geheimnisses. Kein offenes Geheimnis, das alle sehen können, sondern eins, dass seit Anbeginn der Zeiten verborgen war und uns im runzeligen Kind in der Krippe offenbart wurde.
Am Epiphaniastag wird das Geheimnis sichtbar. In unserem Predigttext ist davon die Rede.
Aber so verschlungen wie die Wege auf einer alten Schatzkarte, kaum entwirrbar. Aber sie weisen auf den Schatz hin.
Ich lese im Kolosserbrief (Kol 1,24-27): Jetzt freue ich mich in den Leiden für euch und fülle an seiner [Christi] statt an meinem Fleische aus, was den Trübsalen Christi noch fehlte, zugunsten seines Leibes, der die Kirche ist, deren Diener ich geworden bin nach der Veranstaltung Gottes, die mir im Blick auf euch übertragen worden ist, das Wort Gottes zur Ausführung zu bringen, [nämlich] das Geheimnis, das verborgen war, seitdem es Weltzeiten und seitdem es Geschlechter gibt, jetzt aber ist es seinen Heiligen geoffenbart worden. Ihnen wollte Gott kundtun, welches der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses unter den Heiden sei, welcher ist Christus in euch, die Hoffnung auf die Herrlichkeit.
Es ist, als ob der Apostel aufgeregt über das, was er verkünden will, in Verwirrung gerät. Er freut sich an seinem Leiden. Er füllt mit seinem Fleisch aus, was an den Leiden Christi noch fehlte. Da muss ich schon nach Luft schnappen. "So wie Christus litt, leide ich auch." Das wäre schon gewagt.
Aber dass er das an Leiden aufbringt, was beim Leiden Christi noch fehlte? Die Summe der Leiden vollmacht? Warum der Apostel sich das zu sagen traut, steht im nächsten Satz: zugunsten seines Leibes, der die Kirche ist.
Christus ist das Haupt. Sein Leib ist die Kirche. Paulus leidet für die Kirche. Also leidet er für den Leib Christi. Weil die Kirche Christi Leib ist, leidet Christus weiter, bis ans Ende der Welt. Und wer für die Kirche leidet, leidet das Leiden Christi.
Der französische Philosoph Blaise Pascal lebte im 17. Jahrhundert. Er war ein junger Mann. Er starb jung. Mit 24 hatte er einen großen Zusammenbruch. Er hatte Zeit seines Lebens Kopfschmerzen. Vielleicht weil er sich sein Hirn zermarterte.
Mathematik war seine erste große Leidenschaft. Mit 12 soll er auf dem Dachboden ganz allein die Grundsätze der Euklidischen Geometrie entdeckt haben. So wie wir Hüte und Mäntel ausprobiert haben, die wir aus den Truhen der Großeltern gezogen haben, hat Pascal mit Dreiecken und Winkeln gespielt, bis er alles entdeckt hatte, was die antiken Mathematiker lehrten.
Das Pacal'sche Dreieck lernt man noch heute in der Schule und man kann sogar sagen, dass sich die Computertechnik den Pascal'schen Ideen verdankt: Denn er baute eine Rechenmaschine, um seinem Vater bei der Steuererklärung zu helfen.
Blaise Pascals religiöses Denken drehte sich um die Themen unseres Textes. Warum ist Gott verborgen? Wie erfahren wir sein Geheimnis? Christus leidet bis an das Ende der Welt.
Pascals berühmtes Buch heißt einfach nur "Gedanken", und es handelt sich um eine Sammlung von Zetteln, auf die längere und kurze Notizen geschrieben sind.
Eins dieser Fragmente heißt: "Das Geheimnis Jesu". Pascal denkt über Jesus im Garten Getsemane nach. Adam war im Paradies, einem Garten der Wonnen. Jesus war in Getsemane, einem Garten der Qualen. Er erlebt das Verlassensein von Gott. Er erlebt das Grauen der Nacht.
Dann schreibt Pascal: "Ich glaube, dass Jesus nur dieses einzige Mal geklagt hat; damals aber klagt er, als könne er seinen übergroßen Schmerz nicht bezwingen: meine Seele ist betrübt bis zum Tode.
Jesus sucht Gesellschaft und Trost unter den Menschen. Das ist einzig in seinem ganzen Leben, wie mir scheint. Aber er findet sie nicht, denn seine Jünger schlafen. Jesus wird im Todeskampf sein bis zum Ende der Welt: man darf während dieser Zeit nicht schlafen." [Aph. 610]
[Orgel]
Liebe Gemeinde, ich bin davon überzeugt, dass solche Bibelstellen wie die unseres Tages, Pascal zu solchen Gedanken bewegten.
Christi Leib bleibt in der Welt, auch wenn er geht. Christi Leib ist die Kirche. Wir, die von ihm Geheiligten, sind sein Leib. Christus ist im Todeskampf bis ans Ende der Welt, sein Leib wird heute noch verletzt in der unsichtbaren und in der sichtbaren Kirche.
Selbst in diesem Leiden stehend verkündet der Apostel ein Geheimnis, das er eigentlich schon verraten hat: Christus in uns, die Hoffnung auf die Herrlichkeit. Christus in uns, mit ihm leidend werden wir wie er in die Herrlichkeit erhoben. Pascal sagt:
"Da Gott so verborgen ist, kann keine Religion, die nicht sagt, dass Gott verborgen ist, wahr sein; (...)" [Aph. 445]
Er ist in uns verborgen. Christus in uns, die Hoffnung auf die Herrlichkeit. Sagt der Apostel. Seitdem es Weltzeiten und seitdem es Geschlechter gibt, war es verborgen, jetzt aber ist es seinen Heiligen geoffenbart worden.
Was von Anfang an verborgen war. Was hinter den Geheimnissen des Kosmos steht. Was hinter den Konstellationen der Sterne verborgen war. Das war Christus. So sagt es der Apostel den Gläubigen in Kolossä, einer kleinen Stadt im westlichen Teil Kleinasiens, in Phrygien, genauer gesagt.
Dort war es in Mode gekommen, auf allerlei kosmische Geheimlehren zu vertrauen. Christus ist der verborgene Kern der esoterischen Weltentwürfe, auf ihn hin ist der Kosmos gebildet worden, auf ihn hin läuft die heutige Welt zu.
Christus ist die verborgene Kraft, in der der Apostel lebt und in der er verkündet. Christus in uns, Angeld auf die Ewigkeit. Schon sichtbar in uns, in guten Momenten. Wer uns sieht, möge ihn rühmen. Wir sind ein offenes Geheimnis. Wir durchschauen uns selbst nicht. Aber wer uns sieht, sieht manchmal Christus in uns.
Das ist der Sinn des heutigen Tages. Epiphanias heißt "sichtbar werden", im Leiden und in der Sicherheit, im barmherzigen Mitleiden und in der heiteren Gewissheit, auf die Herrlichkeit zu zu steuern.
Ein Christ ist ein offenes Geheimnis Gottes. Wer uns sieht. möge ihn rühmen.
Amen.
Liebe Gemeinde,
das ist ein offenes Geheimnis. Jeder weiß Bescheid, aber man ist dezent, man spricht es nicht aus.
Das ist ein offenes Geheimnis. Man verschweigt, was jeder weiß; diskret und barmherzig.
Für die Renovierung des Hauses fehlt nicht allein die Zeit, sondern vor allem auch das Geld.
Die Abendschule, von der der junge Mann spricht, wird er nie machen. Die Party, auf die das dicke Mädchen angeblich geht, ist in Wirklichkeit ein Fernsehapparat. Die Hoffnung auf baldigen Wohlstand kann nur noch auf den Lottogewinn bauen.
Wir durchschauen die Lebenslügen der anderen leichter als unsere eigenen. Oft sind wir selbst die letzten, die erfahren, was alle schon wissen. Was wir vor uns selbst verbergen, ist längst ein offenes Geheimnis.
Heute feiern wir die Ankunft eines Geheimnisses. Kein offenes Geheimnis, das alle sehen können, sondern eins, dass seit Anbeginn der Zeiten verborgen war und uns im runzeligen Kind in der Krippe offenbart wurde.
Am Epiphaniastag wird das Geheimnis sichtbar. In unserem Predigttext ist davon die Rede.
Aber so verschlungen wie die Wege auf einer alten Schatzkarte, kaum entwirrbar. Aber sie weisen auf den Schatz hin.
Ich lese im Kolosserbrief (Kol 1,24-27): Jetzt freue ich mich in den Leiden für euch und fülle an seiner [Christi] statt an meinem Fleische aus, was den Trübsalen Christi noch fehlte, zugunsten seines Leibes, der die Kirche ist, deren Diener ich geworden bin nach der Veranstaltung Gottes, die mir im Blick auf euch übertragen worden ist, das Wort Gottes zur Ausführung zu bringen, [nämlich] das Geheimnis, das verborgen war, seitdem es Weltzeiten und seitdem es Geschlechter gibt, jetzt aber ist es seinen Heiligen geoffenbart worden. Ihnen wollte Gott kundtun, welches der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses unter den Heiden sei, welcher ist Christus in euch, die Hoffnung auf die Herrlichkeit.
Es ist, als ob der Apostel aufgeregt über das, was er verkünden will, in Verwirrung gerät. Er freut sich an seinem Leiden. Er füllt mit seinem Fleisch aus, was an den Leiden Christi noch fehlte. Da muss ich schon nach Luft schnappen. "So wie Christus litt, leide ich auch." Das wäre schon gewagt.
Aber dass er das an Leiden aufbringt, was beim Leiden Christi noch fehlte? Die Summe der Leiden vollmacht? Warum der Apostel sich das zu sagen traut, steht im nächsten Satz: zugunsten seines Leibes, der die Kirche ist.
Christus ist das Haupt. Sein Leib ist die Kirche. Paulus leidet für die Kirche. Also leidet er für den Leib Christi. Weil die Kirche Christi Leib ist, leidet Christus weiter, bis ans Ende der Welt. Und wer für die Kirche leidet, leidet das Leiden Christi.
Der französische Philosoph Blaise Pascal lebte im 17. Jahrhundert. Er war ein junger Mann. Er starb jung. Mit 24 hatte er einen großen Zusammenbruch. Er hatte Zeit seines Lebens Kopfschmerzen. Vielleicht weil er sich sein Hirn zermarterte.
Mathematik war seine erste große Leidenschaft. Mit 12 soll er auf dem Dachboden ganz allein die Grundsätze der Euklidischen Geometrie entdeckt haben. So wie wir Hüte und Mäntel ausprobiert haben, die wir aus den Truhen der Großeltern gezogen haben, hat Pascal mit Dreiecken und Winkeln gespielt, bis er alles entdeckt hatte, was die antiken Mathematiker lehrten.
Das Pacal'sche Dreieck lernt man noch heute in der Schule und man kann sogar sagen, dass sich die Computertechnik den Pascal'schen Ideen verdankt: Denn er baute eine Rechenmaschine, um seinem Vater bei der Steuererklärung zu helfen.
Blaise Pascals religiöses Denken drehte sich um die Themen unseres Textes. Warum ist Gott verborgen? Wie erfahren wir sein Geheimnis? Christus leidet bis an das Ende der Welt.
Pascals berühmtes Buch heißt einfach nur "Gedanken", und es handelt sich um eine Sammlung von Zetteln, auf die längere und kurze Notizen geschrieben sind.
Eins dieser Fragmente heißt: "Das Geheimnis Jesu". Pascal denkt über Jesus im Garten Getsemane nach. Adam war im Paradies, einem Garten der Wonnen. Jesus war in Getsemane, einem Garten der Qualen. Er erlebt das Verlassensein von Gott. Er erlebt das Grauen der Nacht.
Dann schreibt Pascal: "Ich glaube, dass Jesus nur dieses einzige Mal geklagt hat; damals aber klagt er, als könne er seinen übergroßen Schmerz nicht bezwingen: meine Seele ist betrübt bis zum Tode.
Jesus sucht Gesellschaft und Trost unter den Menschen. Das ist einzig in seinem ganzen Leben, wie mir scheint. Aber er findet sie nicht, denn seine Jünger schlafen. Jesus wird im Todeskampf sein bis zum Ende der Welt: man darf während dieser Zeit nicht schlafen." [Aph. 610]
[Orgel]
Liebe Gemeinde, ich bin davon überzeugt, dass solche Bibelstellen wie die unseres Tages, Pascal zu solchen Gedanken bewegten.
Christi Leib bleibt in der Welt, auch wenn er geht. Christi Leib ist die Kirche. Wir, die von ihm Geheiligten, sind sein Leib. Christus ist im Todeskampf bis ans Ende der Welt, sein Leib wird heute noch verletzt in der unsichtbaren und in der sichtbaren Kirche.
Selbst in diesem Leiden stehend verkündet der Apostel ein Geheimnis, das er eigentlich schon verraten hat: Christus in uns, die Hoffnung auf die Herrlichkeit. Christus in uns, mit ihm leidend werden wir wie er in die Herrlichkeit erhoben. Pascal sagt:
"Da Gott so verborgen ist, kann keine Religion, die nicht sagt, dass Gott verborgen ist, wahr sein; (...)" [Aph. 445]
Er ist in uns verborgen. Christus in uns, die Hoffnung auf die Herrlichkeit. Sagt der Apostel. Seitdem es Weltzeiten und seitdem es Geschlechter gibt, war es verborgen, jetzt aber ist es seinen Heiligen geoffenbart worden.
Was von Anfang an verborgen war. Was hinter den Geheimnissen des Kosmos steht. Was hinter den Konstellationen der Sterne verborgen war. Das war Christus. So sagt es der Apostel den Gläubigen in Kolossä, einer kleinen Stadt im westlichen Teil Kleinasiens, in Phrygien, genauer gesagt.
Dort war es in Mode gekommen, auf allerlei kosmische Geheimlehren zu vertrauen. Christus ist der verborgene Kern der esoterischen Weltentwürfe, auf ihn hin ist der Kosmos gebildet worden, auf ihn hin läuft die heutige Welt zu.
Christus ist die verborgene Kraft, in der der Apostel lebt und in der er verkündet. Christus in uns, Angeld auf die Ewigkeit. Schon sichtbar in uns, in guten Momenten. Wer uns sieht, möge ihn rühmen. Wir sind ein offenes Geheimnis. Wir durchschauen uns selbst nicht. Aber wer uns sieht, sieht manchmal Christus in uns.
Das ist der Sinn des heutigen Tages. Epiphanias heißt "sichtbar werden", im Leiden und in der Sicherheit, im barmherzigen Mitleiden und in der heiteren Gewissheit, auf die Herrlichkeit zu zu steuern.
Ein Christ ist ein offenes Geheimnis Gottes. Wer uns sieht. möge ihn rühmen.
Amen.
Perikope