Lied vor der Predigt: EG 674 (EG RWL)
1. Menschen aus der Ferne und Menschen aus der Nähe – wer ist was?
Damit aus Fremden Freunde werden – so haben wir gerade gesungen. Wer sind eigentlich Fremde?
Wer meine Freunde sind, kann ich relativ leicht beantworten. Aber wer ist für mich fremd? Warum sind Menschen fremd?
(Vielleicht ist es möglich, während der Predigt ins Gespräch zu kommen. Diese Frage nicht nur rhetorisch, sondern wirklich zu stellen und auf Antworten warten, wäre hier eine gute Gelegenheit.)
Fremde kenne ich nicht – das ist die einfachste Erklärung. Aber Fremde sind auch welche, die irgendwie aus der Gruppe heraus auffallen. In einer Gruppe Frauen wirkt ein Mann eher schon mal fremd. Wenn ein Merkmal anders ist als bei den anderen, kann das fremd wirken: Menschen, die eine andere Sprache sprechen. Oder solche, die sich anders verhalten oder anders kleiden oder anderes essen. Eine Vegetarierin kann sich an einem Grillabend sehr fremd fühlen!
Unser Predigttext für heute unterscheidet nicht Fremde und Freunde, sondern redet von „Menschen aus der Ferne“ und „Menschen aus der Nähe“. Die Menschen mit jüdischen Wurzeln kennen die Speisevorschriften und die Verhaltensnormen. Dies sind die Menschen aus der Nähe. Sie sind nah an den jüdischen Traditionen. Die Menschen aus der Ferne sind die, die nicht aus den jüdischen Gemeinden oder aus dem Volk Israel stammen. Denen sind manche Regeln sehr fremd.
Beide Gruppen fanden sich in den jungen neuen Gemeinden, in denen sich Menschen trafen, die von Jesus Christus fasziniert waren. Jesus selbst war Jude. Ihm folgten Menschen aus dem Judentum. Aber eben auch darüber hinaus. Besonders in Ephesus, weit entfernt von Israel, gehörten oft nicht-jüdische Menschen zu den Gemeinden.
Wenn aber doch Jesus ein Jude war und die Bewegung sich von Jerusalem aus in die Welt verbreitete, stellte sich eine Frage: Müssen dann nicht alle „Fremden“ auch die jüdischen Gesetze einhalten? Mussten sie nicht die Speisegebote einhalten und sich beschneiden lassen, um dazugehören zu können? Menschen, die dem Judentum nahe standen, und Menschen, die dem Judentum sehr fern waren, kamen zusammen. Wie sollten die Gemeinden damit umgehen? Die jüdischen Regeln hatten für die einen einen hohen Stellenwert. Für die anderen waren sie egal. Das konnte zu Spannungen führen.
Wir hören den Predigttext aus dem Brief an die Gemeinde in Ephesus:
17Jesus kam und verkündete Frieden:
Frieden für euch in der Ferne
und Frieden für die in der Nähe.
18Denn durch ihn haben wir beide
in ein und demselben Geist Zugang zum Vater.
19Ihr seid also nicht mehr Fremde
und ohne Rechte in Israel.
Ihr seid vielmehr Mitbürger der Heiligen
und Mitglieder von Gottes Hausgemeinschaft.
20Ihr seid gegründet
auf dem Fundament der Apostel und Propheten,
dessen Grundstein Christus Jesus ist.
21Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten.
So wächst er zu einem heiligen Tempel empor,
der dem Herrn gehört.
22Weil ihr zum Herrn gehört, werdet auch ihr
als Bausteine in diesen Tempel eingefügt.
Gott wohnt darin durch den Heiligen Geist.
(Eph 2, 17-22, Basisbibel)
2. Jesus kam und verkündete Frieden
Wie sollten die Gemeinden mit dieser Herausforderung umgehen? Die Antwort ist klar und einfach: Jesus kam nicht nur für die Menschen in Israel. Er kam nicht nur zum jüdischen Volk. Jesus machte keine Unterschiede. Wer ihm folgte, gehörte dazu. Egal, wer das war. Er saß immer wieder mit anderen Menschen zusammen, unterhielt sich mit völlig Fremden oder kehrte bei Menschen ein, die in der Gesellschaft nicht so gut angesehen waren.
Wer zu ihm kam, wer ihm zuhörte und ihm folgte, musste keine Gesetze beachten, sondern wurde durch Jesus in die Gemeinschaft aufgenommen.
3. Keine Unterschiede in der Nachfolge!
Im Brief an die Gemeinde in Ephesus steht klar und deutlich: Es gibt keine Unterschiede in den christlichen Gemeinden. Ganz deutlich steht es da in diesem Brief an die Gemeinde in Ephesus:
18Denn durch ihn haben wir beide
in ein und demselben Geist Zugang zum Vater.
19Ihr seid also nicht mehr Fremde
und ohne Rechte in Israel.
Ihr seid vielmehr Mitbürger der Heiligen
und Mitglieder von Gottes Hausgemeinschaft.
Die Unterscheidung in Ferne und Nahe ist nichtig und überflüssig. Alle sind Gottes Hausgemeinschaft. Diese Gemeinschaft ist gegründet auf dem Glauben an Jesus Christus, nicht auf Speisevorschriften oder anderen Unterschieden.
4. Menschen aus der Ferne und aus der Nähe damals und heute
Ich kann mir vorstellen, dass das in der Praxis trotzdem schwer blieb in Ephesus und anderswo. Wenn die einen gerne Schweinefleisch essen und die anderen sich das überhaupt nicht vorstellen können, kann das bei gemeinsamen Mahlzeiten schwierig werden. Dann sitzen vielleicht doch an dem einen Tisch die einen und an dem anderen Tisch die anderen. Sicherlich konnten auch nicht alle akzeptieren, dass keine Beschneidung notwendig ist. Die alten Traditionen aus der jüdischen Religion sind dem einen oder der anderen wahrscheinlich sehr wichtig gewesen.
Wie ist das eigentlich bei uns heute? Sind bei uns alle willkommen?
Wir haben in unseren Gottesdiensten viele Regeln und Sitten, die fremd wirken, wenn jemand sie zum ersten Mal erlebt. Das fällt den damit Vertrauten gar nicht auf. Wer in Dortmund in den Gottesdienst geht, findet in München ähnliche Gebete und Gesänge und findet sich schnell zurecht. Wer aber Gottesdienst-unerfahren ist, ist oft genug verwirrt, wenn die Gemeinde plötzlich laut und auswendig Gott lobt und preist oder um Erbarmen bittet.
Neulich kamen Angehörige nach der Beerdigung einer Angehörigen in die Kirche. Sie gehören zu den Kirchen-Fernen. Als die Gemeinde auswendig sang, blieben sie stumm. Aber sie blätterten in ihren Gesangbüchern und fanden nicht, was gerade passierte.
So geht es Euch Konfis auch oft genug, wenn Ihr noch nicht so richtig geübt seid.
Wir möchten gerne offen sein für Menschen aus der Nähe und aus der Ferne. Bei uns sind alle willkommen. Aber fühlen das auch alle?
Bei Taufgottesdiensten nehme ich gerne ein anderes Glaubensbekenntnis als das apostolische, das viele von uns auswendig können. Wenn aber ungeübte Eltern und Patinnen und Paten im Gottesdienst ein Glaubensbekenntnis sprechen sollen – was können sie tun? Schließlich werden sie gefragt, ob sie wollen, dass ihr Kind auf den Namen dieses Gottes getauft werden soll! Sie zeigen ihr Fremdsein sofort, wenn sie dann das Gesangbuch aufschlagen, während andere auswendig sprechen. Wenn aber alle ein anderes Glaubensbekenntnis sprechen, müssen alle ablesen. Und so stehen wir doch wieder alle gleich da.
Sie kennen wahrscheinlich ähnliche Beispiele.
In unseren Gruppen und Kreisen ist es ähnlich. Wie gehen wir mit Fremden und Neuen in unseren Gemeinden um? Wenn ich irgendwo neu bin, freue ich mich, wenn mich jemand persönlich begrüßt und mich einweist oder vorstellt. Dann spüre ich: Ich bin willkommen! Aus einem Chor kenne ich eine Art „Patenmodell“. Wenn jemand neu kommt, setzt sich eine oder einer neben die Neuen und erklärt alles, was notwendig ist. So kann es auch in anderen Gruppen sein.
Welche Ideen haben Sie? Wie können wir für Menschen aus der Ferne offener werden? Nur so können wir eine Gemeinschaft werden oder sein. Eine Gemeinschaft in unseren Gemeinden, offen für Nahe und Ferne.
5. Durch Christus verbunden.
Im Brief an die Gemeinde in Ephesus wird an das Verbindende erinnert. Es geht um das, was Jesus von Gottes Liebe und Gerechtigkeit erzählte. Die Werte, die Jesus vertrat und predigte, verbanden die Menschen miteinander.
Das Fundament für das gemeinsame Haus wird beschrieben:
20Ihr seid gegründet
auf dem Fundament der Apostel und Propheten,
dessen Grundstein Christus Jesus ist.
21Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten.
So wächst er zu einem heiligen Tempel empor,
der dem Herrn gehört.
22Weil ihr zum Herrn gehört, werdet auch ihr
als Bausteine in diesen Tempel eingefügt.
Gott wohnt darin durch den Heiligen Geist.
Die Tradition spielt schon eine Rolle. Aber nicht die Tradition der äußeren Regeln, sondern die Apostel und Propheten, also die Inhalte. Jesus stellte sich in die Tradition der Propheten. Er kannte sich gut aus in den biblischen Schriften. Er wusste, wie Gottes Gerechtigkeit auf der Erde aussehen könnte. Er wusste, was Gott für die Menschen möchte: Frieden!
Frieden für euch in der Ferne
und Frieden für die in der Nähe.
18Denn durch Jesus haben wir beide
in ein und demselben Geist Zugang zum Vater.
Wer diese Werte teilt, gehört zusammen: Gerechtigkeit und Frieden sind das Fundament. Wer darauf gründet, kann an Gottes Haus, an Gottes Reich mitbauen. Dabei spielt es keine Rolle, ob ich aus Israel komme oder aus Deutschland, aus Hamburg oder Leipzig. Dabei spielt es keine Rolle, was ich esse oder mit welcher Hand ich schreibe, welche Augen- oder Haarfarbe ich habe. All die Unterschiede, die wir Menschen machen, sind bei Gott unwichtig. Das lehrte und lebte Jesus. Das gilt für die Gemeinden, die ihm nachfolgen. Damals und heute.
Amen.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Ich bin immer wieder in anderen Gemeinden unterwegs. Diese Predigt werde ich in einer Kirche in einem Unnaer Vorort halten. Die Gemeinde, die ich vor Augen habe, besteht zum großen Teil aus älteren Menschen (60+), die sich der Gemeinde verbunden wissen. Außerdem werden einige Konfis im Gottesdienst sitzen, die ich aber nicht selbst in ihrer Konfizeit begleite.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Der Gedanke an die Fernen und die Nahen setzte bei mir sofort viele Assoziationen frei. Schnell sah ich vor mir Trauernde, die im Gottesdienst waren, nachdem ihre Angehörigen beerdigt waren. Ich hatte sie eingeladen, weil wir im Gottesdienst für die Verstorbenen beten würden. Ich spürte an vielen Stellen deren Verunsicherung, weil sie im Gesangbuch blätterten, als die Gemeinde die liturgischen Stücke sang. Ich stand vorne und schämte mich für unsere fehlende Gastfreundschaft.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Wie können wir offen und einladend sein als Kirche? Ich habe das Gefühl, dass wir viele Regeln haben, die den „Fremden“ oder „Fernen“ das Ankommen schwer machen.
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
In meiner Predigt hatte ich unterschiedliche Themenbereiche angesprochen. Durch die Kommentare der Predigtcoach konnte ich an manchen Stellen konkretisieren oder entfalten. Ich fürchte aber auch, dass die Predigt dadurch etwas lang geworden ist. Wer sie nutzt, kann vielleicht hier oder da kürzen. Oder zu einer Ideenwerkstatt einladen und anderes kürzen.