Liebe Gemeinde,
heute an Gründonnerstag erinnern wir uns daran, wie unser Herr Jesus Christus an diesem Abend das Sakrament des Abendmahls einsetzte. Jesus feierte das Abendmahl mit seinen Jüngern.
Sie sind ins Gespräch vertieft, sind einander zugewandt, sind Jesus zugewandt, verschiedene Gesichter und ebenso verschiedene Charaktere und Lebensgeschichten.
Wenn wir nun hier zusammen sitzen, so verlängern wir den Tisch Jesu und setzen uns dazu an seine Tafel. Wir haben Gemeinschaft mit den ersten Jüngern aus dieser Nacht.
Der Predigttext für heute steht im Hebräerbrief. Der Hebräerbrief findet in unserer normalen Bibellese oft wenig Beachtung. Wir wissen wenig von ihm: Weder der Autor noch die Adressaten sind uns bekannt.
Er ist aber ungeheuer kenntnisreich und bezieht sich immer wieder auf das Alte Testament und seine Rituale, woher er auch seinen Namen haben mag.
Der jüdische Autor Shalom Ben-Chorin hat daher auch spekuliert, dass der Hebräerbrief doch von Paulus sein könnte und dass er auch tatsächlich an Hebräer schreibt und deswegen so kenntnisreich auf das Alte Testament rekurriert.[1] Er verwendet das Alte Testament im Hebräerbrief so, dass er die Wahrheit des Glaubens an Jesus als den Messias nachweist – und gleichzeitig dessen Überlegenheit[2].
Der Hebräerbrief ist auch eine wundervolle Quelle von Bibelworten, die sehr bekannt ist, und von denen uns manchmal gar nicht bewusst ist, dass sie aus dem Hebräerbrief stammen:
· Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.
· Jesus ist Anfänger und Vollender des Glaubens, so hören wir.
· Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt.
· Darum werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.
· Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.
· Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer
Auch der heutige Predigttext ist aus dem Hebräerbrief.
Ich verlese aus Kapitel 2 die Verse 10-18:
Denn es ziemte sich für den, um dessentwillen alle Dinge sind und durch den alle Dinge sind, dass er den, der viele Söhne zur Herrlichkeit geführt hat, den Anfänger ihres Heils, durch Leiden vollendete.
Denn weil sie alle von "einem" kommen, beide, der heiligt und die geheiligt werden, darum schämt er sich auch nicht, sie Brüder zu nennen,
· und spricht (Psalm 22,23): »Ich will deinen Namen verkündigen meinen Brüdern und mitten in der Gemeinde dir lobsingen.«
· Und wiederum (Jesaja 8,17): »Ich will mein Vertrauen auf ihn setzen«;
· und wiederum (Jesaja 8,18): »Siehe, hier bin ich und die Kinder, die mir Gott gegeben hat.«
Weil nun die Kinder von Fleisch und Blut sind, hat auch er's gleichermaßen angenommen, damit er durch seinen Tod die Macht nähme dem, der Gewalt über den Tod hatte, nämlich dem Teufel,
und die erlöste, die durch Furcht vor dem Tod im ganzen Leben Knechte sein mussten.
Denn er nimmt sich nicht der Engel an, sondern der Kinder Abrahams nimmt er sich an.
Daher musste er in allem seinen Brüdern gleich werden, damit er barmherzig würde und ein treuer Hoherpriester vor Gott, zu sühnen die Sünden des Volkes.
Denn worin er selber gelitten hat und versucht worden ist, kann er helfen denen, die versucht werden.
– Gott segne sein Wort, das an uns ergeht –
Sie sehen, liebe Gemeinde, bei diesem Text geht es ums Ganze! Hier wird alles angesprochen, woran wir glauben.
Weihnachten wird angesprochen, also warum Gott Mensch wurde, und Ostern wird angesprochen, also warum Jesus leiden musste.
Das Ganze wird durch Schriftbelege aus dem Alten Testament belegt. Dabei ist es keine Exegese in unserem Sinne. Vielmehr wird ein Wort aus der Bibel herangezogen und aus seinem Kontext genommen und völlig umgedeutet. Dabei ist Paulus, oder wer auch immer der Autor sein mag, sehr bewusst, dass der ursprüngliche Kontext und die ursprüngliche Bedeutung des Bibelwortes eine andere ist. Dennoch kann er den Vers aber aus dem Kontext herauslösen und ganz neu verwenden.
Paulus weiß ganz genau, was er hier tut. Das hinter dieser Methode stehende Denken scheint zu sein: Wenn es einen Vers in der Bibel gibt, der in meine Argumentation passt, so ist das ausreichend. So heilig, ja, so lebendig ist die Bibel, dass ihre Heiligkeit schon in einem einzelnen Vers ausreicht, um etwas zu beweisen.
(Das verbindende Element der drei Schriftworte, ist das Wort „Ich“. Dabei werden die Worte Jesus in den Mund gelegt. Diese Art der Schriftauslegung erinnert an jüdische Midraschim; auch ihre Autoren wussten exakt, was sie taten.)
Ich will den Text noch einmal mit meinen eigenen Worten wiedergeben:
· Es war richtig für Gott den Schöpfer, dass er Jesus durch Leiden am Kreuz vollendete.
· Jesus heiligt uns und führt uns zur Herrlichkeit.
· Er nennt uns seine Brüder und Schwester, denn so wie er kommen auch wir von Gott her.
· Jesus verkündigt uns Gott, er lobt Gott vor allen Menschen.
· Jesus setzt sein Vertrauen völlig auf Gott.
· Wir sind als Gottes Kinder Jesus anvertraut und er steht für uns ein. (mit Jes 8,18)
· Weil Jesus uns retten will und wir aus Fleisch und Blut sind, musste auch er Leib und Blut annehmen.
· Durch seinen Tod hat er dem Teufel die Macht genommen.
· Bis dahin hatte der Teufel die Macht über den Tod.
· Bis dahin waren wir alle durch unsere Todesangst für unser ganzes Leben Diener des Teufels.
· Nun aber sind wir freie Menschen. Wir haben keine Angst mehr vor dem Tod und müssen keine Diener des Bösen mehr sein.
· Jesus nimmt sich unser an. Nicht der Engel, sondern uns, die wir Nachkommen Abrahams sind (Engel sind nicht aus Fleisch und Blut, Abrahams Nachkommen aber schon, daher musste Jesus Fleisch und Blut annehmen).
· Damit Jesus seine Aufgabe erfüllen konnte, musste er daher Leib und Blut annehmen und werden wie wir. Nur so konnte er Mitleid mit uns haben und uns als Hohepriester retten vor der Macht des Bösen.
· Denn er litt und wurde in Versuchung geführt so wie wir, deswegen konnte er uns helfen.
Sie sehen, liebe Gemeinde, wie wundervoll der Text die Rettungstat Jesu am Kreuz ins rechte Licht rückt: Es geht nicht darum, einen zornigen Gottvater zu besänftigen, der uns sonst in einem Gericht in die Hölle senden würde. Nein, Gott liebt uns und geht neben uns auf unserem Weg.
Es geht auch nicht kleinformatig[3] um meine individuellen Fehler, nicht um meine individuelle kleine Moral. Mein Neid, meine Gier, meine Trägheit, die kleinen und großen Sünden, die dunklen Ecken in meinem Leben sind hier nicht im Blick.
Nein, es geht um einen weltumspannenden Herrschaftswechsel[4]. Jesus ist radikal im Wortsinne, er setzt an der Wurzel an.[5] Von hier her kann er alles ändern.
Die Todesmächte sind zwar stark in der Gegenwart[6] – das Destruktive, das Zerstörerische hat die Oberhand. Kollektive Habsucht und Herrschsucht bestimmen das Bild. Die Gier bestimmt das Leben, politisch, wirtschaftlich und ökologisch.
Das ist die Macht des Bösen, die Macht der Sünde – sie zeigt sich auch am Individuum, hat aber ihre Ursache in einer weltumspannenden Machtsphäre. Einer Machtsphäre, deren Wirksamkeit an Karfreitag gebrochen wurde. Seitdem sind wir frei, umzuziehen, in einen ganz anderen Machtbereich. Denn in dem Jesus Leib und Blut annahm wie ein Mensch konnte er die Macht der Todesmächte brechen.
Und im Abendmahl werden wir gleich Anteil haben an diesem Leib und an diesem Blut.
Denn er nahm unsere Gestalt an, war unserem Leiden und unseren Versuchungen ausgesetzt, wie es im Predigttext heißt.
Durch sein Leiden und durch seinen Tod konnte er die Macht des Bösen, des Teufels wie der Predigttext es sagt, bezwingen und wieder die Sphäre der Freiheit und der Liebe ins Recht setzen.
Dann wie handelte Jesus gegenüber dem Verrat am heutigen Abend, seiner Gefangennahme in der heutigen Nacht, seiner Kreuzigung am morgigen Karfreitag?
Er beantwortet Gewalt nicht mit Gegengewalt. Er ist mutig und offen. Bei der Gefangennahme gibt er sich offen zu erkennen und fordert seine Häscher auf, seine Jünger gehen zu lassen. Sie will er schützen, sich selber nicht. Er setzt sich für andere ein.
Er spricht aufrecht und mutig mit dem Hohepriester und seinem Knecht. Noch am Kreuz sorgt er sich um seine Mutter und seinen Lieblingsjünger und bindet sie aneinander als Mutter und Sohn. Er will beide der Fürsorge des anderen versichern.
Jesus nimmt die Aggressionen auf, ohne von ihnen vergiftet zu werden. Er kann sich anspucken lassen, ohne seine Würde zu verlieren. Die Verzweiflung hat bei ihm keinen Platz. Schmerzen hindern ihn nicht, seine Hoffnung auf Gott zu setzen.
- Seine Antwort auf die Aggressionen ist die Bitte um Vergebung für die Aggressoren.
- Seine Antwort auf die Verzweiflung ist die Hoffnung auf das Paradies.
- Seine Antwort auf die Dunkelheit ist die Solidarität.
- Seine Antwort auf die Schmerzen und die Todesangst ist das Vertrauen auf Gott.
Weil Jesus in der Verzweiflung, unter tödlichem Schmerz, dies vermochte: den Hass und die Aggression, die Verzweiflung und die Sinnlosigkeit, all das Unreine aufzusaugen und mitzunehmen ans Kreuz,
ohne selbst unrein zu werden,
ohne selbst aggressiv zu werden,
ohne selbst verzweifelt zu werden,
sondern all dies aufzunehmen
und es zu Nichts werden zu lassen,
selber nur Liebe zu äußern
und Vergebung zu erbeten für seine Feinde
und Übeltätern das Paradies zu verheißen:
Deshalb hat Gott in ihm tatsächlich etwas fundamental
Neues begonnen, dass die Welt in ihrem Innersten,
im Grundsätzlichen verändert hat.
Die Gewaltspirale ist zerbrochen und ist nun ohne Belang. Die ruinöse Kraft der Verzweiflung ist abgetan. Der Hass hat seine Macht verloren. Das Böse ist vom Thron gestoßen. All diese Mächte sind nur noch Schatten ihrer selbst und auch wenn sie vordergründig noch herrschen mögen: Wir wissen, dass sie nichtig sind.
Dies hat Jesus für uns getan. An Karfreitag, da nimmt Gott, da zerbricht Jesus diese Machtsphäre des Bösen, die sich von unserer Todesangst nährte, die sich speiste aus unserer Angst vor der eigenen Endlichkeit, der eigenen Begrenztheit. Er absorbiert diese Macht und die Angst am Kreuz. Befreit von der Macht des Bösen können wir neu leben.
Und im Abendmahl haben wir leiblich Anteil daran.
Er sagt uns,
er sagt dir und mir:
· Deine Feigheit, gib sie mir.
· Deine Selbstsucht, gib sie mir.
· Deine Enttäuschung, gib sie mir.
· Deine Kraftlosigkeit, gib sie mir.
· Deine Mutlosigkeit, gib sie mir.
· Deine Trauer, gib sie mir.
· Deine Hilflosigkeit, gib sie mir.
· Deinen Zorn, gib sie mir.
· Deine Sucht, gib sie mir.
· Deine Unreinheit, gib sie mir.
· Deine Distanz, Deine Ironie, Dein Abstandhalten, gib sie mir.
· Deinen Hass, gib ihn mir.
Jesus kann uns all dies abnehmen, wenn wir ihn darum bitten. Wir können es in seine Hände legen und es abgeben. Es muss uns nicht mehr beschweren. Er nimmt es für uns mit ans Kreuz und es bleibt dort. Unser gütiger Gott befreit unsere Seele aus ihrer Gefangenschaft, er nimmt uns unsere Angst, er schenkt uns die Möglichkeit zur Wahrheit, er lindert unsere Einsamkeit und bringt uns in das Land der Freiheit.
Gott gibt uns in Christus die Nähe und die Liebe, den Geist, dass wir spüren, dass er da ist und uns liebt und uns erlöst hat und wir in Freiheit leben können.
Und weil dies so ist, deswegen wollen wir in diesem Gottesdienst das Abendmahl feiern. Am heutigen Gründonnerstag hat Jesus das Abendmahl eingesetzt. Im Angesicht von Verrat und Verleugnung, im Angesicht dessen, dass alle männlichen Freunde nun bald in die Nacht fliehen werden, feiert er mit uns.
Die Tafel von damals ist ausgezogen und verlängert, so dass wir an ihr Platz nehmen können. In Gemeinschaft mit seinen Jüngerinnen und Jüngern, mit seinen Freundinnen und Freunden. Er gibt uns als seinen Brüdern und Schwestern, uns als seinen Geschwistern, die er zur Heiligkeit und zur Herrlichkeit führen will, Anteil an seinem Leib und seinem Blut.
Denn in ihm verdichtet sich, was vielleicht so mancher auch von Ostern dieses Jahr erhofft:
Das Erlösung nicht nur gewusst wird,
sondern spürbar wird.
Dass wir etwas miteinander teilen, was uns miteinander verbindet,
dass wir den Geschmack des Heils und des Segens erleben.
Amen.
[1] Paulus. Der Völkerapostel in jüdischer Sicht. von Schalom Ben-Chorin (Januar 1992) (Trilogie „Die Heimkehr“ über Jesus, Paulus und Maria aus jüd. Sicht).
[2] Was wir heute so nicht mehr mitsprechen können.
[3] Vgl. zum Folgenden Manfred Josuttis, Das Opfer Jesu und die Opfer der Zeugen [in Bezug auf den Bußtag], Dt. Pfr.blatt, 3/2014, S. 134.
[4] Josuttis.
[5] Formulierung Landesbischof Bedford-Strohm.
[6] Zum Folgenden: Josuttis, a.a.O.
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Dreizehn Lichter / Lichtermeditation von Klaus Eulenberger
Klaus Eulenberger bringt eine Inszenierung ein, die zu Gründonnerstag passt:
Nach dem Abendmahl fliehen die Jünger in die Nacht.
Jesus bleibt alleine zurück.
Zur Inszenierung sind 13 Kerzen aufzustellen: Jesus und seine Jünger.
Eine Kerze nach der anderen wird verlöscht, bis nur die Kerze Jesu übrig bleibt.
Es kann mit verteilten Rollen bspw. von vier Personen gelesen werden, jede Person stellt reihum einen Jünger vor. Am Ende erfahren Sie mehr zu den Hintergründen.
Dreizehn Lichter:
Jesus und seine Jünger.
Sie werden ihn verlassen und werden fliehen in dieser Nacht.
Er wird allein bleiben;
er allein wird bleiben.
Wer könnte von sich sagen,
er – sie – hätte standgehalten in dieser Nacht?
Wer kann von sich sagen,
er – sie – werde standhalten, wenn eine solche Nacht kommt?
Dreizehn Lichter:
Jesus und seine Jünger.
Der erste verlässt ihn schon,
während er mit ihnen Brot und Wein teilt.
Er geht in die Nacht, um ihn zu verraten.
Er wird es mit einem Kuss tun.
Zärtlichkeit wird zum Mittel des Verrats.
Nicht einmal der Kuss ist davor geschützt,
missbraucht zu werden.
(Die erste Kerze wird ausgelöscht.)
Der zweite, später im Garten,
mag Nachteile für Frau und Kinder fürchten:
Wenn sie mich festnehmen, denkt er, wird es ihnen schlecht ergehen.
Er flieht – und macht es den anderen leicht,
Gründe für ihre Flucht zu finden.
(Die zweite Kerze wird ausgelöscht.)
Dem dritten wird in einem Augenblick klar,
dass Jesus doch nicht Recht hat;
denn er hat ja keinen Erfolg.
Der Gang der Dinge spricht gegen ihn.
Warum soll ich mich für den Gescheiterten opfern?
(Die dritte Kerze wird ausgelöscht.)
Der vierte, so denke ich mir,
hat zuerst und vor allem Gehorsam gelernt
und erst später etwas von der Freiheit der Söhne und Töchter Gottes.
Mit der Macht vielleicht – aber mit den Mächtigen sollte man sich nicht anlegen.
Den Schwertern muss man sich fügen.
Er fügt sich – und flieht.
(Die vierte Kerze wird ausgelöscht.)
Den fünften sehe ich gar nichts denken.
Er hat nur Angst:
grimmige, kopflose, panische Angst.
Er tut, was sein Fluchtinstinkt ihm eingibt.
(Die fünfte Kerze wird ausgelöscht.)
Der sechste, vielleicht, läuft fort,
weil er sich der Nachwelt erhalten will.
Wenn ihm, dem Gefangenen, schon jetzt nicht zu helfen ist
(so denkt er),
will ich jedenfalls dafür sorgen,
dass hinterher die Wahrheit über ihn verbreitet wird.
(Die sechste Kerze wird ausgelöscht.)
Den siebenten, so stelle ich mir vor,
befällt ein unwiderstehliches Gefühl des Überdrusses:
Er hat die unablässigen Zumutungen nun endlich und endgültig satt.
Damit soll es ein Ende haben.
(Die siebente Kerze wird ausgelöscht.)
Der achte sehnt sich, wie ich vermute,
in diesem Augenblick der größten Müdigkeit zurück:
nach Hause, ans Ufer des Sees,
von dem er sich einst wegholen ließ
und wo die Familie schon lang auf ihn wartet.
(Die achte Kerze wird ausgelöscht.)
Der neunte mag sich von Gewalt distanzieren.
Er will nichts damit zu tun haben,
dass Schwerter gezogen werden.
(Wird nicht durchs Schwert umkommen, wer das Schwert nimmt?)
Er empfiehlt sich unauffällig.
(Die neunte Kerze wird ausgelöscht.)
Dem zehnten wird in diesem Augenblick klar,
dass er sich getäuscht hat
und dass alles bis hierher ein Irrweg war:
drei verlorene Jahre.
Aber noch ist es nicht zu spät,
umzukehren und das Leben zu gewinnen.
(Die zehnte Kerze wird ausgelöscht.)
Der elfte, so lese ich in seinem Gesicht,
traut sich alles zu,
aber nicht, gefoltert zu werden.
Er hat mit sich gekämpft;
nun gibt er auf.
(Die elfte Kerze wird ausgelöscht.)
Der zwölfte,
jener, der zuerst mit den anderen flieht
und dann doch in einigem Abstand dem Gefangenen nachgeht,
der zwölfte möchte solidarisch bleiben,
doch unmerklich und unerkannt.
Bis der Hahn kräht,
hat er gelernt, dass darin ein unlösbarer Widerspruch liegt.
(Die zwölfte Kerze wird ausgelöscht.)
Ein Licht ist übrig geblieben.
„Ich bin das Licht der Welt“, sagt der, der bleibt, von sich.
„Wer mir nachgeht, wird nicht in der Finsternis bleiben,
sondern wird das Licht des Lebens haben.“ (Johannes 8,12)
Über ihn sagt Jesaja in einer Vorahnung:
„Er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen.
Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten,
und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ (Jesaja 53,4.5)
Hinweis:
Der Brief, in dem Bonhoeffer Bethge vorschlägt, am Gründonnerstag nach St. Peter zu gehen, ist am 23.02.44 geschrieben: „Wenn Du Gelegenheit hast, in der Karwoche nach Rom zu kommen, so würde ich Dir raten, am Gründonnerstag den Nachmittagsgottesdienst (etwa von 2-6) in St. Peter mitzumachen; das ist, da die Römische Kirche die Feste mit dem Vortag um 12 Uhr Mittag beginnen lässt, der eigentliche Karfreitagsgottesdienst; soviel ich mich erinnere, ist auch am Mittwoch schon ein großer Gottesdienst. Am Donnerstag findet das Auslöschen der 12 Kerzen am Altar – als Symbol der Flucht der Jünger – statt, bis in dem riesigen Raum nur noch die eine Kerze in der Mitte – Christus – brennt; außerdem die Reinigung des Altars …“ Das ist die Stelle, die mich damals (1983) auf diese Idee gebracht hat.
(Klaus Eulenberger)
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Kollektengebet
Ewiger Gott,
wir sind jetzt in deinem Haus.
In deiner Gegenwart.
Lass den Alltag von uns abfallen.
Aller Staub, alles Kleinliche bleibt draußen, vor deinem Haus.
Das Alte lassen wir zurück.
Schmach, die wir erfahren haben.
Häme und Kleinmut, die wir erfuhren.
Es fällt von uns ab.
Beleidigungen, Misstrauen, Missgunst lassen wir zurück.
Die Kränkungen bleiben draußen.
Wir kommen zu dir wie neu geboren.
Lass in uns sein der Glaube an dich, Herr.
Lass in uns sein die Hoffnung auf dein Reich, Herr.
Lass in uns sein die Liebe zu denen, die nun hier um mich sind.
Lass uns jetzt Gemeinschaft haben mit dir und untereinander. Denn Jesus spricht: »Für euch gegeben - für euch vergossen.«
Darum bitten wir dich im Namen Jesu Christi, der mit dir und dem Heiligen regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen