Eine schwedische Studentin weigert sich im Flugzeug Platz zu nehmen. So stoppt sie über Stunden einen Flug mit dem ein 52-jähriger Mann nach Afghanistan abgeschoben werden soll. Laut sagt sie: „Da sitzt jemand hinten, der soll nach Afghanistan abgeschoben werden. Dort ist Krieg und wenn er dahin kommt, wird er höchstwahrscheinlich getötet. Ich versuche, sein Leben zu retten". Ihr Handy filmt die Szene; man sieht ihr die große Anspannung an, auch als man versucht, ihr das Handy zu nehmen und sie zum Sitzen zu bringen. „Solange ich und hoffentlich andere stehen, kann der Pilot nicht starten,“ wiederholt sie (https://www.tagesschau.de/ausland/schwedin-stoppt-abschiebeflug-101.html).
Ich sehe mir den Videofilm an, bin beeindruckt von dem Mut dieser Frau. Als andere Passagiere sich von ihren Plätzen erheben, ihr applaudieren, beginnt sie zu weinen. Der Dank für diese Hilfe ist so groß wie der Stress. Als der Mann aussteigen darf, verlässt auch sie den Flieger. Die Courage dieser Frau weckt weltweit Bewunderung. Der Film wird zu einem viel gesehenen Videos im Netz. Woher die Studentin diesen übergroßen Mut nimmt? Nichts davon wird berichtet, nur über rechtliche Konsequenzen und die Kosten für die Verzögerung des Fluges.
Im Urlaub selbst miterlebt: Ein Auto parkt ein, zwei Menschen steigen aus. Plötzlich würgt der Mann die Frau. Alles auf belebter Straße. Laute Rufe dringen zwischen geparkten Autos hervor. Einige Passanten gehen vorbei, sehen weg. Ein Mann steht im gegenüberliegenden Café auf, tritt heran, greift zwar nicht ein, hält Abstand, spricht die beiden aber laut und unüberhörbar an: „Wir sehen Sie, bitte lassen Sie das“, fordert er. In der Umgebung ist seine Stimme gut zu hören. Ich rufe unterdessen die Polizei. Der Schläger ist irritiert, lässt mit seinen Hände von seinem Opfer ab, nur das Geschrei geht weiter. Der Mann aus dem Café bleibt nicht alleine, es bildet sich ein Kreis, die Leute versuchen zu besänftigen. Später kommt die Polizei, hilft. Es gibt viele Zeugen, Schlimmeres wurde verhindert.
Wie es kam, dass er aufstand und versuchte, die Frau zu schützen? Er weiß es hinterher nicht mehr. „Ich wollte helfen, nicht nur der Frau, auch dem Mann, der sollte aufhören und das nicht noch schlimmer machen“.
Es braucht Menschen, die eingreifen, Frauen und Männer, die sich im richtigen Moment von ihren bequemen Plätzen erheben und die Sache nicht einfach in die verkehrte Richtung laufen lassen. Der Mann war zufällig im Café, er wurde unfreiwillig zum Helfer. Die Studentin sei, so wurde berichtet, Aktivistin, sie setze sich gegen Abschiebungen der Menschen in Kriegsgebiete ein. Wie dem auch sei, sicher ist: Beide haben etwas getan, was getan werden muss. Bevor es zu spät ist, muss jemand eingreifen. Es braucht ein selbstloses Helfen. Und es braucht die Einsicht: Du machst es nicht für dich selber, du machst es, weil es notwendig ist und du innerlich frei bist. Hier steht viel auf dem Spiel und es lässt sich trotzdem kein Blumentopf gewinnen.
Aus der Perspektive des Apostel Paulus gesprochen: Kein Mensch wird durch seine Werke gerecht. Gerechtigkeit gibt es nur in Christus. Der eröffnet die Freiheit aufzustehen und zu handeln. Und im richtigen Augenblick fokussieren sich die Gedanken, werden die Muskeln stark und die Stimme gewinnt an Festigkeit und man kann stehen blieben und erhebt seine Stimme.
„Ich habe eine Position“, ist die Botschaft; es braucht keine neue Moral. Denn die Bibel steht mit ihren Geboten Pate. Sie sorgen für einen erfrischenden Grundstrom, der – auch in einer säkularen Gesellschaft - menschliches Handeln erreicht und selbst die Bereiche des Lebens versorgt, in denen Gott schon lange vergessen ist. Es sind Menschen, die über ungewöhnliche Taten staunen, es sind Menschen, die das Engagement bewundern. Es sind Menschen, die massenhaft auf das Video klicken und die Studentin mutig im Flugzeug stehen und für den Afghanen argumentieren sehen. Das alles ginge auch ohne von Gott zu sprechen. Der klickt sich mit Sicherheit nicht durch den Strom der Videos, um uns an dann zu loben oder zu strafen. Gott hat schon alles getan; dafür stehen die Gebote, das Kreuz und der Name Christi. Wir können Gott nicht imponieren. Er sorgt für eine Freiheit, die nicht um das eigene Fortkommen kreist. Selbstlos im ursprünglichen Sinn des Wortes macht Gott.
Die Kette der Hilfe ist endlos lang: Junge Leute retten Lebensmittel, die sonst weggeworfen werden. Nachbarn gießen die in der Trockenheit ausdörrenden Straßenbäume. Beherzte Frauen und Männer kommentieren in den Social Media, wenn Menschen bedrängt werden und widerstehen dem Shitstorm der Verachtung. Es sind die Ehrenamtlichen, die in Krankenhäusern und Heimen ihre kostbare freie Zeit einsetzen, helfen, trösten und anpacken. Es braucht immer Menschen, die sich etwas zutrauen und auch Risiken nicht scheuen. Und manchmal fließen denen, die helfen, die Tränen über die Wangen. Sie riskieren Gegenwind, sogar Beleidigungen.
Christinnen und Christen kennen den Apostel Paulus. Der hat seine Erkenntnis, wie eine Grundströmung in die Menschheitsgeschichte hineingeleitet. Sein „Christus lebt in mir“ sorgt für Menschen mit Courage. Der Glaube verdichtet die Botschaft: Du kannst dir nichts erarbeiten, weder durch großen Fleiß noch mit der größten Mühe; vor deinem Wunsch, dich zu erheben und etwas zu tun, war Christus bereits auf dem Plan. Glaube fordert keine Fleißarbeit; durch ihn erreicht mich der Mut, mich zu erheben, wenn andere noch sitzen bleiben. Er erlöst mich von dem Bedürfnis, mir selbst, anderen und Gott etwas beweisen zu müssen; es ist alles bewiesen.
Während die einen noch fordern, dass andere nun endlich „aufstehen“ sollten, sind viele Menschen schon lange auf dem Plan und sorgen dafür, dass sich etwas ändern wird. Sie erheben sich, wenn sie sehen, dass Not herrscht. Sie handeln ohne den klammheimlichen Wunsch, irgendein „mieses Karma“ bekämpfen zu müssen oder ihren Status im Dies- und Jenseits weiter verbessern zu wollen.
100.000 Menschen unterschrieben im Laufe des Sommers eine Petition zur Seenotrettung (https://www.change.org/p/fl%C3%BCchtlingspolitik-in-europa-erst-stirbt-…). Da heißt es „Moral wird verunglimpft und Menschlichkeit kriminalisiert“, und es wird an die Politik appelliert: „entscheiden Sie sich für eine Politik der Mitmenschlichkeit und Solidarität, damit Europa seine Würde behält.“ Die Zahl der Unterstützenden steigt beständig, als ahnten die Menschen, dass man Hilfe nicht herunterschrauben kann und Rettung nicht verbieten darf. Als ahnten selbst die, die von Christus nichts wissen, dass man sich viel häufiger von seinem bequemen Sitzplatz erheben und manchem Beobachtungsposten verlassen muss um dann auch noch standhaft zu bleiben, wenn es ungemütlich wird. Die Zahl der Unterschriften steigt beständig. Es wirkt wie ein Kampf um das Überleben der anderen.
Es wird beständig ein Überschuss von diesem „in Christus leben“ in das Leben hineingeleitet. Davon werden manche Menschen immer noch überrascht und sie spüren, sie können nicht sitzen bleiben, wenn ein Mensch in ein Kriegsgebiet abgeschoben wird. Die Rede ist von einer Kraft, die der Glaube vorhält, von der furchtsame und mutige Menschen auch dann zehren, wenn es schwierig wird.
Es zieht sich sichtbar und auch unsichtbar eine Spur der Menschlichkeit durch diese heißen Sommertage. Da treten Menschen auf, Studentinnen stoppen Abschiebungen, beherzte Cafégäste verhindern eine schlimmere Prügelei, Leute bleiben nicht einfach auf ihren bequemen Plätzen sitzen, wollen nicht mehr von den Rängen aus zusehen. Es ist so, dass nun ich nicht mein Leben, meinen Sinn und mein Ziel suchen muss, weil „Christus lebt in mir“.