Das Ende der Opfer, über Johannes 1,29-34, von Gabriele Arnold
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Das Ende der Opfer, über Johannes 1,29-34, von Gabriele Arnold

Liebe Gemeinde
Eben noch lagen die Nikoläuse in den Schaufenstern und versuchten als Stoffpuppen an Balkonen hochzuklettern und nun lachen uns die bunten Faschingsmasken an und die ersten Fastnachtskrapfen versuchen sich gegen die alljährliche, nachweihnachtliche Diätwelle durchzusetzten.
So schnell geht das. Und es sind nur ein paar ganz tapfere, die den Christbaum noch im Haus haben. Aber wir alle haben Weihnachten ja noch im Herzen. Und auch unser Predigttext erzählt eigentlich noch einmal vom Weihnachtswunder, wenn auch mit anderen Tönen und strengen Worten und großen Bildern.
Nach mir kommt einer der vor mir gewesen ist. Was für ein merkwürdiger Gedanke. Ja, aber so ist das wohl. Wenn wir uns dem Geheimnis von Jesu Kommen aussetzen. Jesus ist nicht nur ein weiterer Zeuge und Prophet Gottes. In ihm ist Gott. Ja, er ist Gott. „Jesus kommt von Gott. Ist er nicht Gott-?“  so hat eine meiner Konfirmandinnen an Heilig Abend nach dem Gottesdienst gefragt. Ja, beides ist richtig. Er kommt von Gott und zugleich ist er Gott. Deshalb sagt Johannes, „er war vor mir“. Denn Jesus ist Gott und also so wie Gott vor aller Zeit und er wird auch noch sein wenn alle Zeit vorbei ist und alle Welt vorbei ist und Gott alles in allem sein wird. Und zugleich ist er ganz irdisch, geboren von einer Frau, jünger als Johannes, ganz Mensch mit Windeln und ersten Zähnen und mit Teenagerproblemen und Krach mit den Eltern und mit Pickeln und Liebeskummer. Das ist das Geheimnis der Person Jesu. Johannes und Paulus und Markus und Matthäus und alle anderen, deren Gedanken im Neuen Testament versammelt sind, kreisen immer wieder um dieses Unfassbare. Dass Jesus von Gott kommt und doch Gott ist und zugleich Mensch. Und darüber haben seit damals die Menschen nicht aufgehört nachzudenken und zu schreiben und ganze Bibliotheken sind gefüllt mit Büchern über dieses Geheimnis. Selbst wenn man sein ganzes Leben darauf verwenden würde nur das zu lesen, was über Jesus in den 2000 Jahren geschrieben wurde, man würde nicht fertig. Und doch ist es immer nur ein Kreisen um die Frage von Marion. Ist er nicht Gott? Und als Christen antworten wir: Ja er ist Gott.
Nun ist der Glaube an Jesus aber kein Verwirrspiel der Gelehrten und man muss weder schlau noch gebildet sein, um zu erfahren, wer Jesus ist. „Siehe das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt“. Das ist Jesus. Ein Lamm. Ein kleines Schaf. Lämmer das waren in der alten Welt und Vorzeit nicht nur Nahrungstiere und Wollelieferanten, sondern Lämmer wurden als Opfertiere geschlachtet.
Dahinter steht eine für uns Heutige merkwürdig anmutende Vorstellung. Ein Tier muss sterben, damit Gott bei Laune bleibt. In allen alten Religionen gibt es diese Vorstellung. Um die Sünden und die Schuld der Menschen wegzunehmen, muss ein Tier daran glauben. Diese Vorstellung  ist uns fremd und sie passt nicht zu dem Gott, von dem Jesus erzählt hat. Unser Gott braucht keine blutigen Opfer, weder von Menschen noch von Tieren. Gott muss nicht gut gestimmt werden. Gott ist gut gestimmt gegen uns. Er liebt uns ohne Wenn und Aber. Und trotzdem gibt es auch bei uns heutigen Menschen die Erfahrung, dass etwas nicht stimmt. Nicht stimmt mit uns und dieser Welt. Und auch wenn uns der alte Begriff Sünde verwirrt und wir nicht so genau wissen, was das eigentlich ist, dann haben wir alle doch die Erfahrung, dass es Dinge gibt, die nicht in Ordnung sind, die nicht gut sind. Das sind die wirklich furchtbaren Verbrechen, das ist der Holocaust an den Juden und an den Armeniern, die Enteignung der Palästinenser, das ist Raubmord und Gewalt, Vergewaltigung und Amokläufe, das ist aber auch die gestohlene Kette im Kaufhaus, der schnelle Besuch im Bordell, der Hass, der sich in meinem Herzen eingenistet hat, die Lüge, die mich vergiftet. Und um noch eins drauf zu setzen, es ist auch der Kaffee, den ich trinke und die Schokolade die ich esse, für deren Anbau Menschen geschunden werden und nicht gerecht entlohnt. Und das sind die Tierversuche, die für Medizin, aber auch die für den neuen Lippenstift. Wenn wir einmal anfangen, all das Böse und Schlechte, all die Gewalt und Schrecken aufzuzählen, dann kommen wir zu gar keinem Ende. Das ist eine unglaubliche Ansammlung an Übeltaten und Bösem und das von alters her bis heute, vom Norpol bis nach Australien, von Ost nach West, von oben und unten. Was für ein furchtbarer Haufen! Und was passiert nun damit ? Wie kann man damit leben? Wie kann unsrer Erde bestehen, ohne an all diesem Gift zu ersticken?
Und jetzt ist da Jesus, das Lamm. Es soll keine Opfer mehr geben. Keine Tiere und noch weniger ein Mensch soll sterben, um Vergebung und Versöhnung in die Welt zu bringen. Keiner soll sich mehr opfern müssen, um den Geruch, den Gestank des Bösen aus der Welt zu schaffen. Keiner soll mehr dran glauben müssen, damit ein Neuanfang möglich ist. Und Gott braucht nicht noch mehr Tote, um das Böse zu vernichten. Und so kommt Jesus, das Lamm und er nimmt das alles auf seine Schulter und zerbricht daran. All das ist zu viel zu viel sogar für Gott, der in Jesus ist. Und so zerbricht das Lamm, zerbricht Gott am Kreuz und stirbt. Aber weil Gott Gott ist und größer und stärker als all das Unrecht, als all das Schlimme, darum wird es Ostern. Und so wird es erst richtig Weihnachten. Das Kindlein in der Krippe würde uns nichts nützen, uns nicht und der ganzen geschundenen Welt nicht. Das Gottkindlein wäre nicht genug. Es braucht den Tod Gottes und dann ersteht Gott neu und strahlend. Als Sieger über das Böse. Das Lamm muss die Sünde der Welt wegtragen, wegbringen, ans Kreuz tragen und dort wird sie vernichtet und im Tod Gottes wird sogar der Tod vernichtet. „Siehe das ist Gottes Lamm das die Sünde der Welt trägt. Wegträgt. So singen wir es an Weihnachten. “Er nimmt auf sich, was auf Erden wir getan, gibt sich dran unser Lamm zu werden, unser Lamm, das für uns stirbet und bei Gott, für den Tod Gnad und Fried erwirbet“. Und an Ostern klingt es ganz ähnlich .“ Die Höll und ihre Rotten, die krümmen mir kein Haar, der Sünden kann ich spotten, bleib allzeit ohn Gefahr. Der Tod mit seiner Macht, wird nichts bei mir geacht, er bleibt ein totes Bild und wär er noch so wild“. Diese beiden Feste gehören ganz eng zusammen und so ist vielleicht doch nicht ganz ohne Sinn, dass auf die Weihnachtsdekoration so schnell die Masken des Faschings folgen, denn die Faschingszeit leitet ja die Passionszeit ein, an deren Ende Kreuz und Auferstehung stehen.
Und deshalb macht es viel Sinn, dass wir heute Abendmahl feiern. Denn diese Geschehen am Kreuz und an Ostern, die Vergebung und die Chance zu Neuanfang, das sind ja keine Ereignisse in ferner Vorzeit, die nicht zu uns herüberreichen. Im Abendmahl lädt Gott uns ein. In Wein und Brot kommt er und spricht uns das zu, was er für uns erreicht hat: Vergebung der Schuld und Neubeginn. Jedes Abendmahl ist die ausgestreckte Hand Gottes, ist sein Lächeln, ist sein Wort: „Du brauchst all deinen Lebens Müll nicht mit Dir herumzutragen. Alls ist weggetragen, gut und vergeben. Du darfst leben und neu anfangen. Immer wieder neu. Keiner ist mehr da, der dir ewig vorrechnet, was du getan hast. Alles ist gut.“
Und was ist mit all dem was, sonst noch am Kreuz gelandet ist? All das was nie jemand bereut. All die furchtbaren Morde und Schrecken der Weltgeschichte. All dieser Unrat. Als Christen glauben wir, dass auch das in Ordnung kommt. Ganz am Ende der Zeiten wird auch Gott darüber seinen Mantel der Vergebung legen und dann werden auch die zur Einsicht kommen, die nichts einsehen und bereuen wollten und die Opfer werden ins Recht gesetzt. Dann kann Gott auch endlich allen diesen verzeihen. Vielleicht sogar Hitler und Stalin und all den anderen Übeltätern und Menschenschindern. Aber das wollen wir getrost dem lieben Gott überlassen und darauf vertrauen, dass er es schon recht macht und dass seinen Weisheit größer ist als unsere, und seine Liebe tiefer als alles, was wir ausloten können. Amen