"Das Zweitwichtigste im Glauben", Predigt über Kolosser 4,2-6 von Christoph Maier
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"Das Zweitwichtigste im Glauben", Predigt über Kolosser 4,2-6 von Christoph Maier

Liebe Gemeinde, liebe Tauffamilien,
  
  in meinen ersten Jahren als Pfarrer habe ich mir für die Gespräche im Haus der Tauffamilien zur Vorbereitung einer Taufe immer eine Frage gestellt: „Was ist für Sie das wichtigste am christlichen Glauben?“
  Darauf wird man wohl antworten können, wenn man sich entschieden hat, seine Kinder zu taufen, oder?
  Das sollte doch ein guter Gesprächseinstieg sein, um mit den Menschen tatsächlich über die Fragen ins Gespräch zu kommen, die ihnen im Glauben wichtig sind!
  Ich habe mich dann immer gewundert, warum die Taufgespräche daraufhin so schleppend und stockend verlaufen sind. Bis ich mir die Frage einmal selber gestellt habe: „Was ist für mich eigentlich das Wichtigste am christlichen Glauben?“ Was würde ich darauf Antworten. Was würden Sie darauf Antworten.
  
  Ich habe die Frage aus meinem Katalog für das Taufgespräch gestrichen. Ist es doch eher eine Frage, die die Predigt beantworten sollte, und nicht der Gemeinde. Befragen wir also den heutigen Predigttext aus dem Kolosserbrief nach dem Wichtigsten im Glauben.
  Lesung Kol 4,2-6
  
  Das Wichtigste im Glauben ist das „Geheimnis Christi“. Um dieses Geheimnis Christi kreist das ganze Schreiben, das in den 70er oder 80er Jahren nach Christi Geburt in den Städten um Kolossä - das liegt in der heutigen Türkei - als Rundschreiben kursierte.
  
  Das Geheimnis Christi soll verkündigt werden, denn „in ihm ist alles geschaffen, was im Himmel und auf der Erde ist“ (Kol 1,16) „in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig“ (Kol 2,9) in ihm liegen verborgen, „alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis“ (Kol 2,3).
  Unseren Täuflingen haben wir das Kreuz auf die Stirn gezeichnet und zugesprochen: „Du gehörst zu Christus“. Durch die Taufhandlung haben wir diese Kinder heute mit hineingenommen in das Geheimnis Christi.
  
  Das Wichtigste im Glauben ist also kein abrufbares und abfragbares Wissen, sondern die Teilhabe an dem großen Geheimnis Gottes. Wie soll ich das Beschreiben, wie soll ich das Aussprechen – die fehlenden Antworten auf meine Frage nach dem Wichtigsten im Glauben in meinen Taufgesprächen haben, vielleicht auch nur das gezeigt: Oft kann man gar nicht sagen, warum und weshalb. Oft will man einfach nur dazugehören, oder will, dass die Kinder dazugehören. Es bleibt ein Geheimnis.
  
  Nun legt unser Predigttext um dieses Wichtigste im Glauben noch etwas „Zweitwichtigstes“ drum herum.
  Das ist tröstlich, denn wenn ein Geheimnis, ein Geheimnis bleiben soll, dann bleibt uns ja gar nichts anderes übrig, als drum rum zu reden. Beschäftigen wir uns also mit dem „Drumherum“ dem Zweitwichtigsten im Glauben. Und das ist dann wieder erstaunlich greifbar. Was ist das Zweitwichtigste im Glauben?
  
  Bildung und Beten
  Für die christliche Bildung eines Kindes zu sorgen und es im Beten anzuleiten, das sind wichtige Pflichten der Paten, das haben Sie eben in der Taufhandlung auch versprochen.
  Bildung und Gebet sorgen dafür, dass wir am Geheimnis Christi dranbleiben.
  
  „Verhaltet euch weise gegenüber denen, die draußen sind, und kauft die Zeit aus. Eure Rede sei allezeit freundlich und mit Salz gewürzt, dass ihr wisst, wie ihr einem jeden antworten sollt.“
  Wenn man, wie die Christen in Kolossä und Umgebung ständig angefragt wird, mit einer verwirrenden Vielfalt von Philosophien und Weltanschauungen zu tun hat, ist es wichtig, zu wissen, an was man glaubt. Freundlich aber bestimmt, schlagfertig aber ohne Totschlagargumente sollen die Christen Auskunft geben können, gegenüber denen die draußen sind.
  
  Da gibt es ja auch wirklich vieles, was unverständlich bleibt, wenn man das Geheimnis Christi nicht gekostet hat, wenn man nie teilgenommen hat, an der Versammlung des Leibes Christi, den wir Kirche nennen.
  
  Warum soll man am Karfreitag öffentliche Tanzveranstaltungen verbieten – soll doch jeder machen, wie er oder sie denkt.
  Warum auf die Barrikaden gehen, wenn die Geschäfte am Sonntag öffnen wollen – manche gehen eben lieber shoppen, als in die Kirche.
  
  Wie damals in Kolossä sind auch heute noch viele Lehren unterwegs. Vielleicht würden wir diese heute nicht als Irrlehren bezeichnen, soviel gebietet die Toleranz in einer offenen Gesellschaft, aber ich denke, es ist nach wie vor wichtig für die christliche Gemeinde und für jeden einzelnen Getauften und Getaufte, sich mit den Lehren der Zeit auseinanderzusetzen.
  Eine dieser Lehren, die heute allgemein anerkannt zu sein scheint, ist die Orientierung am Ich, am Individuum als Maßstab aller Dinge. Gut und richtig ist, was ich für mich entscheiden und verantworten kann.
  Eine andere Lehre ist die Dominanz der Ökonomie, der Wirtschaft und des Geldes in allen gesellschaftlichen Bereichen. Gut und richtig ist, was sich rechnet.
  Beide Grundorientierungen unserer Gesellschaft können von der christlichen Lehre her mit guten Gründen, freundlich aber mit Salz gewürzt in ihre Schranken gewiesen werden.
  
  „Kauft die Zeit aus“, diese Aufforderung aus dem Predigttext hat nichts mit einer konsumorientierten Lebenshaltung zu tun. Ich verstehe sie als Aufforderung zur Bildung. Nutzt die Zeit, um euch Weise zu verhalten, euch sachlich fundiert und intelligent auseinanderzusetzen mit denen, die draußen sind, mit den Lehren eurer Zeit. Nutzt die Zeit euch zu bilden im christlichen Glauben, damit Ihr wisst, wie ihr jedem antworten sollt.
  
  „Kauft die Zeit aus“, bildet euch und betet. Ist die Bildung das Zweitwichtigste im Glauben, um nach außen im Kontakt mit der Welt, in der wir leben, glaubwürdig zu bestehen, so ist das Beten das zweitwichtigste im Glauben, um nach innen, im Kontakt mit Gott zu stehen.
  „Seid beharrlich im Gebet“ (Kol 4,2a). Wo hat das Platz in unserem Leben, das beharrliche Gebet? Wie können wir das Beten in unseren Alltag in unseren Familien so integrieren, dass es einen ganz selbstverständlichen Platz bekommt oder behält?
  Sprachlosigkeit bedroht nicht nur zwischenmenschliche Beziehungen auch im Bezug auf Gott ist Sprachlosigkeit oder Gebetslosigkeit eine Bedrohung. Deshalb gibt der Verfasser des Kolosserbriefes gleich noch zwei Hinweise, wie wir beten können, wie wir die Sprachlosigkeit füllen können: „Und wacht in ihm mit Danksagung! Betet zugleich auch für uns.“ (Kol 4, 2b,3a). Dank und Fürbitte als zwei Formen des Gebets, empfiehlt er seiner Gemeinde.
  Darin kann man sich übern, denn Beten hat wie die Bildung auch etwas mit unseren Vorsätzen zu tun. Es muss uns wichtig sein, wir müssen uns darum bemühen, denn es geschieht nicht von allein. Das ist so eine Eigenart der zweitwichtigsten Dinge im Glauben. Das Wichtigste bekommen wir geschenkt mit der Taufe: die Teilhabe am Geheimnis Christi. Um das Zweitwichtigste müssen wir uns bemühen, müssen es einüben und praktizieren uns Zeit dafür nehmen und immer wieder neue Wege suchen.
  
  Beides, das Gebet und die christliche Bildung, vertiefen und vergrößern das, was wir als Geheimnis des Glaubens nur umkreisen und umschreiben können. Sie halten uns auf der Bahn um den Kern unsers Glaubens, damit wir lebendig bleiben im Glauben und in Bewegung auf der Suche nach dem „Geheimnis Gottes, das Christus ist, in welchem verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis.“ (Kol 2,3)
  
  Amen
   
Perikope
Datum 13.05.2012
Bibelbuch: Kolosser
Kapitel / Verse: 4,2
Wochenlied: 133 344
Wochenspruch: Ps 66,20