Das Herz braucht Kronen. Wer einmal Anfang Januar in Köln ist, der sollte unbedingt am 6. in den Dom gehen. Festlicher und strahlender geht kaum ein Gottesdienst, die Orgel braust, alle singen dazu „Stern über Bethlehem“ und am Ende bildet die Gemeinde eine lange Prozession, die vorne am goldenen Schrein entlangzieht. Denn nur an diesem Tag ist an dem Schrein die Frontplatte abgenommen und hinter dem goldenen Gitter ahnt man - mehr als dass man sie sieht - , drei menschliche Schädel mit Kronen darauf. Das Herz braucht Kronen.
Ja, der Kölner Dom rühmt sich, seit dem 12. Jahrhundert die Gebeine der Heiligen Drei Könige in diesem goldenen Schrein zu beherbergen. Die Heilige Helena soll sie im 4. Jahrhundert in Jerusalem gefunden haben. Eigentlich komisch, wo es doch bei Matthäus heißt, dass die Weisen zurückzogen in ihr Land. Aber vielleicht gab es ja in Jerusalem ein Altersheim für Könige.
Wohl kaum eine andere Geschichte aus der Bibel ist im Laufe der Jahrhunderte durch den Volksglauben, durch Herz und Seele der Menschen so sehr ausgeschmückt worden wie die Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland. Aus einer ungenannten Anzahl von Weisen werden aufgrund der Dreizahl der Geschenke schnell drei Personen, aufgrund der Kostbarkeit der Geschenke aus den drei Personen schnell drei Könige. Und dann erhalten diese drei Könige Namen: Caspar, Melchior und Balthasar. Sie kommen von den drei im Mittelalter bekannten Kontinenten Europa, Asien und Afrika – darum ist auch einer schwarz – und sie haben drei unterschiedliche Lebensalter: Der Junge, der Mittlere und der Alte.
Und dann entstehen im ausgehenden Mittelalter die Krippenspiele und erste Krippenlandschaften und die Heiligen Drei Könige bekommen kostbarste Gewänder und Turbane sowie Karawanen mit Kamelen und Knechten. Und natürlich Kronen. Das Herz braucht Kronen.
Dabei klang die Geschichte für die ersten Hörer und Hörerinnen keineswegs märchenhaft. Matthäus greift tief in die Erzählungen und Weisheiten der jüdischen Bibel, unseres Alten Testaments, und wirft sie in seine Gegenwart.
Was Luther mit dem wunderschönen Begriff „Morgenland“ übersetzt, klang für damalige Ohren zum Beispiel eher bedrohlich. Die Weisen kamen aus dem Osten. Aber aus dem Osten konnte nichts Gutes kommen. Seit Jahrhunderten lag Israel mit den östlichen Völkern Krieg. Uralt war die Feindschaft - hatten die Völker des Ostens nicht schon Mose und das Volk auf ihrer Wanderung in das Gelobte Land immer wieder hinterrücks angegriffen? Tückische Menschen waren das. Fremde von dort konnten nichts Gutes bringen.
Eigentlich gab es nur eine Friedenszeit und die war lange her. Das war, als König Salomo, der Davidssohn, Besuch bekam von der Königin des Ostens, der Königin von Saba. Beide überschütteten sich gegenseitig mit Geschenken, mit Gold, Sandelholz und Spezereien. Und die Königin von Saba bewunderte vor allem die Weisheit Salomos. Eine uralte Geschichte von Freundschaft, Frieden und Weisheit, die auch am Horizont bei Matthäus wieder aufleuchtet, als die drei Weisen mit Geschenken aus dem Osten aufbrechen. Die Konstellation der Sterne verriet ihnen die Geburt eines neuen Königs in Israel. Und so gehen sie natürlich in die Königsstadt Israels, nach Jerusalem, nichts Böses ahnend.
Jerusalem ist die Stadt aller Völker. Hier sollen die Völker einst friedlich zusammen kommen. Hier könnten Weise und Könige aus Ost und West sich auf einem Gipfeltreffen einigen. Aber der Machthaber in der Königsstadt will keinen Friedensgipfel.
König Herodes ist entsetzt. Der Mächtige fürchtet um seine Macht, um seine Krone. Das darf nicht wahr sein! Und was nicht wahr sein darf, das soll auch nicht wahr sein. Ein neuer König an seiner statt? FakeNews! Wären sie Minister, hätte Herodes sie gleich entlassen, aber da die Weisen nicht in seinem Dienste stehen, kann er nur versuchen, sie zu instrumentalisieren und schickt sie weiter von der Königsstadt zur Davidsstadt, von Jerusalem nach Bethlehem. Ein Stern führt sie, wie schon Bileam es prophezeite. Und sie schenken Gold und Weihrauch, wie schon Jesaja es weissagte. Aber nicht nur.
„Für den König aller Lande!“ sagt der erste, legt ein Goldstück vor die Krippe und kniet nieder. Der zweite hat ein Säckchen mit Weihrauchkörnern. „Für den König aller Himmel!“ sagt er und kniet nieder. Der dritte hat einen Balsam dabei. Maria erkennt den bitteren Geruch: Myrrhe. Sie weiß, damit werden Wunden behandelt. Und damit werden Tote balsamiert. „Für den Menschen mitten unter uns!“ sagt der Dritte leise und kniet nieder. Drei Weise, knieend, still. Wie einst bei der Königin von Saba bleibt nur ein stilles Staunen vor dem Davidssohn, wenn der Reichtum abgelegt ist. Was für eine Weisheit ist das hier, in dem Stall? Was für eine Weisheit ist das, das dieses Kind Gottes Sohn sein sollte?
Zweitausend Jahre später ziehen Caspar, Melchior und Balthasar, als Vertreter aller Völker und aller Lebensalter von Haus zu Haus und klingeln an den Türen. Die Sternsinger sind in diesen Wochen wieder unterwegs. Vielerorts sind sie ökumenisch und vielerorts übersteigt die Nachfrage das Angebot. Das heißt, es gibt viel mehr Menschen, die einen Besuch von den Sternsingern wünschen, als es sternsingende Kinder und Termine gibt. Die Sternsinger kommen und singen. Anders als ihre Urahnen bringen sie keine Schätze, sondern sammeln Geld ein. Dafür bringen sie etwas anderes. Wie ein Schutzzeichen prangen die Buchstaben, Zahlen und Sterne, mit simpler Kreide gemalt an den Türen. C M B, 2019, Christus mansionem benedicat, Christus segne dieses Haus. Und die Sehnsucht der Menschen nach diesem Segen ist groß. Sie kommen verkleidet wie Märchenfiguren. Sie kommen singend und sie bringen den Segen in die Häuser. Der Segen, der aus einem kleinen Haus, einem Stall nur ausging. Von einem König, des Himmels und der Erden, des Weihrauchs und des Goldes. Wahrer Gott und wahrer Mensch, Myrrhenkind.
Das Herz braucht Kronen.
Und so ziehe ich durch die Wüste des Lebens,
stürmende Wolken, wirbelnder Sand,
irgendwo hinten in der Karawane.
Der Stern zieht mich voran,
die Sehnsucht nach ein wenig Glanz für mein Leben.
Die Taschen meines weiten Mantels sind voll:
mit Wüstenstaub wie mit Himmelskram.
Ich ziehe durchs Leben und brauche mich nicht zu schämen.
Weder für meine Sehnsüchte und Ängste,
noch für die Schrammen, die die Wüstendornen
schon in mein Herz gekratzt haben.
Denn unter dem Stern ist ein König,
der trägt eine Krone von Dornen
und teilt die Myrrhe mit mir.
Der streicht mir Balsam auf die wunde Seele
und flüstert mir zu:
Fürchte dich nicht.
Was auch immer dein Herz braucht,
ich bin da
und segne dich.
Amen.
Liedvorschläge
EG 45 Herbei, o ihr Gläubgen
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EG.E 1 Stern über Bethlehem
EG 73 Auf, Seele, auf und säume nicht
EG 24,8.15 Sei mir willkommen, edler Gast