David – auch im Scheitern ein frommer König - Predigt zu 2. Samuel 12,1-10.13-15a von Wilhelm v. der Recke
12,1-10.13-15a

David – auch im Scheitern ein frommer König - Predigt zu 2. Samuel 12,1-10.13-15a von Wilhelm v. der Recke

David – auch im Scheitern ein frommer König

Gott widersteht dem Hochmütigen, aber dem Demütigen gibt er Gnade. So heißt es im Wochenspruch. Wie sehr das Wort zutrifft, zeigt ein Ereignis aus dem Leben des Königs David – ein schreckliches, einschneidenden Ereignis. Die Vorgeschichte werden manche von Ihnen kennen:

Der Hirtenjunge hat es zum König gebracht! Alles ist ihm geglückt. Er ist der allgemeine Liebling – von Gott und den Menschen, von seinen Kameraden und den Frauen. Doch nun ist er tief gestürzt. Er hat einen Ehebruch begangen, dessen Folgen er kaum beherrschen kann: In der Abenddämmerung erholt sich David auf dem Dach seines Hauses in Jerusalem. Von dort kann er eine schöne Frau bei der Abendtoilette beobachten. Er schickt zu ihr, sie kommt, und die beiden schlafen miteinander. Das war nicht schwer zu arrangieren, weil ihr Mann abwesend ist. Uria ist Offizier und auf einem Feldzug. Bathseba – so heißt seine Frau – wird schwanger. Als David davon erfährt, lädt er Uria großzügig zu einem Heimaturlaub ein. Offenbar will er erreichen, dass er so schnell wie möglich mit seiner Frau zusammen kommt. Dann kann er ihm das Kind als Kuckuckskind unterschieben.

Aber Uria spielt nicht mit. Er kommt zwar nach Jerusalem, aber er kehrt nicht in das eigene Haus ein. Auch als ihn David betrunken macht, schläft er draußen im Hof wie die anderen Soldaten. Seine Kameraden sind im Krieg, er will es nicht besser haben als sie. Vermutlich riecht er den Braten, aber er äußert sich nicht dazu. – David gerät in Panik. Er ordnet ein Himmelfahrtskommando an. Sein Feldherr versteht und befiehlt den Offizier zu einem waghalsigen Unternehmen. Dabei kommt Uria um. Als es David gemeldet wird, schickt er dem beunruhigten Feldherrn eine abwiegelnde Botschaft. Mit beispiellosem Zynismus schreibt er: „Nimm es nicht so schwer. So ist das Leben. Mal trifft es den einen, mal den anderen.“

Vermutlich ist David froh, dass er noch einmal glimpflich davon gekommen ist. Aber er hat keine gute Figur gemacht, und wahrscheinlich quält ihn auch sein Gewissen. Er versucht, zur Tagesordnung zurückzukehren. Immerhin ist Bathseba auf diesem Weg Witwe geworden, sie ist frei, und er kann sie nach einer Anstandspflicht heiraten. Doch er hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht …

Es folgt der Text aus 2. Samuel 12

I.             Eine starke Geschichte! Es ist stark, wie der Prophet Nathan dem König furchtlos die Wahrheit sagt. Und es ist stark, wie David darauf reagiert. „Ich habe gesündigt gegen den Herrn“, bricht es aus ihm heraus.

Er sagt nicht: „Da habe ich einen Fehler gemacht!“ – So hört man das heute häufig aus dem Mund von Politikern, Wirtschaftskapitänen und selbst von Bischöfen, wenn sie öffentlich eines Vergehens überführt werden. Ob es wirklich schlimm ist oder nicht ganz so schlimm, immer sagen sie: Da habe ich einen Fehler gemacht. Es war nur ein Fehler, als ich Millionen Gelder selbstherrlich verbaut habe. Ein Fehler, als ich mein Vermögen am Fiskus vorbei in ein Steuerparadies geschleust habe. Ein Fehler, als ich mich an kleinen Jungen vergriffen habe – aber das ist doch jetzt 30 Jahre her. Wenn es hoch kommt, heißt es: Dafür übernehme ich die politische Verantwortung.

Uns allen unterlaufen ständig Fehler. Wenn eine Studentin in einer Gastwirtschaft aushilft und sich abends um 11 Uhr bei der Rechnung, beim Zusammenzählen, vertut – macht sie einen Fehler. Es ist wirklich nur ein Fehler. Das ist nicht weiter schlimm. Jedenfalls ist es nicht im Entferntesten mit den Vorgängen zu vergleichen, die in manchen Skandalen zutage treten, und die dann als dummer Fehler dargestellt werden.

Wer sagt heute schon in aller Öffentlichkeit: Da habe ich Schuld auf mich geladen. Ich habe mich wirklich unmöglich verhalten – das ist unverzeihlich.
Wer sagt gar, ohne damit zu kokettieren: Ich habe gesündigt. Ich habe mich gegen Gott und die Menschen versündigt. – Aber vielleicht gehört das so auch nicht in die Öffentlichkeit. David sagt es unter vier Augen. Das gehört eher in den Beichtstuhl.
Etwas anderes ist es, die Schuld öffentlich auf sich zu nehmen und sich zu ihr zu bekennen. Wer ein öffentliches Amt hat und sich in gröbster Weise vergeht, der soll auch in aller Öffentlichkeit dazu stehen und um Entschuldigung bitten – ganz egal, ob er Christ oder Atheist ist.

II.            David bekennt sich ohne Umschweife zu seiner Schuld. Das ist bewundernswert.
Es folgt die nächste Überraschung: Nathan spricht ihm im Namen Gottes die Vergebung zu – auch ohne Wenn und Aber, ohne Verwarnung, ohne Bedingungen, ohne alle moralische Vorhaltungen. Einfach so: „So hat auch der Herr deine Sünde weggenommen; du wirst nicht sterben.“

Auch das ist heute nicht selbstverständlich, ja es ist anstößig. Plötzlich reagieren wir moralisch. Wir sind aufgebracht darüber, wie einfach es sich der Prophet macht – wie es dann heißt. Man stelle sich nur die Flut von Leserbriefen und Facebook Eintragungen vor: Dieser Kerl, der über einen ganzen Harem verfügt, macht sich über die Frau eines Soldaten her, der den Kopf für seinen König hinhält. Dieser Kerl, der sich alles erlaubt und seine Macht dazu benutzt, den rechtmäßigen Ehemann aus dem Wege zu räumen. Und anschließend legalisiert er sein Verhältnis zu dieser Frau. – Und nun gerade mal drei Worte: Ich habe gesündigt. Und alles ist in Butter!?

Ist das so? – Ja und nein. – Nein, denn David ist ehrlich empört über den, der so etwas getan hat – wie es seine Reaktion auf die Geschichte zeigt, von der ihm Nathan berichtet. Und nun, wo er sich selbst in dieser Geschichte, in diesem Gleichnis wiedererkennt, ist er zu tiefst getroffen, er ist fassungslos und am Boden zerstört. (Vermutlich hat das Gespräch zwischen Nathan und dem König in Wirklichkeit auch viel länger gedauert, als es hier dargestellt wird. Ganz so kurz und bündig ging es wohl nicht zu).

Ja! Auch das Ja gehört zu der Frage, ob Gott so einfach vergeben kann. Ja, er kann es, und er tut es. So ist Gott. Er vergibt. Bei ihm läuft es anders als bei uns – uns, denen es schwer fällt, Schuld zuzugeben; und uns, denen es schwer fällt, fremde Schuld zu vergeben.

Gott ist anders – er ist absolut souverän, in dem was er tut. Und er ist voller Mitgefühl und Erbarmen. Er wendet sich dem freundlich zu, dessen böse Taten ihn so empört, so enttäuscht und beleidigt haben. Dem, der ihn herzlich um Vergebung bittet. Das ist der Gott, der uns im Alten Testament begegnet, und das ist der Gott, der uns im Neuen Testament begegnet – Jesus hat das ausdrücklich bekräftigt.

III.          Überraschend ist schließlich, wie es weitergeht. Wie hier unterschieden wird zwischen der Schuld – die David auf sich geladen, die er bekannt hat und die ihm vergeben worden ist – und den Folgen seines üblen Tuns. Das ist eine andere Geschichte, und die bleibt ihm nicht erspart. Der mit Bathseba gezeugte Sohn muss sterben, und das ist für den Vater ganz, ganz bitter. Es ist bewegend zu lesen, wie David im weiteren Verlauf der Geschichte um das Leben seines Sohnes kämpft, wie er darum fleht, wie er fastet und in Sack und Asche geht – ohne sein Schicksal wenden zu können.

Uns fällt es schwer zu akzeptieren, dass das Kind für das büßen soll, was der Vater Böses getan hat. Ist das Gerechtigkeit? So fragen wir heute und müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass man das damals anders sah. David hatte nach israelitischem Recht sein Leben auf doppelte Weise verwirkt – wegen des Ehebruchs und wegen des Meuchelmordes an Uria. Leben für Leben. Wenn nicht Davids Leben, dann eben das seines namenlosen Kindes. Es wird Opfer einer übergeordneten Gerechtigkeit, die wir mit unserem Glauben nicht mehr rechtfertigen können. Aber schon im Alten Testament wird sie in Frage gestellt (z. B. Hesekiel 18).

Gleichzeitig müssen wir die dahinterstehende Unterscheidung anerkennen. Die Folgen einer bösen Tat kann man nicht einfach unter den Teppich kehren. Vergeben und vergessen, Schwamm drüber – so einfach geht das nicht. Angenommen, mein Nachbar fährt in meinen Zaun – egal ob er angetrunken ist oder nicht. Wenn er mich darum bittet, werde ich ihm – vielleicht schweren Herzens – vergeben. Aber für den entstandenen Schaden muss er aufkommen. Das muss man unterscheiden.

Und wenn ihm das mit dem Zaun alle paar Monate passiert? Dann muss er eben jedes Mal wieder die Reparaturkosten übernehmen – wenn er nicht besser das Auto überhaupt in der Garage stehen lässt. Und ich soll ihm – wenn er mich darum bittet – immer wieder neu vergeben. So sagt es die Bibel. Als Petrus fragt, wie oft er seinem Bruder vergeben müsse, ob nicht siebenmal reiche – antwortet Jesus: siebenmal siebzigmal, also immer. Immer neu sollen wir versuchen, uns mit unserem Nächsten wieder an einen Tisch zu setzen. Wir müssen ihn nicht innig lieben – so ist das Gebot der Nächstenliebe nicht gemeint – aber wir sollen ihn leben lassen. Wir sollen ihm sein Leben gönnen. Wir sollen – soweit es an uns ist – das Kriegsbeil begraben.

Ist das nicht eine Zumutung, manchmal eine unmögliche Zumutung? Ja, das ist eine Zumutung. Aber wir muten Gott ja auch einiges zu.

 

Es empfiehlt sich natürlich, die Vorgeschichte in die Predigt einzubeziehen. Und damit würde ich beginnen. Ich mache dafür einen Vorschlag, aber ich würde die Vorgeschichte unbedingt frei erzählen, bestenfalls auf ein paar Stichworte gestützt.