"Dein ist mein ganzes Herz" - Predigt über Lukas 22, 31-34 von Annette Muhr-Nelson und Elke Markmann
22,31
Gottesdienst für Liebende  am Sonntag Invocavit
  Predigt zu Lukas 22, 31-34; Ruth 1, 16a-17; 1. Korinther 13
  von Superintendentin Annette Muhr-Nelson und Pfarrerin Elke Markmann
  
  Dein ist mein ganzes Herz
  
  Lied 401, 1-4 Liebe, die du mich zum Bilde
  
  Ansprache 1 (Markmann) „Ich folge dir!“
  „Wo du hingehst, da will ich auch hingehen!“ Dieser Vers wird oft als Trauspruch genommen. Er drückt aus, wie sehr zwei Menschen zusammen gehören. Einen Lebensweg ohne den oder die andere? Nein, das ist nicht möglich, das ist nicht vorstellbar. „Wo Du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch! Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Gott tue mir dies und das! Nur der Tod wird Dich und mich scheiden.“
  
  Solch ein Liebesgeständnis! Da gibt sich jemand ganz hin, bindet das eigene Leben an das Leben des geliebten Menschen.
  
  Das ist ein so wunderschönes Erleben, dass wir es gerne hören, sehen, miterleben, lesen – und am liebsten noch selbst erleben.
  
  Wer das erlebt hat oder selbst gerade erlebt, weiß: Der, den ich liebe, ist der Mittelpunkt meiner Welt. Ich will nicht mehr allein sein. Ich will diesen Partner oder diese Partnerin auf keinen Fall verlieren, sondern immer mit ihm oder ihr zusammen bleiben.
  
  Diese intensive Liebe gibt es vor allem zwischen zwei Liebenden, die gerade zu einander finden. Aber es gibt sie auch zwischen anderen Menschen.
  Der eben zitierte Text, der oft als Trautext genommen wird, ist das Versprechen einer jungen Frau an ihre Schwiegermutter nach dem Tod des Mannes bzw. Sohnes. Diese Geschichte wird erzählt im biblischen Buch Ruth. Ruth geht mit ihrer Schwiegermutter. Zu zweit machen sich die Frauen auf in eine ungewisse Zukunft. Sie binden sich aneinander. Das ist keine Zweckgemeinschaft, sondern es ist Liebe. Das Versprechen: „Wo du hingehst, da will ich auch hin gehen. … dein Gott ist mein Gott . … Wo du stirbst, da will auch ich sterben.“ Das ist ein Versprechen, das in der Liebe gründet, in der tiefen und großen Liebe einer jungen Frau.
  
  Es gibt also auch ganz andere Liebesbeziehungen. Liebesbeziehungen, die nichts mit Erotik oder sexueller Anziehungskraft zu tun haben, aber oder vielleicht gerade deshalb sehr tief und fest sind.
  
  Die Liebe der jungen Ruth wird jedenfalls von vielen Menschen als vorbildhaft, als beispielhaft und wünschenswert gesehen. So will ich lieben! Und so will ich geliebt werden.
  
  In der frischen Liebe junger Paare finden wir viel von dieser tiefen überschwänglichen Liebe. Und sie lässt den anderen in einem ganz besonderen Licht erscheinen: Bei mir bist du schön!
  
  Mondi di Notte: Bei mir bist du schön (Jacobs / Jabcobs)
  
  Ansprache 2 (Muhr-Nelson) „Ehe der Hahn dreimal kräht …“
  Petrus liebt Jesus. Er ist überzeugt davon: das hält ewig. Im Überschwang der Begeisterung beteuert er: Ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen.
  So ist die Liebe. Im Überschwang der Begeisterung machen Liebende sich die tollsten Versprechen. Sie prüfen ernsthaft, ob sie sich dauerhaft binden, aber dann sind sie auch bereit zu sagen: bis der Tod uns scheidet. Einen Vertrag machen, der die finanziellen Bedingungen festschreibt, falls die Beziehung doch auseinandergeht? – Wer mag am Anfang an so etwas denken? Die Erfahrung lehrt: sei vorsichtig. Sichere Dich ab. Schon so manche im Himmel geschlossene Ehe endete im Rosenkrieg und vor Gericht. – Aber Liebe macht eben blind.
  Jesus liebt Petrus. Und gerade weil er ihn liebt, warnt er ihn vor zu viel Überschwang. Denn im Überschwang der Begeisterung schwingt auch Selbstüberschätzung mit. – Und die Gefahr bitterster Enttäuschung.
  Je höher Du fliegst, desto tiefer kannst Du fallen.
  Für Petrus war das so. Er weinte bitterlich, als er erkannte: Jesus hatte Recht gehabt.
  „Der Hahn
  schreit es unerbittlich hinaus
  die Spatzen
  pfeifen’s von den Dächern
  
  verraten!
  verleugnet!
  geschwiegen!
  Feigling!
  
  Das Erschrecken ist groß.
  Es sind ja nicht die andern,
  die schuld sind,
  nicht die Juden, die Römer,
  die Linken, die Neonazis,
  die Eltern, die Familie, die Gesellschaft,
  die Schule, der Staat.
  
  Es ist ja meine Schuld.
  Ich habe geschwiegen,
  habe mich versteckt,
  habe mich herausgehalten.
  
  Nun kräht der Hahn
  und die Spatzen pfeifen‘s
  von den Dächern.“
                         (Annette Muhr-Nelson)
  
  Liebe kann enttäuscht werden. Ich kann mich täuschen in den Gefühlen meines Gegenübers und in meinen eigenen Gefühlen. Da bricht plötzlich eine ganz andere Seite in mir auf – und ich bin erschrocken, enttäuscht, entsetzt über das, was da zum Vorschein kommt. Andere sind es u.U. genauso.
  Ich kann mich noch daran erinnern, wie die Ehe meiner Eltern auseinanderging. Sie wurden 60. Ich war über 30 und hatte länger schon eine eigene Familie. Und doch waren wir erwachsenen Kinder zutiefst verunsichert, hilflos, irritiert über das, was da zum Vorschein kam.
  Die Ehe unserer Eltern, unsere glückliche, heile Kindheit, alles stand plötzlich unter Generalverdacht. Eine Scheinwelt. War die Liebe unserer Eltern zueinander und zu uns nur eine einzige große Lüge gewesen? Hatten sie uns betrogen? Wäre es anders gelaufen, wenn wir aufmerksamer auf bestimmte Zeichen geachtet hätten? Wenn wir vor der Wahrheit nicht die Augen geschlossen hätten? Wer trug die Schuld? Wer war mitschuldig?
  Heute weiß ich, dass diese Fragen nicht weiterführen. Ich habe gelernt, dass Scheitern mit zur Liebe gehört wie Abschiednehmen zum Leben. Ich weiß, dass das Ende einer Liebe nicht das in Frage stellt, was vorher war. Die Liebe kann echt, tief, aufrichtig gewesen sein – und trotzdem bleibt sie Menschenliebe und damit ein vergänglich Ding. Eine Garantie für ewige Liebe gibt es nicht. Gelingende Beziehungen wünschen wir uns alle, aber wir können sie nicht machen. Menschenwerk bleibt immer bruchstückhaft.
  
  Mondi di Note: Liebe ist wie wildes Wasser (trad.)
  
  Ansprache 3 (Markmann) 1. Kor 13 „Die Liebe hört niemals auf“
  zum Herz aus der Hauptvorlage
  
  Die Liebe ist langmütig und freundlich,
  die Liebe eifert nicht,
  die Liebe treibt nicht Mutwillen,
  sie bläht sich nicht auf,
  sie verhält sich nicht ungehörig,
  sie sucht nicht das Ihre,
  sie läßt sich nicht erbittern,
  sie rechnet das Böse nicht zu,
  sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit,
  sie freut sich aber an der Wahrheit;
  sie erträgt alles, sie glaubt alles,
  sie hofft alles, sie duldet alles.
  Die Liebe hört niemals auf.
  
  So haben wir zu Beginn des Gottesdienstes gemeinsam gesprochen.
  
  Die Liebe, von der hier die Rede ist, ist etwas anders als der erste Überschwang der frisch Verliebten. Diese Liebe ist vielmehr ein sicherer Halt und fester Grund. Es gibt nichts, Die Liebe hört niemals auf.
  
  Solche Liebe ist etwas besonders Wertvolles. Und sie ist nicht unmöglich! Es gibt Menschen, die es erleben: Die Liebe hört niemals auf.
  Es gibt auch Menschen, die erst einige Stürme und Untiefen in einer Liebe erleben – um dann sagen zu können: Die Liebe hört niemals auf!
  
  Bei Petrus war es so eine stürmische und wechselhafte Liebesbeziehung. Erst ist er Feuer und Flamme.
  „Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen.“
  
  Es ist ein Versprechen, wie wir es auch vorhin von Ruth gehört haben, als sie ihrer Schwiegermutter versprach, bei ihr zu bleiben.
  
  Wir wissen aber auch: Bei Petrus hielt es nicht lange! Jesus sagte es ihm. Er wusste es, dass die Liebe nicht in Gefahr hält.
  
  Ob er auch wusste, dass Petrus dieses Verleugnen vielfach wieder ausgeglichen hat? Später, als Jesus gestorben, begraben und auferstanden war, war Petrus einer der glühendsten Apostel, einer der eifrigsten Prediger.
  Später ging er für Jesus durch viele Anfeindungen hindurch bis in den Tod.
  
  Das macht diese Liebe in meinen Augen so wertvoll. Petrus überwand seine Schwierigkeiten und Ängste. Er kehrte zu der Liebe zurück, die er zwischendurch verraten hat.
  
  Manche von uns kennen Ähnliches. Manche kennen es aus eigenem Erleben. Eine Liebe zu einem anderen Menschen kann immer mal wieder in Schwierigkeiten geraten. Es kann immer wieder gefährlich und heftig werden. Manche Liebende können solche Zeiten gemeinsam durchstehen. Sie trotzen gemeinsam der Gefahr, die ihre Liebe bedroht. Andere Paare brauchen etwas Abstand und finden dann wieder neu zu einander.
  
  Es gibt Liebesbeziehungen, die so wie bei Ruth und ihrer Schwiegermutter Naomi etwas ganz Besonderes sind. Liebesbeziehungen, die zwei Menschen Halt gibt. Das kann die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind sein. Es kann die Liebe zwischen zwei guten Freundinnen sein. Es kann die Liebe eines Chefs zu einem engen Mitarbeiter sein.
  
  In manchen Beziehungen würden wir es nicht Liebesbeziehung nennen, sondern ein tiefes Vertrauensverhältnis. Mit anderen Worten ausgedrückt, ist es aber dies:
  
  Die Liebe ist langmütig und freundlich,
  die Liebe eifert nicht,
  die Liebe treibt nicht Mutwillen,
  sie bläht sich nicht auf,
  sie verhält sich nicht ungehörig,
  sie sucht nicht das Ihre,
  sie läßt sich nicht erbittern,
  sie rechnet das Böse nicht zu,
  sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit,
  sie freut sich aber an der Wahrheit;
  sie erträgt alles, sie glaubt alles,
  sie hofft alles, sie duldet alles.
  Die Liebe hört niemals auf.
  
  Amen.
  
  Und die Liebe Gottes, die größer ist als all unser Lieben und Wünschen, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
  
  Mondi di Note: Wunder gescheh’n (Nena)
   
Hinweis:
Der Gottesdienst wird am Sonntag nach dem Valentinstag in der Evangelischen Stadtkirche Unna gefeiert. Neben den beiden Pfarrerinnen gestaltet das Duo Mondi di Note den Gottesdienst mit. Nach dem Gottesdienst wird eine Segnung für Liebende vor dem Altar angeboten.
  Erfahrungsgemäß kommen hier sehr unterschiedliche Liebende, sowohl die verliebte Konfirmandin, das verliebte Paar, die lang Verheirateten, ganze Familien als auch z.B. Freundinnen oder eine Witwe, die von der Liebe ihres verstorbenen Mannes noch nach seinem Tod lebt.
  Auf Nachfrage erzähle ich, Elke Markmann, gerne von den Erfahrungen.
Perikope
17.02.2013
22,31