An den Tischen vom Café Himmelreich - Predigt zu Römer 14,17-19 von Christiane Quincke
14,17-19

An den Tischen vom Café Himmelreich - Predigt zu Römer 14,17-19 von Christiane Quincke

Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem Heiligen Geist. Wer darin Christus dient, der ist Gott wohlgefällig und bei den Menschen geachtet. Darum lasst uns dem nachstreben, was zum Frieden dient und zur Erbauung untereinander.

I.
Im Café Himmelreich ist was los. Eine Gemeinde in Pforzheim macht das seit einem Jahr.
Der Kuchen sieht richtig lecker aus. Kaffeegeruch strömt durch die Kirche. Leider kann man heute nicht draußen sitzen. Es wird langsam zu kalt. Aber im Raum neben der Kirche ist ja auch Platz. Die Mitarbeiterinnen haben die Tische liebevoll gedeckt. Diesmal kommen wieder ein paar mehr als letzte Woche. Ob auch die alte Dame von der Straße dahinten kommen wird? Bisher hat sie sich noch nicht so richtig getraut, jedenfalls nicht alleine. Vielleicht müsste man sie mal abholen? Und hoffentlich kommt auch wieder die Familie mit den drei Kindern. Kinderlachen tut den alten Menschen gut. Und schön, wenn auch zwei oder drei von dem Behindertenwohnheim gegenüber da sind. Wenn es warm ist, stoppen auch mal Radfahrer und trinken einen Kaffee. Sie schauen dann in die Kirche hinein. Locker geht es dann zu - fast wie im Urlaub. Dabei haben einige ihr „Päckle“ zu tragen. Ob es die Familie ist, wo der Vater immer noch arbeitslos ist, oder die alte Dame, die sich nicht mehr aus dem Haus traut. Oder der alte Mann, der sich Sorgen um seine Tochter macht.

Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem Heiligen Geist. Wer darin Christus dient, der ist Gott wohlgefällig und bei den Menschen geachtet. Darum lasst uns dem nachstreben, was zum Frieden dient und zur Erbauung untereinander.

II.
Wenn die Vesperkiche im Januar los geht, ist die Stadtkirche rappelvoll. Kohl und Kartoffeln, Nudeln und Hackfleisch, Reis und Geschnetzeltes, Kaffee und Apfelkuchen. Tische mit Schach und Mensch-ärgere-dich-nicht und Malstiften. In der Sakristei wartet ein Arzt auf Besucher und ab und zu kommt auch eine Friseurin. Jeden Mittag kommen sie: die alten Frauen, die einsamen Männer, die jungen Familien - Menschen, deren Heizung zuhause abgedreht wurde, weil sie die Rechnung nicht mehr bezahlten können. Menschen, die nicht alleine essen mögen. Menschen, die wissen, dass sie hier akzeptiert werden, auch wenn ihr Mantel etwas schäbig aussieht oder sie immer noch fremd sind.

Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem Heiligen Geist.

III.
Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken. Also machen wir das Café Himmelreich wieder zu? Und die Vesperkirche brauchen wir auch nicht?
Paulus, vielleicht kennst du noch nicht die Erzählung von Jesus, wie er Zachäus vom Baum herunter holt und mit ihm isst und trinkt. Und am Ende sagt er: „Diesem Haus ist Heil widerfahren.“
Oder wie er vom zurückkehrenden Sohn erzählt: Der bekommt erst einmal ein richtiges Festmahl serviert. „Lasst uns essen und fröhlich sein!“ ruft der Vater und nimmt seinen Sohn in den Arm.
5000 Menschen hören Jesus nicht nur zu, sondern werden auch satt. „Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reiche Gottes“ (Lk 13,29).
Und selbst wenn du die Worte von Jesus noch nicht kennst, so kennst du doch Jesaja. Und der verspricht ein Freudenmahl, das Gott mit allen Völkern halten wird. Ein fettes Mahl wird es geben! Und du, Paulus, sagst: Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken!

Schau genau hin, sagt Paulus. In der Gemeinde von Rom gibt es Streit. Da gibt es nämlich Gemeindeglieder, die auf „Nummer sicher“ gehen wollen und sich an die jüdischen Speisevorschriften halte. Fleisch, das aus dubiosen Quellen kommt, wollen sie lieber nicht anrühren. Und es gibt andere Gemeindeglieder, die diese „Nummer sicher“ nicht mehr brauchen. Wir können alles essen, sagen sie. Natürlich ist der Ärger vorprogrammiert, wenn es ans gemeinsame Essen geht. Die einen wollen sich von den anderen nicht bevormunden lassen. Sie finden das lächerlich, dass die anderen es so genau nehmen. Die anderen ärgern sich über die Laschen und halten sie für ungläubig.

IV.
Mich erinnert das an die immer wiederkehrende Kopftuchdebatte. Den einen ist es wichtig, dass sie ihren Glauben ernstnehmen. Sie sind überzeugt, dass das Kopftuchtragen dazu gehört. Die anderen finden das lächerlich. Und sie wundern sich über solche strengen Vorschriften und dass Frauen sie auch noch freiwillig befolgen.

Oder der Streit beim Abendmahl: Wein oder Traubensaft? Für die einen geht das gar nicht, dass ein Abendmahl ohne Wein stattfindet. Die anderen verstehen das nicht. Weil es in ihren Augen doch viel wichtiger ist, dass möglichst alle teilnehmen können.

Kopftuch oder kein Kopftuch? Wein oder Saft? Korrektes Fleisch oder egal?
Allzu leicht bleiben wir bei solchen Fragen hängen. Allzu leicht verlieren wir das Eigentliche aus dem Blick. Nämlich, dass wir gemeinsam unterwegs sind. Dass wir gemeinsam die Welt gestalten. Dass wir zusammenleben, zusammenfeiern, zusammen essen wollen. Und keiner sollte das Gefühl haben, nicht mehr dazuzugehören, nur weil er anders tickt. Oder weil er anders aussieht, anders spricht, anders glaubt.

V.
Mag sein, dass du Recht hast, sagt Paulus. Es ist nicht egal, was du isst. Aber der, dem es egal ist, ist trotzdem dein Bruder. Was sagt denn die Liebe dazu? Die ist wichtiger, also verurteile ihn nicht, sondern überlasse das Gott.
Mag sein, dass du Recht hast. Es ist egal, was du isst. Weil Christus dich frei gemacht hat. Aber die, der es nicht egal ist, ist deine Schwester. Was sagt denn die Liebe dazu? Die ist wichtiger, also mach dich nicht lächerlich über deine Schwester.
Mag sein, dass du Recht hast und ganz korrekt glaubst. Aber die Liebe ist wichtiger, als deine Rechthaberei. Es ist wichtiger, dass du im anderen, in der anderen die Schwester, den Bruder siehst. Es geht nicht um dich, sondern um euch beide.

Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem Heiligen Geist. Wer darin Christus dient, der ist Gott wohlgefällig und bei den Menschen geachtet. Darum lasst uns dem nachstreben, was zum Frieden dient und zur Erbauung untereinander.

Achtung! Das ist nicht Friede, Freude, ohne Eierkuchen. Sondern harte Arbeit. Denn keiner soll seine eigene Sichtweise verleugnen. Und dann muss auch mal gestritten werden: Auf wen muss am meisten Rücksicht genommen werden? Wer kann sich am wenigsten wehren? Und wer spielt die Rolle des Benachteiligten besonders perfekt? Das bleibt dir nicht erspart. Doch verzichte darauf, unbedingt gewinnen zu müssen. Schau vielmehr darauf, was gut ist für alle. Dann hast du das Reich Gottes im Blick.

VI.
Und am Ende steht dann wirklich eine Festtafel und an der können alle sitzen. Der Heilige Geist hat sie schließlich doch zusammengebracht. Die Safttrinker und die Weintrinker, die Fleischesser und die Vegetarier, die Kopftuchträgerinnen und die mit den offenen Haaren. Auch die, die Angst vor Flüchtlingen haben oder Veränderung. Und die, die Grenzen dicht machen wollen. Und alle merken sie, dass es nicht darauf ankommt, wer Recht hat und was auf dem Tisch steht und was den Kopf bedeckt. Jeder ist willkommen. Denn es kommt auf den an, der sie an den Tisch gebracht hat. Es kommt auf Gott an.Der Gott, der mit seinem Volk durch die Wüste zieht und ins Exil geht.
Der Gott, der die Rechthaber stolpern lässt und selbst sogar einen Stall nicht scheut.
Der Gott, der die Bettler und Zukurzgekommenen von den Straßen und Zäunen in sein Haus lädt.
Der Gott, der über Gute und Böse die Sonne aufgehen lässt. Auch über Fromme und Nicht-so-fromme und über Christen und Muslime.

Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem Heiligen Geist.

Das Café Himmelreich darf seine Tore öffnen. Kaffee und leckere Kuchen, schön gedeckte Tische. Einladende Kirche.
Aber so wichtig es ist, dass alles schön und lecker ist – das Reich Gottes ist mehr. Es fängt da an, wo die Mitarbeiterinnen sich mit an den Tisch setzen.
Es fängt da an, wo der alte Mann mit den Sorgen um seine Tochter nicht mehr allein ist. Und wo man darüber nachdenkt, wie der Vater eine neue Arbeit bekommt. Und die Kopftuchträgerin vom Flüchtlingsheim darf das Kopftuch aufbehalten, wenn ihr danach ist. Keiner wird draußen gelassen. Türen auf!

Ja, da fängt das Reich Gottes an.
Da sitzt man zusammen, hört sich zu. Man streitet sich und tröstet und stärkt. Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, aber am gemeinsamen Tisch fangen wir an, das Reich Gottes zu bauen - miteinander und so, wie es gerade geht. Und der Heilige Geist weht über die Tische.
Amen.

(mit Anregungen aus Predigtstudien 2015/16 Band II, und GPM 70.4 (2016))