Liebe Gemeinde,
Zwei Briefe hat Paulus an die Gemeinde in Korinth geschrieben. Mindestens. Die Gelehrten streiten darüber, ob es nicht sogar mehr waren. Aber das soll uns hier nicht interessieren.
Die Korinther haben es Paulus nie leicht gemacht. Von Anfang an war es schwierig mit dieser quirligen Gemeinde in dieser quirligen Hafenstadt. Manchmal hatten die Korinther wirklich ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen, hatten gelebt, als gäbe es die Welt um sie herum nicht und als lebten sie schon im Himmelreich.
Und Paulus? Naja, Paulus mit seiner schwachen körperlichen Statur und seinem Stottern, wenn er zu Besuch war - den haben sie manchmal nicht wirklich ernst genommen, sondern sind lieber allen möglichen anderen Predigern hinterhergelaufen.
Nein, einfach war es nicht. Die beiden Briefe des Paulus an die Gemeinde in Korinth sind voll von Streitthemen, Auseinandersetzungen, Tränen, Hoffen, Ringen…. umso wichtiger, umso größer ist es, dass Paulus am Ende seines zweiten Briefes noch einmal deutlich macht: Aller Streit, alle Auseinandersetzung, alle gegenseitige Kritik und alle Verletzungen, die die Korinther Paulus und wohl auch er ihnen zugefügt haben mag, haben nicht das letzte Wort und überstrahlen niemals die Gemeinschaft miteinander im Glauben.
Und so schreibt Paulus die letzten Worte des Briefes:
Zuletzt, Brüder und Schwestern, freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch mahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein. Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kuss. Es grüßen euch alle Heiligen. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
Die Gemeinschaft des dreieinigen Gottes, in der wir miteinander verbunden sind, umfasst und überstrahlt allen Streit und alle Uneinigkeit, die auch zwischen uns Christinnen und Christen immer wieder bestehen mag - und ja auch bestehen muss, wenn anders Gemeinschaft von Christinnen und Christen ja neben vielem auch immer dieses bedeutet, dass wir auf der Suche sind nach der bestmöglichen Art und Weise, eben genau dies zu sein: Christ*in. Streit gehört also zur christlichen Gemeinschaft hinzu - entscheidend ist aber, dass wir das gemeinsame Streiten als einen Streit miteinander und nicht gegeneinander verstehen.
Ein jeder und eine jede bringt ja seine und ihre ganz persönliche und ganz individuelle Geschichte und Perspektive mit, wenn es um Gott geht und den Glauben und die Frage nach Gemeinschaft und Kirche und so weiter.
Christliche Kirche ist und soll ein: Vielfältig. Und christlicher Glaube ist und soll sein: vielfältig und bunt und immer in Bewegung. Schließlich ist doch Gott selber in sich bunt und lebendig und vielfältig.
Das ist die Aussage des heutigen Sonntag Trinitatis - Tag der Dreieinigkeit oder der Dreifaltigkeit, wie man auch sagen kann. Das ist die Aussage der Schlussformel des Briefes des Paulus an die Korinther, die wir zwar oft hören - wie oft reden wir von Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist - aber manchmal wohl, so fürchte ich, nur als Floskel hören, die irgendwie wohl dazu gehört, wenn man Gottesdienst feiert: Gott ist nicht ein monolithisches Etwas, das von einem himmlischen Thron aus seine Befehle ex kathedra auf die Erde schleudert, sondern ein Wesen voller Beziehung, Vielfalt und Lebendigkeit, das sich nicht zu schade ist, sich von seinem himmlischen Thron herunter zu bequemen und Teil unserer Welt und unserer Geschichte zu werden.
Gott - das heißt für uns Christinnen und Christen von Anfang an: Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Als Vater nennen wir Gott auch den Schöpfer des Himmels und der Erde, wie wir es im Glaubensbekenntnis Sonntag für Sonntag bekennen.
Vater ist Gott natürlich nicht, wie mein Vater mir Vater ist. Und schon gar nicht, wie ein Vater seinen Kindern Vater ist, der sie verlässt, misshandelt, nicht ernst nimmt oder zeitlebens bevormundet. Nein, wenn überhaupt, dann ist das Vater-Sein Gottes Vorbild und ggf. Kritik menschlichen Vater-Seins. Als Vater sprechen wir von Gott, weil er Ursprung ist. Deshalb sprechen wir im Glaubensbekenntnis auch nach dem Vater sofort von Gott als dem Schöpfer des Himmels und der Erde. Und es macht ja schon einen großen Unterschied, ob wir unsere Welt als eine zufällige Ansammlung von Ressourcen verstehen, die uns beliebig zur Verfügung stünde, oder als Schöpfung eines Gottes, der nicht nur mit uns, sondern auch den Menschen nach uns noch eine Geschichte haben will, nicht wahr. Es macht einen Unterschied, ob ich den Menschen neben mir als Konkurrentin oder Konkurrent verstehe, der mich nehmen will, was angeblich mir zusteht, oder als von Gott geschaffenen Bruder oder von Gott geschaffene Schwester, die das gleiche Recht auf ein gutes und erfülltes Leben hat wie ich.
Vor allem aber sprechen wir von Gott als Vater, weil Jesus von ihm als Vater gesprochen hat und uns eingeladen hat, Gott Vater zu nennen.
In Jesus wiederum, davon waren die frühen Christinnen und Christen überzeugt, und davon sind noch wir heute, die wir uns Christen nennen, überzeugt, ist uns Gott auf eine ganz besondere Weise nahe gekommen. „Wer mich sieht, sieht den Vater“, sagt Jesus im Johannesevangelium, und meint damit: Ihr könnt von Gott nichts wissen, wenn ihr nicht auf mich schaut. Ihr macht Euch vielleicht Eure Vorstellungen von Gott, Eure eigenen Gottesbilder - aber diese sind oftmals nicht mehr als Projektionen Eurer eigenen Wünsche und Sehnsüchte. Wenn Ihr wirklich wissen wollt, wie Gott ist, dann schaut auf mich, auf mein Leben, auf meine Worte, auf mein Handeln.
Erst, wenn wir darauf schauen, wie Jesus von Gott spricht und wie er in Gottes Namen handelt, erschließt sich das Vater-Sein und das Schöpfer-Sein Gottes in Gänze.
Gott handelt den Menschen gegenüber wie ein liebevoller Vater, der den verlorenen Sohn aufnimmt und ihm keine Vorwürfe macht, ganz egal, was er in der Zwischenzeit erlebt und getan haben mag.
Gott handelt wir ein liebevoller Vater, der sich eines jeden einzelnen Menschen animmt und für den niemand nur eine x-beliebige Nummer ist.
Gott handelt als Schöpfer, weil er nicht nur Lazarus oder die Tochter des Jairus erwecken, sondern vor allem weil er Jesus von Nazareth vom Tode erwecken und zu einem wahrhaft neuen Leben, das den Tod nicht mehr vor sich, sondern ewig hinter sich hat, kann.
Und dann ist da noch Gott als der Heilige Geist. Der kommt ja im Glaubensbekenntnis ein bisschen schlecht weg - ein einziger Satz ist ihm gewidmet, jedenfalls auf den ersten Blick.
Aber wir haben die Geschichte von Pfingsten ja vielleicht noch im Ohr - als Petrus eine Predigt gehalten hatte und auf einmal alle Menschen, die dabei waren, das Gefühl hatten, in ihrem Innersten bewegt und im wahrsten Sinne des Wortes begeistert zu werden; als sie merkten: Hier entsteht auf einmal eine Gemeinschaft untereinander und mit dem Gott, von dem Petrus erzählt hatte, die nicht anders zu verstehen ist als von eben diesem Gott geschaffen. Hier ist: Gottes Geist, der nicht etwas Neues oder anderes ist, als das, was wir sonst von Gott wissen, sondern der uns Gott so gegenwärtig werden lässt, wie Jesus ihn gepredigt und gelebt hat und wie ihn Menschen von Alters her geglaubt haben.
Von Gott als Vater und als Sohn und als Heiligem Geist haben die Menschen schon ganz früh gesprochen, weil sie erlebten: Gott begegnet uns in der Schöpfung und als Vater, zu dem wir beten dürfen wie Kinder sich an einen guten Vater wenden. Er begegnet uns in dem Menschen Jesus, der ein so enges Verhältnis zu diesem Gott hat und uns vorlebt, dass wir ihn nur als seinen Sohn verstehen können - noch einmal ganz anders und viel tiefer und intensiver, als wir seine Kinder sind. Und er begegnet uns in dem Geist, der uns als Glaubende antreibt und uns immer wieder die Liebe Gottes gegenwärtig macht.
Und so war von ganz früh an klar: wenn wir von Gott sprechen, dann sprechen wir von ihm als Vater und als Sohn und als Heiligem Geist. Und wenn wir vom Vater sprechen oder vom Sohn oder vom Heiligen Geist, dann sprechen wir immer von ein und demselben und vom ganzen Gott. Von einem Gott, der nicht nur mit uns Menschen und mit seiner Welt, sondern der selber eine Geschichte hat.
Ein Gott, der sich selber Gegenüber ist und in Beziehung lebt - voller Vielfalt, bunt, lebendig, manchmal widersprüchlich, immer im Gespräch mit sich und uns - und so reich, dass selbst die Rede von der Dreieinigkeit und die stammelnden Denkversuche, die die Tradition auf sich genommen hat, um Gott als Vater, Sohn und Heiligen Geist nicht nur glauben, sondern auch denken zu können, ihn doch immer nur aus der Ferne erreichen.
Aber das macht nichts - denn dafür kommt er uns nahe - immer und immer wieder.
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
Amen.