Predigt I
Die Füchse haben Gruben, die Störche ihre Nester. Jesus, der Menschensohn, hat nichts wo er sein Haupt hinlegen kann. Gelebt hat er in Israel, vor 2000 Jahren. Auch über Israel fliegen die Störche. Hunderttausende auf dem Weg nach Afrika. Was könnten wir hier über Heimat lernen?
Heimat – da ist die Sehnsucht und Suche nach Geborgenheit. Da ist die offene Türe, der Zufluchtsort. Ein Ort der Ruhe. Da könnte man Shalom finden, Frieden im umfassenden Sinn.
Aber in Israel – da sind zwei Völker, für die das Land Heimat ist. Da sind die Israelis und die Palästinenser. Und wie könnte das gut zusammengehen? Sie wissen es nicht, manche ahnen es und bemühen sich darum. Aber in 60 Jahren ist keine tragfähige Lösung gefunden worden. Ich weiß auch nicht, wie beide ihren Platz finden können. Aber tieferes Verständnis für den Gegner, Kennenlernen und ehrliches Gespräch können nicht falsch sein. Gewalt ist schnell und heftig, Alternativen dazu sind langsam, müssen wachsen wie Vertrauen, aber ich sehe dazu keine gute Alternative. Und ich möchte, dass wir Gottes Frieden für alle Verfeindeten herabrufen.
Lied: Hevenu schalom (Aus urheberrechtlichen Gründen kann der Text nicht abgedruckt werden.)
Predigt II
Pfarrer Frank Lissy-Honegger: Und der Flug der Störche führt weiter. Sie fliegen über die Grenze zwischen dem Ackerland und der Wüste Negev. Dort sind seit Jahrtausenden zwei Kulturen aufeinandergetroffen: die Sesshaften und die Nomaden. Die, die feste Häuser haben, abgegrenztes Land, Böden, Äcker und Weiden, Drinnen und Draußen, eine Heimat und eine Fremde. Und die, die Heimat in sich tragen, die in der Mitte der Welt wandern. Deren Schafe, Ziegen und Zelte mit unterwegs sind.
Konflikte zwischen beiden sind vorprogrammiert. Aber im Laufe der Jahrtausende lernten die beiden miteinander zu leben und sie entwickelten das uralte Gesetz des Weidewechsels. Im Herbst, wenn die Randgebiete der Wüste blühen, ziehen die Nomaden in die Wüste, und die Bauern säen ihr Getreide. Und im Frühjahr, wenn Hitze und Trockenheit beginnen, ernten die Bauern ihre Felder ab, und die Hirten kommen ins Ackerland und die Herden düngen die Felder.
Ganz friktionsfrei ist das selten abgegangen. Aber es war doch eine gute Regelung zu einer friedlicheren Welt. Sie hat sich über Jahrtausende bewährt. Sie hat keine Grenzen befestigt, aber sie hat die Grenzen der Menschen und ihre besonderen Bedürfnisse geachtet.
Was für ein Bild von Heimat, in der so verschiedene Lebensformen Platz finden.
Und der Flug der Störche führt weiter, er führt über die Halbinsel Sinai nach Ägypten, dem Nil entlang bis tief in den Süden, ja für manche von ihnen bis Südafrika. Afrikanische Klänge erreichen uns.
Lied: Different colours – one people
Predigt III
Ich bin aus Jamaica, wir sind aus Österreich. Ich bin aus Ahahaha, wir sind aus Ahihihi. Weit ist die Welt, und wir dürfen in ihr zuhause sein. Mit dem Flug der Störche denke ich weit hinaus. Alle Enge lasse ich hinter mir, alles Gefangene. Ein Gefängnis hat nichts Heimatliches für mich. An der Aussen-Mauer der Justizanstalt Graz-Karlau habe ich einmal dieses Gedicht eines Insassen gelesen – wirklich, es war eine Kunstaktion:
Andreas: denk du doch an das schöne
wo alles rein und gut
ich bitt’ dich lass mich gehen
jetzt hab ich noch den mut
willst du mich ganz zerbrechen
dann ist es bald soweit
eins muss ich dir nur sagen
lang hast du nicht mehr Zeit.
ich habe dich gebraucht
doch jetzt ist es so weit
halt mich nicht fest sei gnädig
denn jetzt bin ich bereit
von wo ich hergekommen
dort will ich nimmer hin
zuhause bin ich dort
wo ich willkommen bin.
Pfarrer Frank Lissy-Honegger: Zuhause bin ich dort, wo ich willkommen bin folgend dem Flug der Störche ist uns die Heimat weit geworden. Verschiedene Farben eine Menschheit. An vielen Orten können wir uns heimisch fühlen dort, wo wir willkommen sind.
Und Jesus? Jesus ist in Nazareth aufgewachsen, einem kleinen Dorf in Galiläa. Und dann ist er ausgezogen. Jesus hat in der Zeit seines Wirkens ein Wanderleben geführt. Die Sesshaftigkeit hat er aufgegeben, Besitz war ihm nicht wichtig. Sein Haus war das Haus von Freunden oder Anhängern, die ihn aufgenommen haben. Wenn er ein Boot betreten hat es war nicht sein Eigen; als er das Heilige Abendmahl eingesetzt hat, hat er es in einem fremden Saal getan, und noch im Tod hat er kein eigenes Grab gehabt. Immer war er darauf angewiesen, dass einer ihm Haus und Dach angeboten hat, Tisch und Bank, das Brot und den Wein, das Wasser für die Füße und das Lager für die Nacht. Wenn er Menschen satt gemacht hat, hat er sich das Brot reichen lassen müssen. Die himmlische Heimat hat er in sich getragen. Und selbst genannt hat er sich – nicht einen Herrn, nicht einen Bauern, nicht einen König – einen Hirten. So lebt Gott unter uns. Wie ein Hirte. Wie ein Nomade, der seine Herde sammelt und mit ihr unterwegs ist, der sie zu Wasserquellen führt und in der Nacht vor wilden Tieren schützt. Ja, Jesus, du, der gute Hirte, du bist wie ein Zaun, der mich schützt, wie eine feste Burg, ein gute Wehr und Waffen, Mauern brauchen da keine aufgebaut werden.
Lied: Jesus, be a fence
Predigt IV
So lebt Gott unter uns. Immer darauf angewiesen, dass einer ihm Tisch und Bank angeboten hat, das Brot und den Wein, das
Wasser für die Füße und das Lager für die Nacht. Und dabei konnte er sorgen für die Kranken und die an den Rand gedrängten und für alle hatte er das gute Wort aus Gottes Mund. Die himmlische Heimat hat er in sich getragen.
Die Welt sehen so wie Jesus sie gesehen hat, mit seinen Augen. Durch sie gehen mit offenen Augen und in aller Freiheit. Das möchte ich. Nicht fixiert und festgekrallt in Sesshaftigkeit und Besitz. Ich möchte sie so sehen, wie Gott sie sieht, bedürftig, wohl auch niederträchtig, doch im Licht der Erlösung, wertvoll, liebenswert. Mit Jesus gehen und mit ihm reden – das wäre Heimat für mich, ewig Heimat.
Wenn ich aus meinem Wohnzimmerfenster schaue, sehe ich ein Storchennest. Ich sehe, wie die Eltern sich um ihre Jungen kümmern, sie versorgen. Und doch sind sie Zugvögel, fliegende Nomaden. Sie stellen mir immer wieder die Frage nach Heimat.
Amen.
Liesbeth: Daheim bin ich dort, wo ich geborgen bin. Ich brauche den Platz, zu dem ich immer wieder kommen kann, den Ort, wo ich willkommen bin. Für mich ist die Kirche so ein Ort. Hier merke ich auch, dass es noch eine andere Heimat gibt, ein letztes Zuhause bei Gott.
Yvonne: Ich hoffe auf ein gutes und friedliches Aufwachsen unserer Kinder und Enkel. Werden sie ihren Platz finden? Ich vertraue sie Gott an, denn ich sehe meine Grenzen. Und ich möchte, dass wir ihnen Selbstvertrauen und Mut mitgeben und ein Grundgefühl von Heimat in der Welt, das ihnen niemand nehmen kann.
Andreas: Wie die Störche auf ihrem Flug sehe ich viele Menschen, die wenig behütet sind. Ich möchte, dass auch sie Heimat finden. Dass sie einen Platz haben, wo sie willkommen sind. Mein eigner Beitrag ist dazu nötig, aber auch ein Beitrag der Kirchen und aller derer, die die Weltpolitik bestimmen.