Der Weg des Glaubens - Predigt zu Matthäus 12,38-42 von Matthias Wolfes
12,38-42

Da antworteten etliche unter den Schriftgelehrten und Pharisäern und sprachen: Meister, wir wollten gern ein Zeichen von dir sehen. Und er antwortete und sprach zu ihnen: Die böse und ehebrecherische Art sucht ein Zeichen; und es wird ihr kein Zeichen gegeben werden denn das Zeichen des Propheten Jona. Denn gleichwie Jona war drei Tage und drei Nächte in des Walfisches Bauch, also wird des Menschen Sohn drei Tage und drei Nächte mitten in der Erde sein. Die Leute von Ninive werden auftreten am Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verdammen; denn sie taten Buße nach der Predigt des Jona. Und siehe, hier ist mehr denn Jona. Die Königin von Mittag wird auftreten am Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und wird es verdammen; denn sie kam vom Ende der Erde, Salomons Weisheit zu hören. Und siehe, hier ist mehr denn Salomo. (Mt 12,38-42, Lutherbibel 1912)

 

Liebe Gemeinde,


Verfolgung und Unterdrückung sind Grundmotive der Geschichte des christlichen Glaubens. Von Beginn an bis heute werden Christen verfolgt, unterdrückt und ihrer Freiheit beraubt. Ihrer Freiheit werden sie vor allem darin beraubt, daß ihnen untersagt wird, als Christen zu leben. Bringen sie den Mut auf, es trotzdem zu tun, mußten und müssen sie mit den härtesten Konsequenzen rechnen.

Dieses Thema gehört zur Geschichte des Christentums und wir sollen uns dessen bewusst sein, auch wenn unsere eigene hiesige Realität weit davon entfernt ist. Der heutige Sonntag ist der Gedenk- und Gebetstag zu diesem Zweck. Es soll uns bewusst sein, dass diejenigen, die um ihres christlichen Glaubens willen Verfolgung und Unterdrückung erleiden, unsere Glaubensbrüder und Glaubensschwestern sind. Sie gehören zu uns und wir zu ihnen.

Die Liste von Ländern, in denen Christen unterdrückt werden, ist lang und sie wird leider immer länger. Viele Nachrichten erreichen uns aus dem Irak – ein Land, das soeben noch als „wichtiger Verbündeter“ im Kampf gegen des islamistischen Terror bezeichnet worden ist – , aus Syrien, Nordkorea und Nigeria. Dazu kommen zahlreiche weitere Staaten und Regionen und überall ist Zerstörung, Elend und Flucht die Folge. Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung sind gängige Praxis. Die Formen der Unterdrückung reichen von grausamen Gewalttaten, Hinrichtungen und Folter, über Inhaftierungen bis zu Benachteiligungen im Bildungsbereich oder auf dem Arbeitsmarkt. Was das für uns bedeutet, ist klar: Wir sind zur Solidarität mit diesen Verfolgten verpflichtet. Wir müssen aber auch das Unsere dazu tun, dass das Handeln terroristischer Regime und die Wirkungen toleranzunfähiger Weltanschauungen angeprangert werden, die die Ursache für das massenhafte Elend sind.

 

Nun ist eine solche Mahnung zur Solidarität und zum Gebet leicht gesprochen. Sie kann auch immer nur das Eine sein. Das Andere ist, was wir in unserem eigenen Leben daraus und damit tun. Jeder muss hier seinen eigenen Weg gehen und es ist schon sehr viel, wenn man weiß, welches dieser Weg ist. Es ist sehr viel, wenn überhaupt etwas geschieht. Was das ist, wie wir uns im Einzelnen verhalten, kann nur jeder für sich entscheiden.

Und da scheint mir die Geschichte vom Propheten Jona eine Hilfe sein zu können. Unser Predigttext bezieht sich auf diesen Mann, der in die Irre gegangen, dann aber doch auf die rechte Bahn gekommen ist. Lassen Sie mich kurz zusammenfassen, worum es geht.

Das alttestamentliche Buch Jona, eine Schrift aus den sogenannten „Zwölf kleinen Propheten“, schildert die Reaktion des Jona auf Gottes Auftrag, die Stadt Ninive vor ihrer Zerstörung zu warnen.

Jona erhält den Auftrag, nach Ninive im heutigen Irak zu reisen und die Einwohner dort vor dem Untergang zu warnen, der ihnen wegen ihrer zahlreichen Verfehlungen droht. Doch Jona sieht sich außerstande, das zu tun. Er widersetzt sich, flüchtet vor Gott und besteigt ein Schiff, das ihn in die genau entgegengesetzte Richtung bringt.

Die Reise aber wird durch einen schweren Sturm unterbrochen. In ihrer Not werfen die Matrosen die ganze Ladung über Bord und beten zu ihren Göttern. Weil das aber nichts hilft, entschließen sie sich zu einer sonderbaren Opferhandlung. Es soll das Los bestimmen, wer an dem Unglück Schuld sei. Nachdem das Los auf Jona gefallen ist, schildert dieser ihnen sein Vergehen gegen Gott. Er wird tatsächlich über Bord geworfen und im selben Augenblick hört der Sturm auf.

Hierauf folgt die bekannteste Passage: Der HERR verschaffte einen großen Fisch, Jona zu verschlingen. Und Jona war im Leibe des Fisches drei Tage und drei Nächte. (Jona 2, 1). Nun betet der Prophet zu Gott und verspricht, nach Ninive zu gehen und den Auftrag auszuführen, wenn Gott ihn errettet. Daraufhin befiehlt Gott dem Fisch, Jona auf das Land zu spucken. Nachdem der Auftrag ein zweites Mal ergangen ist, richtet Jona den Einwohnern der Stadt aus, dass Gott ihnen noch eine vierzigtägige Frist zur Umkehr einräumt, dann aber der Untergang unausweichlich erfolgen werde. Tatsächlich „bekehren“ sich sämtliche Menschen einschließlich des Königs und die Stadt wird verschont.

In der Auslegung dieser Geschichte durch den Evangelisten Matthäus lautet der entscheidende Satz: Die Leute von Ninive werden auftreten am Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verdammen; denn sie taten Buße nach der Predigt des Jona. Und siehe, hier ist mehr denn Jona. (Mt 12,41) So spricht Jesus bei Matthäus in der Reaktion auf die vorangegangene Zeichenforderung der Pharisäer.

Ebenso werde die Königin von Mittag am Jüngsten Gericht auftreten. Sie kam vom Ende der Erde, um die Weisheit des Salomo zu hören und fand den rechten Weg, so wie es die Bewohner der Stadt Ninive getan haben. Hier aber heißt es, ist mehr denn Salomo. Hier, im Angesicht Jesu ist mehr als in allen früheren Bekehrungs- und Umkehrungssituationen. Wenn schon der Prophet Jona, die Einwohner von Ninive und die Königin von Mittag imstande gewesen sind, den rechten Weg zu finden, um so viel mehr muss es dann jetzt, im Angesicht Jesu, möglich sein. Wer sich aber hiergegen versperrt, dem ist nicht zu helfen, denn ein klareres Zeichen kann nicht gegeben werden.

Das ist der Sinn der Jona-Geschichte im Kontext des Matthäusevangeliums. Das Zeichen ist gegeben. Nun geht es um die Reaktion und die liegt in unserer Hand.

Es ist an uns, die rechten Konsequenzen zu ziehen. Das ist die Grundforderung des Evangeliums. Niemand kann vorschreiben, was der andere zu tun hat, wenn er den Weg des Glaubens geht. Man kann immer nur sagen und zeigen, wie der eigene Weg beschaffen ist. Das gilt in jeder Hinsicht und es gilt auch angesichts der Situation, die sich uns im Wissen um die Verfolgung und Unterdrückung von Christen und Christinnen in der Welt stellt. Der Handlungsspielraum der Einzelnen ist verschieden groß. Aber jeder kann doch wenigstens deutlich aussprechen, daß es unsere Glaubensgeschwister sind, denen hier schweres Unrecht angetan wird, die Verbrechen erleiden und deren Leben in unermesslichem Maße ein Leben unter dem Kreuz ist.

Amen.

Perikope
12.03.2017
12,38-42