Der Weg - Predigt zu Johannes 14,1-6 von Jorg Christian Salzmann
14,1-6

I
Wir sind unterwegs. Am Beginn eines neuen Jahres wird uns das wieder neu bewusst: Wir gehen durch die Zeit, bewegen uns durch unsere Welt, stehen nicht still. Wohin geht der Weg? Die einen schreiten munter aus und sind ganz sicher: Wir sind auf gutem Wege zu den gesteckten Zielen. Andere tun nur so als sei alles klar, aber im Herzen wissen sie gar nicht genau, wohin das alles führen soll. Wieder andere sind eher verzagt: Woher soll ich meinen Weg wissen? Wer weiß, was kommt. Und realistisch besehen gilt für uns alle, dass es auf unserm Weg jederzeit zu überraschenden Wendungen kommen kann, auf die wir keinen Einfluss haben. Die Zukunft ist kein offenes Buch. Am Jahresanfang geht wohl manch banger Blick nach vorne. Was mag das neue Jahr bringen? Wo werden wir uns am Jahresende befinden? Wohin führt der Weg?

Wir sind unterwegs, unterwegs durch die Zeit, sogar wenn wir in vertrauter Umgebung bleiben und sagen: Ich bin angekommen, ich bin zu Hause. Aber auch damit ist es ganz unterschiedlich: der eine strebt weg von zu Hause, die andere sehnt sich nach etwas Ruhe und einer Heimat. Es gibt Menschen, die zwar eine Wohnung haben, aber sich allein fühlen, verloren und ausgesetzt. Andere suchen nach einer Bleibe und haben kein Dach über dem Kopf. Mancher trauert ein Leben lang einer verlorenen Heimat nach.
Wohnung haben, das ist für uns verbunden mit der Sehnsucht danach, zu Hause zu sein, geborgen zu sein, dazuzugehören, einen Rückzugsort zu haben und Heimat.

II
Jesus redet in unserm Bibelwort von beidem: Vom Weg und von der Heimat. Der Zusammenhang scheint einfach und damit zugleich für eine Neujahrsfeier befremdlich. Vor seinem Tod nimmt Jesus Abschied von seinen Jüngern und sagt ihnen, dass er die himmlischen Wohnungen für sie vorbereiten wird. Das ist sein Weg. Wer aber will zu Neujahr schon an den Tod denken? Wohl kaum jemand – und schon gar nicht an den eigenen Tod.
Hier allerdings geht es erst einmal nicht um deinen Tod, sondern darum, dass Jesus sterben wird. Seine Jünger bleiben zurück und müssen in der Welt zurechtkommen. Was bedeuten diese Abschiedsworte für sie?
Es beginnt mit einem Trostwort: Euer Herz erschrecke nicht! (Joh 14,1a) Denn erschrecken werden sie vor dem Tod von Jesus. Aber dieser Tod ist nicht einfach sinnlos. Jesus deutet ihn hier so, dass er im Sterben für die Seinen den Weg bereitet. Euer Herz erschrecke nicht! Die Welt der Jünger wird zusammenbrechen, doch Jesus spricht ihnen Mut zu.

Euer Herz erschrecke nicht! Das mag ein Wort sein, das wir mit ins neue Jahr nehmen können. Grund zum Erschrecken gibt es auch in unserer Welt genug. Wir denken an Terror, Gewalt und Krieg, an Unrecht und all die vielen Unglücksfälle, die es gibt. Warum aber sollte denn das für uns gelten: Euer Herz erschrecke nicht!
Deswegen, weil wir einen Rückhalt haben, einen Rückhalt im Glauben und Vertrauen auf Gott. Glaubt an Gott und glaubt an mich, sagt Jesus. Vertrauen – nur so können wir ja in die Zukunft gehen. Ohne Vertrauen bleiben nur Angst und Zittern und nichts geht mehr.

Gottvertrauen also, das wäre ein Weg in die Zukunft. Im Vertrauen darauf, dass die Macht und die Liebe Gottes mich nicht fallen lassen, kann ich auch ungewisse Wege gehen, Wege, die nicht gesichert sind. Wer mit Bangen in die Zukunft schaut, kann diese Zukunft dennoch angehen und darauf vertrauen, dass Gott immer schon da ist.
Nach den Worten, die wir gehört haben, könnte sich solches Vertrauen auch auf das Versprechen verlassen, dass da für uns eine Wohnung ist. Das ist eine wunderbare Botschaft. Zu wissen, dass ich ein zu Hause habe, das gibt mir die Freiheit, unterwegs zu sein. Wer eine Heimat hat und weiß, „da gehöre ich hin“, der ist geborgen auch in der Ferne. Deshalb geht es bei den Wohnungen, von denen Jesus redet, gar nicht wirklich um den Tod, sondern um das Leben. Wer eine Wohnung bei Gott hat, ist nicht heimatlos. Wer eine Wohnung bei Gott hat, hat das Leben.

Eine Heimat zu haben, zu der mir der Weg versperrt ist, das kann allerdings lähmend sein. Schwer ist das Leben für Flüchtlinge, die wissen, dass sie nicht mehr zurück können, auf lange Zeit oder gar auf immer. So viel leichter ist es zurechtzukommen, wenn ich weiß, dass der Weg nach Hause offen ist.
Darum gehört der Weg zu Gott mit dazu, wenn das gilt, dass wir bei ihm zu Hause sind. Da kommt nun Jesus und sagt: Ich bin der Weg. (Joh 14,6) Darauf ist Verlass. Mit seiner Person bürgt Jesus dafür, dass wir bei Gott zu Hause sind. So nimmt er uns in die Wahrheit Gottes hinein, die stärker ist als alle Wahrheiten, die uns umgeben und uns bedrängen. So ist er unser Leben.

III
Am Anfang des neuen Jahres fragen wir, wohin unser Weg wohl gehen wird. Niemand weiß das so genau. Gegen Überraschungen aller Art sind wir nicht gefeit. Manch banger Blick geht nach vorn und das eine scheint sicher: Es wird eher schwieriger mit unserer Welt. Wer mit Voraussagen glänzen will, braucht nur ein düsteres Bild zu zeichnen und kann darauf rechnen, dass viel von dieser Voraussage auch eintrifft.
Nun hören wir von einem anderen Weg. Jesus Christus als unser Weg in alle Zukunft – kann das uns im neuen Jahr weiter helfen? Ich meine ja. Denn auf diesem Weg mag kommen, was will, doch nichts kann uns unser Heimatrecht bei Gott wegnehmen. Mit Jesus Christus als Lebensweg können die Wege des neuen Jahres führen, wohin sie wollen. Egal, ob sie sich als Sackgassen herausstellen oder als Straße des Erfolgs, egal ob es steinige, schwierige Wege bergauf und bergab sind oder eine glatte ebene Bahn: Hinter allem und unter allem bleibt Jesus Christus die Grundrichtung. Er ist der Weg, mit dem wir unser Leben führen können. Das bleibt sogar, wenn unser Weg uns in den Tod führt, denn wir haben das Leben durch ihn. Ein Leben, das Heimat hat bei Gott, das stärker ist als der Tod.
Am Anfang des neuen Jahres schauen wir nach vorn in das Gewirr vielfältiger Wege und können doch getrost ausschreiten und unerschrocken unseren Weg gehen. Als Weg des Glaubens und Vertrauens wird er uns ans Ziel führen – durch Jesus Christus, der selbst der Weg ist.

Perikope
01.01.2016
14,1-6