Die Befreiung des Petrus – Predigt zu Apostelgeschichte 12,1-11 von Christiane Borchers
12,1-11

Die Befreiung des Petrus – Predigt zu Apostelgeschichte 12,1-11 von Christiane Borchers

Liebe Gemeinde!

Diese Geschichte ist eine Wundergeschichte. Gibt es das im wirklichen Leben, dass jemand aus einer aussichtslosen Lage befreit wird? Sind Sie schon einmal in eine Situation hereingeraten, woraus es kein Entrinnen gab? Glaubten Sie jedenfalls? Aber irgendwann ging es dann doch weiter?

Petrus hat so etwas erlebt. Er sitzt im Gefängnis, ihn erwartet der sichere Tod. König Herodes hat felsenfest vor, ihm nach dem Passahfest hinzurichten, sowie Jesus kurz vor dem Passahfest hingerichtet wurde. Jedenfalls führt kein Herrscher eine Hinrichtung während des Passahfestes durch. Das widerspricht dem religiösen Codex, wird das Passahfest doch zum Andenken aus der Befreiung aus Ägypten jedes Jahr begangen. Errettung durch Gott passt nicht mit einer Hinrichtung zusammen. Das spürt jeder. Also muss eine Hinrichtung nach den Feiertagen geschehen. So jedenfalls plant es Herodes und es spricht alles dafür, dass es auch so geschieht. Petrus ist doppelt und dreifach gesichert, damit er nicht doch noch durch einen dummen Zufall entwischen kann. Er ist mit zwei Ketten gefesselt, möglicherweise eine an den Händen, die zweite an den Füßen.  Zwei Soldaten sind direkt neben ihm in seinem Verlies postiert, zwei weitere bewachen vorsichtshalber die Gefängnistür. Ein Entkommen ist unmöglich, dachte Herodes. Aber Gott denkt anders und schickt Rettung. Er schickt seinen Engel, der Petrus befreit. Die Befreiung wird ausführlich beschrieben: Der Engel erscheint in der Gefängniszelle, in der Petrus eingekerkert ist und erleuchtet den Raum. Es ist also dunkel in der Zelle. Petrus sitzt im Dunkeln, kann sich nur schwer oder gar nicht orientieren. Dunkelheit und Orientierungslosigkeit verstärken die Ängste und ersticken Hoffnung. Es hat Methode, Menschen mürbe zu machen. Es genügt einem Herodes nicht, die Todesstraße durchzuführen, dem Verurteilten soll die Würde und jeder Wille zum Leben gebrochen werden. Damit ganz klar ist, wer es hier zu sagen hat und dass Widerstand zwecklos ist. 

Petrus schläft, als der Engel erscheint. „Steh schnell auf“, fordert er ihn auf und stößt ihn dabei in die Seite. Die Ketten fallen wie von selbst von Petrus ab. Der Engel gibt weiterhin Befehle, wie er sich verhalten soll: Güte dich, zieh deine Schuhe an, wirf deinen Mantel über, folge mir.“ Das geschieht in zügiger Geschwindigkeit, Petrus soll sich in aller Eile  für seine Befreiung rüsten. Es gilt, keine Zeit zu verlieren, so wie bei den Israeliten in Ägypten, als sie in ihre Freiheit aufgebrochen sind. Es ist nicht immer noch Zeit, dringende und drängende Angelegenheiten müssen jetzt angegangen werden. Ohne Nachzudenken folgt Petrus den Anweisungen. Zweifel kann er sich nicht leisten, dazu ist seine Lage zu prekär. Ihm ist, als ob er träumt, Petrus ist gar nicht mehr richtig in der Realität verankert. Seine Sinne sind durch die Ausweglosigkeit seiner benebelt. Ihm ist längst der Boden entzogen. Er glaubt, dass er sich seine Rettung eingebildet hat. Der Engel weiß, was er zu tun hat. Er geht unbeirrt und zielsicher durch die erste und zweite Wache. Traumwandlerisch geht Petrus hinterher. Niemand hält die beiden auf. Die beiden durchschreiten das eiserne Tor des Gefängnisses. Petrus weiß nicht, wie er da durchgekommen ist. Das Tor tut sich irgendwie von selber auf. Engel und Petrus gehen eine Straße weit, dann sieht Petrus sich allein. Petrus muss erst einmal zu sich kommen, er hat automatisch das gemacht, was der Engel vom ihm verlangt hat. Benommen von der Erlebnis erkennt er aber doch bald: Gott hat ihm einen Engel geschickt, der ihn vom sicheren Tod bewahrt hat und ihn in die Freiheit geholfen.

Wohin soll Petrus jetzt gehen? Hier kann er nicht bleiben. Instinktiv entfernt er sich von diesem schrecklichen Ort und geht schnurstracks zu der Mutter des Johannes. Hier trifft er auf weitere Jünger Jesu. Die haben sich hierher zurückgezogen aus Angst vor den Verfolgungen des Herodes. Sie stärken und verbinden sich, beten für ihre verfolgten Schwestern und Brüder.

Petrus ist noch einmal davon gekommen. Er hat Gottes große Hilfe erfahren. Kennen Sie auch solche existentiellen Erlebnisse? Erlebnisse, die Sie nie für möglich gehalten hätten, Erlebnisse, die Sie befreit haben aus einer ausweglosen Lage? Dazu müssen wir nicht im Gefängnis sitzen und vom Tode bedroht sein. Wir sind auch dann aus der Bahn geworfen, wenn unser Lebensgebäude ins Wanken gerät und wir keinen Boden unter den Füßen haben. Schwere nicht zu bewältigende Umbrüche können zum Tod führen. Meistens aber schickt Gott doch einen Engel, der uns die Sonne wieder sehen lässt.

Da ist Anna. Sie hat ihr Leben eingerichtet, bald bricht eine neue schöne Lebensphase an. Sie freut sich auf die Zeit nach ihrer Berufstätigkeit und die ihres Mannes. Beide werden mehr Zeit für einander haben und füreinander da sein können. Anna freut sich auf glückliche Jahre, die sie und ihr Mann genießen werden. Sie sieht sich morgens gemeinsam mit ihm frühstücken, nachmittags gemütlich bei einer Tasse sitzen, so wie ihre Eltern das machen. Sie möchte die eine oder andere Reise unternehmen, Ziele gibt es genug, sie möchte gemeinsam mit ihrem Mann Kontakte zu befreundeten Ehepaaren verstärkt pflegen, mit ihm sich in einem ehrenamtliches Projekt engagieren. Anna möchte ein schönes erfülltes Leben führen, ohne Stress, ohne Druck. Sie hat Ziele, sie hat Visionen. Sie ist begeistert ihrem Mann gefolgt, hat ihm vertraut, hat seine Träume geteilt, mit ihm Pläne geschmiedet. Es kommt zur Krise, ihr Mann wendet sich ab, will nicht länger an der Ehe festhalten, will eine neue Frau. Anna gerät in eine schreckliche Situation. Angst und Unsicherheit bringen sie zum Verzweifeln. Was wird aus mit ihr? Ihr Leben ist verwirkt. Sie sieht für sich keine Zukunft mehr. Ihr Leben ist sinnlos geworden. Ihr Mann ist ihr Leben gewesen.

Die Verlassenheit frisst sie auf. Was folgt, ist schlimm. Jeden Tag geht Anna neu durch Tiefen, jede Nacht weint sie um ihr verlorenes Glück. Sie erlebt höchste Nöte über einen langen Zeitraum. Plötzlich lichtet sich die Dunkelheit, sie weiß nicht wie, plötzlich tut sich eine Tür auf, plötzlich zeigt sich die Sonne. Anna findet den Weg ins Leben.  

Es gibt Situationen, da sind wir gefangen in unserer Angst. Wir sitzen im Dunkeln und haben keine Hoffnung. Wer hilft uns heraus aus der Not? Aus eigener Kraft schaffen wir das nicht.  

Gott hilft, er rettet aus Angst und Verzweiflung, führt heraus aus Dunkelheit und Hoffnungslosigkeit, zeigt einen Weg. Ich stelle mir vor, dass Petrus froh gewesen ist, als der Engel ihm Anweisung gegeben hat, was er tun soll. Manchmal ist es gut, wenn uns jemand führt und leitet und uns sagt, was wir tun müssen. Es kann passieren, dass sich Türen öffnen und wir einen Weg sehen, den wir zuvor nicht gesehen haben. Gott schickt einen Engel, der hilft, wenn wir nicht weiter wissen. Wenn wir uns selber nicht mehr helfen können, sind wir froh, wenn Hilfe von außen kommt.

Petrus ist aus dem Gefängnis befreit und vor dem sicheren Tod bewahrt worden. Rettung aus aussichtsloser Situation ist möglich gegen allen Anschein, auch heute noch. Es gibt Menschen wie Anna, die sich aufgegeben haben und die dennoch einen neuen Weg finden. Ich bin gewiss: Gott überlässt uns nicht der Dunkelheit. Er sendet einen Engel und führt uns ins Licht. Amen.