Der Kaiser lebte im Palast in der verborgenen Stadt. Niemand wusste, wo sie war. Aber jeder wusste, sie war das Zentrum der Welt und der Mittelpunkt des Universums. Von ihr aus lenkte der Kaiser die Geschicke seiner Untertanen und jeder Untertan des Kaisers war erfüllt von dem Gedanken, dass sein Leben auf einer vorherbestimmten Bahn verlief, gleich dem Lauf der Sterne, die auf seinen Rat hin auf unveränderlichen Bahnen um ihn kreisten.
Um seinen Untertanen mitzuteilen, welchen Weg er für sie vorgesehen hatte, entsandte der Kaiser von Zeit zu Zeit Boten in das weite Land. Sie trugen als Ausweis der Macht das kaiserliche Siegel und was sie sagten, galt als Wort der Kaisers. Wenn sie sprachen, so sprach der Kaiser. Wo sie waren und wo das Siegel war, da war der Kaiser selbst anwesend.
Da der Kaiser die Geschicke des Universums lenkte, überbrachten seine Boten Nachrichten von höchstem Rang. Sie betrafen stets das Ganze, sie betrafen stets alle. Doch so, wie der Blitz auf Geheiß des Kaisers nur an einer bestimmten Stelle einschlägt, sein Donnergrollen aber auch das umliegende Land erfasst, so eilten die Boten des Kaisers auf ihrem Weg zum Bestimmungsort durch viele Orte und verkündeten allen die Worte des Kaisers.
Im Grunde war es ja der Kaiser selbst, der sie sprach und allein das machte sie bedeutsam für jeden, der sie vernahm. Wo nur das Gerücht aufkam, ein kaiserliches Wort sei in einiger Entfernung verkündet worden, begannen die Menschen sogleich zu fragen, welche Auswirkungen das auf sie haben könnte. Ob nicht doch auch sie betroffen sein könnten und wie denn umzugehen sei mit dem Wort, das doch immerhin den Lauf der Welt und alles Lebendigen bestimmt.
Die vermeintlichen Worte wurden zusammengetragen. Jeder durfte sagen, was er glaubte, gehört zu haben. Die Worte wurden verglichen und es wurden verschiedene Varianten entschlüsselt. Nun galt es, herauszufinden, welche Bedeutung jede Variante für das Leben der Menschen vor Ort haben könnte. Undenkbar, dass ein kleiner Ort, das vielleicht nur ein einzelner Bewohner eines abseitigen Dorfes den Plan des Kaisers missachtete. Nicht etwa aus Ignoranz oder Gleichgültigkeit, vielmehr aus Unwissenheit. Zwar war der einzelne Mensch im Zusammenspiel des Universums nicht mehr als ein Staubkorn. Aber jedes Staubkorn hatte Anteil am Zusammenspiel und musste seine Aufgabe unbedingt erfüllen.
Es war dem Kaiser doch nicht zuzumuten, dass er seinen Plan für das Ganze verwarf, ja verwerfen musste, nur, weil ein Staubkorn nicht verstand, was ihm das Wort des Kaisers sagte. Und wie würde der Kaiser reagieren, wenn sich etwas so unbedeutendes seinem Willen widersetzte?
Die Gelehrten stritten lange über solche Fragen. Sie kamen zu der Lösung, dass der Herr des Universums unmöglich nicht wissen könne, wie ein Staubkorn sich im Wind verhalte. Ein Mensch könne nur glauben, er handle gegen den Willen des Kaisers. In Wahrheit erfüllte er aber mit diesem Glauben gerade den Willen des Kaisers. Das kaiserliche Wort sage jedem, der es hören kann, was längst vom Kaiser über ihn beschlossen wurde.
Wichtiger als das einzelne Wort der Botschaft sei das Siegel des Kaisers. Wo das Siegel des Kaisers sei, da seien seine Untertanen und wenn ein Untertan das Siegel des Kaisers trage, so sei ihm der Kaiser näher, als würde er vor den Toren der verborgenen Stadt stehen, ja näher noch, als stünde er im Thronsaal selbst. Wenn selbst ein Staubkorn dem Zentrum des Universums so nahe kam, dann sei es unmöglich, nicht zu tun, was dem Willen des Kaisers für das Ganze entspricht.
Einst sprach der Herrscher des Universums ein Wort aus dem Zentrum des Universums. Dieses Wort verbreitete ein Bote in der Welt und so, wie man Steine ins Wasser wirft und sie schlagen Wellen, so verbreitete sich das Wort weiter. Das erste Wort wurde in Jerusalem gesprochen. Der Bote brachte es nach Kolossai, von dort gelangte es nach Ephesus und von Ephesus gelangte es nach Caputh.
Der Herrscher des Universums hat für uns vorgesehen, obwohl wir nur ein Staubkorn sind, er hat vorgesehen, dass wir ihm nahe sein sollen. Ein jeder von uns soll ihm sein wie sein eigenes Kind. Er will uns nicht nur versiegeln mit seinem Siegel. Vielmehr macht er uns selbst zu einem Siegel, damit, wo immer wir sind, er auch sei. Wir treiben nicht länger ziellos durch ein leeres All. Unser Ziel ist die Mitte selbst, das Zentrum aus dem alles entspringt.
Nenn es Schicksal oder Zufall, wenn du den eigenen Weg nicht verstehst und es sich nicht so anfühlt, als hätte das, was dir passiert, einen Sinn. Wie könnten wir denn zu jeder Zeit verstehen, was vor aller Zeit für uns erdacht wurde? Was nach unserer Zeit mit uns geschehen soll?
Gottes Wort ist wie ein Blitz, es erhellt die Nacht, doch ist es oftmals wie ein Schlag, wenn ich direkt davon betroffen bin. Je weiter ich mich entferne, desto dunkler bleibt sein Grollen. Glaub nicht, Gott wüsste nicht, wie’s uns damit ergeht. Darum hat er uns ja sein Siegel eingeprägt. Sein Wort, sein Geist, sein Zeichen, wir tragen es an uns. Wir sind es.
Nenn es Taufe oder Wiedergeburt, nenn es Erlösung oder Seligkeit – es kommt von ihm.
Nenn ihn Grund alles Seins, nenn ihn Kyrios oder Kaiser – er kommt zu dir.
Nenn es Gnade oder Segen – ich nenne es Frieden unserer Seelen – ein Frieden der höher als unsere Vernunft; der Eure Herzen und Sinne erhebt zu dem einen, zu Jesus Christus, in dem wir sein werden, wenn unsere Zeit erfüllt ist.
Amen.