Die Zukunft bringt nur Gutes - Predigt zu Lukas 17,20-24 von Søren Schwesig
17,20-24

Die Zukunft bringt nur Gutes

Liebe Gemeinde,

was bringt uns wohl die Zukunft? So fragen wir manchmal. Und so ver­schieden wir sind, so verschieden fragen wir nach der Zukunft. Wird mein Wunsch nach Liebe in Erfüllung gehen? Wird meine Partnerschaft, meine Ehe halten? Werde ich den Anforderungen in meinem Beruf gewachsen bleiben? Werden meine Kinder gesund heranwachsen? Wird mein Sohn eine Ausbildungsstelle bekommen? So oder so ähnlich fragen wir nach der Zukunft, die uns bevorsteht.

Nun hat der heutige Sonntag vom Datum her statt mit In-die-Zukunft-schauen mit Zurückschauen zu tun. Denn am morgigen Tag geht es um das Erinnern. Das Er­innern an besondere Tage der deutschen Geschichte:

·         09. Nov 1918: Philipp Scheidemann ruft die Weimarer Republik aus.

·         09. Nov 1923: Hitlers erster Versuch, die Macht in Deutschland zu ergreifen, scheitert.

·         09. Nov 1938: Reichspogromnacht – im ganzen Reich werden Synago­gen geplündert und angezündet.

·         09. Nov 1989: Fall der Mauer – Symbol der Teilung beider deutscher Staaten.

Am 09. November erinnern sich Menschen an Reiche, die Menschen aus­gerufen oder zu Fall gebracht haben.

Auch unsere Predigtgeschichte handelt von einem Reich, aber keinem Tau­sendjährigen oder Deutschen Reich. Die Pharisäer fragen Jesus nach dem Gottesreich: „Wann kommt es, das Reich Gottes?“ Ich lese Verse ...

20 Als er aber von den Pharisäern gefragt wurde: Wann kommt das Reich Gottes?, antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man's beobachten kann; 21 man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es!, oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch. 22 Er sprach aber zu den Jüngern: Es wird die Zeit kommen, in der ihr begehren werdet, zu sehen einen der Tage des Menschensohns, und werdet ihn nicht sehen. 23 Und sie werden zu euch sagen: Siehe, da!, oder: Siehe, hier! Geht nicht hin und lauft ihnen nicht nach! 24 Denn wie der Blitz aufblitzt und leuchtet von einem Ende des Himmels bis zum an­dern, so wird der Menschensohn an seinem Tage sein. 25 Zuvor aber muss er viel leiden und verworfen werden.

Welchen Stellenwert hat in ihrem Glauben das Reich Gottes? Ich glaube das Hoffen auf das Reich Gottes ist uns irgendwie abhanden gekommen. Das Warten auf das Reich Gottes ist bei uns in den Hintergrund geraten. Oder trifft das nur auf uns Christen in der sogenann­ten Ersten Welt zu?

Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem Pfarrer aus Tansania, der in den 80-er Jahren meine Heimatgemeinde besuchte. Als er, der afrikanische Pfarrer und ich, damals ein Theologiestudent, miteinander über unseren Glauben redeten, fragte er mich auf den Kopf zu: „Bruder, lebst du in der Hoffnung auf das Reich Gottes?“ Ich war von dieser Frage überrumpelt und musste sagen: Das Reich Gottes spielt in meinem Glauben keine große Rolle!“ Ganz anders mein afrikanischer Gesprächspartner. Für ihn war das Hoffen und Warten auf das Anbrechen des Reiches Gottes ganz zentral.

Seitdem habe ich mich immer wieder gefragt, warum wir uns so unter­schieden. Liegt mein Nichthoffen auf das Reich Gottes daran, dass ich als Europäer in einem gesicherten Wohlstand lebe und deshalb mit der Ge­genwart eigentlich ganz zufrieden bin? Und wartet der afrikanische Pfarrer deshalb auf das Reich Gottes, weil er in ärmlichen Verhältnissen lebt und deshalb große Hoffnung setzt in eine grundlegende Veränderung der Ver­hältnisse? Vielleicht. Aber was ich heute weiß, ist, dass der Afrikaner der Botschaft Jesu viel näher war als ich. Denn Jesu Botschaft lautete in einen Satz gefasst: „Das Reich Gottes ist mitten unter euch. Darum ändert euer Leben und glaubt an das Evangelium.

Die Hörer Jesu kannten und teilten mit ihm die Hoffnung, dass Gottes Reich bald anbricht. Die Hoffnung, dass diese Welt, die so voll ist von Unrecht und Unterdrückung, von Hass und Neid, von Elend und Leid – dass diese Welt nicht Gottes letztes Wort ist, sondern dass Gott dieser Welt ein Ende setzen und sein Reich aufrichten wird. Ein Reich, in dem Menschen einander kein Leid mehr beifügen, weil sie in Eintracht leben und sich von Gottes Geboten leiten lassen. Eine Welt, in der man keinen Hass mehr kennt und kein Unrecht.

Eine Welt frei von Unrecht und Unterdrückung. Sagen Sie selbst. Klingt das nicht paradiesisch? Klingt das nicht zu schön, um wahr zu sein?

So denken auch heute viele Menschen, die bezweifeln, dass dieses Reich, das Jesus versprochen hat, kommen wird. Stattdessen glauben sie, es gäbe nur die Realität, in der sie leben. Eine Realität, in der sie immer wie­der die Erfahrung von Zerstörung machen.

·      Das mag die Erfahrung einer Liebe sein, die zerbrochen ist.

·      Das mag die Erfahrung einer Freundschaft sein, die verraten wurde.

·      In Syrien machten und machen Menschen die Erfahrung mit der ungeheu­ren Todesmacht von Bomben, gebaut von Menschenhand, um Men­schenleben auszulöschen.

Erfahrungen von Zerstörungen, die dem Leben zugefügt werden. Und Zer­störungen haben immer eine große Überzeugungskraft. Zerstörungen ma­chen mutlos, so dass wir sagen: „So ist halt unsere Welt, da kann man nichts machen!“ Zerstörungen lassen uns glauben, dass es für diese Welt keine Zukunft gibt, auf die man hoffen kann. Dass man sich in dieser Welt höchstens ducken kann, damit einen das Unglück nicht mit voller Wucht trifft.

Seid nicht mutlos!“, sagt Jesus. „Ja, diese Welt ist voll von Zerstörungen. Aber diese Welt ist nicht Gottes letztes Wort. Gott wird dieser Welt mit ih­ren Zerstörungen ein Ende setzen und sein Reich aufrichten. Und dieses Reich ist schon unterwegs zu euch. Ja, es ist schon mitten unter euch!“ So Jesu Botschaft.

Die Hörer fragten Jesus darauf: „Dann sag uns: Wie geht es zu in diesem Reich? Wer wird zu diesem Reich gehören? Was muss ich tun, damit ich auch zu diesem Reich gehöre?“ Und Jesus antwortete ihnen mit Gleichnisgeschichten:

·         Wie dem Gleichnis von dem Sohn, der ins Elend gerät und heimkehren möchte, aber sein Recht auf Heimkehr eigentlich verwirkt hat. Aber als der Vater seinen Sohn heimkehren sieht, fragt er nicht nach Recht auf Heimkehr, sondern nimmt ihn in Ehren auf und feiert ein Freudenfest, denn – so spricht er – `Dieser mein Sohn war verloren und ist gefunden worden!´ Und Jesu Hörer begreifen: So wird es sein im Reich Gottes – jeder von uns darf zu Gott kom­men, ganz gleich was er getan hat, weil Gottes Liebe jedem von uns gilt!

·         Oder das Gleichnis von den Tagelöhnern, die verschieden lang im Wein­berg arbeiten. Aber am Abend bekommt jeder den gleichen Lohn, weil der Weinbergbesitzer will, dass jeder bekommt, was er zum Leben braucht. Und die Hörer Jesu begreifen: So wird es sein im Reich Gottes – jeder von uns wird genug haben, was er zum Leben braucht!

·         Oder das Gleichnis von dem Hirten, der sich nicht zufrieden gibt mit der großen Zahl seiner Schafe, sondern der, als eins verloren geht, die­sem nachgeht, es findet und heim trägt. Und Jesu Hörer begreifen: So wird es sein im Reich Gottes - Gott wird sich nach jedem von uns auf die Suche machen, so lieb sind wir ihm und teuer!

Aber sag uns“, fragen die Pharisäer: „Wann kommt das Reich Gottes?“ Jesus antwortet ihnen: „Es kommt nicht so, dass man es beobachten oder sagen kann: `Hier ist es!´ oder `Dort ist es!´“ – und widerspricht damit allen Menschen, die glauben, in Ereignissen der Geschichte erkennen zu können, dass diese Welt zu Ende geht und das Reich Gottes anbricht.

·         Wie der Verfasser des Buches der Offenbarung meinte, die damals stattfindenden Christenverfolgungen seien ein untrügliches Zeichen, dass das Ende der Welt nahe ist. Aber die Welt ging weiter.

·         Als im Mittelalter die Pest 1/3 der Bevölkerung Europas hinwegraffte, sahen Menschen darin ein untrügliches Zeichen, dass das Ende der Welt nahe ist. Aber die Welt ging weiter.

·         Oder ich erinnere mich an ein Gespräch mit einer Deutschen in Israel im Som­mer des ersten Golfkrieges, als Saddam Hussein in Kuwait einmarschiert war und die Welt befürchtete, ein mit Massenvernichtungswaffen geführter Krieg würde im Nahen Osten ausbrechen. Das Fazit dieser Deutschen lautete: „Alles, was jetzt geschieht, ist ja in der Bibel vorausgesagt: Am Ende der Tage wird in Israel eine große Schlacht ansetzen!

Wir können nicht in Ereignissen der Geschichte erkennen, ob diese Welt zu Ende geht und das Reich Gottes anbricht – weil Jesus sagt: „Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es beobachten oder sagen kann: `Hier ist es!´ oder `Dort ist es!´“

Wahrscheinlich werden die Pharisäer damals nachgehakt haben: „Aber dann sag uns: Wann kommt das Reich Gottes?“ Und wahrscheinlich wer­den die Pharisäer auf Jesu Entgegnung „Es ist schon mitten unter euch!“ geantwortet haben: „Mitten unter uns? Schau dir doch diese Welt an. Sie ist unerlöst. Überall begegnet Unrecht und Hass und Leid. All das soll es doch im Reich Gottes nicht mehr geben. Wie kannst du da sagen: `Das Reich Gottes ist mitten unter euch´?

Die Pharisäer damals begreifen nicht, dass das Reich Gottes zwar noch nicht da ist, aber dass es unterwegs ist, dass es im Anbrechen ist.

In Jesu Person bricht es an. In Jesu Tun kann ich es schon erleben. In dem, was Jesus tut und sagt, kann ich das Reich Gottes schon erfahren.

·         Wenn Jesus Menschen heilte, dann damit ich erkenne: So wird es im Reich Gottes sein – es wird keine Krankheit mehr geben.

·         Wenn Jesus Menschen satt machte, dann damit ich erkenne: So wird es sein – Men­schen werden keinen Hunger mehr leiden.

·         Wenn Gott ihn später vom Tod auferweckte, dann damit ich er­kenne: So wird es im Reich Gottes sein – der Tod wird keine Macht mehr über mich haben. Ich werde leben.

Das Reich Gottes ist mitten unter euch!“ heißt also: Es ist zwar noch nicht da, aber ist unterwegs. In Jesu Person bricht es an. Und Du kannst kann in deinem Leben immer wie­der Spu­ren dieses Reiches entdecken, wenn du nur Augen und Ohren offen hältst und diese Spuren auch wirklich wahrnimmst:

·         Wenn Menschen es schaffen, die bitteren Worte, die gefallen sind, und die Wunden, die ihnen zugefügt wurden, beiseite zu schieben und wie­der zueinander finden, dann sind das Spuren des Reiches Gottes und du kannst: So wird es sein!

·         Wenn Fremde in dem Augenblick, da sie Brot und Wein teilen, begrei­fen: „Wir gehören zusammen als Bruder und Schwester!“, sind das Spuren des Reiches Gottes und du kannst sagen: So wird es sein!

·         Wenn ein Mensch, dem die Ärzte keine Hoffnung mehr gaben, gesun­det, sind das Spuren des Reiches Gottes. So wird es sein!

·         Aber genauso: Wenn ein Mensch nicht geheilt wird von seiner Krank­heit, aber seinem Sterben entgegengehen kann mit dem Wissen: Ich bin gehalten! Ich bin getragen! - Spuren des Reiches Gottes! So wird es sein!

·         Wenn ich immer wieder aufs Neue erlebe, dass mir die Kraft geschenkt wird, meinen Alltag zu bestehen, dann sind das Spuren Gottes! So wird es sein!

Das Reich Gottes ist unterwegs und du kannst jetzt schon in deinem Leben Spuren davon wahrnehmen, wenn du nur Augen und Ohren offen hältst für diese Spuren.

Darum - wenn du gefragt wirst: Was bringt uns wohl die Zukunft?, kannst du darauf antworten: Die Zukunft bringt mir nur Gutes. Denn sie bringt mich Gottes Reich näher.

Amen.

Perikope
08.11.2015
17,20-24