Draußen bei dem Sterbenden ist das Leben - Predigt zu Hebräer 13,11-13 von Christine Hubka
(Gottesdienst in der JA Wien Josefstadt)
Draußen beim dem Sterbenden ist das Leben
Die Leiber der Tiere, deren Blut durch den Hohenpriester als Sündopfer in das Heilige getragen wird, werden außerhalb des Lagers verbrannt.
Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor.
So lasst uns nun zu ihm hinausgehen aus dem Lager und seine Schmach tragen.
Heb 13, 11 – 13
Zwei mal kommt das Wort Blut
in diesem Abschnitt vor.
Wie sonst auch häufig in der Bibel,
steht Blut hier für Leben.
Die zwei Bilder,
die uns gezeigt werden,
sind also keine blutigen Bilder.
Sie erzählen beide vom Leben:
Das erste Bild ist archaisch:
Ein Priester opfert im Tempel Tiere.
Menschen stehen dabei.
Sie feiern das Leben.
Während ein anderes Lebewesen stirbt.
Die Reste der geopferten Tiere
werden vor die Tore der Stadt getragen.
Dort werden sie verbrannt.
Denn die Berührung der toten Leiber
würde unrein machen.
Wer unrein ist,
kann nicht so ohne weiteres
an der Gemeinschaft und am Leben
drinnen in der Stadt teilnehmen.
Das Bild sagt:
Der Tod macht unrein.
Wer mit dem Tod in Berührung kommt,
fällt aus der Gemeinschaft der Lebenden heraus.
Über dieses erste Bild
ist ein zweites gelegt:
Es zeigt den sterbenden Jesus am Kreuz.
Aber das vertraute Bild ist verfremdet.
Anders als bei der Passionsgeschichte
ist Jesus allein,
draußen vor dem Tor,
während drinnen in der Stadt
die Menschen das Passahfest feiern.
Sie feiern die Erinnerung,
dass der Tod an ihnen vorbei gegangen ist.
Damals in Ägypten.
Das Bild sagt:
Der Tod macht unendlich einsam.
Beide Bilder zusammen
erzählen noch etwas anderes:
Dort wo Menschen leben,
gibt es ein Drinnen und ein Draußen.
In diesem Drinnen und Draußen
geschehen die Dinge gleichzeitig:
Drinnen in der Stadt die vielfältigen Angebote,
die Freizeit zu genießen.
Das Leben auszukosten.
Und draußen vor den Toren der Stadt
der Zentralfriedhof.
In den Kinos wird der Film nicht unterbrochen,
wenn draußen am Zentralfriedhof
ein neues Grab geöffnet wird.
Drinnen in der City Häuser für Kultur und Kunst:
Theater, Oper, das Konzerthaus, Museen.
Und draußen vor dem Tor –
am Steinhof, dem ehemaligen Spiegelgrund,
Pavillions für psychisch kranke Menschen.
Wenn dort draußen ein neuer Kranker eingeliefert wird, unterbricht die Führerin im Museum drinnen
ihre Rede nicht.
Auch die Kirche steht mitten in der Stadt.
Sie ist ein ganz besonderer Drinnen – Raum:
Ein Stunde lang, kann hier drinnen
jeder sicher sein,
dass niemand etwas fordert.
Eine Stunde lang herrscht Friede.
Auch zwischen denen,
die sich draußen nur schwer ertragen.
Oder offen bekämpfen.
Zum Zeichen des Friedens.
haben im Mittelalter die Ritter
auch in kriegerischer Zeit
ihre Helme in der Kirche abgenommen.
Die in die Kirche kommen,
die ins Kino gehen,
ins Konzert, in die Kunsthalle,
haben eines auf jeden Fall gemeinsam:
Sie lieben das Leben.
Und sie fürchten den Tod.
Sie alle wissen:
Der Tod macht einsam.
Der Tod macht unrein.
Wer es schon mit dem Tod zu tun bekommen hat, kann erzählen,
dass Freunde und Bekannte sich zurück ziehen.
Kontakte schlafen ein.
Verlegenheit breitet sich aus
unter den Fröhlichen und Gesunden,
wenn Todkranke und Trauernde in der Nähe sind.
So, als wäre die Nähe zu ihnen gefährlich.
Ansteckend.
Als wären sie in einem Sog,
der alle mitreißt, die ihnen nahe kommen.
Ein Sog, der hinaus treibt vor das Tor.
Und ich höre die Botschaft des Bibelwortes:
Alle, die auf ihre Weise drinnen das Leben feiern,
sind in Gefahr, dem Tod zu dienen.
Sie dienen dem Tod,
wenn sie tun, was möglich ist,
um ihn draußen zu lassen:
Draußen aus den Gedanken.
Draußen aus den Gesprächen.
Draußen vor dem Tor.
Denn dann wird der Tod
mehr und mehr die Macht,
die alles beherrscht.
Und ich höre die Frage des Bibelwortes:
Sage mir, was du fürchtest.
Sage mir, was du nach Kräften draußen lässt.
Sage mir, was drinnen bei dir keinen Platz bekommt.
Wenn du es mir sagst,
wirst du mir von deinem Gott erzählen.
Wer von euch für die Konfirmation
Luthers Erklärungen zu den 10 Geboten auswendig gelernt hat,
kann sich vielleicht noch
an die Erklärung zum ersten Gebot erinnern:
Wir sollen Gott über alle Dinge
fürchten, lieben und vertrauen.
Sage mir, wen du fürchtest,
und du wirst mir von deinem Gott erzählen.
Fürchtest du, dass der Tod kommt?
Oder fürchtest du,
dass Gott nicht da ist,
wenn der Tod kommt?
Die Furcht vor dem Tod
bekommt die Antwort:
„Er kommt gewiss.“
Die Furcht, dass Gott nicht da ist,
wenn der Tod kommt,
bekommt draußen vor dem Tor
ein Bild gezeigt:
Den sterbenden Jesus,
der sein Leben in Gottes Hand zurück gibt.
Denn Gott ist da.
Da, wo die Einsamkeit unendlich groß wird.
Da, wo die Gemeinschaft
der Fröhlichen und Gesunden
nicht mehr trägt.
So lasst uns nun zu ihm hinausgehen...
Ein Angebot ist es.
Eine Einladung.
Am Ende jedes Gottesdienstes hört ihr sie aufs neue:
Geht!
Geht hinaus!
Ite, ecclesia missa est,
hat die Alte Kirche gesagt.
Geht, die Versammlung ist entlassen.
Geht hinaus aus der Sicherheit und dem Frieden,
der euch hier eine Stunde lang gegeben wurde!
So wichtig ist dieses hinausgehen,
dass der Gottesdienst der Alten Kirche
daher seinen Namen bekommen hat:
Die Messe – die hinausgeschickte Versammlung.
So lasst uns nun zu ihm hinausgehen...
Nicht nur in diesem geschützten Drinnen – Raum
Unserer Kirche werden wir Gott begegnen.
Auch draußen –
Ganz weit draußen.
Denn Jesus ist draußen vor dem Tor gestorben.
Und Gott war bei ihm.