Drei bis vier Worte verändern die Welt - Predigt zu 2. Korinther 4,16-18 von Christof Vetter
Drei Worte ausgesprochen vor Journalisten am 31. August 2015 Drei Worte haben die Welt verändert zumindest die Welt in unserem Land.
„Wir schaffen das!“ Angesichts von Bildern im Mittelmeer ertrinkender Flüchtlinge in Italien gestrandeter Flüchtlinge wild campender Flüchtlinge an den Grenzen mit wenig zu essen und mangelnder medizinischer Versorgung.
„Wir schaffen das!“ Kurze Zeit vorher war Angela Merkel in ihrem Wahlkreis unterwegs. Ein Gespräch mit Schülerinnen und Schülern. Da weint eine der Teilnehmerinnen, Palästinenserin, vor einigen Jahren mit ihren Eltern nach Deutschland geflohen: "Ich habe ja auch Ziele wie jeder andere. Es ist sehr schwer, dabei zuzusehen, wie andere das Leben genießen können. Und man das selber halt nicht mitgenießen kann." Das lässt niemand kalt. uch nicht die vermutlich mächtigste Frau der Welt.
„Wir schaffen das!“ Für diesen Satz hat die Bundeskanzlerin Häme und Spott geerntet. Verbale Prügel und Vorwürfe voller Hass. Seither ist nicht mehr, wie es war. Die einen lamentierten über die Flüchtlingspolitik und offene Grenzen, über Gefahren und die vielen Kriminellen, die Deutschland und Europa überfluten.
Die anderen krempeln die Ärmel hoch, begrüßen die Ankommenden, schenken ihren Spielzeug und Kleider sowie was am wichtigsten ist: Zeit Diese Menschen sind sich sicher: „Wir schaffen das!“ Und sie reden nicht. Sie handeln: Willkommenscafé und Deutschunterricht, Schwimmunterricht für die, die geflohen sind über das Meer, dem Ertrinken nah. Unzählige Angebote mitzuarbeiten und anzukommen. Niedersachsen packt an, so heißt es bei uns und viele machen mit: Kirchen und Gewerkschaften Arbeitgeber und die Landesregierung Sportvereine und viele, viele, viele Bürgerinnen und Bürger.
Drei Wörter und die Welt war nicht mehr, wie sie vorher war. Drei Wörter voller Zuversicht Widerspruch gegen alle Müdigkeit und Verzweiflung. „Wir schaffen das!“ Protest gegen alle Unmenschlichkeit Aufschrei gegen alle, die anderen Menschen die Würde nehmen, egal welcher Hautfarbe welcher Religion und welcher Kultur, welchen Geschlechts und welchen Alters.
Wir sind alle Menschen und viel mehr noch: wir sind Geschwister dessen, der am Kreuz gestorben ist geschlagen, gefoltert, mit dem Dornenkranz gekrönt. Er hat den Schmerz besiegt. dem Tod in dessen Fratze gelacht, den Sieg über alle Höllen dieser Welt bejubelt und allen Menschen das Leben eröffnet.
Darum werden wir nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert. Denn unsre Bedrängnis, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.
„Wir schaffen das!“ Das ist der Satz der Politik. Das ist die Begeisterung der Zivilgesellschaft, die erkannt hat, Syrer und Iraner, Afrikaner und Menschen aus Äthiopien gehören zu uns. „Wir werden nicht müde.“ Das sind vier Worte – ein Wort mehr. Das ist die Botschaft des Apostel Paulus. Er schreibt an die Gemeinde in Korinth. Schon lang war er nicht mehr dort, in der Gemeinde, die er gegründet hat. Er hat auch keine Zeit hin zu gehen, aber die Zeit für einen Brief nimmt er sich.
Müde sind sie geworden – in Korinth. Streit und Unsicherheit hat sie zermürbt Hoffnungslosigkeit hat sie lasch werden lassen. Nein, schreibt Paulus, wir werden nicht müde. Auch wenn jeder und jedem von uns irgendetwas weh tut, auch wenn unsere Kraft schwach ist, auch wenn wir morgens nicht aufstehen wollen, weil wir beim Aufwachen immer noch müde sind, auch wenn wir uns nicht mehr begeistern können, in all der Trostlosigkeit und Verzweiflung, auch wenn der Widerstand wächst und wir als Gutmenschen beschimpft werden: Die innere Kraft bekommen wir geschenkt, jeden Tag neu. Aufstehen – widerstehen Aufstehen – widersprechen Aufstehen – handeln.
„Wir schaffen das!“ Wir werden nicht müde! Wir, die wir sonntags Gottesdienst feiern, die wir vor drei Wochen die Osterkerze entzündet haben. Wir alle, die wir getauft sind, getauft mit dem Wasser des Lebens: Wir werden nicht müde, weil wir nicht darauf schauen, was wir sehen und hören, weil wir nicht resignieren und die Hände in den Schoß legen. Wir werden nicht müde, weil wir ein Ziel haben, ein Ziel, das weit über alles hinaus führt: Denn unsre Bedrängnis, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Ja, auch wir sind manchmal müde, aller Widerstände überdrüssig, ausgelaugt und stehend k.o. Uns tut der Rücken weh und die Hände wollen nicht mehr so richtig, die Füße werden wackelig und der Magen krummelt. Aber wir geben nicht auf: Wir haben es versprochen und versprechen es jeden Sonntag neu.
Wer in diesem Brief des Apostels an die Gemeinde in Korinth ein wenig weiter liest, findet den entscheidenden Satz: "Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden." Wer dies in sich spürt, der kann nicht anders, als mit Herzen, Mund und Händen und unüberhörbar: JUBELN – das ist das Thema des Sonntags heute, drei Wochen nach Ostern, können wir nichts anderes als anzustimmen: Halleluja Wir sind neu geschaffen in der Taufe haben wir es erlebt, geschaffen in ein neues Leben mit Christus, mit dem Auferstandenen. Halleluja – Jubilate – Jauchzet – Jubelt.
Ich höre sie schon, die müden Stimmen, die Sätze voller „wenn“ und „aber“ und die Stimmen voller Fragen: „warum“? Es sind Stimmen, die ich kenne, die ich schon so oft gehört habe. Auch meine eigene Stimme ist dabei, voller Zweifel, voller Sorgen, voller Ängste. Es sind die Stimmen der Menschen damals in Korinth: So viel wurde versprochen, doch das Leiden ist geblieben. Es sind die Stimmen der Menschen aus vielen Jahrhunderten voller Krieg und Unfrieden, mit Missernten und Hungersnöten, mit Unterdrückung und Hass. Es sind die Stimmen der Menschen unserer Tagen, die täglich schlechte Nachrichten lesen von einer zerstörten Schöpfung, von verunreinigtem Wasser und giftiger Luft, Es sind Menschen, die in Tage voller Lieblosigkeit und Streit leben, Streit, der Menschen verletzt, Streit, der nicht nach Wahrheit sucht, sondern allein nach dem eigenen Vorteil und dem persönlichen Gewinn. Wie können wir da widerstehen? Wie können wir da widersprechen?
Wir haben doch nicht mehr als diese Hoffnung? Wir haben doch nichts anderes als das Versprechen? Wir…
Ach hören wir auf mit Jammern und beginnen mit Jubeln Jauchzet – jubelt! gegen Eure Müdigkeit, gegen all die Schmerzen, die ihr spürt, gegen all den Zweifel, den ihr habt, gegen all den Widerspruch, den ihr hört:
Wir bauen nicht auf das Sichtbare, sondern auf das, was jetzt noch niemand sehen kann. Denn was wir jetzt sehen, besteht nur eine gewisse Zeit. Das Unsichtbare aber bleibt ewig bestehen.
Das nimmt uns mit in eine neue Zeit, in eine neue Wirklichkeit, in die neue Schöpfung.
Und diese Zeit ist schon angebrochen, mitten unter uns. Wenn wir aufstehen für die Menschlichkeit. Wenn wir aufstehen für den Frieden. Wenn wir aufstehen für Gerechtigkeit. Wenn wir aufstehen und uns nicht übermannen lassen von schlechten Gefühlen.
Das beginnt ganz klein: das weinende Mädchen, das nicht mehr weiter weiß: Wir hören zu! Der verzweifelte Vater, der nach Antworten sucht. Wir suchen mit! Die ratlose Frau, die keinen Weg mehr sieht. Wir gehen ein Stück mit. Und das können an dem einen Tag Flüchtlinge sein, wie damals im Herbst 2015. Das können an einem anderen Tag Menschen sein, die ihre Liebe verloren haben, oder ihre Gesundheit oder den Blick fürs Leben.
Wir werden nicht müde, weil da der eine ist, der selbst am Kreuz nicht aufgegeben hat, und danach sogar zurückgekommen ist, eingeladen hat, uns eingeladen hat zu neuem Leben. Zu einem Leben ohne Grenzen zu einem Leben ohne Ausgrenzung zu einem Leben miteinander. Wir werden nicht müde Denn der Herr führt uns zu den Brunnen des Erbarmens zu den Gärten der Geduld schmückt uns mit Großzügigkeitsgirlanden Er wir uns auf Wege führen, die wir bisher nicht betreten haben Wir gehen mit aufrecht – fröhlich – heiter. Denn wir sind Kinder Gottes: Gottes Kinder! Jeder soll es sehen Jeder darf erstaunt sein. Gottes Kinder leben heiter. Gottes Kinder leben fröhlich. Gottes Kinder leben begeistert Jeder soll es sehen und soll dann nach Hause laufen Und erzählen – allen erzählen: Ich habe Gottes Kinder gesehen Die sind ungebrochen freundlich Und heiter Und begeistert. Weil ihre Zukunft Jesus heißt Und weil Liebe alles überwindet Himmel und rde eins werden Leben und Tod sich vermählen Und Der Mensch ein neuer Mensch ist durch Jesus Christus.
Amen