Es war ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter; der wurde bei ihm beschuldigt, er verschleudere ihm seinen Besitz.Und er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was höre ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; denn du kannst hinfort nicht Verwalter sein. Da sprach der Verwalter bei sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt; graben kann ich nicht, auch schäme ich mich zu betteln. Ich weiß, was ich tun will, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von dem Amt abgesetzt werde. Und er rief zu sich die Schuldner seines Herrn, einen jeden für sich, und sprach zu dem ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig?Der sprach: Hundert Fass Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich hin und schreib flugs fünfzig.Danach sprach er zu dem zweiten: Du aber, wie viel bist du schuldig? Der sprach: Hundert Sack Weizen. Er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig. Und der Herr lobte den ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt hatte. Denn die Kinder dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts.
I.
Ich hatte keine Wahl. Ich konnte nicht anders. Der dumme Spruch in der Whatsapp-Gruppe war schnell geschrieben. Diese fette Kuh, wer will die schon anfassen? Eklig. Nadja hatte sofort ein schlechtes Gewissen. Aber wenn ich nicht mitmache, bin ich draußen. Und bevor es noch mich erwischt? Am nächsten Tag konnte sie ihrer Tischnachbarin nicht in die Augen sehen. Ich hatte keine Wahl. Ich konnte nicht anders. Der junge Soldat bekam die Waffe in die Hand gedrückt und schoss. Alte. Kinder. Frauen. Männer. Juden und Jüdinnen im tiefen Osten Europas. Und in der Nacht dann die Albträume. Das Gewissen plagte. Aber bloß nicht darüber reden. Am nächsten Tag ging es weiter. Schnell noch einen Brief an die Familie zuhause schreiben. Er vermisste seine kleine Tochter sehr.
II.
Ich hatte keine Wahl. Ich konnte nicht anders. Eine 15jährige Dresdnerin sah das nicht so. Emilia heißt sie. Kind dieser Welt. Ich KANN anders. Und HABE die Wahl. Emilia ertrug es nicht mehr, dass ihre Klassenkameraden antisemitische Sprüche klopften. Über den Tod von Millionen ermordeten Juden machten sie sich lustig. Hört auf, schrieb sie in der Whatsapp-Gruppe. Aber keiner hörte auf. Und die Lehrer schritten nicht ein. Also nutzte sie ihre gesetzlichen Möglichkeiten. Sie zeigte ihre Mitschüler an. Ich KANN anders. Es ist noch nicht zu spät. Ich will mir noch in die Augen schauen können.
Doch sie zahlt ihren Preis. Der Shitstorm ist unbeschreiblich. Denunziantin! Petze! Das sind noch die harmlosesten Beschimpfungen. Und ich bin sicher, dass sie auch in der Klasse nun einen schlechten Stand hat. War es das wert? Haben sich ihr dennoch Häuser geöffnet? Und Herzen?
III.
Du HAST eine Wahl. Du KANNST anders. Und es gibt kein Zuspät. Jedenfalls nicht bei Jesus. Jesus sitzt im im Haus eines Pharisäers. Seine Freunde und Freundinnen sind bei ihm. Vom Verlorenen erzählt er, von einem entlaufenen Schaf; von einem Sohn, den es in die Ferne zog; von ein paar Groschen, die eine Witwe verlegt hatte. Ja, sie sind Kinder dieser Welt, machen Fehler und bauen Mist. Aber sie machen auch viel gut. Und das ist viel wichtiger. Und dann erzählt er von einem Verwalter, auch einem Kind dieser Welt. Auch er hat Mist gebaut und wird deswegen von seinem Chef einbestellt. Alles ist vorbei. Denkt er. Das weiß ich genau. Was mach’ ich denn jetzt?
IV.
Normalerweise würde ein Mann in seiner Lage die Fehler noch schnell ausmerzen. Bilanzen fälschen. Aus dem Minus ein Plus machen. Oder die Schuld auf andere schieben. Auf die Schuldner, die ihn übers Ohr gehauen haben. Oder die Untergebenen, die falsch rechneten. Oder die Regierung, die mit ihren hohen Steuern zum Betrug zwingt. Ja, normal ist es, am Ende doch noch gut da zu stehen. Ich konnte nicht anders. Die anderen sind schuld. Ich bin nur mitgelaufen. Diese Sätze kenne ich von mir nur zu gut. Und aus der Geschichte auch.
V.
Gott sei Dank hält sich Jesus nicht daran, was normal ist. Du kannst nicht anders, gibt es nicht bei ihm. Doch, du kannst. Und du darfst. Das Verlorene musst du nicht verloren geben. Du bist nicht festgelegt auf deine Vergangenheit. Und auf das, was die anderen von dir erwarten, auch nicht. Du kannst ausbrechen. Und wenn es erst im letzten Moment ist. Oder im vorletzten.
VI.
Soll ich weitermachen, fragte Rainer Moormann seine Frau. Vor 10 Jahren war das, da wies Moormann schon ein Jahr lang auf ein schwerwiegendes Sicherheitsproblem im Forschungszentrum Jülich hin. Die Kugelhaufenreaktoren sind nicht sicher genug: Ein Leck im Reaktor würde ausreichen, damit der radioaktive Staub im Innenraum des Reaktors austritt. Moormanns Kollegen und Vorgesetzte hielten seine Warnungen für Quatsch. Doch er stocherte weiter und erneuerte seine Vorwürfe Dafür zahlte er einen hohen Preis: Kollegen bezeichneten Moormann als verrückt, seine Arbeitsgruppe wurde aufgelöst, im Büro saß er plötzlich allein. Der promovierte Chemiker wurde von einer Stelle auf die andere geschoben. Als sein Arbeitgeber ihn schließlich fallen ließ, informierte er die Öffentlichkeit. Drei Jahre später gab das Forschungszentrum Jülich schließlich bekannt, die Forschung an den Kugelhaufenreaktoren einzustellen. Zu dem Zeitpunkt arbeitete Moormann schon nicht mehr in Jülich, Er war im vorgezogenen Ruhestand. Durch den vorzeitigen Ruhestand habe er einige Hundert Euro weniger an Rente. "Aber das ist der Preis, den ich dafür zahlen muss", sagt Moormann. Er kann sich wieder in die Augen schauen.
VII.
Du KANNST auch anders. Du hast die Wahl. Du kannst deiner Tischnachbarin sagen, dass es dir Leid tut, was du geschrieben hast. Und in der Whatsappgruppe, dass es nicht in Ordnung ist, sowas zu schreiben. Es kostet Überwindung. Ja. Und wie. Vielleicht zahlst du auch den Preis wie Emilia. Aber du kannst dir wieder in die Augen schauen, wenn du in den Spiegel blickst. Und deiner Nachbarin auch. Und es GAB die Soldaten im 2.Weltkrieg, die nicht auf Zivilisten geschossen haben. Ja, es gab sie. Es gab die Befehlsverweigerer, die nicht alles mitgemacht haben. Sie haben alles riskiert und wurden beschimpft. Oder degradiert. Oder schlimmer. Und wenn heute immer noch behauptet wird, dass man ja nicht anders konnte, dann schlägt man gerade diesen Soldaten, die anders konnten, nochmal mitten ins Gesicht.
VIII.
Du KANNST auch anders. Du hast die Wahl. Du, Kind des Lichts. Lerne von den Kindern der Welt. Lerne vom klugen Verwalter. Den der macht im entscheidenden Moment nicht das, was man so normalerweise macht. Er tilgt nicht die eigenen Schuldscheine, sondern die der anderen. Er nutzt seine Möglichkeiten, um den Spieß umzudrehen. Er zahlt den Preis und trägt die Konsequenzen Seine Weste ist auf einmal nicht weiß geworden. Die Schmutzspuren sind noch da. Aber er ist ausgebrochen aus der Logik des „Ich kann nicht anders“. Er hält sich nicht an das „Normalerweise“. Das eine Schaf wird gesucht. Der verlorene Sohn wird mit offenen Armen empfangen. Und der skrupellose Verwalter halbiert die Schulden der anderen.
IX.
Du KANNST anders. Du Kind des Lichts. Denn Jesus ist anders. Er sucht mit dir das Verlorene. Er nimmt dich in den Arm, auch wenn du nach Schweinemist und Schweiß stinkst. Jesus wirft die Schuldscheine sogar weg Er öffnet die Tür für dich. Und du setzt dich mit ihm an den Tisch. Emilia und die Soldaten, die nicht geschossen haben, sitzen auch schon da. Die Kinder dieser Welt.
Und die, die nicht anders konnten Oder meinten, nicht anders zu können, die holt ihr dann noch an den Tisch. Du willst vielleicht nicht, dass sie auch da sind. Denn normalerweise gehören sie nicht mehr dazu. Aber Jesus ist anders. Jesus hält sich nicht an das Normale. Jesus nimmt sie in seine Arme. So wie dich.
Amen.
Liedvorschlag: Vorbei sind die Tränen (aus: freitöne 191)