Durch Versuchung zum Erfolg?! - Predigt zu Matthäus 4,1-11 von Agnes Schmidt-Koeber
Durch Versuchung zum Erfolg?!
Liebe Gemeinde,
eines der Themen, das ich in den in den letzten Tagen seit Aschermittwoch wahrgenommen habe, ist das Fasten.
Fasten – von der „schnellen Diät“ bis hin zum Einstieg in einen grundlegenden Lebenswandel ist so ziemlich alles dabei: Kraft tanken, entschlacken, auf andere Gedanken kommen, mit sich selbst allein sein, die eigenen Gedanken einer Reinigung unterziehen … Entscheidend dabei ist der eigene Antrieb, der eigene Wille zu einer Veränderung.
Wenn eine Veränderung angestrebt und diszipliniert angegangen wird, kommt es dennoch vor, dass nicht der erwünschte Erfolg sich einstellt. Aber etwas anderes, was zunächst wenig Freude bereitet.
Wer Erfolg haben will, muss einiges auf sich nehmen und diszipliniert daraufhin arbeiten.
Wenn’s anders kommt, als erwartet, ist das keineswegs MissErfolg. Der zweite, sachliche Blick deckt auf, dass Erfolg auch anders aussehen kann, als man ihn sich vorstellt.
Ein treuer Begleiter auf dem Weg zum Erfolg ist die Versuchung. Sie ist allgegenwärtig. Ein paar Beispiele:
Sich etwas aneignen, was einem nicht zusteht.
Oder: wer meint, sich behaupten zu müssen, stellt sich besser dar, als er/sie ist und macht sich und anderen was vor (was später dann Schwierigkeiten nach sich zieht).
Ist das angestrebte Ziel eine gesündere Ernährungsweise, stellen Naschwerk und Genussmittel eine Versuchung dar.
Ist das angestrebte Ziel, einen einflussreichen Posten innerhalb der Firma zu bekommen – so ist es die Wiedergabe und Weitergabe von vertraulichen Inhalten oder Missbrauch von Vertrauen und Kompetenzen.
Lebt man in einer Beziehung, die gerade stürmische Zeiten durchmacht, so ist die Versuchung groß, sich auf eine neue, vermeintlich unbelastete, aber gefährliche, ungesunde, unmoralische Beziehung einzulassen…
Wenn ich jedoch das Wort „Versuchung“ höre, gehen meine Gedanken ins NT, zum heutigen Evangelium:
Lesung aus dem Matthäusevangelium 4,1-11
Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde.
Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn.
Und der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden.
Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben: »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.«
Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels
und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben: »Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.«
Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.«
Darauf führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit
und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest.
Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben: »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.«
Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel zu ihm und dienten ihm.
Der Gottessohn, der wahre Mensch und wahre Gott Jesus Christus, wird vom Teufel in der Wüste versucht. Eine der eindrücklichsten Schilderungen des NT, meisterhaft in Szene gesetzt.
Lassen Sie uns den Kontext betrachten, in dem sich dieser Bibelabschnitt befindet: Ende des 3. Kapitels lesen wir „Eine Stimme vom Himmel herab sprach: dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Und weiter: Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt. Der hintere Rahmen ist der Anfang des Wirkens Jesu. Eigentlich könnte man – rein dramaturgisch gesehen – auf diese Episode verzichten.
Als Heranwachsende war mir unverständlich, wieso der allmächtige Gott das zulässt, kurz nachdem er ihn coram publico als seinen geliebten Sohn vorgestellt hat.
Diese Bibelstelle ist mir heute nicht nur eine große Hilfe, wenn die Theodizeefrage innerhalb christlicher Gruppen gestellt wird, sondern sie ist wichtig für christologische Auseinandersetzungen (die im Lauf der Kirchengeschichte stattfanden). Hier wird deutlich, dass Jesus wahrer Mensch und wahrer Gott ist, kein Gottmensch, kein Magier, kein politischer Messias. Die Versuchungen sind Merkmale seines Mensch-Seins: nur den eigenen Interessen dienen, Selbstvergewisserung durch Grenzüberschreitungen und Streben nach absoluter Macht.
Das Durchhalten von vierzig Tagen Fasten und das Überwinden des Satans erweisen seine Göttlichkeit.
Er kann kein durchschnittlicher Mensch sein – der wäre wohl angesichts der Situation der Versuchung erlegen.
Was Jesus da erlebt, sieht nicht nach einer zufällig lauernden Versuchung aus, sondern nach einem gottgewollten und vom Geist umgesetzten Vorgehen.
Hier erweist sich Jesus Christus als Sohn Gottes, der dem Wort Gottes gegenüber gehorsam ist, der im und aus dem Vertrauen auf den himmlischen Vater lebt und handelt. Was ihn während der vierzig Tage am Leben gehalten hat und was ihm auch in der Begegnung mit dem Bösen hilft, ist das Wort Gottes, es ist seine verlässliche Basis, er verliert so seinen Auftrag nicht aus dem Blick, als das Böse versucht seiner habhaft zu werden. Er geht erfolgreich aus der Auseinandersetzung hervor.
Nach vierzig Tagen fasten mag der Körper etwas matt und kraftlos sein – der Geist jedoch nicht. Fasten stärkt den Willen, Fasten heißt jedoch nicht Verzicht auf jegliche Nahrung: der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort aus dem Mund Gottes. Gottes Wort stärkt, Gottes Wort gibt Kraft und Mut und führt zum Erfolg.
Erfolg haben durch Versuchung.
Was man sich als „normaler Mensch“ als schlimme Gefahr vorstellt oder befürchtet, ist in Wirklichkeit Prüfstein für die Ernsthaftigkeit des Vorhabens, es stellt heraus, ob es dem Betreiber um die Sache oder um sich selbst geht.
Der Versuchung widerstehen, eine vermeintliche Abkürzung auf dem Weg zum Erfolg zu nehmen, lohnt sich.
Ein Beispiel, das mich sehr gefreut und auch beeindruckt hat: Im Herbst 2014 fanden im EU-Land Rumänien Präsidentschaftswahlen statt. Der Präsident wird vom Volk direkt gewählt. Ein unwürdiger Wahlkampf um das Amt des Staatspräsidenten ging voran.
Es traten eine ganze Reihe von Kandidatinnen und Kandidaten an. Reelle Chancen wurden zwei Männern eingeräumt: der Regierungschef strebte nach dem höchsten Amt, und ein gradliniger Bürgermeister einer blühenden Großstadt, der erfolgreich gegen Korruption und Vetternwirtschaft gewirkt hatte.
Der Regierungschef, Vorsitzender der kommunistischen Nachfolgepartei, arbeitete mit allen nur denkbaren Winkelzügen, Vetternwirtschaft und unrealistischen Wahlversprechen auf sein Vorhaben hin. Als absehbar war, dass die Wählerschaft skeptisch bleibt, wurde der Wahlkampf zunehmend unfair: Angriffe auf den bürgerlich-konservativen Bürgermeister waren an der Tagesordnung: seine Zugehörigkeit zu einer verschwindenden (deutschen) Minderheit bzw. der kleinen evangelischen Kirche, die ungewollte Kinderlosigkeit, Verleumdungs- und Schmutzkampagnen, Verängstigung der Wählerschaft durch Verbreitung von Lügen… für nichts von all diesem war sich der junge Regierungschef und seine Partei zu schade. Kenner der politischen Szene des Landes gaben die Wahl für den konservativen Kandidaten verloren und schienen im ersten Durchgang auch Recht zu bekommen.
Dem Bürgermeister wurde von seinen Parteikollegen intensiv nahegelegt, sich zu wehren und mit den gleichen Mitteln zu kämpfen – Munition hätte es zur Genüge gegeben (Plagiat, Vetternwirtschaft, fragwürdige Amnestien, Behinderung der Justiz, Lügen…). Der Bürgermeister blieb bei seiner sauberen Strategie, die Wählerschaft mit seinem einfachen Programm zu überzeugen und seinem Versprechen, anders Politik machen zu wollen. Er nahm lieber in Kauf, die Wahl zu verlieren.
Es kam die Stichwahl und das Unwahrscheinliche geschah: der Bürgermeister gewann haushoch, der Abstand zwischen den beiden Kandidaten betrug deutliche 10%.
Wer diesen Mann nicht kennt, vermutet Taktik hinter seiner Verweigerung, den Gegner mit dessen Schmutz zu bewerfen. Wer dem ehemaligen Physiklehrer aber begegnet ist, weiß, dass er wirklich so ist: unbestechlich, gradlinig, mit hohen moralischen Standards. Der sein Christentum lebt, indem er beispielsweise auch unter den extremen Bedingungen eines balkanischen Wahlkampfes sich an die Gebote hält und sein Christentum nicht medienwirksam zur Schau stellt.
Auf dem Weg zum Erfolg durchschreitet man auch durch tiefe, dunkle Täler. Wer ein klares, lauteres Ziel vor Augen hat und inneren Halt, der wird erfolgreich sein. Für Christen ist Halt z.B. in der Gemeinschaft und im Wort Gottes zu finden.
Auf dem Weg zum Erfolg kommt voran, wer der Versuchung ins Auge blickt und sich in Frage stellen lässt, wer sie nicht scheut.
Erfolgreiches Leben ist für mich, wenn man sich den Herausforderungen des Lebens nicht entzogen, sondern sich ihnen gestellt hat. Wenn man nach dem Hinfallen wieder aufsteht, wenn man das Ziel seines Lebens, die Ewigkeit, nicht aus den Augen verliert. Erlebte Versuchung schärft den Blick. Überwundene Versuchung macht dankbar und demütig.
Ja, durch Versuchung zu einem erfolgreichen Leben kommen – was uns Jesus Christus vorlebt, ist auch für uns möglich – möge es uns allen als erstrebens- und nachahmenswert erscheinen. Unser Wille und unsere eigenen Kräfte sind sehr begrenzt. Die benötigten Kräfte erwachsen aus der Verbundenheit mit der Kraftquelle unseres Lebens: Gott, wie er sich uns in seinem Wort durch seinen Geist schenkt.
Sei es jetzt in der Fastenzeit, sei es zu jedem beliebigen Zeitpunkt. Amen
Literatur: Ulrich LUZ, Das Evangelium nach Matthäus, Band 1, EKK, Zürich, Düsseldorf, Neukirchen-Vluyn 1997