Durst auf Leben - Predigt zu Jesaja 55,1-3a von Hansjörg Biener
55,1-3a

Durst auf Leben - Predigt zu Jesaja 55,1-3a von Hansjörg Biener

„Durst auf Leben“. Mit dieser Werbelinie warb vor einigen Jahren eine Sprudelfirma (Überkinger) für ihren Sprudel und wirbt in den letzten Monaten eine Brauerei für ihr Weizen (Weihenstephaner). Wahrscheinlich wussten die Werbeleute, dass sie mehr versprechen, als Sprudel halten kann, geschweige denn Bier. Doch gleichzeitig haben sie für ihre Werbestrategie etwas Richtiges erkannt: Durst ist etwas, was jeder kennt. Und wahrscheinlich hat auch jeder einen ganz besonderen Durst nach Leben, der ihn aufmerken lässt, wenn etwas seine Stillung verspricht.

 

Schon natürlicher Durst ist unangenehm: Zunge und Gaumen sind trocken, die Lippen spröde. Die Kehle ist dörr, weil die Spucke wegbleibt, es ist, als ob auf den Stimmbändern Staub liegen würde. Dann möchte man wirklich eine ganze Flasche Sprudel trinken, um zu spüren, wie das Wasser die Lebensgeister wieder weckt. Die Überkinger-Werbung versprach, dass ihr Sprudel sogar „Durst auf Leben“ löschen kann. Wie jüngst auch das Weihenstephaner Weizen. Doch die Getränkehändler haben Konkurrenz. Nicht nur andere Firmen, sondern Gott selber. Im heutigen Predigttext geht auch Gott unter die Menschen und preist wie ein Verkäufer den Glauben an:

»Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die, ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch!«

Und es muss nicht nur Wasser sein. Wein und Milch sind auch möglich, um den „Durst auf Leben“ zu stillen.

 

Die Alltagserfahrung mit dem Durst ist immer wieder auch auf religiöse Dinge übertragen worden. Man sagte: Gewiss löscht Wasser den Durst. Doch auch das ist gewiss: Der Durst nach Wasser kommt wieder. Und dann sagte man: So, wie der Mensch immer wieder Durst nach Wasser hat, so hat er auch einen weiteren Durst, der nicht durch Wasser oder irgendein anderes Getränk gestillt werden kann. Es ist der „Durst nach Leben“. Nichts kann diesen Durst stillen außer die Quelle des Lebens, Gott. Nur Gott kann den „Durst nach Leben“ befriedigen, nicht der Überkinger, Gerolsteiner, Kondrauer und auch nicht der Höllensprudel (Naila). [durch Marken ersetzen, die in der eigenen Region verkauft werden] Was im übrigen auch heißt: Wer das nicht erkennt, muss weiter leben wie ein Mensch in der Wüste. Der Durst herrscht vor, und man muss sich mit dem begnügen, was man hat.

 

Es mag sein, dass wir wissen, dass ein Sprudel oder ein Bier den Durst nach Leben nicht löschen kann. Doch offensichtlich muss auch Gott Werbung machen. Es geht ihm so, wie dem Hersteller von „Spezi“. Lassen Sie mich diese Geschichte kurz erzählen. Vor Jahrzehnten wollte ein Gastwirt seinen Gästen etwas Neues bieten: Er mischte Cola und gelbes Limo (Orangenlimonade) und nannte es „Spezial“. Daraus wurde später „Spezi“, als eine Brauerei die Mischung übernahm und einen bereits geschützten Markennamen auf die Flasche klebte. Doch wir wissen: Nicht immer, wenn man ein Spezi bestellt, ist auch Spezi drin. Das Mischgetränk gibt es heute von verschiedenen Herstellern, obwohl es nicht immer geschmeckt hat. [Bayern: Wie sonst wäre es wohl zu dem Namen „Gwasch“ gekommen? (siehe unten Anmerkung 1)] Darum kommt Spezi seit einiger Zeit mit folgendem Werbespruch daher: „Trink das Original.“

 

Auch Gott muss für das Original werben, weil die Menschen so viele Dinge für wichtiger halten, wenn sie glauben, damit mehr vom Leben zu haben. Kostenlos und umsonst will er uns mit Wasser des Lebens, Wein der Freude und Milch der seelischen Gesundheit versorgen. Man könnte auch sagen: mit Zuwendung, Liebe und Zufriedenheit. Mit diesen Gaben will er einen jeden von uns auf seinem Lebensweg begleiten und stärken. Nicht jedem genügt dieses Angebot; manche haben es vielleicht auch noch nie so gehört. Deshalb müssen manche Menschen erst mühsam lernen, dass alles andere nicht befriedigt. Es ist wie mit dem natürlichen Sprudel, bei dem man wieder Durst bekommt, oder beim Cola-Limo-Mischgetränk, das manchmal so labrig schmeckt, dass man es lieber stehen lässt.

 

Vielleicht beobachten auch Sie so manchen Lebensweg, und fragen sich, warum Menschen solche Umwege gehen, warum Frauen Liebe suchen und nur Liebhaber finden, wenn Männer alles haben, doch keine Ruhe. Vor einiger Zeit fand ich im Kummerkasten einer Zeitschrift folgende Zeilen eines 32-jährigen, die mir typisch schienen und die ich deshalb zum heutigen Predigttext notiert habe.

„Bis vor einem Jahr habe ich mein Leben sehr genossen. Schöne Frauen, schnelle Autos, teure Reisen. Konsum bis zum Letzten. Genuss in vollen Zügen. Ich verdiene sehr gut, besitze ein Superappartement bester Lage in einer süddeutschen Großstadt, dazu zwei Ferienwohnungen, eine am Mittelmeer, eine zweite auf Borkum. Seit einiger Zeit allerdings kommen Momente, in denen sich das alles in mir in Frage stellt. Hohl kommt es mir vor und leer. Abgestanden. (...) Können Sie mir etwas Hilfreiches dazu sagen?“

Ein Mensch, der so viele Dinge hat, nach denen sich andere Menschen vergeblich sehnen. „Schöne Frauen, schnelle Autos, teure Reisen.“ Doch gleichzeitig ist der Lebensdurst dieses Mannes nicht gestillt, und er sucht bei der Redaktion um Lebenshilfe nach. Ich weiß nicht mehr, ob das Sonntagsblatt meiner Kirche etwas Hilfreiches anzubieten hatte, doch ist das für uns hier auch nicht wichtig. Mit unserem Predigttext würde Gott den Lebensweg dieses Mannes so kommentieren:

»Warum zählt ihr Geld dar für das, was kein Brot ist, und euren sauren Verdienst für das, was nicht satt macht? Hört doch auf mich, so werdet ihr Gutes essen und euch am Köstlichen laben. Neigt eure Ohren her und kommt zu mir! Höret, so werdet ihr leben!«

 

Es besteht Hoffnung für diesen Mann. Er spürt, dass „schöne Frauen, schnelle Autos, teure Reisen“ zur Erfüllung seines Lebens nicht genügen. Liebe und Sexualität sind schöne Dinge; Autos, Häuser und anderer Besitz machen das Leben angenehm; und Reisen erweitert den Horizont. Doch für sich alleine genommen können diese Erlebnisse und Güter den Durst auf Leben nicht stillen. Die Schöpfung muss auf den Schöpfer bezogen sein, sonst bleibt ihr Genuss Völlerei und kann das Leben nicht erfüllen. Nicht jeder von uns geht die Wege dieses 30-Jährigen, um das zu lernen. Es mag sein, dass wir andere Wege gehen und auf anderen Wegen in einem religiösen Sinne „durstig“ bleiben. Selig sind jedenfalls die Menschen, die den „Durst nach Leben“ noch spüren, die es immer noch zum Wasser des Lebens zieht.

 

Gott lädt uns zu sich ein, um uns mit seinem Geist der Zuwendung, Zärtlichkeit und Liebe für die Seele zu tränken. Mit ihm will er einen jeden von uns auf seinem Lebensweg begleiten und stärken. Denn das ist die Arbeit des Heiligen Geistes: Er will unser Leben so aufnehmen und gestalten, dass wir mit ihm zufrieden werden. So wie wir lernen können, dass Wasser nicht gleich Wasser ist und sich Fusel für 3 Euro 99 vom Burgunder unterscheidet, so können wir auch für unser Leben unterscheiden lernen. Dabei geht es zum Beispiel um das Gespür und die Unterscheidung von gut und böse. Aber nicht nur. Es geht vielmehr um die Prägung der ganzen Person, um eine Lebenshaltung, die mit Lebenskraft und Lebensfreude erfüllt. Der Umgang mit Gott lehrt den Unterschied zwischen Fülle und Völlerei, zwischen Quantität und Qualität, zwischen Masse und Maß. Um bei unserem jungen Mann zu bleiben: Es geht nicht mehr um die Liebschaften, die man irgendwann nur noch zählt, sondern um die eine Frau. Es geht nicht mehr um die Schnelligkeit der Autos, die irgendwann keine Spannung mehr vermittelt, sondern um die Harmonie von Mensch, Technikgebrauch und Umwelt. Es geht auch nicht mehr um die teure Reise, wo man sich im exklusiven Resort nur selber begegnet, sondern um die Erweiterung der Persönlichkeit durch die Begegnung mit einem anderen Land, einer anderen Kultur und anderen Menschen. Dazu will der Heilige Geist uns anleiten, und wo das geschieht, erleben wir auch erfülltes Leben. Das ist dann jener Schluck Leben, den die Werbung verheißt, den Sprudel aber nicht geben kann.

 

Doch die Verbindung mit der Quelle des Lebens kommt nicht von allein; sie muss gesucht und gepflegt werden. Manchmal bedarf es einer bewussten Umkehr, so wie es jener junge Mann spürt, wenn er um Hilfe nachsucht. Ein jeder, der ähnlich empfindet, möge es jenem jungen Mann gleichtun. Vielleicht bist du dann wieder mehr „im Reinen mit Dir“ (Elisabethenquelle), wie ein anderer Sprudelspruch lautet. Aber auch die Menschen, die keine so sichtbare Neuorientierung brauchen, brauchen Gottes Wegweisung. Immer wieder muss unsere Wahrnehmung überprüft und ausgerichtet werden. Ein Ort, das in Gemeinschaft zu tun, ist die Gemeinde hier am Ort oder eine andere Gemeinde, wenn Sie von woanders her kommen. Die Unterscheidung von Leben in Völle und Leben in Fülle ist ein hoher Anspruch, für den wir in der christlichen Gemeinde gestärkt werden. Die Aufgabe der Verkündigung ist die innere Stärkung, das Zeichen für die äußere Stärkung ist das Abendmahl. Sie erinnern uns daran, dass sich unser Leben einmal in Gottes Hand runden wird und bei ihm aller Lebensdurst gestillt sein wird. Um unseren Durst auf Leben zu stillen, wirbt auch Gott mit dem Slogan: „Trink das Original!“

 

Liturgische Stücke

Eingangsgebet

 

Gott, du Quelle allen Lebens,

du hast uns neues Leben verheißen und willst uns immer wieder erfrischen auf unserem Lebensweg.

Dafür danken wir dir und bitten dich: Lass uns immer wieder den Weg zu dir finden,

durch Jesus Christus unseren Herrn. Amen.

Fürbitten

Ich möchte Sie bitten, die einzelnen Fürbitten aufzunehmen und für sich zu füllen mit den Worten „Wir bitten dich, erhöre uns“:

Unser Gott, wir bitten dich für die Menschen, die sich auf einer Durststrecke des Lebens befinden. Werde Ihnen zur Quelle des Lebens und gib ihnen in ihrer Not neue Perspektiven. Segne alle, denen die Not ihrer Nachbarn nicht egal ist, und lass auch uns Menschen sein, die in anderen Lebensmut und Gottvertrauen stärken können.

Wir bitten dich: Erhöre uns.

Unser Gott, wir bitten dich für die Frauen in Krisensituationen, privat, in der Familie oder im Beruf. Werde ihrem Durst auf Leben zur Quelle des Lebens und gib ihnen in ihrer Not neue Perspektiven. Segne alle, die Frauen in Lebenskonflikten beistehen, in Frauenhäusern und Beratungsstellen, und lass auch uns Menschen sein, die in anderen Lebensmut und Gottvertrauen stärken können.

Wir bitten dich: Erhöre uns.

Unser Gott, wir bitten dich für die Männer in Lebenskrisen, privat, in der Familie oder im Beruf. Werde ihrem Durst auf Leben zur Quelle des Lebens und gib ihnen in ihrer Not neue Perspektiven. Segne alle, die Männer in der Krise begleiten, und lass auch uns Menschen sein, die in anderen Lebensmut und Gottvertrauen stärken können.

Wir bitten dich: Erhöre uns.

Unser Gott, wir bitten dich für die heranwachsenden Jugendlichen in ihrer Suche nach einem Platz im Leben. Werde Ihrem Durst auf Leben zur Quelle des Lebens und begleite sie wie ein guter Freund. Segne alle, die sich um Jugendliche bemühen, und lass auch uns Menschen sein, die in anderen Lebensmut und Gottvertrauen stärken können. 

Wir bitten dich: Erhöre uns.

Unser Gott, wir bitten dich für uns, wenn wir uns auf Durststrecken befinden. Führe auch uns dann zum frischen Wasser, und sende uns dann Menschen, die uns begleiten können und Lebensmut und Gottvertrauen stärken können.

Wir bitten dich: Erhöre uns.

(Anmerkung 1)

'Gwasch' ist in Altbayern die Bezeichnung für ein 'Spezi', ein Cola-Mixgetränk. A 'Gwasch' sagt man hier genauso zu einer dünnen Suppe, einem dünnen Tee, zu Dünnbier, oder auch zu Spülwasser, in dem man eben gewaschen hat. Das ursprüngliche Wort 'Gewäsch' ist also entweder ein trübes Wasser, mit dem gewaschen wurde, oder es ist eine trübe Flüssigkeit, die zwar trinkbar ist, aber die nix gescheites ist, nicht so wie ein gescheites Bier.

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