Ein Date im Himmel. Predigt zu 1. Petrus 1, 3-9 von Frank Hiddemann
1,3-9


1. Taminos Liebe und parship.de

Liebe Gemeinde,
"Dies Bildnis ist bezaubernd schön, wie noch kein Auge je gesehn."
...
So singt es der Prinz Tamino in Mozarts Oper "Die Zauberflöte". Es mag Zauberei dabei sein, aber der junge Prinz sieht ein Bild und liebt. Er verliebt sich in eine junge Frau, die er nie gesehen hat. Nur auf dem Bild.

 

Wenn meiner Mutter die Stücke im Theaterabo zu schwer waren, durfte ich mit meinem Vater in die Oper gehen. Da hörte ich oft Dinge, die ich nicht verstand. Die Zauberflöte war eigentlich nicht so "schwer". Aber ich habe sie trotzdem gesehen, als ich noch relativ klein war. Ich weiß noch, wie ich zornig wurde, weil ich es unmöglich fand, einen Menschen zu lieben, von dem man nur ein Bild sieht. Oder?

Die Hochzeit eines Freundes. Zu Anfang wird dieses Spiel gespielt, bei dem man aufstehen muss, wenn etwas auf einen zutrifft. Wer stammt aus einem Pfarrhaus? Wer ist schon über 40? Wer war schon mal in Thailand? Wer besitzt kein Auto? Und dann plötzlich: Wer kennt mich aus dem Internet? Die Mehrheit der Gäste steht auf. Dieser Mann hatte seine Ehepartnerin im Internet gefunden und sich einen Spaß daraus gemacht, aller Vorgängerinnen seiner Frau
mit ihren Partnern einzuladen.

 

"Dies Bildnis ist bezaubernd schön, wie noch kein Auge je gesehn. Ich fühl' es, wie dies Götterbild mein Herz mit neuer Regung füllt."

Ich vermute, diese Erfahrung ist heute alltäglich. Alle die bei parship.de oder Elitepartner unterwegs sind, sehen Bilder von Menschen, die sie berühren und beginnen ein Gespräch mit einem Fremden im virtuellen Raum. Wenn sie sich zum ersten Mal sehen, sind sie wahnsinnig aufgeregt, denn eigentlich kennen sie sich schon sehr gut. Die Liebe ist schon da. Nur das Wesentliche fehlt noch: Wie reagiere ich auf den Körper, der vor mir steht?

 

Früher war das anders, viel weniger keusch. Da haben sich die Paare in der Quisisana oder dem Winter- oder Palmgarten kennengelernt, und bevor man miteinander sprach, achtete man darauf, ob die Körper im Tanzrhythmus miteinander können.

2. Christus, den ihr nie gesehen habt
Unser Predigttext stammt vom Apostel Petrus, so behauptet es jedenfalls der Petrusbrief, Menschen die Jesus persönlich gekannt haben, leben nicht mehr unter den auserwählten Fremdlingen, die verstreut wohnen in Pontus, Galatien, Kappadozien, der Provinz Asien und Bithynien. An die ist der Brief gerichtet. Christen in der Minderheit. [Das ist wie bei uns.] Christen, die von Christus nur gehört haben. Christen, die Verkündiger gesehen haben, aber nicht den Verkündigten selbst. Das ist wie bei uns. Es gibt auch schon Christen, die in eine Familie hineingewachsen sind, die bereits christlich war. Bei uns sind das die meisten. Christen, die durch die Taufe mit diesem Christus verbunden wurden, ohne dass sie ihn gekannt haben. Christen, die Christus lieben, ohne ihn je gesehen zu haben. Auf diesen letzten Punkt spitzt der Petrusbrief seinen Gedankengang zu. Wenn ihr ihn einst seht, an den ihr glaubt, ohne ihn geschaut zu haben, den ihr liebt, ohne ihn gesehen zu haben, dann wird eure Freude groß sein und anders, als ihr sie bisher gekannt habt: Verklärte Freude!

Hören Sie unseren Predigttext aus dem 1. Petrusbrief. Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Fremdling in Kappadozien, und achten Sie mal darauf, wie Petrus über ihre Verbindung mit Christus spricht!

Gepriesen sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der nach seiner großen Barmherzigkeit uns wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten, zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das in den Himmeln aufbewahrt wird für euch, die ihr in der Kraft Gottes durch den Glauben zu der Seligkeit bewahrt werdet, welche bereit steht, um in der Endzeit geoffenbart zu werden. Und dann werdet ihr frohlocken, nachdem ihr jetzt, wenn es sein muss, unter mancherlei Versuchungen eine kleine Zeit betrübt worden seid, damit die Bewährung eures Glaubens köstlicher erfunden werde als Gold, das vergeht, aber durch Feuer bewährt wird, zu Lob und Preis und Ehre beim Offenbarwerden Jesu Christi, den ihr lieb habt, ohne ihn gesehen zu haben, an den ihr glaubt, ohne ihn jetzt zu schauen, und über den ihr frohlockt mit unaussprechlicher und verklärter Freude, indem ihr das Ziel eures Glaubens, die Seligkeit der Seelen davon tragt.


3. Ein eleganter Briefeschreiber
Der Verfasser des Petrusbriefes ist ein eleganter Briefeschreiber. Früher galt es als elegant, wenn die verschiedenen Satzteile möglichst innig miteinander verwoben wurden, so dass die Aussagen eng miteinander verbunden waren. Heute würden wir solche Sätze verschachtelt nennen. Was damals den Eindruck souveräner Bildung machte, wirkt heute eher verschroben. Im Slang der Fischer war das erste Evangelium noch geschrieben. Und nun schreibt der König der Fischer, Petrus, offenbar im besten antiken Bildungsstil und will Christen im Exil trösten, Christen, die eben durch ihr Christsein, Schwierigkeiten haben, gut zu leben. Deswegen ist es wichtig, die Verbindung zu betonen, die diese Christen mit Christus haben. Wie hält er sie in der Fremde? Wie bleibt die Verbindung bestehen? Wie werden die Christen in der Fremde Christus persönlich sehen am Ende?


4. Neu geboren - neue Verwandtschaft
Die engste der Beziehungen wird beschworen: Gott hat uns wiedergeboren, das griechische Wort könnte auch heißen: neu gezeugt.

 

Wir sind Verwandte. Und ein Erbe ist für uns im Himmel aufbewahrt. Und dieses Erbe kann nicht verspielt werden - wie eine hohe Geldsumme, nicht verwelken - wie eine gute Ernte, nicht zusammenfallen oder Kosten verursachen - wie ein geerbtes Haus. Eine Himmelserbe wartet auf uns. Wir sind die Kinder Gottes. Und wir werden es durch die Taufe. Die Taufe schenkt uns ein neues Leben. Genauer: Sie versetzt uns in eine neue Sippe. Eine neue Verwandtschaftsbeziehung entsteht. Machen wir uns klar: Zur Zeit des Petrusbriefes ist die Verwandtschaft auch die stärkste Quelle der Loyalität und die beste Sozialversicherung und die verlässlichste Sicherheitsversorgung. In gute Verhältnis hineingeboren werden. Das passiert uns, wenn wir getauft werden.

 

Nur, dass wie eben in der Fremde leben. So erklärt es der Brief weiter. Unsere Verwandtschaftsbeziehungen sind gerade nicht aktiv. Wir müssen uns alleine durchschlagen. Aber wir wissen, wir sind nicht allein und isoliert, jedenfalls auf Dauer nicht. Am Ende werden wir den wiedersehen, den wir noch nie gesehen haben und doch lieben, Jesus Christus.

 

Die Verwandtschaft ist ein unsichtbares Band zwischen den Menschen. Und doch die stärkste Beziehung, die einen hält. Nur zeigt sie sich erst am Ende der Tage.

 

5. Erst am Ende der Tage?
Ist das nicht eine Mogelpackung? Wir sind Kinder Gottes, aber davon profitieren wir erst, wenn wir tot sind. Geht es nicht vielleicht auch früher?


Und jetzt sind wir wieder bei unserem Einstiegsthema. Lieben, obwohl man nur Bilder gesehen und Texte gewechselt hat? Es ist eben doch Wirklichkeit, was beim Denken, Schreiben und Gedanken fliegen lassen passiert. Wie wir uns fühlen, als Gottessöhne und -töchter, als Erben des Himmels, verändert unser Leben. Wenn es irgendwo einen Menschen gibt, den ich liebe, auch wenn ich nur mit ihm schreibe, telefoniere, Bilder tausche und ihn nie - noch nie - persönlich gesehen habe, dann lebe ich doch aus dieser Liebe heraus, aus dieser Verheißung, diesen Menschen auch bald zu sehen.

Von dieser Liebe spricht auch der Petrusbrief. Und sehen wir genau hin, unser Predigttext ist offenbar der Meinung, dass Glauben und Lieben ein und dasselbe sind. Die Poesie der damaligen Zeit liebte es, eine Sache, in verschiedenen Worten zu wiederholen. So machen es alle biblischen Psalmen. Und so klingt das im Petrusbrief: Den ihr lieb habt, ohne ihn gesehen zu haben, an den ihr glaubt, ohne ihn jetzt zu schauen.

 

Glauben und lieben sind zwei unsichtbare Kräfte, die unser Leben von Grund auf verändern können. Und so verändert die Taufe unser Leben. Sie stiftet eine sichere Beziehung, die uns halten kann, wenn wir in Schwierigkeiten sind. Und die Aufregung, den Geliebten einmal sehen zu können, inspiriert uns schon weit vor dem eigentlichen Date im Himmel. Wenn wir ihn zum ersten Mal sehen, sind wir wahnsinnig aufgeregt, denn eigentlich kennen wir ihn schon sehr gut. Die Liebe ist schon da. Nur das Wesentliche fehlt noch: Wie reagiere ich auf den Christus, der dann vor mir steht? Mit verklärter Freude sagt der Petrusbrief. Mit einer Freude also, die anders ist als alles, was wir kennen. Und etwas von dieser Freude scheint schon jetzt in unser Leben, durchwebt es mit Freude und Erwartung.

Amen.
 

Perikope
28.04.2019
1,3-9