Du bist ein/e „V.I.P.“ (= very important person)! - Predigt zu 1. Petr. 2,2-10 von Markus Nietzke

Du bist ein/e „V.I.P.“ (= very important person)! - Predigt zu 1. Petr. 2,2-10 von Markus Nietzke
2,2-10

Einleitung (setting = open-air-Gottesdienst)

Ich beginne heute mit einer spontanen Umfrage:  Wer von euch gehört zu einem V.I.P.-Club? Bitte zeigt einmal durch ein Handzeichen, wer von euch z.B. exklusiven Zugang zur Allianz-Arena oder so etwas hat. Okay. Nicht so viele. Ich vermute, viele von uns haben vielleicht eine ADAC-Karte oder eine Payback-Karte. Immerhin etwas - oder? 

 

Was wäre, wenn ich euch sage: Es gibt eine Einladung, die an alle ausgesprochen wird – ohne Ansehen, Status, ohne Fragen nach Geld oder sonst etwas – sondern nur durch Berufung. Petrus nennt das z.B.: 'königliches Priestertum, Heiliges Volk. Auserwähltes Geschlecht'. Schau: Du bist eingeladen, Teil dieser Gemeinschaft zu sein!

 

Predigttext

Darum geht es heute. Im Bibeltext, den wir gleich hören, sagt der Apostel Petrus allen, die seinen Brief vorgelesen bekommen, etwas Überraschendes. Er sagt. „Ihr alle seid V.I.P.s“: very important persons! Ganz wichtige Personen! Das ist ganz im Sinne Gottes. Gott nennt euch: Das auserwählte Geschlecht, das königliches Priestertum, ein heiliges Volk, sein Eigentum. Um zu Gott und seiner Kirche zu gehören, bedarf es keiner Mitgliedsgebühr. Keines Bonuspunkte-sammel-Programms. Was gebraucht wird, sind: Berufung. Identität. Pures Evangelium.

 

2 und seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, auf dass ihr durch sie wachset zum Heil, 

3 da ihr schon geschmeckt habt, dass der Herr freundlich ist. 

4 Zu ihm kommt als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gott auserwählt und kostbar. 

5 Und auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause und zur heiligen Priesterschaft, zu opfern geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus. 

6 Darum steht in der Schrift: »Siehe, ich lege in Zion einen auserwählten, kostbaren Eckstein; und wer an ihn glaubt, der soll nicht zuschanden werden.« 

7 Für euch nun, die ihr glaubt, ist er kostbar. Für die aber, die nicht glauben, ist er »der Stein, den die Bauleute verworfen haben; der ist zum Eckstein geworden« 

8 und »ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses« Sie stoßen sich an ihm, weil sie nicht an das Wort glauben, wozu sie auch bestimmt sind. 

9 Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk, ein Volk zum Eigentum, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat aus der Finsternis in sein wunderbares Licht; 

10 die ihr einst nicht sein Volk wart, nun aber Gottes Volk seid, und einst nicht in Gnaden wart, nun aber in Gnaden seid. 

 

Orientierung 

Der 1. Petrusbrief richtet sich an Menschen, die noch nicht lange zur christlichen Kirche dazugehören – als Neubürgerinnen und Neubürger in Gottes Reich. Gerade sie werden angesprochen als: „lebendige Steine“, „auserwähltes Geschlecht“, „königliches Priestertum“. 

 

Mit anderen Worten: als die Herausgerufenen. Nicht als die, die am lautesten Parolen rufen. Nicht als die Angepassten, die sich nicht trauen, auch mal ihre Meinung zu vertreten. Sondern, als die, die, die gerufen wurden – von Gott selbst. 

 

Echte V.I.P.s? Die gehören zu einer Art inneren Kreis – da kommst du nicht einfach so rein. Die V.I.P.s haben Namen, die gewisse Türen öffnen, Leute, die für sie anrufen, und Plätze, wo andere gar nicht hinkommen. Ob backstage, Loge oder first class – V.I.P.s sind irgendwie immer „drin“. Sie haben Einfluss, kennen manche Dinge früher als alle Anderen, und was sie sagen, zählt offenbar manchmal mehr als das, was andere sagen. Viele schauen zu ihnen auf – weil sie scheinbar alles haben, was zählt. Aber was, wenn das nicht alles ist? Was, wenn bei Gott völlig anderes zählt? Was, wenn du in seinen Augen längst eine ganz andere Art V.I.P. bist?

 

„Wie neugeborene Kinder seid begierig nach der lauteren Milch des Wortes…“ – so schreibt Petrus. Dahinter steckt eine tiefe Sehnsucht: Ich brauche etwas Echtes. Keine Meinung, keinen Trend, keine Ideologie – sondern etwas, das wirklich trägt. Diese „Milch“ ist das Evangelium: Gottes gute Nachricht, ganz persönlich. Jesus Christus – für dich. Gnade – für dich. Hoffnung – selbst gegen den Augenschein.

 

So beginnt etwas Neues. Wenn beispielsweise Menschen getauft werden – ob jung oder alt – dann passiert nicht einfach nur eine schöne Zeremonie. Das auch. Aber vor allem wird ein Mensch durch die Taufe eingefügt in etwas Größeres. Wie ein wichtiger Stein in eine wunderbare Kathedrale. Die Taufe ist der Anfang eines Weges, der nicht bei der Konfirmation oder der Kirchenmitgliedschaft endet. Er geht weiter – im Alltag, im Dienst, im Beten, in der Hoffnung, die nicht vergeht.

 

Das Evangelium gibt nicht gleich auf alles eine Antwort. Aber auf das Entscheidende: Wie steht es zwischen Gott und dir? Und da gilt: Du brauchst keinen Sonderstatus. Wenn du Zugang zum Wort Gottes hast, dann hast du alles, was du brauchst. Petrus nennt das die „lautere Milch des Wortes“ – nicht reserviert für ein paar Auserwählte, sondern lebensnotwendig für uns alle. Dieses Wort gibt dir Orientierung, wenn du innerlich leer bist – nicht, weil du etwas Besonderes wärst in den Augen der Welt, sondern weil du Kind Gottes bist. Und das ist mehr, als jeder Titel dir je geben kann.

 

Die Aussage: „Ihr seid lebendige Steine, gebaut auf den Eckstein Christus“ macht deutlich, um wen sich in dem Bauwerk Gottes alles handelt. Auf wem der Fokus liegt: Auf Jesus Christus. Dem „Eckstein“. In dem Bauwerk, das Gott selbst errichtet. Jeder Mensch – ein Stein. Kein totes Mauerwerk, sondern lebendige Steine. Nicht perfekt, nicht identisch, aber tragend, gewollt, sinnvoll für den Bau, das Haus Gottes.

 

Dieser Bau hat ein Zentrum: den Eckstein. Einen Stein, den man eigentlich verworfen hatte – zu kantig, zu wenig passend. Ungeeignet – auf den ersten Blick. Gott aber hat gerade diesen – Jesus Christus – zum Fundament seines Bauwerks gemacht. Denn das ist seine Art! Bei Gott gilt: Gott macht aus dem, was sonst schnell abgewertet oder verlacht wird, etwas Besonderes: „Lebendige Steine“, „auserwähltes Geschlecht“, „königliches Priestertum“. 

 

Vielleicht suchst du gerade nach Antworten. Nicht nur in Bezug auf die großen Themen der Nachrichtenlage oder die nächste Meinung im Netz. Sondern Antworten auf das, was dich im Innersten bewegt: Wer bin ich wirklich – wenn ich niemandem etwas beweisen muss? Was ist mein Platz in dieser Welt? Was bleibt, wenn ich verletzt werde, wenn ich scheitere, wenn ich Ansprüchen nicht (mehr) genüge? Diese Fragen tragen viele in sich. Sie sind hartnäckig, manchmal unausgesprochen. 

 

Gottes Wort ruft dich nicht zuerst zur Leistung, sondern zum Leben. Du bist kein Zufall. Du bist gewollt. Du bist gerufen – als Kind Gottes, als lebendiger Stein in seinem Haus. Darum ist die Taufe für mich so viel mehr als ein schönes Ritual. Sie ist Berufung. Sie ist der Anfang eines Weges, auf dem du zu dem wirst, was Gott schon längst in dir sieht: ein Teil seines Bauwerks, seiner Gemeinde. Ja, noch mehr: Petrus schreibt, dass du berufen bist, zum „königlichen Priestertum“. Das heißt: Du bist nicht bloß Zuschauerin oder Zuschauer am Rande des Geschehens. Nicht, weil du perfekt bist, sondern weil Gottes Gnade dich trägt. Heute und morgen und alle Tage!

 

Die Versammlung der Berufenen

„Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum…“ Du bist nicht nur Mitläufer. Du bist Mitgestalter. Gott hat dich berufen – zur Versammlung der Gläubigen um Christus. Kirche ist mehr als Sonntagsprogramm. Sie ist Gemeinschaft, die sich um Jesus versammelt. Nicht um Politik. Nicht um Trends, sondern um den, der allein Leben gibt. Jesus. Du bist Teil dieser Gemeinschaft. Nicht Zuschauer, sondern Mitwirkender. Du kannst beten, segnen, handeln – und vieles mehr.

 

Zusammenfassung

Kirche heißt: gerufen sein – von Gott. Sie ist Ort der Orientierung, wo Menschen neu hören, wer sie sind. Sie ist Versammlung um Christus, nicht um Meinungen. Sie lebt von der Kraft des Evangeliums: Christus ist gestorben und auferstanden – für dich. Du gehörst dazu. Nicht durch Geld oder Status, sondern durch Gottes Zuspruch. Du bist wertvoll. Du bist gebraucht. Du bist berufen. Dieses alles gilt dir – in Christus. Hier. Jetzt. Heute.

 

Amen. 

Vier Fragen zur Predigtvorbereitung an Pfarrer Markus Nietzke

1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?

Ich schreibe diese Predigt für Menschen, die an einem schönen sonnigen Sommertag an einem open-air-Gottesdienst teilnehmen und feiern. Es werden hauptsächlich Menschen aus der Generationsfolge Traditionalisten, Babyboomer und GenX, vielleicht auch ein paar wenige Millennials und jüngere Menschen dabei sein. Die Menschen wollen eine einigermaßen kurzweilige Predigt hören.

2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?

Ich mag den 6. Sonntag nach Trinitatis sehr – das Thema der Taufe ist Proprium für diesen Sonntag. Bezüge zur Taufe in der Predigt herzustellen, ist mir wichtig – ganz im Sinne einer Tauferinnerung.  

3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?

Es ist gar nicht so einfach, so viele Bilder (Milch, Steine, Volk, Bau, Eckstein) unterzubringen. Zu überlegen, welches ausgemalt wird, auch auf Kosten anderer Bilder – eins reicht – bleibt eine Herausforderung. Ich werde ihr nicht immer gerecht.

4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?

Die Anregung der Coachin nach dem Lesen des ersten Entwurfs war u.a. „kill your darlings“ – also das, was mich selbst so faszinierte, dass ich davon zu viel in der Predigt unterbringen wollte. Es tut es meinen Predigten gut, wenn sie ein-, zweimal vorher durch jemanden anders gelesen, bedacht werden und behutsam auf Veränderungen (die dem endgültigen Entwurf sehr gut tun!) hinzuweisen. Jedes coaching bisher hat sich für meine Predigtarbeit sehr gelohnt. Ich bin dem Predigtzentrum für diese Coachings sehr, sehr dankbar. 

Perikope
27.07.2025
2,2-10

Zeit des Neubeginns - Predigt zu 1. Petr 1,3-9 von Julia Neuschwander

Zeit des Neubeginns - Predigt zu 1. Petr 1,3-9 von Julia Neuschwander

Die hell glänzende Raumkapsel landet inmitten eines Sees auf der Erde. Schief landet sie in dem Wasserspiegel, der sich schon wieder glatt beruhigt hat. Unmerklich und doch unaufhaltsam droht sie immer tiefer in den See zu sinken, während sich die Tür wie in Zeitlupe öffnet und eine Raumfahrerin sich langsam, mühsam aus der Kapsel hievt. 
Nach der langen Schwerelosigkeit im All ist die Frau völlig überwältigt vom Gefühl der eigenen Schwere. Die Erdanziehungskraft scheint sie bleischwer nach unten zu ziehen. Doch mühevoll, hartnäckig rettet sie sich aus der versinkenden Kapsel, landet in dem flachen Gewässer des Sees auf allen Vieren. Menschwerdung: mit einer gewaltigen Kraftanstrengung richtet sie sich langsam, langsam auf, vom Kriechen über das Knien zum Stehen und Gehen und geht schließlich aufgerichtet langsam ans Land. 
Die Geschichte der Raumfahrerin Dr. Ryan Stone wurde im Jahr 2013 verfilmt. „Gravity“, Schwerkraft, hieß der Film, in dem Sandra Bullock die Hauptrolle der Astronautin spielte. Als sie nach ihrer glücklichen Landung der Raumkapsel im See landet, hat sie bereits mehr als eine lebensbedrohliche Situation im All in und um die Raumstation erlebt. Und sie hat ihren Kollegen und Partner in dieser herausfordernden Mission verloren: Für den erfahrenen Astronauten Matt Kowalski, der von George Clooney gespielt wurde, sollte es der letzte Einsatz im All sein – eigentlich nur vor seinem Ruhestand. Aber er blieb im All zurück. 
Die Mission der beiden lautete: das Weltraumteleskop Hubble zu reparieren. Für die Biomedizinerin Stone ihr erster Flug im Space Shuttle und ihr erster Außeneinsatz im All. Tragische Unfälle mit Trümmerfeldern begleiten die beiden bei ihren Reparaturarbeiten. Sie versuchen zu retten, was zu retten ist. Dr. Stone wird vom Kollegen kurz vor dem Abdriften ins All wieder eingefangen. Er rettet ihr das Leben. Später hat sie wiederum keine Chance, ihn zu halten. Selbstlos koppelt er sich in einer aussichtslosen Situation ab, durchtrennt quasi die Verbindungsleine zwischen ihnen beiden, damit sie gerettet werden kann. Wieder in der Raumstation wird jedoch auch für sie die Situation lebensgefährlich. Kurz bevor sie sich voll Resignation in ihr Schicksal, den Tod ergeben will, erscheint ihr der Astronaut Kowalski und ermutigt sie noch einmal, die Bremsdüsen zu nutzen. Sehr knapp entrinnt sie so dem Tod und landet schließlich mit ihrer Raumkapsel in einem See auf der Erde. 
Die Geschichte der Raumfahrerin mit der glücklichen Landung in einem See ist für mich bis heute eine sehr berührende Erzählung von Rettung, Taufe, Wiedergeburt und Neugeburt, neuem Leben. 
Quasimodogeniti – „wie die neugeborenen Kinder“, so lautet der Name dieses Sonntags in der nachösterlichen Freudenzeit. Es ist die Zeit, sich an die Bewahrung des eigenen Lebens zu erinnern. An Hoffnung und Neubeginn. An unvergängliches Leben. Es ist die Zeit, sich an die eigene Taufe zu erinnern, Zeit der Reinigung, des Neubeginns, des „Neugeborenseins“ durch das Bad im Wasser, einer neuen Zeit in Jesus Christus. 
„Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten, zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das aufbewahrt wird im Himmel für euch“, heißt es in unserem Predigttext für heute im 1. Petrusbrief. 
Die Frau, die sich mühsam aus Angst, Verzweiflung, Schock und Todesnähe selbst aus dem See klaubt, ist für mich ein starkes Bild für die Botschaft des Petrusbriefs. Wie in der Taufe wurde ihr im Bad des Sees neues Leben verliehen. Das Entsetzliche, die Todesnähe liegt hinter ihr. Wie bei einer Geburt begleiten auch hier Wasserströme das neue Leben. Mühsam fängt sie auf der Erde quasi wieder bei Null an, lernt auf Mutter Erde sich fortzubewegen, von dem Herauskriechen aus der Raumkapsel, dem Kriechen im Wasser, lernt sie nach und nach wieder sich aufzurichten, hievt sich schließlich mit immer stärker werdendem Lebenswillen aus dem Wasser, bis sie schließlich – kaum zu glauben – mit aufrecht erhobenen Haupt an festes Land tritt. 
Gerettet, vorm Tode bewahrt, auf Erden neugeboren, wiedergeboren. 
„Dann werdet ihr euch freuen, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen, auf dass euer Glaube bewährt und viel kostbarer befunden werde als vergängliches Gold, das durchs Feuer geläutert wird, zu Lob, Preis und Ehre“, heißt es im 1. Petrusbrief. 
Wenn wir heute in der Kirche Babies, kleine Kinder, Jugendliche und Erwachsene taufen, dann taufen wir sie hinein in den Hoffnungsraum Gottes, in den Lebensraum Gottes mit Wasser, das Jesus Christus symbolisiert, Jesus Christus, das Wasser des Lebens für uns Christinnen und Christen. So unser Glaube. Getauft werden heißt dabei für mich: ich bin wichtig, ich bin wertvoll, ich bin für mich wichtig und wertvoll. Ich erhalte einen Namen, ich bin geborgen in meiner Familie und gleichzeitig für mich als mich selbst wert und kostbar bewiesen, weil ich auf den Namen Jesu Christi getauft bin. Ich bin gesegnet von Gott, der Heilige Geist ist fest in mir versiegelt. Die Taufe ist unverbrüchlich und unvergänglich und verweist auf das unvergängliche, unbefleckte und unverwelkliche Erbe im Himmel, wie es der 1. Petrusbrief beschreibt. Sie verweist mich selbst in schlimmen Situationen, in schrecklichen Situationen, in denen ich gefährdet, abgewertet, bedroht oder beschämt werde, auf eine Wirklichkeit, die mehr ist als diese eine konkrete Wirklichkeit, die ich als die meine wahrnehme. Durch die Taufe sind mir die Augen geöffnet für eine andere, unvergängliche Wirklichkeit hinter dieser offensichtlichen Situation. Eine Wirklichkeit hinter der Wirklichkeit, die eine ganz andere ist. Unvergänglich und unverwelklich, an der ich durch meine Taufe jetzt schon Anteil habe. 
Gott bewahrt nicht vor dem Leiden, sondern Gott bewahrt im Leiden. Das heißt, dass ich als Getaufte/r weiterhin Leiden und Anfechtungen, wie es der Petrusbrief nennt, erleiden werde, aber ich kann in all dem auf eine tiefere und stärkere Wirklichkeit setzen, die dahintersteht, die sich letztendlich durchsetzen wird, auch wenn ich sie nicht sehe – durch meinen Glauben. Nach der am Schluss Hoffnung und Leben, Wiedergeburt und Neugeburt steht, eine Wirklichkeit, die stärker ist als der Tod durch das Erbe im Himmel, das uns Jesus Christus erworben habt. 
„Ihn habt ihr nicht gesehen und habt ihn doch lieb; und nun glaubt ihr an ihn, obwohl ihr ihn nicht seht“, sagt uns der 1. Petrusbrief. „Ihr werdet euch aber freuen mit unaussprechlicher und herrlicher Freude, wenn ihr das Ziel eures Glaubens erlangt, nämlich der Seelen Seligkeit.“ 
In mittelalterlichen Darstellungen auf Altären gibt es manchmal so etwas wie einen Jungbrunnen zu sehen: als gebrechlicher Greis hineinsteigen und als kleines Kind wieder jung heraustreten. „Quasimodogeniti“ – wie die neugeborenen Kinder sein. Das spiegelt die uralte Sehnsucht der Menschheit wieder bis heute, neu geboren zu werden, wieder jung zu sein. Keine Gebrechen, keine Schmerzen, keine Falten, keine Niedergeschlagenheit mehr, sondern jung sein, Kraft haben, sich mühelos bewegen, springen und tanzen zu können mit jungen hellen Augen zuversichtlich durchs Leben gehen zu können. 
„Wenn jemand nicht vom neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen.“ Sagt Jesus zu Nikodemus in der Bibel. „Wie kann ein Mensch, der schon alt ist, geboren werden? Er kann doch nicht in den Schoß seiner Mutter zurückkehren und ein zweites Mal geboren werden.“ Lautete daraufhin die Frage des Nikodemus im Johannesevangelium. Jesus antwortet daraufhin: „Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen.“  Jesus hat damit die Taufe gemeint bzw. spätere Generationen haben es so gedeutet. Neugeburt, Wiedergeburt für einen alten Menschen hiesse dann, den Blick öffnen zu können für eine andere Wirklichkeit, dem Reich Gottes, die hinter dem Offensichtlichen liegt hier auf Erden. Der Soziologe Hartmut Rosa schreibt: „… daraus gewinnt auch die Religion per se ihre große Kraft, daraus nämlich, dass (…) sie sagt: Am Ende meiner Existenz liegt nicht das schweigende, kalte, feindliche oder gleichgültige Universum, sondern eine Antwortbeziehung. (…) Für mich ist die Grundidee dort, dass am Grund meiner Existenz nicht das schweigende Universum, ein kalter Mechanismus, der nackte Zufall oder gar ein feindliches Gegenüber liegen, sondern dass dort eine Antwortbeziehung steht. `Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.` Wenn das kein Resonanzappell ist! Etwas hat mich angerufen und mich gemeint.“ So Hartmut Rosa in seinem Vortrag „Demokratie braucht Religion“ aus dem Jahr 2022 (Seite 71f). Darin bestärkt uns die Taufe: Das ich Anteil habe an einer Wirklichkeit, die mehr ist als meine eigene körperliche Gebrechlichkeit, in der der einzelne Mensch Gott wert ist und bleibt. Und in der ich mit Gott in eine Beziehung trete, von Gott bei meinem Namen gerufen werde, Resonanz für mich erhalte und in jeder Minute meines Lebens auf Erden eine heilvolle Zukunft vor mir habe. Das ist die Hoffnung, die wir als Christ*innen den Menschen vermitteln können.
Wasser, Fluss, See – ein Wasser durchschreiten, ein Wasser durchschwimmen, ein Wasser durchfahren steht dabei seit Angedenken der Menschheit für so etwas wie Verwandlung. Die Verwandlung zum Tod und auch die Verwandlung zum Leben. Der Fluss Lethe ist nach der antiken Sage der Übergang zum Tod. Christ*innen glauben, dass noch durch den Tod hindurch neues Leben entsteht. Das symbolhafte Untertauchen in Wasser in der Taufe, in das Wasser, das zerstörerische und gleichzeitig rettende Kraft haben kann, steht dafür. Ich werde gerettet im umfassenden Sinne. Meine Seele wird gerettet. Der Tod hat seine Macht verloren.
 „Die ihr aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt werdet zur Seligkeit, die bereitet ist, dass sie offenbar werde zu der letzten Zeit“, so der 1. Petrusbrief. 
Was genau macht den Menschen aus? Ein kleines Büchlein hat mich immer wieder beschäftigt, es trägt den Titel „Das Rätsel der Menschwerdung“ und es beschreibt die Menschwerdung biologisch-medizinisch. Wie konnte sich der Mensch aus gemeinsamen tierischen Vorfahren von Affen herausgebildet haben? Wie konnte er sich aufrichten? Und was genau macht einen Menschen eigentlich aus? 
Das Rätsel der Menschwerdung. Was macht den Menschen aus? Wie lerne ich laufen? Wie, wenn ich immer wieder der starken Erdanziehungskraft unterworfen sein werde? Wie richte ich mich dann immer wieder auf? Was macht dabei mich, den Christenmenschen, aus? 
Wie war das bei der Astronautin? Mit einer gewaltigen Kraftanstrengung richtete sie sich langsam auf, vom Kriechen über das Knien zum Stehen und Gehen und geht schließlich aufgerichtet langsam ans Land. 
Für mich löst sich das Rätsel so: Die Menschwerdung ist für mich mit einer lebensbejahenden, selbstbejahenden und menschenfreundlichen Haltung verbunden, die sich auch bei großen Rückschlägen nicht entmutigen lässt. Die dem, was vor Augen ist, widersteht, gerade im Blick auf eine tiefere Wirklichkeit. Hoffnung und ein freundlicher Blick auf den anderen, Mitmenschlichkeit machen dabei für mich den Menschen aus. Wasser ist dabei für mich als Christ*in so etwas wie das Medium des Neugeborenwerdens. Taufe und Neubeginn bringen den Christen, die Christin dabei in immer weiterführenden Zyklen und bringen sie spiralförmig immer wieder weiter. Eröffnet ihm und ihr neue Hoffnungsräume. Gnadenzuspruch und der Neuanfang in jedem Gottesdienst immer wieder neu. Amen.  

Vier Fragen zur Predigtvorbereitung an Julia Neuschwander

1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Für mich ist die mitreißende Freude der nachösterlichen Freudenzeit besonders prägend für diesen Sonntag. Ein klassischer Predigtgottesdienst mit Tauferinnerung wäre ein guter Rahmen für diese Predigt, vielleicht verbunden mit einem Symbol, einer Aktion zur Tauferinnerung, auf jeden Fall mit Liedern, die die Erneuerung und Freude wie bei einem Neubeginn unterstreichen. 

2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Der Lebenswille der gestrandeten Astronautin aus dem Film „Gravity“, wie sie sich in der letzten Szene voller Lebenswillen mühsam aus dem Wasser hervorhebt und nicht locker lässt, bis sie aus dem See ans Ufer geht.  

3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Dass es bei allem, was mich umgibt, sei es Bedrohliches, Erschreckendes, Überraschendes,  eine andere, stärkere Wirklichkeit dahinter gibt, die Heilvolles und Leben für die Zukunft für mich bereithält. 

4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Ich habe mich auf die spannendsten Gedanken rund um Taufe und Tauferinnerung konzentriert und weitere Gedanken für eine andere Gelegenheit beiseite gelegt. Das Zitat von Hartmut Rosa kam durch den Austausch hinzu. 

Perikope

Ich bin mein GastfreunD - Predigt zu 1Petr 4,7-11 von Elisabeth Tobaben

Ich bin mein GastfreunD - Predigt zu 1Petr 4,7-11 von Elisabeth Tobaben
4,7-11

Liebe Gemeinde!

„Ich bin GastfreunD“ steht auf dem T-Shirt der jungen Frau, die mir morgens beim Joggen am Strand entgegenkommt.
Dass es das noch gibt, so lange nach der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland! Damals sollte diese Initiative im Vorfeld der WM die Stimmung im Land verbessern und den Gästen aus aller Welt, Spielern wie Fans signalisieren: Wir freuen uns, dass Ihr da seid, ihr seid gern gesehen bei uns.
Mir war tatsächlich neu, dass es diese Initiative offenbar immer noch gibt, viele Jahre nach dem großen Erfolg des „Sommermärchens“.
Die Joggerin erzählt, dass sie ihr T-Shirt erst vor kurzem online bestellt habe. Man könne auch Seminare belegen zum Thema „Gastfreundschaft“ oder sich beraten lassen, wie man z.B. seinem Unternehmen ein möglichst gastfreundliches Outfit gibt. Die Initiative lädt ein, die eigene Haltung zu überprüfen, Grundlagen und Gebote der Gastfreundschaft zu lernen.

Auch in dem Text aus dem 1.Petrusbrief, der uns heute zum Nachdenken vorgeschlagen ist, spielt die Aufforderung zur Gastfreundschaft eine ziemlich wichtige Rolle:

Das Ende aller Dinge ist nahe. Seid also besonnen und nüchtern und betet! Vor allem haltet fest an der Liebe zueinander; denn die Liebe deckt viele Sünden zu. Seid untereinander gastfreundlich, ohne zu murren. Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der Gabe, die er empfangen hat. Wer redet, der rede mit den Worten, die Gott ihm gibt; wer dient, der diene aus der Kraft, die Gott verleiht. So wird in allem Gott verherrlicht durch Jesus Christus. Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen (1. Petrus 4, 7-11)

„Was würdest du tun“, so wurde zur Zeit der ganz frühen Kirche ein frischgebackener Christ gefragt, „was würdest du tun, um einen Heiden vom christlichen Glauben zu überzeugen?“ Und er soll geantwortet haben: „Ich würde ihn bei mir wohnen lassen.“
Andere aufnehmen in die eigene Wohnung, das eigene Leben eine Zeit lang mit ihnen zu teilen – dadurch hofft er, andere überzeugen zu können. Er ist bereit, sich in die Karten gucken zu lassen, damit andere Menschen erleben können, wie in diesem Haus, in dieser Familie, dieser Gemeinde Glaube gelebt wird. Sie können die Formen des Umgangs miteinander kennen lernen, vielleicht ein Tisch- oder Abendgebet, ein Lied, das Engagement für andere. Das ist natürlich nicht ganz ohne Risiko – für beide Seiten! Bei so viel Nähe bleibt es nicht aus, dass die Gäste auch all das andere zu sehen bekommen, was eben gerade nicht so klappt. 

Eine besondere Situation ist es, wenn Gäste, wie bei uns in den Feriengebieten, viel Geld dafür bezahlen, dass sie hier zu Gast sein können. Insulanerkinder lernen früh, dass die Gäste nicht gestört werden dürfen. Die Mittagsruhe ist penibel einzuhalten, und alle Fremden sind äußerst höflich zu behandeln.
Alle, die bei uns auf der Insel mit Vermietung zu tun haben, können ein Lied davon singen! Ein älterer Insulaner erzählte immer gern die herrliche Geschichte, dass sein Opa früher aus dem Kellerfenster geklettert sei, um den Hausgästen nicht zu begegnen und sie womöglich begrüßen zu müssen.
Natürlich gibt es mitunter auch schwierige Gäste. Da kommt es schonmal vor, dass einer mit seinen Badetüchern vom Strand Berge von Sand ins Haus schleppt.

„Gastfrei ohne Murren …“? Das ist, vor allem jetzt, gegen Ende der Saison, gar nicht so einfach. Die Toleranz wird auf eine harte Probe gestellt, wenn Gäste z.B. in der Ferienwohnung alle Möbel umgestellt und leider vergessen haben, alles wieder zurück zu räumen. Oder der Kühlschrank ist bei der Abreise voller nicht mehr ganz frischer Lebensmittel, und mit dem Sand im Pensionszimmer  könnte man eine Sandburg bauen. Mitarbeiterinnen in Hotels und Ferienwohnungen stehen unter hohem Druck und müssen sich dann manchmal Luft verschaffen.
Und nun gar noch jemanden aus missionarischen Gründen bei sich aufnehmen, um ihm den Glauben nahezubringen?

Nun war die Situation zu der Zeit, als der 1. Petrusbrief geschrieben wurde, natürlich ein bisschen anders als heute.
Wenn Christen wegen ihres Glaubens verfolgt wurden und flüchten mussten, hatte sie noch keine Möglichkeit, in einem andern Land politisches Asyl zu beantragen. Sie waren darauf angewiesen, dass Gemeinden woanders sie bei sich aufnahmen.
Es konnte auch keiner einfach schnell online ein Hotelzimmer buchen, wenn er eine Reise machen wollte. Außerdem gab es natürlich noch keine Kirchen und Gemeindehäuser. Die ersten Gemeinden waren darauf angewiesen, dass Menschen ihre Häuser zur Verfügung stellten für Gottesdienste und Zusammenkünfte.
Abgesehen davon, dass man nicht weiß, wie leicht oder schwer solche Richtlinien zu erfüllen sind, ist die Liste der Ratschläge aus dem 1. Petrusbrief recht einleuchtend: Ganz selbstverständlich gastfreundlich sein, die jeweiligen Talente und Begabungen einbringen, nüchtern und besonnen sein und beten, und über allem: Festhalten an der Liebe. Und man könnte meinen, es verstehe sich in einer christlichen Gemeinde eigentlich fast von selbst.

Gastfreundschaft kann auch zu äußerst überraschenden Erfahrungen führen. Leute, die zu Besuch kommen, zeigen sich vielleicht interessanter als erwartet, bringen neue Anregungen mit und erzählen spannende Geschichten. Echte Freundschaften können aus anfangs flüchtigen Begegnungen entstehen. Nun ist der heutige Sonntag im liturgischen Kalender auch der Michaelistag, der „Tag des Erzengels Michael und aller seiner Engel“. Im Hebräerbrief gibt es eine interessante Verknüpfung, dort wird auch zur Gastfreundschaft aufgerufen, mit dem Hinweis: „ …viele haben ohne ihr Wissen Engel beherbergt.“ Wie schön, wenn einem ein Gast zum Engel wird!

Überraschend mag uns heute die Begründung vorkommen, von der der Verfasser des 1. Petrusbriefes ausgeht: „Das Ende aller Dinge ist nahe.“ Nüchterne, sachliche Einschätzung der Sachlage, tun, was „dran“ ist, das ist nach meiner Beobachtung genau das, was ein großer Teil von Menschen angesichts so vieler Krisen gerade nicht mehr hinkriegt. Sie denken dann bei der Rede vom Ende eher an Endzeitszenarien und entwickeln Weltuntergangsstimmungen. Menschen werden in Angst und Schrecken versetzt und sind mitunter unfähig überhaupt irgendwas zu tun. Schlaflose Nächte, Alpträume und Existenzängste können die Folge sein.
Wer extrem mit ihren eigenen Ängsten und Befürchtungen beschäftigt ist, der fehlen in der Regel die Kräfte für ein soziales oder kulturelles Engagement. Das Rückzugsbedürfnis steigt. In solchen Zeiten kann einen die Vorstellung, auch noch Gäste beherbergen zu sollen, völlig überfordern. Womöglich verstärkt sich die Panik sogar noch, wenn es sich um Menschen handelt, die gar nicht freiwillig zu uns kommen, sondern durch Krieg und Verfolgung aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Denn wo würden wir Zuflucht finden, wenn uns das passieren sollte?

Mit Bedacht setzt der Briefschreiber vor die weiteren Empfehlungen den Aufruf: Seid nüchtern und besonnen und betet.
Das ist der Rat, sich gerade nicht mit hineinziehen zu lassen in eine allgemeine lähmende Untergangsstimmung und panische Reaktionen. Denn das Ende ist nah – das klingt ja zunächst mal wie eine Zeitansage, wie: nicht mehr lang, sehr bald. Aber handelt es sich denn wirklich um eine Zeitangabe? Ich denke, dem Verfasser des 1. Petrusbriefes geht es vielmehr um eine qualitative, inhaltliche Veränderung.
Das griechische Wort, das vielfach mit „Ende“ übersetzt wird, kann auch „Ziel“ heißen. Es ist das, was der ratlose junge Mann im Evangelium sucht, als er nach ewigem Leben fragt. „Himmelreich“ heißt es oft in den Gleichnissen, die Jesus erzählt. Das, was vorne liegt, strahlt so viel Hoffnung aus, dass Kräfte mobilisiert werden für das gegenwärtig Nötige und sachlich Richtige.

Stellen wir uns einen Augenblick vor, der Ermutigungsversuch des Petrusbriefes sei auf so richtig fruchtbaren Boden gefallen. Der Gemeinde sei es tatsächlich gelungen, gastfrei zu sein ohne murren. Alle hätten ihre Talente wirklich entdecken, entfalten und zum Wohl aller einsetzen können und wären selbst dabei aufgeblüht! Leute, die phantastisch reden konnten, hätten gerlernt, in sich hineinzuhorchen, auf Gott zu hören und sein Wort zum Fundament ihrer Rede zu machen.Und denen, die diakonisch tätig waren, hätte man angesehen, dass sie ihren Dienst aus der Kraft Gottes taten. Was hätte das für eine Strahlkraft! Es wäre eine Art Vorschau von  dem, was Jesus mit „Himmelreich“ beschreibt. Für mich macht es sich fest an der Art und Weise, wie Jesus selbst auftritt, wie er mit Menschen umgeht, sich ihnen zuwendet uns sie auf den richtigen Weg bringt. Einfach dadurch, dass er da ist, tröstet, heilt und zurecht bringt, ist diese Welt eine andere geworden, in ihm ist das Himmelreich schon angebrochen. Christus ist nahe, und damit ist  jetzt schon alles anders geworden

Viele Geschichten der Bibel malen uns Christus gastfreundlich vor Augen. Da wird erzählt, wie er Menschen einlädt, ihm zu folgen. Oder er holt den Zöllner Zachäus von seinem Beobachtungsposten auf einem Maulbeerbaum herunter und lädt sich bei ihm ein. Ein interessanter Gedanke, finde ich, dass er so als Gast irgendwie doch zum Gastgeber wird für die vielen, die mitfeiern, weil Zachäus ein neues Leben beginnt.

Mit anderen gastfreundlich umzugehen, das wird am besten gelingen, wenn man auch mit sich selbst gastfreundlich umgehen kann. Bei Benedict von Nursia habe ich den Gedanken der Gastfreundschaft im Umgang mit sich selbst gefunden. Um gastfrei sein zu können, brauchen es – in seinem Fall: die Nonnen und Mönche –, dass sie ihrem Leib die nötige Erholung gönnen, ihrer Seele Atemräume eröffnen, und dass sie ihren Geist lehren sich frei zu erheben.
Gastfreundschaft üben im Umgang mit sich selbst heißt für ihn auch: dass man nicht vor sich selbst davonrennt, sich nicht in Hektik verliert, sondern bei sich einkehrt, Stille übt und gütig wird, nüchtern und besonnen. Du bist dir selbst ein Unbekannter, sagt Benedict, aber lass ihn, diesen Fremden, der aus dir auf dich zukommt, bei dir ein.

Das wäre dann die Variante: „Ich bin mein GastfreunD“.

Wie schön, dass der Text aus dem Petrusbrief mit einem Loblied schließt! Es klingt wie der Schlusschor eines großen Oratoriums: „Denn sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit! Amen.“

Vier Fragen zur Predigtvorbereitung an Pastorin i. R. Elisabeth Tobaben

1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Ich habe die Inselkirchengemeinde auf Juist vor Augen. Einheimische sind um diese Zeit noch intensiv mit der Betreuung ihrer Gäste beschäftig, sodass die Gemeinde überwiegend aus Urlauberinnen und Urlaubern besteht. Die Herbstferien beginnen in den ersten beiden Bundesländern erst an diesem Wochenende, deswegen ist davon auszugehen, dass vorwiegend Gäste auf der Insel sind, die nicht auf Schulferien angewiesen sind.

2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Es war anregend, über Gastfreundschaft nachzudenken im Zusammenspiel zwischen Urlaubsgemeinde heute und in der Zeit des 1. Petrusbriefes, besonders im Hinblick auf das Murren.

3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Ich möchte die Idee ‚Christus als Gastfreund‘ weiter verfolgen und weitere neutestamentliche Texte aus dieser Sicht betrachten.

4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Ich habe den ursprünglichen Text erheblich gekürzt, dafür etwas intensiver über das Murren nachgedacht und versucht, Ende und Ziel als Grundlage für nüchternes Handeln zu bedenken. Da der 29. September auch der Michaelistag ist, kam mir der Hinweis meines Coachs auf die unfreiwillige Beherbergung von Engeln sehr entgegen.

Perikope
29.09.2024
4,7-11