Einfach heil aus zwei Kränkungen und drei Überraschungen - Predigt zu Jeremia 14, 1-9 von Markus Kreis
14,1-9

Liebe Gemeinde,

Sommer 2018. Hitzewelle. Viel zu wenig Wasser im Sommer. Eigentlich soll der eher sintflutartige Regengüsse bringen. Trockenheit. Dürre. Klimaerwärmung. Eisbären, Singvögel, Insekten: Sind laut Experten am Aussterben. Die Menschheit auch? Eine Arche scheint jedenfalls nicht in Aussicht. Oder besser: ein schön klimatisiertes Raumschiff.

Jeremia schildert eine Wetterkatastrophe. Die Natur leidet samt ihren Geschöpfen unter fehlendem Wasser. Alle seine Quellen in Himmel und Erde sind versiegt. Bleiben trocken. Warum? Jeremia stellt diese Frage gar nicht. Trotzdem beantwortet er sie. Das ergibt sich aus seiner Rede:

Ach, HERR, wenn unsre Sünden uns verklagen, so hilf doch um deines Namens willen! Denn unser Ungehorsam ist groß, womit wir wider dich gesündigt haben.

Wassermangel und trockene Quellen, sowohl auf Erden als auch im Himmel – das soll ein Zweites bebildern: Die Menschen sind abgeschnitten von Gott als Quelle. Oder gehen zu falschen Quellen, die dem Leben feind sind. Die Wassernot bebildert schlicht und einfach die Sünde. Die Tatsache, dass die Menschen von Gott getrennt sind. Dass sie Gott weder hören noch ansprechen.

 

Jeremia tut eines nicht bei seiner Rede von Sünde. Er benennt keine einzelnen sündigen Taten. Punktum: Mensch und Gott sind voneinander getrennt, das muss genügen. Die Karre ist insgesamt verfahren. Es geht nicht nur ums Lenken oder Ziehen oder Schieben oder Bremsen. Es geht um das Ganze, nicht um das ein oder andere Bewegen oder Stehen.

Die Menschen sind von Gott getrennt. Das scheint damals der Fall gewesen zu sein. Sündenbekenntnis, das heißt zur guten Quelle zu gehen. Da die Hitzewelle extrem lang andauerte, ist wohl kein Mensch auf diese Idee gekommen. Außer dem einen: Jeremia. Er wendet sich der guten Quelle zu: Gott.

Jeremia fühlt sich von seinen Sünden verklagt, wie seine Landsleute. Wohl gemerkt: Nicht von Gott sieht er sich angeklagt. Ein anderes bringt ihn vor den Richter. Seine Sünden verklagen ihn. Also etwas, das Teil seines Lebens ist. Sprich durch sein eigenes altes Leben. So alt, dass es ihm fast fremd vorkommt. Nicht mehr wie sein eigenes. Seine Vergangenheit zerrt seine Gegenwart vor Gericht. Und Jeremia nimmt an, dass es vielen anderen genauso geht.

Jeremia spricht es nicht offen aus. Er erlebt einige Leute seiner Zeit anders. So nach dem Motto: Sünde? Gibt’s doch gar nicht! Oder wenn, dann sind es immer nur die anderen. Was natürlich umso mehr empört. Falls Sie eine Übereinstimmung mit der Gegenwart sehen, ist das rein zufällig und liegt keinesfalls in der Absicht des Autors.

Sich im Streit mit dem Leben hinter sich zu sehen.Ich weiß nicht, wie Sie das sehen. Ich vermute, Sie kennen das. Haben es bei anderen bemerkt. Oder selbst mal erlebt.Was mich angeht, ich kenne das: Die Vergangenheit bedrängt die Gegenwart.

Sowie bei Eltern, die ahnen, etwas falsch gemacht zu haben, wenn sie sehen, was ihre Kinder als Erwachsene so treiben. Böse Überraschung. Oder wie ein Schüler vor der Abschlussprüfung. Bisher glaubt er, mit der Methode Vier gewinnt alles im Griff zu haben. Doch jetzt muss er sich fragen: Hab ich mein Können richtig eingeschätzt? Böse Überraschung. Bilanz ziehen – und bemerken, dass sie längst nicht so gut ausfällt, wie wir meinten.  

Jeremias Annahme kränkt. Mit ihr konfrontiert, drängt es einen zu entgegnen: Ich bin doch mündig. Weiß, mich vor bösen Überraschungen zu schützen. Bin dagegen gefeit. Bisher hat die Bilanz immer gestimmt. Ich bin doch nicht blöd. Weiß, mit so was umzugehen. Bösen Überraschungen aus dem Weg zu gehen.

Jeremias Annahme kränkt. Wie dann mit dieser Kränkung umgehen? Gegenangriff? Gehorsam? So tun, als wär nix? Das alles hält die Natur für den Fall eines Angriffs bereit. Und Jeremias Sätze greifen an. Böse Überraschung.  

Was bleibt übrig? Die einzig echte und gute Überraschung ist dann: Ich überrasche mich selbst. Mit einem echten Sündenbekenntnis. Und spreche gehorsam, gekränkt oder nicht: 7 Ach, HERR, wenn unsre Sünden uns verklagen, so hilf doch um deines Namens willen! Denn unser Ungehorsam ist groß, womit wir wider dich gesündigt haben.

Wie bitte? Gehorsam? Wieder mal zu allem Ja und Amen sagen? Auch zur Gottesvergiftung? Dazu ein Beispiel aus der Bibel.

  

Jesus verlässt Israel und geht in den heutigen Libanon. Da kommt eine Libanesin zu ihm und fordert lautstark Jesus auf, ihre kranke Tochter zu heilen. Jesus wehrt sie ab mit den Worten: Ich bin nur für die Israeliten da. Die Frau lässt sich nicht abspeisen, worauf Jesus sagt: Es ist nicht fein, dass man den Kindern ihr Brot nehme und vor die Hunde werfe. Die Frau erwidert: Ja Herr, aber doch essen die Hunde von den Krümeln, die von ihrer Herren Tische fallen. Und Jesus antwortete und sprach zu ihr: Frau, dein Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst! Und ihre Tochter wurde gesund zu derselben Stunde.

Die Frau reagiert auf Jesu Kränkung mit Gehorsam: Sie nimmt das Etikett Hündin an. Obwohl es sie kränkt. Obwohl Jesu Anwurf sie vom Heil weg rückt. Und gewinnt gerade so das Heil, das sie sich wünscht. Und verliert das Etikett. 

Falls es einem so ergeht: Jeremia wirbt für genau diesen Gehorsam. Sieh Deinen Ungehorsam ein, Dein Ungenügen. Steh´ zu Deiner insgeheimen Kränkung. Wende Dich Gott zu. Erbitte und erhoffe seine Zuwendung. Die mit Macht und unwiderstehlich Kränkung überwindet. Dich glauben macht, dass Dir selbst in der Kränkung nur Gutes von Gott widerfahren wird. Mach ´es wie Jeremia.

Und das bedeutet gute Überraschung Nummer zwei. Lass Deinem Frust freien Lauf. Wenn es Dir, anders als der Libanesin, an Wortwitz fehlt – mach´ es noch mal wie Jeremia: Kränke als Gekränkter Gott. Gehe wie Jeremia Gott hart an, wenn er zu lange braucht. Wettere mit Gott und beschimpfe ihn. Wenn die Wendung zum Guten die Geduld überstrapaziert. 8 Du bist der Trost Israels und sein Nothelfer. Warum stellst du dich, als wärst du ein Fremdling im Lande und ein Wanderer, der nur über Nacht bleibt? 9 Warum bist du wie einer, der verzagt ist, und wie ein Held, der nicht helfen kann?

Was Jeremia hier formuliert, das klingt ein bisschen nach politischer Wutrede. Gott lebt im Untergrund. Wie ein Gesetzloser. Gott verdrückt sich heimlich, wenn es drauf ankommt. Ein Versager, der nicht zu seinem Wort steht. Ein hilfloser Helfer. Der sozusagen David ohne Schleuder antreten lässt. Und Noah ohne Arche. Jeremia geht Gott hart an nach dem Motto: Du forderst nur, ohne das dazu Notwendige zu geben.

Jeremia kränkt Gott mit seinen Sprüchen. Er weiß, was er tut. Denn Gott geht mit Kränkung anders um als Menschen. Die fühlen sich angegriffen, sind oft beleidigt, ziehen sich zurück. Oder schlagen zurück. Gott spielt nicht die beleidigte Leberwurst.

Gott lässt die Kränkung nicht auf sich sitzen. Gott hat Humor und Wortwitz wie die Libanesin. Er münzt wie sie die Kränkung um. Jesus kränkt die Frau, indem er sie als Hündin bezeichnet. Sie weist das nicht zurück. Die Frau unterwirft sich diesem Etikett. Und nutzt es zu ihren Gunsten. Ja, ich bin eine Hündin. Und wie die bekomme ich jetzt grad mal was Gutes von Dir ab. Und so geschieht es.

Den Anwurf: Du forderst und beschämst nur! Ohne mir das dazu notwendige zu geben! Das lässt Gott nicht auf sich sitzen. Er hört auf dieses Etikett, nimmt es an. Zugleich will er so nicht gesehen werden. Er will seinem Gegenüber nichts schuldig bleiben. Und das heißt: Er tut das Notwendige. Er gibt Gutes. Damit Schluss ist mit den Anwürfen. Damit er Gutes zurückbekommt.

 

Jeremia kränkt Gott mit seinen Sprüchen. Das Beschimpfen packt Gott bei seiner Ehre. Und zeigt an, was Gott tun könnte. Und zwar angesichts dessen, was Gott schon Gutes getan hat. Das heißt vor allem: Gott, erneuere Du Deinen Bund mit mir. Denn ich schaffe es ja nicht. Tu du das Deine, wenn ich das Meine nicht fertig kriege. Und bloß noch blind und fahrig im Leben herumeiere.

Einfach Heil aus zwei Kränkungen und drei Überraschungen. Wenn es denn mal geschieht: Fühle Dich ruhig gekränkt. Überrasche Dich dabei selbst mit einem Sündenbekenntnis. Kränke Gott. Überraschung Nummer zwei. Denn der lässt die Kränkung nicht auf sich sitzen. Überraschung die dritte. Er bleibt einem nichts schuldig. Gott gibt das, was an Gutem fehlt. Er tut alles, um Anwürfe zu entkräften. Um sie in Lob und Dank zu verwandeln. Amen. 

Vier Fragen zur Predigtvorbereitung an OStR Markus Kreis

1.    Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Hier kann ich – nur? – auf meinen inneren Hörer verweisen. Da ich an einer Berufsschule für Energie- und Informationstechnik unterrichte, hat mein Bild der SchülerInnen sehr wahrscheinlich unbewusst mitgewirkt.


2.    Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Die Idee, dass der biblische Autor ‚gesampelt‘, also seinen Hitzewelletext auf Basis des Sintfluttextes formuliert hat. In der Folge: die eindrückliche Schilderung der Sintflut sowie die Erweiterung auf all das, was Gottes Bundestätigkeit einschließt.


3.    Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Wenn Gott von Menschen gekränkt wird, dann zeigt er ihnen sein wahres Gesicht, das „absolut“ menschenfreundlich ist.

4.    Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Ich habe abstrahierende durch narrative Formulierungen ersetzt sowie Textelemente mit Irritationspotential für die Leser-/Hörerschaft gestrichen oder umformuliert. Außerdem habe ich der semantischen Spur der biblischen Textvorgabe den Vorrang eingeräumt, Anspielungen reduziert und auf die adressatengerechte Verwendung von Personalpronomina geachtet.

Perikope
19.01.2020
14,1-9