Einmal ist es zu spät – darum kommt, denn es ist alles bereit!
(In der Lutherbibel ist der Text überschrieben mit "Das große Abendmahl") 15 Als aber einer das hörte, der mit zu Tisch saß, sprach er zu Jesus: Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes! 16 Er aber sprach zu ihm: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein. 17 Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist alles bereit! 18 Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. 19 Und der zweite sprach: Ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. 20 Und der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen; darum kann ich nicht kommen. 21 Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein. 22 Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da. 23 Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde. 24 Denn ich sage euch, dass keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl schmecken wird.
I.
Liebe Gemeinde!
„Kommt, denn es ist alles bereit!“ Das große Fest ist vorbereitet. Die Speisen stehen schon auf dem Tisch. Saftiger Braten, geräucherter Fisch, leckere Beilagen, frisches Obst und kühler Wein sind für die Gäste vorbereitet. Dem Gastgeber selber läuft schon das Wasser im Mund zusammen. Die Musiker stimmen bereits ihre Instrumente. Sie trinken schon einmal ein Glas Wein, um sich selber in Stimmung zu bringen. Der Gastgeber gibt die letzten Anweisungen. Auf einem Tisch soll noch mehr Brot stehen, auf einem anderen mehr Wein. Zudem lässt er noch Fackeln im Garten und Lampen im Haus anzünden. Zum Fest gehört eine Festbeleuchtung, besonders am Abend. Und dann schickt der Gastgeber den Boten los. Der soll nun die Geladenen zu Tisch bitten: „Kommt, denn es ist alles bereit!“
Einst war das so üblich. Einige Zeit vor dem großen Abendmahl hatte ein Bote schon einmal eine Einladung ausgesprochen. Er hatte den Geladenen Zeit und Ort für das Fest mitgeteilt. Offenbar hatte da keiner der Eingeladenen gesagt: „Es tut mir leid! Ich kann nicht kommen!“ So rechnet der Gastgeber fest mit allen, die er eingeladen hat. Doch dann hagelt es kurzfristig Absagen. „Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu entschuldigen.“ Die Gründe klingen vernünftig. Aber sind sie es? Kein Bauer kauft unbesehen einen Acker. Vielmehr wird er vor dem Kauf wissen wollen, wo das Feld liegt und welchen Ertrag es bringt. Auch der zweite Landwirt hat sicher die fünf Ochsengespanne vor ihrem Erwerb begutachtet. Wozu muss er sie nun ein zweites Mal anschauen? Und schließlich der dritte der Eingeladenen: Er hat vor einiger Zeit geheiratet. Er hätte seine Frau zum Fest mitbringen können. Doch entscheidet er sich anders und bleibt mit ihr zu Hause.
In der Tat – auf die Entscheidung kommt es an! Es geht um die Frage: Welche Freude ist mir wichtiger? Die Freude am erworbenen Land, die Freude am Fuhrpark, also am Besitz? Die ehelichen Freuden? Oder ist mir die geteilte Freude wichtiger? Das gemeinschaftliche Miteinander? Denn eines ist klar: Das Fest kann nur gelingen, wenn die Eingeladenen kommen. Die Eingeladenen, die absagen, haben sich gegen das Miteinander entschieden. Sie haben sich für ihre eigene, stille Freude entschieden.
Nun könnte man fragen: Wo ist das Problem? Die beiden Bauern haben für den Besitz, den sie erworben haben, hart gearbeitet. Warum sollen sie sich nicht an ihrem Erfolg freuen? Zudem werden die Früchte, die auf dem gerade erworbenen Acker wachsen, Menschen ernähren. Mit den neuen Ochsengespannen, die Lasten ziehen, werden Waren transportiert oder Felder bestellt. Und der Mann, der bei seiner Frau bleibt, sorgt dafür, dass das Leben weitergeht. In neun Monaten werden sich alle darüber freuen. Auch vermeintlicher Egoismus kann Folgen haben, die der Gemeinschaft dienen.
Und doch endet das Gleichnis, das Jesus erzählt, schroff. Der Gastgeber aus dem Gleichnis erteilt denen, die ihre Teilnahme an seinem Fest abgesagt haben, seinerseits eine Absage: „Denn ich sage euch, dass keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl schmecken wird.“
II.
Diese schroffe Absage kann erschrecken. Doch genau das meint das Gleichnis Jesu: Einmal ist es zu spät! Es ist möglich, den Zeitpunkt für ein gelingendes Miteinander zu verpassen! Gerade die Leistungsträger in einer Gesellschaft laufen Gefahr, diesen Zeitpunkt zu versäumen. Sie sind mit ihren Geschäften beschäftigt. Darüber verlieren sie das Ziel aus den Augen: Freude braucht Gemeinschaft. Das Leben gelingt, wenn das Miteinander gelingt. Wer dazu eingeladen worden ist, durch Anwesenheit seinen Teil zum Gelingen dieses Miteinanders beizutragen, kann nicht durch Abwesenheit glänzen. Es stimmt also, was der Volksmund sagt: „Geteilte Freude ist doppelte Freude. Und geteiltes Leid ist halbes Leid!“ Zum Teilen sind dann besonders jene eingeladen, die auch etwas teilen können! Ihre Teilnahme am Teilen ermöglicht anderen erst die Teilhabe!
Einmal ist es zu spät! Die schroffe Aussage am Ende des Gleichnisses Jesu lenkt
schließlich den Blick auf das Reich Gottes. „Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes!“ Das sagt einer zu Jesus. „Gewiss,“ - entgegnet dieser mit seinem Gleichnis - „doch er tut es nicht allein!“ In Reich Gottes sitzen alle am Tisch der Geschwisterlichkeit. Das Miteinander dort ist wie ein Festmahl am Abend. Alles dafür ist vorbereitet. Es wird herzlich dazu eingeladen: „Kommt, denn es ist alles bereit!“ Diese Einladung ergeht vor allem an die Starken. Dass sie eingeladen sind, wird im Gleichnis besonders betont. Denn gerade die Starken, so das Gleichnis, stehen in der Gefahr, das Reich Gottes aus den Augen zu verlieren. Wer viel hat, kann immer sagen: „So schön wie hier, kann es im Himmel gar nicht sein!“
So kommen dann die zum Zuge, die dem in Jesus Christus Mensch gewordenen Gott ohnehin besonders am Herzen liegen. Als der Knecht mit der Kunde zurück kommt, dass keiner der Eingeladenen kommt, heißt es: „Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein.“
Das kommt schon vorher vor. Vor den Worten, die wir hier miteinander bedenken, fordert Jesus dazu auf, zu einem Mahl besonders jene einzuladen, die die Einladung nicht erwidern können. Und dann werden die genannt, die der Knecht nun zu Tisch bittet. Als das Haus immer noch nicht voll ist, schickt der Hausherr seinen Knecht noch einmal los, um die Obdachlosen, die Landstreicher hereinzubitten – und ebenso jene, die ganz am Rande stehen. Es sind die, die an den Zäunen hängen und aufgenommen werden wollen.
III.
„Kommt, denn es ist alles bereit! Schmecket und sehet wie freundlich der Herr ist!“ Diese Einladung hören wir, wenn wir in einem Gottesdienst das Abendmahl feiern. „Kommt, denn es ist alles bereit!“ Wer so zum Abendmahl eingeladen wird, wird immer auch an das große Abendmahl im Reich Gottes erinnert. Das Abendmahl, das wir im Gottesdienst feiern, soll einen Vorgeschmack auf das himmlische und ewige Abendmahl geben. Wir können das Abendmahl im Gottesdienst darum nur feiern, wenn wir die, die am Rande der Gesellschaft stehen oder besondere Hilfe brauchen, nicht aus den Augen verlieren. Jede Teilnahme am Abendmahl erinnert uns daran, dass Teilhabe nur durch teilen möglich wird.
Vielfach geschieht das. So gibt es Vesperkirchen oder Tafeln, die von der Diakonie betrieben werden, um Arme satt zu machen. Es gibt diakonische Einrichtungen für Obdachlose oder kirchliche Einrichtungen für Menschen mit besonderen körperlichen Herausforderungen. Und es gibt, Gott sei Dank, in zahlreichen Gemeinden und diakonischen Einrichtungen Initiativen, um sich der Flüchtlinge anzunehmen, die zu uns kommen.
Die hängen buchstäblich an den Zäunen und wollen aufgenommen werden. Jedenfalls war in Spiegel-online im Oktober des letzten Jahres ein eindrucksvolles Bild zu sehen. Einem spanischen Fotografen war ein verstörendes Foto an der Grenze von Marokko zur spanischen Exklave Melilla gelungen. Afrikanische Flüchtlinge klettern über den Grenzzaun - während dort Golfer ein paar Bälle schlagen.
„Kommt, denn es ist alles bereit!“ Wer dieser Einladung nicht folgt, wer seine Teilnahme am gelingenden Miteinander verweigert, für den schließt sich die Tür zum Reich Gottes. Einmal ist es zu spät! Das will nicht so recht zum vielfach gepflegten Bild vom „lieben Gott“ passen. Das will nicht passen zu der Aussage: „Langmütig und freundlich ist der Herr, geduldig und von großer Güte!“ All das ist Gott. Doch macht das Gleichnis vom großen Abendmahl deutlich, dass auch Gottes Geduld Grenzen kennt. Das hat Folgen. Verpasste Gelegenheiten kommen nicht wieder – auch und gerade, wenn es um Gott und sein Reich geht.
Wir kennen das aus eigenem Erleben. In der Rückschau wird es besonders deutlich. Da sagt sich der eine: „Wenn ich damals anders entschieden hätte, dann hätte ich nicht die Probleme, die ich jetzt habe!“ Oder die andere denkt sich: „Wenn ich ein anderes Fach studiert hätte, stünde ich jetzt ganz anders da!“ Oder ein Verwandter, ein Bekannter, ein Freund ist schwer krank. Man nimmt sich vor, ihn zu besuchen, findet aber wieder einen Grund, es nicht zu tun. Dann ist es zu spät – und so macht man sich Vorwürfe: „O, hätte ich doch!“
Einmal ist es zu spät! Darum verpasst die entscheidenden Gelegenheiten nicht. Nehmt an einem gelingenden Miteinander teil und ermöglicht so die Teilhabe für jene, die am Rande stehen. So seid ihr Zeugen für das Reich Gottes und die Tür dorthin wird für euch weit aufgestoßen. Darum kommt, denn es ist alles bereit! Und seid so das, was Jesus euch verheißen hat: Salz der Erde und Licht der Welt! Amen.